Miet- und Wohnungseigentumsrecht

Formularmäßiger “Dauernutzungsvertrag” für eine öffentlich geförderte Genossenschaftswohnung nach dem Muster des Gesamtverbands der Wohnungswirtschaft e.V.: Auslegung einer Kostenmietklausel hinsichtlich einer Mieterhöhungsmöglichkeit bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete nach Wegfall der Mietpreisbindung

Aktenzeichen  VIII ZR 21/09

Datum:
12.1.2010
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 557 BGB
§ 558 BGB
§ 543 ZPO
§ 552a ZPO
Spruchkörper:
8. Zivilsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Hamburg, 18. Dezember 2008, Az: 307 S 81/08, Urteilvorgehend AG Hamburg-Harburg, 16. Mai 2008, Az: 645 C 105/08nachgehend BGH, 27. April 2010, Az: VIII ZR 21/09, Revision zurückgewiesen

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision des Beklagten gemäß § 552a ZPO zurückzuweisen.

Gründe

1
1. Ein Grund für die Zulassung der Revision liegt nicht vor (§ 552a Satz 1, § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat die Revision unter Hinweis auf § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO (offenbar zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) zugelassen und dies mit der vielfachen Verwendung des Formulars des streitgegenständlichen, vom Gesamtverband der Wohnungswirtschaft e.V. herausgegebenen genossenschaftsrechtlichen “Dauernutzungsvertrages” begründet. Diese Erwägung trägt indessen weder den vom Berufungsgericht genannten Zulassungsgrund noch liegt einer der weiteren im Gesetz genannten Zulassungsgründe vor. Die Rechtssache hat weder grundsätzliche Bedeutung noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.
2
Die Maßstäbe für die Beantwortung der sich hier stellenden Frage, ob der Vermieter einer ursprünglich aufgrund einer öffentlichen Fördermaßnahme preisgebundenen Genossenschaftswohnung nach dem Auslaufen der Förderung und dem Wegfall der Preisbindung eine Zustimmung des Mieters zur Erhöhung der Miete bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete verlangen kann, wenn im Nutzungsvertrag die Preisgebundenheit der Wohnung und die konkrete Fördermaßnahme sowie eine Berechtigung des Vermieters zur einseitigen Mieterhöhung im gesetzlich zulässigen Rahmen erwähnt werden, sind durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hinreichend geklärt (Senatsurteile vom 21. Januar 2004 – VIII ZR 115/04, NJW-RR 2004, 1017, vom 28. April 2004 – VIII ZR 178/03, NJW-RR 2004, 945, vom 14. Juni 2006 – VIII ZR 128/05, NJW-RR 2006, 1383 und vom 7. Februar 2007 – VIII ZR 122/05, NJW-RR 2007, 667; vgl. ferner Schmidt-Futterer/Börstinghaus, Mietrecht, 9. Aufl., § 558 BGB Rdnr. 36).
3
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.
4
Das Berufungsgericht hat bei seiner Entscheidung die Maßstäbe der höchstrichterlichen Rechtsprechung berücksichtigt und im Ergebnis richtig entschieden.
5
a) Der Senat kann die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung revisionsrechtlich uneingeschränkt überprüfen. Zwar ist die Auslegung von Vertragsvereinbarungen – auch bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen (vgl. Senatsurteil vom 21. Januar 2004, aaO, unter II 2) – grundsätzlich dem Tatrichter vorbehalten und vom Revisionsgericht nur eingeschränkt überprüfbar (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Senatsurteil vom 26. Februar 2003 – VIII ZR 270/01, NJW 2003, 2382, unter II 2 a m.w.N.). Finden jedoch individualrechtliche Erklärungen oder Allgemeine Geschäftsbedingungen über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung, so unterliegt ihre Auslegung im Interesse einer einheitlichen Handhabung und damit der Rechtssicherheit der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht (vgl. BGHZ 122, 256, 260 m.w.N.; Senatsurteile vom 21. Januar 2004, aaO, und vom 14. Juni 2006, aaO, unter II 1 c). So liegt der Fall hier, da der streitgegenständliche Formularvertrag vom Gesamtverband der Wohnungswirtschaft herausgegeben wurde und daher davon auszugehen ist, dass er über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung gefunden hat (vgl. für ein vom Gesamtverband Gemeinnütziger Wohnungsunternehmen e.V. herausgegebenes Mietvertragsformular: Senatsurteil vom 14. Juni 2006, aaO).
6
b) Das Berufungsgericht hat den Inhalt des Mietvertrages zutreffend dahingehend ausgelegt, dass die Parteien zwar eine Kostenmiete vereinbart haben (§ 2 Abs. 3 des Mietvertrages), diese Vereinbarung jedoch ebenso wie die in § 1 Abs. 3 Satz 1 des Mietvertrages genannte Preisgebundenheit der Wohnung in einem engen sachlichen Zusammenhang mit der in § 1 Abs. 3 Satz 2 des Mietvertrages genannten Förderung der Wohnung mit Mitteln der Wohnungsbaukreditanstalt zu sehen ist. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht hieraus den Schluss gezogen, dass die Kostenmietklausel nach dem Willen der Parteien auch unter Berücksichtigung des Inhalts der Satzung der Klägerin nicht nach dem Auslaufen der Förderung und dem Wegfall der Preisbindung fortgelten und damit auch nicht die Wirkung einer die Mieterhöhung bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete ausschließenden Vereinbarung nach § 557 Abs. 3 BGB haben sollte.
7
Dass das Berufungsgericht – anders als der Senat im Urteil vom 14. Juni 2006 (aaO) – zu diesem Auslegungsergebnis gelangt ist, ohne eine ergänzende Vertragsauslegung vorzunehmen, vermag der Revision nicht zum Erfolg zu verhelfen. Denn auch die Annahme einer Regelungslücke und deren Ausfüllung nach den im genannten Senatsurteil aufgezeigten Maßstäben würde zu keinem anderen Auslegungsergebnis führen, so dass sich das Berufungsurteil auch insoweit als richtig erweist.
8
3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Ball                                       Dr. Hessel                                 Dr. Achilles
              Dr. Schneider                                    Dr. Bünger
Hinweis:
Das Revisionsverfahren ist durch Zurückweisungsbeschluss vom 27. April 2010 erledigt worden.


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