Aktenzeichen 422 C 14015/18
Leitsatz
1. Das Tatbestandsmerkmal „benötigt“ iSv § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB setzt begrifflich voraus, dass der Vermieter die ernsthafte Absicht hat, die Räume einem Hausstands- oder Familienangehörigen zu überlassen. Hieraus ergibt sich, dass zur Kündigung neben dem Nutzungs-/oder Überlassungswillen ein besonderes Nutzungs-/Überlassungsinteresse hinzutreten muss. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Soll die Wohnung einem Angehörigen überlassen werden, so ist nicht der Nutzungswille des Angehörigen, sondern der Überlassungswille des Vermieters maßgebend. Bei einem fehlenden Nutzungswillen des Angehörigen fehlt es aber ebenfalls am Tatbestand des § 573 Abs. 2 Nr. 2 BGB, weil der Vermieter die Räume auch in diesem Fall nicht „benötigt“. (Rn. 45 – 46) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf € 6.503,64 festgesetzt.
Gründe
A.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts München folgt aus §§ 1 ZPO, 23 I Nr. 2 GVG. Die örtliche Zuständigkeit ergibt sich aus § 29 a I ZPO.
II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Räumung und Herausgabe der streitgegenständlichen Wohnung gemäß §§ 546 I, 542 BGB.
Das Mietverhältnis wurde durch die ausgesprochenen Kündigungen nicht beendet.
1. Mangels Aktivlegitimation ist die Kündigung vom 25.07.2016 unwirksam, vgl. Schmidt/Futterer, Streyl, § 566 Rdn. 117/123.
Der Kläger ist erst am 12.10.2016 gem. § 566 BGB in das Mietrechtsverhältnis zwischen dem Voreigentümer und dem Beklagten eingetreten.
Eine Ermächtigung wurde weder vorgetragen noch wäre eine solche ausreichend, vgl. Schmidt/Futterer, Streyl, § 566 Rdn. 123.
2. Das Gericht konnte vorliegend – auch nach Durchführung der Beweisaufnahme – nicht davon überzeugt werden, dass zum Zeitpunkt der Kündigung am 04.04.2017 der erforderliche konkrete Nutzungswille der Töchter des Klägers vorlag. Im Gegenteil das Gericht ist davon überzeugt, dass zum Zeitpunkt der Kündigung vom 04.04.2017 die erforderliche konkrete Verwendungsabsicht gerade nicht vorlag.
Nach § 573 II Nr. 2 BGB kann der Vermieter das Mietverhältnis bei Eigenbedarf, d.h. wenn er die vermieteten Räume als Wohnung für sich oder seine enden Familienangehörigen benötigt, kündigen.
Das Tatbestandsmerkmal „benötigt“ setzt begrifflich voraus, dass der Vermieter die ernsthafte Absicht hat, die Räume einem Hausstands- oder Familienangehörigen zu überlassen. Hieraus ergibt sich, dass zur Kündigung neben dem Nutzungs-/oder Überlassungswillen ein besonderes Nutzungs-/Überlassungsinteresse hinzutreten muss (Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 5. Auflage § 573 Rn. 95-96).
Soll die Wohnung einem Angehörigen überlassen werden, so ist nicht der Nutzungswille des Angehörigen, sondern der Überlassungswille des Vermieters maßgebend.
Bei einem fehlenden Nutzungswillen des Angehörigen fehlt es aber ebenfalls am Tatbestand des § 573 II Nr. 2 BGB, weil der Vermieter die Räume auch in diesem Fall nicht „benötigt“ (Blank in Blank/Börstinghaus, Miete, 5. Auflage § 573 Rn. 62-71).
Das Gericht konnte vom Vorliegen dieser Voraussetzungen aufgrund der Widersprüchlichkeiten im Sachvortrag bzw. der Zeugenvernehmung nicht überzeugt werden.
Bereits die Angaben in den Kündigungsgründen erfolgten widersprüchlich zum Sachvortrag im Rahmen der Parteianhörung des Klägers oder der Zeugenvernehmung.
Soweit die Zeugin ihren Sachvortag auf Nachfrage des Gerichts änderte, bestätigt sich in diesem Aussageverhalten zum einen für das Gericht, dass zum Zeitpunkt der Kündigungen eben gerade keine konkrete Verwendungsabsicht vorlag. Zum anderen führte dieses Aussageverhalten aber auch zu erheblichen Zweifeln am Wahrheitsgehalt der Aussage bzw. an der Glaubwürdigkeit der Zeugin.
Nach Angabe des Klägers wurde die Wohnung zum Zeitpunkt des Ankaufs konkret dafür gekauft, damit die Tochter … bleiben und studieren konnte. Dies wurde auch von der Zeugin … so bestätigt. In den Kündigungsgründen vom 25.07.2016 wird jedoch ausgeführt, dass die Wohnung für beide Töchter gekauft worden sei und beide Töchter einziehen sollen.
Zum Zeitpunkt der ersten ordentlichen Kündigung am 25.07.2016 zeigte sich die Eigenbedarfssituation wohl auch dahingehend, dass die Tochter ihr … Studium … beginnen wollte und auch eine Wohnung in … suchte bzw. brauchte. Naheliegend ist, dass zu diesem Zeitpunkt sowohl der Überlassungswille des Klägers als auch der konkrete Nutzungswille einer der Töchter bestand. Gekündigt wurde aber bereits in der ersten Kündigung für beide Töchter, obwohl die Zeugin … in ihrer Vernehmung ausführte, dass die Wohnung (zu diesem Zeitpunkt) nur für die Tochter … gedacht war. Erst auf Nachfrage des Gerichts führte die Zeugin dann aus, dass es sich später so entwickelt habe, dass beide Töchter dort einziehen sollten. Auf weitere Nachfrage des Gerichts änderte die Zeugin ihre Aussage dahingehend, dass es auch im Jahr 2016 der Plan gewesen sei, dass die Tochter … hierherkommen soll.
Zusammenfassend widersprachen die Aussagen der Zeugin auch den Kündigungsgründen der Kündigung vom 04.04.2017.
Die Zeugin … führte im Rahmen der Vernehmung aus, dass die Tochter … nachdem es mit der streitgegenständlichen Wohnung nicht klappte nach … ging. Nachdem jetzt aber die andere Tochter … in 6 Monaten fertig wird, kommt die Wohnung für sie in Frage. Die Tochter … will in 6 Monaten hier herkommen.
Das Gericht konnte im Ergebnis weder davon überzeugt werden, dass zum Zeitpunkt der Kündigung am 04.04.2017 der erforderliche konkrete Nutzungs- und Überlassungswille hinsichtlich einer der beiden Töchter bestand, noch dass wie in der Kündigung vom 04.04.2017 ausgeführt, beide Töchter dort einziehen sollten und wollten.
Die Tatsache, dass der Kläger auch im Rahmen der Parteianhörung ausschließlich davon sprach, dass es sein Wille und der seiner jetzigen Frau sei, dass die Töchter in die streitgegenständliche Wohnung einziehen sollen und dabei die Pläne der Töchter gänzlich unerwähnt ließ, verstärkte den Eindruck, des Vorliegens einer Vorratskündigung.
Auch dass mit Schriftsatz vom 18.10.2018 – also wenige Tage vor der Beweisaufnahme – dem Gericht dann kurzfristig mitgeteilt wurde, dass sich die Eigenbedarfspläne verändert hätten, weil die gemeinsame Nutzung der Wohnung durch die Stieftöchter deren Beziehung wohl doch nicht verbessern würde, bestätigen die Zweifel des Gerichts. Insbesondere weil der Kläger im Rahmen der Parteianhörung als Begründung anführte, dass die Tochter … ihr Studium nun in … beenden will.
Auch die weiteren Ausführungen zur Tochter S. waren wenig behilflich das Gericht zu überzeugen.
Es ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, dass obwohl der Ausspruch der Kündigung bereits im Jahr 2017 erfolgte und die Tochter doch nach der streitgegenständlichen Kündigung bereits zum 01.01.2018 in die streitgegenständliche Wohnung einziehen sollte, die Klagepartei bisher weder ausreichend geklärt hatte, ob die jetzt in Frage kommende Tochter … ihr Kunststudium hier tatsächlich fortsetzen kann noch dass in diesem Zeitraum eine Vormerkung oder Anmeldung erfolgte.
III.
Der weitere Sachvortrag der Klagepartei mit Schriftsatz vom 26.10.2018 blieb gem. § 296 a ZPO unberücksichtigt.
B.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 I 1 ZPO.
C.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Rechtsgrundlage in §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
D.
Der Streitwert der Räumungsklage entspricht dem Jahresbetrag der Miete ohne Nebenkosten.