Aktenzeichen M 26 K 15.5270
RBStV RBStV § 4 Abs. 6
Leitsatz
1 Art. 4 Abs. 3 Nr. 3 RBStV kann mangels planwidriger Regelungslücke nicht analog auf Mitbewohner angewendet werden, wenn die Voraussetzungen einer Einstandsgemeinschaft im Sinne von § 19 SGB XII nicht vorliegen. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die in § 4 Abs. 1, Abs. 6 S. 2 und Abs. 7 RBStV vom Gesetzgeber formulierten Befreiungstatbestände folgen einer Systematik, nach der Befreiungen wegen Bedürftigkeit auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle beschränkt werden sollen und Personen mit geringem Einkommen, die keine der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen erhalten, weil sie deren Voraussetzungen nicht erfüllen, nicht dem Härtefalltatbestand des § 4 Abs. 6 S. 1 RBStV zuzuordnen sind. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
III. Die Kostenentscheidung (Nr. II des Urteils) ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Die Klägerin hat keinen Anspruch (§ 113 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) auf Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht gemäß § 4 RBStV.
1.1 Ein solcher Anspruch ergibt sich zunächst nicht aus § 4 Abs. 1 RBStV; keiner der aufgeführten Tatbestände ist vorliegend einschlägig, weil die Klägerin – auch nach eigenem Vortrag – keine solchen Leistungen bezieht bzw. dem Beklagten keine entsprechenden Nachweise vorgelegt hat.
1.2 Eine Befreiung vom Rundfunkbeitrag ergibt sich auch nicht aus § 4 Abs. 3 Nr. 3 RBStV, weil es sich bei der Klägerin und ihrem Bruder nicht um eine Einsatzgemeinschaft i.S.v. § 4 Abs. 3 Nr. 3 RBStV i.V.m. § 19 SGB XII a.F. – handelt.
Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 19 SGB XII a.F., insbesondere von § 19 Abs. 3 SGB XII a.F. sind vorliegend nicht erfüllt, da es sich bei der Klägerin und ihrem Ehemann nicht um den in § 19 Abs. 3 SGB XII a.F. genannten Personenkreis handelt.
Auch eine analoge Anwendung dieser Vorschrift – um das Tatbestandsmerkmal einer Einsatzgemeinschaft zu bejahen – oder des § 4 Abs. 3 Nr. 3 RBStV scheidet aus, weil es hierfür an ein planwidrigen Regelungslücke fehlt. Von ihrem Sinn und Zweck her will die Regelung des § 4 Abs. 3 Nr. 3 RBStV die im Sozialrecht angelegte „Koppelung“ von Vermögen und Einkommen des Leistungsempfängers und anderer Personen auch auf das Rundfunkbeitragsrecht übertragen. Ist die Bewilligung einer Sozialleistung also davon abhängig, dass nicht nur der Leistungsempfänger, sondern auch eine Einsatzgemeinschaft im Sinne des § 19 SGB XII a.F. die einschlägigen Einkommens- und Vermögensgrenzen nicht überschreitet, so sollen umgekehrt auch die in der Wohnung lebenden Mitglieder dieser Einsatzgemeinschaft von der Befreiung profitieren. Zur Beitragsgemeinschaft zählen laut § 19 SGB XII a.F. Ehegatten und Lebenspartner (die aber im Rundfunkbeitragsstaatsvertrag bereits „direkt“ über die § 4 Abs. 3 Nrn. 1 und 2 RBStV erfasst sind) und die Eltern eines ihrem Haushalt angehörenden minderjährigen und unverheirateten Kindes. Die Eltern sollen also von der Befreiung profitieren, wenn umgekehrt auch ihr Vermögen und Einkommen in die gewährte Sozialleistung (und damit ggf. anspruchsmindernd) einberechnet wird.
Diese Voraussetzungen liegen bei der Klägerin aber gerade nicht vor. Ihr Einkommen und Vermögen wurde (als Schwester des Leistungsempfängers) ausweislich des vorgelegten Bescheides des Sozialreferats vom 3. Dezember 2014 nicht in die Berechnung der Leistungsgewährung einbezogen. Zwar wurde der auf die Klägerin entfallende Mietanteil – in ihrer Eigenschaft als „Mitbewohner“ – in der Berechnung ausgewiesen. Dies diente aber rein informatorisch der Veranschaulichung der Berechnungsmethode und ist daher in der entsprechenden Übersicht auch in Klammern gesetzt. Die Berechnung geht schlicht und konsequent davon aus, dass sich mehrere Mieter einer Wohnung die Gesamtmiete gleichmäßig untereinander aufteilen, sprich im vorliegenden Fall jeder ein Drittel der Gesamtkosten zu tragen hat. Eigenes Vermögen oder Einkommen der Klägerin liegt dem Bescheid nicht zugrunde (vgl. dazu ausführlich und weiterführend in einer ähnlichen Konstellation OVG Lüneburg, B. v. 5. August 2015 – 4 LA 53/15 – juris).
1.3 Auch ein besonderer Härtefall gemäß § 4 Abs. 6 RBStV liegt nicht vor. Die in § 4 Abs. 1, Abs. 6 Satz 2 und Abs. 7 RBStV vom Gesetzgeber formulierten Befreiungstatbestände folgen einer Systematik, nach der Befreiungen wegen Bedürftigkeit auf durch Leistungsbescheid nachweisbare Fälle beschränkt werden sollen und Personen mit geringem Einkommen, die keine der in § 4 Abs. 1 RBStV genannten Sozialleistungen erhalten, weil sie deren Voraussetzungen nicht erfüllen, nicht dem Härtefalltatbestand des § 4 Abs. 6 Satz 1 RBStV zuzuordnen sind. Eine atypische, vom Normgeber versehentlich nicht berücksichtigte Bedarfslage, die durch Anwendung der Härtefallregelung ihren Ausgleich finden soll, liegt dann nämlich nicht vor (vgl. dazu weitergehend VG München, Gerichtsbescheid v. 9.2.2016 – M 26 K 15.2213 – juris).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO. Für Verfahren zur Befreiung von der Rundfunkbeitragspflicht werden keine Gerichtskosten erhoben (BVerwG, Beschluss vom 20. April 2011 – 6 C 10/10 -, juris). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.