Steuerrecht

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Aktenzeichen  B 4 K 18.589

Datum:
26.8.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 43424
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Bayreuth
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AbwAG § 1
AbwAG § 4 Abs. 1
BayAbwAG Art. 6
AbwV § 6
BayAbwAG Art. 11
BayVwVfG Art. 35

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Abgabebescheid des Beklagten vom 08.05.2018 ist gemäß § 113 Abs. 1 Satz1 VwGO nicht aufzuheben, weil er rechtmäßig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt.
Rechtsgrundlage für den Bescheid ist § 1 Satz 1 AbwAG in Verbindung mit der der Klägerin erteilten wasserrechtlichen Erlaubnis. Nach § 1 Satz 1 AbwAG ist für das Einleiten von Abwasser in ein Gewässer im Sinne des § 3 Nr. 1 bis 3 WHG eine Abwasserabgabe zu entrichten. Die Klägerin ist als Einleiterin abgabepflichtig, § 9 Abs. 1 AbwAG.
Die Abwasserabgabe richtet sich gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 AbwAG nach der Schädlichkeit des Abwassers, die unter Heranziehung der dort genannten Faktoren in Schadeinheiten bestimmt wird. Grundsätzlich errechnet sich die der Ermittlung der Zahl der Schadeinheiten zugrundeliegende Schadstofffracht gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AbwAG nach den Festlegungen des die Abwassereinleitung zulassenden Bescheides. Dies ist hier der wasserrechtliche Erlaubnisbescheid vom 30.05.2006, in dem der Schadstoffparameter für Phosphor (Pges) auf 3 mg/l festgesetzt ist.
Zwischen den Beteiligten ist einzig die Frage streitig, ob der Änderungsbescheid vom 11.04.2016 den im wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid vom 30.05.2006 festgelegten zulässigen Schadstoffparameter für Phosphor (Pges) von 3 mg/l rückwirkend zum 01.05.2013 auf 5 mg/l erhöht hat. In diesem Fall würde der am 06.10.2015 erhobene Messwert von 5,7 mg/l eine einmalige Überschreitung des Grenzwerts darstellen, der gemäß § 7 Abs. 2 AbwAG, Art. 6 BayAbwAG i.V. m. § 6 Abs. 1 AbwV und Ziffer III 1b) letzter Absatz des Bescheids vom 30.05.2006 als eingehalten gelten würde (sog. „4-aus-5-Regel“) und die Abgabefreiheit zur Folge hätte.
Nach Meinung der Klägerin ist aus ihrem Antrag vom 29.04.2013 auf Erhöhung des Wertes für Phosphor ab dem 01.05.2013 sowie aus der Begründung des Bescheids, dass die Ziff. III 1b) „antragsgemäß“ geändert wurde, zu schlussfolgern, dass die Erhöhung rückwirkend zum 01.05.2013 wirksam wurde.
Diese Meinung teilt die Kammer nicht. Der Änderungsbescheid vom 11.04.2016 enthält keine rückwirkende Erhöhung des Schadstoffparameters für Phosphor (Pges) auf 5 mg/l.
Für die Beurteilung des Inhalts und des Erklärungswerts eines Verwaltungsakts im Sinne des Art. 35 BayVwVfG ist grundsätzlich der Empfängerhorizont maßgeblich, d.h. es kommt darauf an, wie der Adressat den Verwaltungsakt nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der bekannten und erkennbaren Umstände verstehen musste bzw. durfte (Kopp/Ramsauer, VwVfGKommentar, 19. Aufl. 2018, Rn. 54f. zu § 35).
Die Ziffer I des Bescheids vom 11.04.2016 lautet:
„Der Bescheid des Landratsamtes B … vom 30.05.2006 Nr. 2/22-6323, geändert mit Bescheid vom 03.08.2015 FB44-6323, wird wie folgt geändert:
1. Ziffer III Nr. 1 b) erhält folgende Fassung: …
b) Folgende Werte sind am Ablauf der … von der qualifizierten Stichprobe einzuhalten: … Phosphor (Pges) 5 mg/l.“
Grundsätzlich wird ein Verwaltungsakt in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er dem Adressaten bekanntgegeben wird (Art. 43 Abs. 1 BayVwVfG). Ein von diesem Grundsatz abweichender, in der Vergangenheit liegender Zeitpunkt, zu dem die Änderung (die Erhöhung des Phosphorwertes auf 5 mg/l) wirksam werden soll, ist weder dem einleitenden Satz noch der Neufassung der Ziff. III 1b) dem Wortlaut nach zu entnehmen. Es wäre zur Klarheit sicher dienlich gewesen, wenn der Beklagte in der Begründung des Bescheids erwähnt hätte, dass die Erhöhung des Phosphatwertes erst ab Bescheiderteilung gilt und nicht ab Antragstellung. Der Klägerin als Betreiberin einer Entsorgungseinrichtung muss aber klar gewesen sein, dass ihr Antrag vom 29.04.2013 ein wasserrechtliches Verfahren in Gang setzt, das die Einschaltung des Wasserwirtschaftsamtes als Fachbehörde erfordert, die wiederum eine Überprüfung der Wasserqualität vornehmen muss, um abschätzen zu können, ob einer Erhöhung des Schadstoffwertes zugestimmt werden kann. Dass die Entscheidung über den Antrag erst drei Jahre später ergehen würde, mag für die Klägerin nicht vorhersehbar gewesen zu sein, sie konnte aber auch nicht damit rechnen, dass sie vor einer behördlichen Zustimmung bereits höhere Schadstoffeinträge einleiten durfte, ohne dass dies Auswirkungen auf die Abwasserabgabepflicht haben würde.
Der Beklagte hat zu Recht auf das Annuitätsprinzip im Abwasserabgabenrecht hingewiesen. Gemäß § 11 Abs. 1 AbwAG ist der Veranlagungszeitraum das Kalenderjahr. Die Abgabe ist am 20. Februar für das vorausgegangene Kalenderjahr fällig, frühestens einen Monat nach Zustellung des Abgabebescheids (Art.12 Abs. 3 Satz 1 BayAbwAG). Ein deutlicher Hinweis darauf, dass sich der Änderungsbescheid vom 11.04.2016 nicht auf zurückliegende Jahre bezieht, ergibt sich aus der Ziffer I Nr. 3 des Bescheids, der die „Ziffer IV Abwasserabgabe“ des Bescheids vom 30.05.2006 neu fasst und die jährliche Abwasserabgabe für das Einleiten von Schmutzwasser ab dem 01.01.2016 neu festsetzt, nicht etwa ab 2013. Die Regelung entspricht Art. 12 Abs. 2 BayAbwAG, wonach die auf die einzelnen Kalenderjahre entfallenden Abgaben im Voraus für die Geltungsdauer des Bescheids festgesetzt werden können.
Die Formulierung in der Begründung des Änderungsbescheids, wonach der wasserrechtliche Erlaubnisbescheid „antragsgemäß“ geändert wurde, bezieht sich somit auch für die Klägerin erkennbar ausschließlich auf die Erhöhung des Schadstoffparameters für Phosphor (Pges) von 3 mg/l auf 5 mg/l, nicht auf die beantragte Geltungsdauer ab dem 01.05.2013. Soweit sich der Bescheid dazu nicht verhält, entspricht dies einer konkludenten Ablehnung.
Da also für das Abgabejahr 2015 entsprechend dem wasserrechtlichen Erlaubnisbescheid vom 30.05.2006 ein Schadstoffparameter für Phosphor (Pges) von 3 mg/l maßgeblich war, kann die Klägerin von der sog. „4-aus-5-Regel“ des § 6 Abs. 1 AbwV nicht profitieren, da im Rahmen der letzten fünf Untersuchungsergebnisse zwei Überschreitungen zu verzeichnen waren (5,7 mg/l am 06.10.2015 und 4,1 mg/l am 18.05.2015).
Hinsichtlich der Berechnung und Höhe der im Abgabebescheid vom 08.05.2018 für das Jahr 2015 festgesetzten Abwasserabgabe von 8.950,36 EUR wurden keine Einwände erhoben.
Die Klage war somit abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten findet ihre Rechtsgrundlage in §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO. Der Einräumung einer Abwendungsbefugnis nach § 711 ZPO bedurfte es angesichts der allenfalls geringen vorläufig vollstreckbaren Aufwendungen des Beklagten nicht, zumal dieser auch die Rückzahlung garantieren kann, sollte in der Sache eventuell eine Entscheidung mit anderer Kostentragungspflicht ergehen.


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