Steuerrecht

Auslegung von Feststellungsbescheiden – Halbeinkünfteverfahren – Wegfall des negativen Kapitalkontos eines ausscheidenden Mitunternehmers – keine Korrektur des Wegfallgewinns im Hinblick auf dem Halbeinkünfteverfahren unterworfene Einkünfte

Aktenzeichen  6 K 1185/14

Datum:
14.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
EFG – 2017, 1340
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG EStG § 3 Nr. 40
EStG EStG § 3c Abs. 2
EStG EStG § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
EStG EStG § 16 Abs. 2
EStG EStG § 15a Abs. 3
EStG EStG § 52 Abs. 33 S. 3
BGB BGB § 133

 

Leitsatz

1. Bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen können die Einkünfte, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, in voller Höhe (“brutto”) festgestellt werden, sofern aus den weiteren Feststellungen des Bescheids für einen verständigen Empfänger zweifelsfrei erkennbar ist, dass zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte unter Anwendung der §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG ein zusätzlicher Rechenschritt notwendig ist.
2. Nach den Grundsätzen der sog. verdrängenden Konkurrenz ist die Regelung nach § 16 EStG jedenfalls dann gegenüber der Regelung des § 52 Abs. 33 EStG 1999 vorrangig, wenn beide Tatbestände im nämlichen Gewinnermittlungszeitraum verwirklicht werden.
3. Auch ein negatives Kapitalkonto des ausscheidenden Mitunternehmers ist dem Veräußerungspreis gegenüberzustellen und führt damit rechnerisch zur Erhöhung seines Veräußerungsgewinns, soweit es nicht ausgeglichen wird. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen das Kapitalkonto negativ geworden ist.
4. Der Gewinn in Höhe des steuerlichen Kapitalkontos ist weder um Beträge zu korrigieren, die sich aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens steuerlich nicht ausgewirkt haben, noch kann auf den nach § 16 EStG anzusetzenden Gewinn aus dem Wegfall des negativen Kapitalkontos § 3 Nr. 40 EStG angewendet werden.

Gründe

II.
Die Klage hat keinen Erfolg.
1. Der Senat legt das Klagebegehren dahin aus, dass dieses sich von Anfang an nicht gegen die Feststellung des verrechenbaren Verlusts nach § 15a Abs. 4 EStG wendet, sondern gegen den im Rahmen des Verfahrens zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen festgestellten Veräußerungsgewinn.
a)Der Gegenstand der Klage richtet sich nach dem Klagebegehren. Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden (§ 96 Abs. 1 Satz 2 Finanzgerichtsordnung – FGO). Der im finanzgerichtlichen Verfahren zu stellende Klageantrag (§ 65 Abs. 1 Satz 1 FGO) ist eine prozessuale Willenserklärung, die der Auslegung zugänglich ist. Prozesserklärungen sind wie sonstige Willenserklärungen auslegungsfähig. Ziel der Auslegung ist es, den wirklichen Willen des Erklärenden zu erforschen (§ 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Dabei sind alle bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen. Die Auslegung einer Prozesserklärung darf nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der (verkörperten) Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen. Auf die Wortwahl und die Bezeichnung kommt es jedoch nicht entscheidend an, sondern auf den gesamten Inhalt der Willenserklärung. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass im Zweifel das gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage des Klägers entspricht (BFH-Urteil vom 20. November 2014 IV R 47/11, BStBl II 2015, 532).
b)Ihrem Wortlaut nach richtete sich die Klage gegen die gesonderte und einheitliche Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung 2007 sowie gegen die Feststellung des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG.
b)Nach der Rechtsprechung des BFH handelt es sich bei der gesonderten und einheitlichen Feststellung i.S. der §§ 179 Abs. 1 und Abs. 2, 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO und der Feststellung des verrechenbaren Verlusts i.S. des § 15a Abs. 4 Satz 1 EStG um zwei Verwaltungsakte, die auch gesondert und unabhängig voneinander angefochten werden können und selbständig der Bestandskraft fähig sind. Dies gilt auch dann, wenn –wie vorliegend– die Bescheide gemäß § 15a Abs. 4 Satz 5 EStG formell miteinander verbunden werden (vgl. BFH-Urteil vom 3. Februar 2010 IV R 61/07, BStBl II 2010, 942, m.w.N.).
b)Aus dem Inhalt der Klageschrift ergibt sich indes, dass die Klägerinnen allein die Feststellung des Veräußerungsgewinnes angreifen.
c)Auch wenn sich die Klägerinnen in ihrer (nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingegangenen) Klagebegründung vom … auf eine sachliche Unbilligkeit berufen, sieht der Senat hierin keine Klage auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO, da sich ein solches Begehren aus dem Wortlaut der Klageschrift nicht ergibt. Eine Klage mit dem Ziel einer Billigkeitsmaßnahme wäre im Rahmen einer Klage gegen die gesonderte und einheitliche Feststellung zudem unzulässig. Billigkeitsentscheidungen nach § 163 AO sind Gegenstand eines eigenständigen Verwaltungsverfahrens (BFH-Urteil vom 3. September 2009 IV R 17/07, BStBl II 2010, 631; BFH-Beschluss vom 18. September 2000 IV B 139/99, BFH/NV 2001, 452). So hat das FA mit Entscheidung vom … den Antrag auf abweichende Steuerfestsetzung nach § 163 AO abgelehnt. Im Übrigen wäre diese Klage mangels Vorverfahrens unzulässig (§ 45 Finanzgerichtsordnung – FGO –).
2. Die so ausgelegte Klage ist zulässig.
Die Klage ist zulässig, soweit Einwendungen gegen die Feststellung eines Gewinns aus dem Wegfall eines negativen Kapitalkontos erhoben werden, da diese den Bescheid über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen betreffen (BFH-Urteil vom 20. November 2014 IV R 47/11, BStBl II 2015, 532).
Auch soweit die Klägerinnen den Feststellungsbescheid angreifen und beantragen, eine Steuerbefreiung aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens nach § 3 Nr. 40 EStG festzustellen, ist die Klage zulässig.
Zwar ist die Frage, ob die Feststellung zur Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 40 EStG im Feststellungsbescheid oder im dem Feststellungsbescheid folgenden Einkommensteuerbescheid zu treffen ist, bisher nicht abschließend entschieden (vgl. hierzu Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 48). Nach der Rechtsprechung des BFH können bei der einheitlichen und gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen die Einkünfte, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, in voller Höhe “brutto”) festgestellt werden, sofern aus den weiteren Feststellungen des Bescheids für einen verständigen Empfänger zweifelsfrei erkennbar ist, dass zur Ermittlung der steuerpflichtigen Einkünfte unter Anwendung der §§ 3 Nr. 40, 3c Abs. 2 EStG ein zusätzlicher Rechenschritt notwendig ist (BFH-Urteil vom 18. Juli 2012 X R 28/10, BStBl II 2013, 444; nach dem Beschluss des BFH vom 23. Januar 2015 IX S 25/14, BFH/NV 2015, 497 ist es ernstlich zweifelhaft, ob bei gesondert und einheitlich festgestellten Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften über die Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens im Feststellungsbescheid oder bindend erst im Festsetzungsverfahren zu entscheiden ist; vgl. hierzu auch Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG § 3 Nr. 40 EStG Rz. 48 und Herkens, GmbH-StB 2016, 277).
Enthält ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung keine Feststellungen, so entfaltet der Bescheid auch keine Bindungswirkung für den oder die Folgebescheide. Die Bindungswirkung des Feststellungsbescheides bestimmt sich nach deren Verfügungssätzen; maßgeblich ist, in welchem Umfang und mit welchem Inhalt die Behörde Besteuerungsgrundlagen in den Tenor der Verwaltungsakte aufgenommen hat (BFH-Urteil vom 10. Mai 2016 IX R 4/15, BFH/NV 2016, 1425). Für die hiernach erforderliche Abgrenzung zwischen den bindenden Verfügungssätzen und deren (bloßer) Begründung bedarf es der Auslegung des Feststellungsbescheids. Hierbei ist entsprechend § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs darauf abzustellen, wie ein verständiger Empfänger nach den ihm bekannten Umständen den Bescheid unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (BFH-Urteil vom 18. Juli 2012 X R 28/10, BStBl II 2013, 444).
Im Feststellungsbescheid hat das FA die Veräußerungsgewinne aus dem Wegfall der negativen Kapitalkonten der Klägerinnen ohne Berücksichtigung des § 3 Nr. 40 EStG angesetzt. In der Erläuterung führt das FA aus, wie die Veräußerungsgewinne berechnet sind und dass § 3c EStG bei Veräußerungsverlusten nicht anwendbar sei. Den hiergegen gerichteten Einspruch mit dem Ziel, dass das Halbeinkünfteverfahren anwendbar sei, hat das FA als unbegründet zurückgewiesen. Die in den Einkünften aus Gewerbebetrieb enthaltenen Veräußerungsgewinne ohne Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens mussten aus Sicht eines verständigen Empfängers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben als Teil der bindenden Feststellungen aufgefasst werden. Das FA hat somit einen negativen Feststellungsbescheid dergestalt erlassen, dass das Halbeinkünfteverfahren auf die Veräußerungsgewinne nicht anwendbar sei (vgl. BFH-Urteil vom 11. November 2014 VIII R 37/11, juris).
3. Die Klage ist unbegründet. Das FA hat die Veräußerungsgewinne gemäß § 16 EStG in zutreffender Höhe ermittelt.
a)Scheidet ein Kommanditist, dessen Kapitalkonto auf Grund von ausgleichs- bzw. abzugsfähigen Verlusten negativ geworden ist, aus der Gesellschaft aus, so gilt nach der Anwendungsvorschrift des § 52 Abs. 33 Satz 3 EStG 1999 (entspricht der von 1980 bis 1998 geltenden Fassung des § 52 Abs. 19 Satz 4 EStG und dem seit 2015 geltenden § 52 Abs. 24 Satz 3 EStG) der Betrag, den der Mitunternehmer nicht ausgleichen muss, als Veräußerungsgewinn im Sinne des § 16 EStG (sog. Wegfallbesteuerung; vgl. hierzu BFH-Urteil vom 11. August 1994 IV R 124/92, BStBl II 1995, 253 unter II. 1.). In der Rechtsprechung des BFH ist geklärt, dass nach den Grundsätzen der sog. verdrängenden Konkurrenz die Regelung nach § 16 EStG jedenfalls dann gegenüber der Regelung des § 52 Abs. 33 EStG 1999 vorrangig ist, wenn beide Tatbestände im nämlichen Gewinnermittlungszeitraum verwirklicht werden. Ein solcher Vorrang zu Gunsten des Veräußerungsgewinnes nach § 16 EStG ergibt sich daraus, dass die (verdrängte) Bestimmung des § 52 Abs. 33 EStG 1999 lediglich auf eine Neutralisierung der vor der Auflösung der KG zugerechneten ausgleichsfähigen Verluste zielt, während der nach § 16 Abs. 2 EStG zu ermittelnde Aufgabegewinn des Kommanditisten das Ergebnis seiner gewerblichen Betätigung insgesamt abschließt. Er umfasst deshalb nicht nur seinen Veräußerungsgewinn, sondern darüber hinaus (grundsätzlich) auch den Gewinn aus der Auflösung seines negativen Kapitalkontos sowie sämtliche mit der Veräußerung verbundenen Belastungen (BFH-Urteil vom 3. September 2009 IV R 17/07, BStBl II 2010, 631 unter II. 1. a zur Betriebsaufgabe).
a)Zu diesen Einkünften aus Gewerbebetrieb nach § 16 EStG gehören nach der Rechtsprechung des BFH Gewinne, die bei der Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters erzielt werden, der als Mitunternehmer des Betriebes i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anzusehen ist (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG). Veräußerungsgewinn ist in diesen Fällen gemäß § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt. Maßgeblich ist daher die Differenz zwischen den dem Ausscheidenden aus diesem Anlass zugewandten Leistungen und seinem Kapitalkonto. Der Wert des Anteils am Betriebsvermögen (Kapitalkonto) ist für den Zeitpunkt des Ausscheidens nach § 4 Abs. 1 oder § 5 EStG zu ermitteln (§ 16 Abs. 2 Satz 2 EStG; BFH-Urteil vom 22. Oktober 2015 IV R 37/13, BStBl II 2016, 919 unter II. 2.; BFH-Urteil vom 12. Juli 2012 IV R 12/11, BFH/NV 2013, 200). Nach der Rechtsprechung ist somit auch ein negatives Kapitalkonto dem Veräußerungspreis gegenüberzustellen und führt damit rechnerisch zur Erhöhung eines Veräußerungsgewinns, soweit es nicht ausgeglichen wird. Dabei kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen das Kapitalkonto negativ geworden ist. In der Rechtsprechung ist bereits geklärt, dass in den Veräußerungsgewinn des ausscheidenden Kommanditisten der Teil seines negativen Kapitalkontos einzubeziehen ist, der auf ausgleichsfähige Verluste zurückzuführen ist. Gleiches gilt für den Teil, der auf nach § 15a EStG lediglich verrechenbaren Verlusten beruht (BFH-Urteil vom 9. Juli 2015 IV R 19/12, BStBl II 2015, 954). Auch der Teil des negativen Kapitalkontos, der nach § 4 Abs. 5 EStG auf nicht abziehbaren Betriebsausgaben beruht, ist in den Auflösungsgewinn einzubeziehen. Ausgaben (Aufwendungen), die der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 EStG unterliegen, sind einerseits dadurch gekennzeichnet, dass sie aufgrund ihrer betrieblichen Veranlassung (§ 4 Abs. 4 EStG) das steuerbilanzielle Vermögen der Personengesellschaft (hier: der KG) und damit –anteilig– auch das Kapitalkonto der Mitunternehmer (hier: der Kommanditisten) belasten; andererseits dürfen sie den Gewinn nicht mindern (§ 4 Abs. 5 EStG) mit der Folge, dass die aus der Steuerbilanz abgeleiteten Gewinnanteile der Mitunternehmer zu erhöhen bzw. die ihnen zugerechneten Verlustanteile zu kürzen sind (BFH-Urteil vom 3. September 2009 IV R 17/07, BStBl II 2010, 631).
a)Durch den gewinnerhöhenden Ansatz eines negativen Kapitalkontos werden die der KG zugerechneten ausgleichsfähigen Verluste neutralisiert (BFH-Urteil vom 3. September 2009 IV R 17/07, BStBl II 2010, 631).
b)Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das FA zu Recht dem Grunde und der Höhe nach einen Gewinn aus dem Wegfall der negativen handelsrechtlichen Kapitalkonten erfasst.
b)Der Verlust der X-KG im Jahr 2002 ist durch die Teilwertabschreibung der Aktien verursacht und hat als ein Berechnungsposten zu den negativen handelsrechtlichen Kapitalkonten im Veräußerungszeitpunkt geführt. Dieser Verlust der X-KG aufgrund der Teilwertabschreibung sowie die sonstigen Verluste der Jahre 2001 bis 2006 haben sich in den Bescheiden der X-KG zum Verlustvortrag ausgewirkt. Auch den Klägerinnen hat das FA Verluste zugerechnet. Die Teilwertabschreibung des Jahres 2002 hat sich dabei zur Hälfte und damit für die KG insgesamt in Höhe … EUR steuerlich ausgewirkt.
b)Der Argumentation, die Klägerinnen hätten ihre Investitionen verloren und es sei daher nicht richtig, nunmehr den Wegfall eines negativen Kapitalkontos zu versteuern, vermag das Gericht indes nicht zu folgen. Durch die Wegfallbesteuerung werden die der X-KG zugerechneten ausgleichsfähigen Verluste neutralisiert. Ob sich die den Klägerinnen zugewiesenen Verluste bei diesen ausgewirkt haben, ist allenfalls im Rahmen der Billigkeit bei den Klägerinnen bzw. deren Beteiligten zu prüfen.
c)Dieser Gewinn in Höhe des steuerlichen Kapitalkontos ist nicht um die Beträge zu korrigieren, die sich aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens steuerlich nicht ausgewirkt haben.
c)Negative Einkünfte, die dem Halbeinkünfteverfahren unterliegen, mindern das steuerbilanzielle Vermögen der Personengesellschaft und damit anteilig auch das Kapitalkonto der Klägerinnen. Aufgrund der Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens kam im steuerlichen Ergebnis des betreffenden Jahres indes nur die Hälfte der negativen Einkünfte zum Ansatz. Der nur hälftige Ansatz der negativen Einkünfte im Halbeinkünfteverfahren ist mit dem Sachverhalt bei nichtabziehbaren Betriebsausgaben vergleichbar. Ebenso wie bei den nichtabziehbaren Betriebsausgaben die Vermögensminderungen neutralisiert und bei der Ermittlung des Aufgabegewinnanteils nach § 16 Abs. 2 EStG anzusetzende Schlusskapitalkonto nicht um die zuvor außerbilanziell zugerechneten Betriebsausgaben zu bereinigen ist, sind auch die aufgrund des Halbeinkünfteverfahrens nur hälftig angesetzten Teilwertabschreibungen bei der Berechnung des Veräußerungsgewinnanteils aufgrund des Wegfalls eines negativen Kapitalkontos als außerbilanzielle Korrektur nicht zu berücksichtigen. Andernfalls würde der Entscheidung des Gesetzgebers nicht entsprochen, dass bestimmte Betriebsausgaben, sei es vom Gesetz als nichtabziehbare Betriebsausgaben definierte Aufwendungen oder – wie im Streitfall – der nur hälftige Abzug von Teilwertabschreibungen – sich nicht auf das steuerliche Ergebnis auswirken dürfen.
c)Aufgrund der Bestandskraft der Veranlagung der X-KG im Jahr 2002 ist auch nicht zu überprüfen, ob die Anwendung des § 3 Nr. 40 EStG rechtmäßig war.
4. Auf den nach § 16 EStG anzusetzenden Gewinn aus dem Wegfall des negativen Kapitalkontos ist § 3 Nr. 40 EStG nicht anwendbar.
Eine Doppelbelastung bei der Besteuerung des Gewinns von Körperschaften verhindert das Halbeinkünfteverfahren, indem auf der Ebene der Körperschaft ein geringer Körperschaftsteuersatz erhoben wird und beim Anteilseigner die ausgeschütteten Gewinne nach § 3 Nr. 40 EStG im Streitjahr nur zur Hälfte angesetzt werden (von Beckerath in Kirchhof, EStG, § 3 Nr. 40 Rz 95).
Nach § 3 Nr. 40 Buchstabe b EStG ist die Hälfte des Veräußerungspreises im Sinne des § 16 Abs. 2 EStG steuerfrei, soweit der Veräußerungspreis auf Anteile an Kapitalgesellschaften entfällt, die zum Betriebsvermögen des Veräußerungsobjektes gehören (Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 3 Nr. 40 EStG Rz. 37). Dies gilt auch bei Personengesellschaften, wenn unmittelbar oder mittelbar über eine weitere Personengesellschaft natürliche Personen beteiligt sind (Intemann a.a.O. Rz. 25). Auch bei dieser Konstellation wird eine Doppelbelastung mit Körperschaftsteuer bei der Kapitalgesellschaft und Einkommensteuer beim Anteilseigner vermieden. Damit wird die Veräußerung von Anteilen einer (Total)Ausschüttung gleichgestellt (von Beckerath in Kirchhof, EStG, § 3 Nr. 40 Rz. 100).
Die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 40b EStG betrifft – aufgrund der vom Gesetzgeber gewählten Systematik des Halbeinkünfteverfahrens durch § 3 Nr. 40 EStG und § 3c EStG – den Veräußerungspreis. Zum Veräußerungspreis i.S. des § 16 Abs. 2 Satz 1 EStG gehören alle Leistungen, die der Veräußerer vom Erwerber für die Übertragung erhält, sowie Leistungen, die der Veräußerer in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung vom Erwerber oder –ohne, dass dies der Erwerber veranlasst hat– von einem Dritten erlangt (ständige Rechtsprechung, siehe BFH-Urteil vom 27. Oktober 2015 VIII R 47/12, BStBl II 2016, 600).
Im Streitfall haben die Klägerinnen einen negativen Kaufpreis gezahlt. Eine Kürzung bei der Berechnung des Veräußerungsgewinns wäre für die Klägerinnen nachteilig. Bereits aus ihrem eigenen Vortrag geht hervor, dass im negativen Gesamtkaufpreis kein anteiliger positiver Kaufpreis für die Aktien enthalten ist.
Das negative Kapitalkonto ist auch nicht ein Teil des Veräußerungspreises, der auf die Veräußerung der Aktien entfällt, sondern ein davon unabhängiger Posten. Eine Steuerbefreiung in Höhe des hälftigen negativen Kapitalkontos kommt nach § 3 Nr. 40b EStG nicht in Betracht.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
6. Die Revision wird nicht zugelassen, weil kein Zulassungsgrund nach § 115 Abs. 2 FGO vorliegt.

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