Steuerrecht

Auszahlung aus einem Aufbaukonto der betrieblichen Altersversorgung als ermäßigt zu besteuernde Vergütung für mehrjährige Tätigkeit – Trennung der betrieblichen Altersversorgung in Basiskonto und Aufbaukonto

Aktenzeichen  IX R 3/20

Datum:
23.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.230421.IXR3.20.0
Normen:
§ 34 Abs 2 Nr 2 EStG 2009
§ 34 Abs 2 Nr 4 EStG 2009
§ 24 Nr 1 EStG 2009
§ 19 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009
§ 11 Abs 1 EStG 2009
EStG VZ 2015
Spruchkörper:
9. Senat

Leitsatz

1. Wird ein Teil der Abfindung eines Arbeitnehmers im Wege der Entgeltumwandlung dem arbeitnehmerfinanzierten Aufbaukonto der betrieblichen Altersversorgung in Form einer Direktzusage zugeführt, liegt im Zeitpunkt der Entgeltumwandlung insoweit kein Zufluss von Arbeitslohn vor.
2. Erfolgt die Auszahlung des im Aufbaukonto über mehrere Jahre im Wege der Entgeltumwandlung angesammelten Versorgungsguthabens als Einmalzahlung, kann eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG anzunehmen sein.
3. Dem Merkmal der Außerordentlichkeit steht nicht entgegen, wenn dem Arbeitnehmer daneben eine weitere Altersversorgung aus einem –vom Aufbaukonto getrennten– arbeitgeberfinanzierten Basiskonto zusteht, das darauf angesparte Versorgungsguthaben jedoch noch nicht zur Auszahlung gelangt ist.

Verfahrensgang

vorgehend FG München, 5. Dezember 2019, Az: 10 K 2705/18, Urteil

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts München, Außensenate Augsburg vom 05.12.2019 – 10 K 2705/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Streitig ist, ob die im Zuge der Auflösung eines Versorgungsguthabens aus einer betrieblichen Altersversorgung vorgenommene Kapitalauszahlung tarifermäßigt besteuert wird.
2
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erzielten im Streitjahr 2015 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit sowie Renteneinkünfte.
3
Die Klägerin war bis zum 31.05.2013 bei der … GmbH (Arbeitgeberin) beschäftigt. Mit Konzernbetriebsvereinbarung vom Februar 2004, ergänzt am 19.09.2012, hatte die vormalige X Holding AG für sämtliche dem Konzernverbund angehörenden Gesellschaften im Inland die Einrichtung eines Versorgungswerks zur Schaffung einer zusätzlichen Altersvorsorge beschlossen. Hierbei handelt es sich um ein beitragsorientiertes System, das aus dem vom Unternehmen finanzierten Basiskonto (Ziff. 4 der A-Vereinbarung) und dem optionalen, durch Entgeltumwandlung finanzierten Aufbaukonto (Ziff. 5 der A-Vereinbarung) besteht. Nach Ziff. 7 der A-Vereinbarung werden Altersleistungen, Invalidenleistungen im Falle unbefristeter Gewährung der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente sowie Todesfallleistungen und ein sog. Überbrückungsgeld im Falle der befristeten Gewährung der gesetzlichen Erwerbsminderungsrente als Versorgungsleistungen (Ziff. 7.5) gewährt. Nach Eintritt des jeweiligen Versorgungsfalles errechnet sich die Leistung nach Ziff. 6.1.2 der A-Vereinbarung aus den auf dem jeweiligen Versorgungskonto (Aufbaukonto und Basiskonto) gutgeschriebenen Kapitalbausteinen. Der auf die jeweils garantierte Leistung bestehende Rechtsanspruch sollte sich unmittelbar gegen das jeweilige Unternehmen der Konzerngruppe richten (Ziff. 3.2 der A-Vereinbarung). Die Durchführung der A-Vereinbarung erfolgt dabei grundsätzlich unmittelbar als Direktzusage des Unternehmens (Ziff. 3.3.1), Leistungen aus dem Aufbaukonto sowie Überbrückungsgelder werden immer unmittelbar vom Unternehmen erbracht (Ziff. 3.3.2). Nach Ziff. 8.1 wird das Versorgungskonto grundsätzlich als Einmalkapital ausgezahlt, es kann aber auf schriftliches Verlangen des Mitarbeiters auch in Form von bis zu zehn Raten, als lebenslange monatliche Rente oder in einer Kombination ausgezahlt werden. Die gewählte Auszahlungsoption kann dabei für das Basiskonto und das Aufbaukonto unterschiedlich sein.
4
Auch die Klägerin hatte bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Unternehmen Einzahlungen in den Versorgungsplan im Wege der Gehaltsumwandlung getätigt. Im Jahr 2013 erhielt sie von ihrer Arbeitgeberin anlässlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung. Von der vereinbarten Abfindungssumme in Höhe von insgesamt 361.598,96 € wurde ein Betrag von 120.000 € im Wege der Entgeltumwandlung in das Aufbaukonto der betrieblichen Altersversorgung eingezahlt. Als ermäßigt zu besteuernder Arbeitslohn für mehrere Jahre bescheinigte die Arbeitgeberin für 2013 einen Betrag von 251.610 €, der so auch der Besteuerung zugrunde gelegt wurde. Die im Jahr 2013 geleisteten Zahlungen in die betriebliche Altersversorgung nahm der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt –FA–) nach § 3 Nr. 63 des Einkommensteuergesetzes (EStG) von der Besteuerung aus.
5
Im Streitjahr erhielt die Klägerin das auf dem Aufbaukonto ausgewiesene Versorgungsguthaben in Höhe von 144.000 € nebst Zinsen in Höhe von 475,20 € als Einmalbetrag ausbezahlt. Daneben bezog sie von ihrer Arbeitgeberin im Streitjahr und in den Folgejahren bis zum 31.05.2019 Überbrückungsgeld wegen voller Erwerbsminderung, und zwar 22.334,58 € im Jahr 2015 und 18.604,32 € im Jahr 2016. Voraussetzung für die Zahlung des Überbrückungsgeldes war die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung aus der gesetzlichen Rentenversicherung.
6
Für die im Streitjahr zugeflossene Auszahlung des Versorgungsguthabens beantragte die Klägerin die ermäßigte Besteuerung. Dies lehnte das FA im Einkommensteuerbescheid vom 22.06.2017 mit der Begründung ab, die Kapitalauszahlung gehöre zu den Einkünften i.S. des § 22 Nr. 5 EStG, sodass § 34 EStG im Hinblick auf das bereits in der Konzernbetriebsvereinbarung enthaltene Wahlrecht auf Kapitalauszahlung nicht zur Anwendung kommen könne.
7
Mit Einspruchsentscheidung vom 13.09.2018 setzte das FA die Einkommensteuer 2015 höher fest. Zur Begründung führte es aus, dass es sich bei dem Vorsorgeplan um einen sog. internen Durchführungsweg i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 2 des Betriebsrentengesetzes handele. Sämtliche Versorgungsleistungen aus einer derartigen Direktzusage führten zu Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit. Sofern diese Versorgungsleistungen nicht fortlaufend, sondern in einer Summe ausbezahlt würden, handele es sich um ermäßigt zu besteuernde Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten. Im Fall von Teilkapitalauszahlungen in mehreren Kalenderjahren sei der Tatbestand der Zusammenballung indes nicht erfüllt. Dies sei vorliegend im Hinblick auf die laufenden Versorgungsbezüge in Höhe von 22.335 € (2015) bzw. 18.604 € (2016) der Fall.
8
Mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 358 veröffentlichten Urteil vom 05.12.2019 gab das Finanzgericht (FG) der Klage, mit der die Kläger die Anwendung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG begehrten, statt. Die Einmalzahlung sei unter Berücksichtigung der vereinbarten Bedingungen als Vergütung für mehrjährige Tätigkeit anzusehen. Hierzu gehöre auch die Auszahlung des Versorgungskapitals, das sich der Anspruchsberechtigte durch eine mehrjährige, länger als zwölf Monate dauernde Tätigkeit erdient habe. Das Versorgungsguthaben des Aufbaukontos stamme zudem aus den über mehrere Jahre von der Klägerin im Wege der Entgeltumwandlung geleisteten Beiträgen.
9
Zudem sei das Erfordernis der Außerordentlichkeit erfüllt. Die Auszahlung des auf dem Aufbaukonto angesparten Versorgungsguthabens in einem Betrag führe zu einer atypischen Zusammenballung von Einkünften, die eine höhere Einkommensteuer auslösen könnte, als dies bei einem verteilten Zufluss der Einnahmen der Fall gewesen wäre. Dem stehe nicht entgegen, dass sich das Versorgungsguthaben im Wesentlichen aus dem Beitrag aus der Umwandlung eines Teils des Abfindungsanspruchs für den Verlust des Arbeitsplatzes zusammengesetzt habe. Es handele sich insoweit nicht um eine schädliche Auszahlung einer einheitlichen Entschädigungszahlung in zwei Teilbeträgen. Denn die bereits im Februar 2013 vereinbarte Umwandlung des künftig –Ende April 2013– entstehenden Abfindungsanspruchs habe zu einer einvernehmlichen Herabsetzung des Abfindungsanspruchs um 120.000 € zugunsten der betrieblichen Altersversorgung geführt, sodass sich die Entschädigung um diesen Betrag vermindert gehabt habe. Mit der Umwandlung sei nicht nur die Verlagerung des Besteuerungszugriffs vom Zeitpunkt der Zusage und der Anspruchsherabsetzung auf den späteren Eintritt des Versorgungsfalles verbunden gewesen, sondern auch eine Umqualifizierung des Abfindungsanspruchs in einen originären Leistungsanspruch aus der betrieblichen Altersversorgung.
10
Dem lasse sich der Gesichtspunkt einer (schädlichen) Teilauszahlung eines einheitlichen Versorgungsanspruchs nicht entgegenhalten. Dies betreffe zunächst den Umstand, dass die Klägerin neben der Auszahlung des auf dem Aufbaukonto angesparten Versorgungsguthabens im Streitjahr und in den Folgejahren fortlaufend ein Überbrückungsgeld bezogen habe. Das Überbrückungsgeld werde von der Arbeitgeberin unabhängig vom Anspruch auf das jeweilige Versorgungskonto geleistet und unterliege insoweit auch anderen Voraussetzungen. Entsprechendes gelte für den Umstand, dass sich die Klägerin lediglich das Versorgungsguthaben des Aufbaukontos und nicht auch dasjenige des Basiskontos habe auszahlen lassen. Zwar seien sowohl die Leistungen aus dem Basiskonto als auch diejenigen aus dem Aufbaukonto Bestandteil der betrieblichen Gesamtversorgung. Gleichwohl handele es sich hierbei um zwei selbständige und auch von den Vertragspartnern von vornherein getrennt behandelte Ansprüche.
11
Mit der Revision rügt das FA die unzutreffende Anwendung des § 34 Abs. 2 Nrn. 2 und 4 EStG.
12
Das FA beantragt,das Urteil des FG München, Außensenate Augsburg – 10 K 2705/18 vom 05.12.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
13
Die Kläger beantragen,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.


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