Steuerrecht

Befreiung von der Pflicht zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung aufgrund wirtschaftlicher Unzumutbarkeit

Aktenzeichen  VIII R 29/19

Datum:
16.6.2020
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2020:U.160620.VIIIR29.19.0
Normen:
§ 25 Abs 4 S 1 EStG 2009
§ 25 Abs 4 S 2 EStG 2009
§ 150 Abs 8 AO
§ 2 Abs 1 S 1 Nr 1 EStG 2009
§ 2 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009
§ 2 Abs 1 S 1 Nr 3 EStG 2009
§ 5 AO
§ 4 Abs 3 EStG 2009
§ 60 Abs 4 S 3 EStDV 2000
EStG VZ 2017
Spruchkörper:
8. Senat

Leitsatz

Die Verpflichtung zur Abgabe der Einkommensteuererklärung nach amtlich vorgeschriebenem Datensatz durch Datenfernübertragung gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 EStG ist wirtschaftlich unzumutbar i.S. von § 150 Abs. 8 Sätze 1 und 2 AO, wenn der finanzielle Aufwand für die Einrichtung und Aufrechterhaltung einer Datenfernübertragungsmöglichkeit in keinem wirtschaftlich sinnvollen Verhältnis zu den Einkünften nach § 2 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 bis 3 EStG steht.

Verfahrensgang

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 8. August 2019, Az: 4 K 4231/18, Urteil

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 08.08.2019 – 4 K 4231/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Streitig ist, ob der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) einen Anspruch hat, von der Verpflichtung zur elektronischen Abgabe der Einkommensteuererklärung und der Einnahmenüberschussrechnung befreit zu werden.
2
Der im Jahr 1965 geborene Kläger ist seit 2006 als selbständiger Physiotherapeut tätig. Er übte seine Tätigkeit ohne Mitarbeiter und ohne eigene Praxis- oder Büroräume aus. Zudem verfügte der Kläger zwar über einen PC und einen Telefonanschluss, nicht aber über einen Internetzugang oder ein Smartphone.
3
Bis zum Jahr 2016 wurde der Kläger auf der Grundlage der von ihm handschriftlich erstellten Einkommensteuererklärungen und Gewinnermittlungen vom Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) zur Einkommensteuer veranlagt. Auch die Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2017, in dem der Kläger Einkünfte aus seiner selbständigen Tätigkeit in Höhe von 14.534 € erzielt hatte, reichte er in Form des handschriftlich ausgefüllten amtlichen Vordrucks nebst Anlage EÜR beim FA ein.
4
Nachdem das FA den Kläger erfolglos zur elektronischen Übermittlung der Einkommensteuererklärung aufgefordert und im Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Zwangsgeldes angedroht hatte, setzte es mit Bescheid vom 26.09.2018 ein Zwangsgeld in Höhe von 200 € gegen ihn fest. Mit Bescheid vom 26.10.2018 lehnte das FA den Antrag des Klägers, von der Verpflichtung zur elektronischen Erklärungsabgabe befreit zu werden, ab.
5
Die gegen diese Bescheide nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA, den Kläger von der Verpflichtung zur elektronischen Erklärungsabgabe für das Streitjahr freizustellen. Den Bescheid über die Festsetzung des Zwangsgeldes hob das FG auf. Die Entscheidung des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2020, 204 veröffentlicht.
6
Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts.
7
Das FA beantragt,das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 08.08.2019 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8
Der Kläger beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.


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