Aktenzeichen 7 K 2379/20
BsGaV § 25
KStG § 2 Nr. 1
Leitsatz
1. Nach Ansicht des Senats durfte das Finanzamt aufgrund des sich in negativer Höhe ergebenden Dotationskapitals bei Anwendung der Kapitalaufteilungsmethode für die Ermittlung des der Klägerin zuzurechnenden Dotationskapitals die so genannte Mindestkapitalausstattungsmethode für Versicherungsbetriebstätten i.S.des § 25 Abs. 3 S. 2 BsGaV und Rn. 320 VWG BsGa anwenden. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Nach dem anzuwendenden Fremdvergleichsgrundsatz ist einer Betriebsstätte grundsätzlich ausreichend Dotationskapital zuzuordnen, um den aus der Funktionsausübung und den zugeordneten Vermögenswerten resultierenden Risiken begegnen zu können. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Die Klägerin ist eine in X (EU-Ausland) ansässige Aktiengesellschaft mit einer inländischen Zweigniederlassung. Gegenstand ihres Unternehmens ist das Rückversicherungsgeschäft sowohl im Lebens- als auch im Nichtlebensbereich.
In ihrer für die inländische Versicherungsbetriebsstätte eingereichten Körperschaftsteuererklärung 2015 gab die Klägerin das Dotationskapital in Höhe eines Negativbetrags an. Sie wies gegenüber dem Finanzamt ausdrücklich darauf hin, dass ihre Berechnungsweise den von der Finanzverwaltung aufgestellten Grundsätzen (vgl. Randnummer (Rn) 320 Verwaltungsgrundsätze Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa); Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22. Dezember 2016, BStBl I 2017 S. 182) widerspreche. Die Berechnung sei nach der modifizierten Kapitalaufteilungsmethode (§ 25 Abs. 1 und 2 Verordnung zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes auf Betriebsstätten nach § 1 Absatz 5 des Außensteuergesetzes (Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung -BsGaV) erfolgt.
Abweichend davon errechnete das Finanzamt unter Anwendung der sogenannten Mindestkapitalausstattungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten nach § 25 Abs. 3 Satz 2 BsGaV, Rn 320 VWG BsGa ein positives Dotationskapital. Den Berechnungen wurden die Verhältnisse zu Beginn des Wirtschaftsjahres zugrunde gelegt. Das fiktive aufsichtsrechtliche Mindestkapital wurde nach den Vorschriften der Verordnung über die Kapitalausstattung von Versicherungsunternehmen (Kapitalausstattungs-Verordnung – KapAusstV 1983) ermittelt. Das Finanzamt nahm außerdem eine zusätzliche indirekte Zurechnung von Vermögenswerten vor, die der Bedeckung der versicherungstechnischen Rückstellungen und des Eigenkapitals dienten (§ 25 Abs. 4 BsGaV).
Mit der dagegen gerichteten Klage wendet sich die Klägerin gegen die von der Betriebsprüfung vorgenommene Berechnung des Dotationskapitals und hält diese in drei Punkten für unzutreffend:
Gründe
1. Entgegen der Ansicht des Finanzamts sei es zulässig, die Bestimmung des Dotationskapitals unter Berücksichtigung von Jahresdurchschnittswerten vorzunehmen.
2. Darüber hinaus seien Abrechnungsforderungen aus dem Rückversicherungsgeschäft in die nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BsGaV zu verteilenden Vermögenswerte einzubeziehen.
3. Schließlich sei die vom Finanzamt angewandte Mindestkapitalausstattungsmethode (§ 25 Abs. 3 Satz 2 BsGaV) im Streitfall nicht anwendbar, sondern greife nur, wenn die Öffnungsklausel des § 25 Abs. 3 Satz 1 BsGaV zur Anwendung komme.
Zu Punkt 1:
Bei der Bestimmung des Dotationskapitals sei nicht auf die Werte der Bilanzpositionen zum 1. Januar 2015 abzustellen. Durch die Verwendung von Jahresdurchschnittswerten werde ein getreulicheres Abbild der wirtschaftlichen Situation erreicht. Die nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BsGaV zu verteilenden Vermögenswerte, die der Bedeckung der versicherungstechnischen Rückstellungen und des Eigenkapitals der Klägerin dienten, seien nach den im Ansässigkeitsstaat allgemein anerkannten Rechnungslegungsgrundsätzen (GAAP) und auf Basis von Jahresdurchschnittswerten aus Sicht der Klägerin mit insgesamt …€ anzusetzen (vgl. Tabelle 1 zum Schriftsatz der Klägerin vom 30. Oktober 2020). Der anzuwendende Allokationsschlüssel errechne sich aus dem Verhältnis der versicherungstechnischen Rückstellungen der Klägerin zu den in der Bilanz des im EU Auland ansässigen Unternehmens insgesamt ausgewiesenen versicherungstechnischen Rücksteilungen gemäß GAAP mit 28,6% (vgl. Tabelle 2 zum Schriftsatz der Klägerin vom 30. Oktober 2020).
Das Dotationskapital einer inländischen Betriebsstätte, das prinzipiell auf Basis der Verhältnisse zum Beginn eines Wirtschaftsjahres zu bestimmen ist (§ 12 Abs. 1 BsGaV), sei gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 6 BsGaV unterjährig anzupassen, sofern Zuordnungsänderungen innerhalb eines Wirtschaftsjahres auftreten, die bei einer Neuberechnung des Dotationskapitals auf Basis der laufenden Finanzdaten zu einer „erheblichen Veränderung“ des Dotationskapitals führten. Dem Finanzamt sei nicht zuzustimmen, dass im Streitfall keine „erhebliche Veränderung“ i.S.d. § 12 Abs. 6 BsGaV vorliege. Die in Rn. 322 VWG BsGa genannte prozentuale Schwelle i.H.v. 30% sei ohne weitere Begründung gesetzt worden. Ein Vergleich mit der Verordnungsbegründung zur BsGaV zeige, dass der historische Verordnungsgeber bei Verabschiedung der BsGaV schon bei einer Veränderung von 20% eine Erheblichkeit erkannt habe. Vorliegend belaufe sich die Veränderung des Dotationskapitals bei einem Vergleich auf Basis der Jahresendwerte 2014 und 2015 auf 29,75% und liege damit nur geringfügig unter dem vom Finanzamt als maßgeblich angesehenen Wert von 30%. Bereits aufgrund des im dreistelligen Millionenbereich liegenden Wertes bestehe schon nach dem Wortlaut eine erhebliche Abweichung.
Außerdem gebiete es der Normzweck, eine Jahresdurchschnittsbetrachtung aus Jahresanfangs- und Jahresendwerten vorzunehmen, um so den gesamten Jahresverlauf besser zu berücksichtigen.
Zu Punkt 2:
Im Übrigen seien auch die Abrechnungsforderungen aus dem Rückversicherungsgeschäft, die nach den Vorschriften der Verordnung über die Rechnungslegung von Versicherungsunternehmen (RechVersV) unter dem Bilanzposten E II einzuordnen seien, als zu verteilende Vermögenswerte i.S.d. § 25 Abs. 1 Satz 1 BsGaV anzusehen, da es sich insoweit um Vermögenswerte handle, die die versicherungstechnischen Rückstellungen und das Eigenkapital bedeckten und in einem engen Zusammenhang zu den Abrechnungsverbindlichkeiten stünden, die gemäß § 25 Abs. 2 BsGaV aus den Vermögenswerten zu bedecken seien.
Die Behandlung der Abrechnungsforderungen durch das Finanzamt widerspreche grundlegenden bilanztheoretischen Gesetzlichkeiten, nach denen das Eigenkapital eine Residualgröße sei, die zwangsläufig erst nach Zuordnung aller übrigen Vermögenswerte bestimmt werden könne. Die von der Verwaltung vorgegebene Berechnung schaffe regelmäßig einen absurden Aktivüberhang, der letztendlich zu einer ungerechtfertigten Zuordnung von Aktiva und Passiva führe, die mit der deutschen Betriebsstätte in keinem inhaltlichen Zusammenhang stünden. Insoweit verweist die Klägerin auf ihre Beispielsrechnungen (Seite 17 ff des Schriftsatzes vom 30. Oktober 2020). Schließlich sehe Rn. 315 VWG BsGa für Drittstaatenversicherungsunternehmen eine günstigere Behandlung vor, da der Saldo aus Abrechnungsforderungen und Abrechnungsverbindlichkeiten nach dem Aufsichtsrecht des Ansässigkeitsstaates als bedeckungsfähiger Vermögenswert gelte. Dies führe zu unionsrechtlichen Bedenken gegen die Vorgehensweise der Verwaltung.
Zu Punkt 3:
Bei der vom Finanzamt angewendeten Mindestkapitalausstattungsmethode (§ 25 Abs. 3 Satz 2 BsGaV) handle es sich um eine von der OECD explizit nicht autorisierte Methode zur Bestimmung des Dotationskapitals. Vielmehr werde sie lediglich als Vereinfachungsregel angesehen und nur unter sehr restriktiven Bedingungen akzeptiert. Ihre Anwendung führe zu einer nicht sachgerechten Reduzierung des Steuersubstrats anderer Länder.
Das sich nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs (HGB) ergebende negative Dotationskapital der Klägerin beruhe vornehmlich auf der Bildung von Schwankungsrückstellungen. Ohne die nach deutschem Handelsrecht bestehende Verpflichtung zur Bildung einer Schwankungsrückstellung wäre das Dotationskapital der Klägerin im Streitjahr 2015 positiv und läge über dem Mindestkapital, sofern das Finanzamt dem Vortrag der Klägerin in Bezug auf die Abrechnungsforderungen folgen würde. Deutschland dürfe der inländischen Betriebsstätte nicht aufgrund seines Rechnungslegungsstandards einen im Vergleich zu den übrigen Staaten höheren Anteil an den Kapitalanlagen zuordnen, nur damit diese auch nach Berücksichtigung der handelsrechtlichen Anforderungen an die Rückstellungsbildung ein positives Eigenkapital ausweist.
Als Residualgröße aus den im ersten Schritt zugeordneten Vermögenswerten und den nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchhaltung anzusetzenden Passivposten ergebe sich die Höhe des Dotationskapitals. Insoweit ergebe sich eine negative Residualgröße, die als positiver Ausgleichsposten auf der Aktivseite der Bilanz ausgewiesen werde (vgl. Tabelle 3 zum Schriftsatz der Klägerin vom 30. Oktober 2020). Da das von der Klägerin bestimmte Dotationskapital nicht von § 25 Abs. 2 BsGaV abweiche, sondern vielmehr im Einklang mit § 25 Abs. 1 und Abs. 2 BsGaV bestimmt worden sei, komme eine weitere Anpassung der ermittelten Vermögenswerte nicht in Betracht.
Überdies sehe das Gesetz keine absolute Selbstständigkeitsfiktion einer Betriebsstätte vor. Vielmehr ordne die Vorschrift des § 1 Abs. 5 Satz 2 2. Hs. Außensteuergesetz (AStG) ausdrücklich an, dass die Selbstständigkeitsfiktion dort ihre Grenzen finde, wo die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen eine andere Behandlung erfordere.
II.
Die Klage ist unbegründet. Die vom Finanzamt vorgenommene Korrektur der Einkünfte der Klägerin begegnet keinen Bedenken.
1. Bei der Klägerin handelt es sich um ein Versicherungsunternehmen i.S.d. § 23 BsGaV i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Nr. 33 Gesetz über die Beaufsichtigung der Versicherungsunternehmen (Versicherungsaufsichtsgesetz – VAG). Unstreitig unterliegt die Klägerin mit ihren inländischen Einkünften der in Deutschland belegenen Betriebsstätte der beschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach § 2 Nr. 1 Körperschaftsteuergesetz (KStG).
2. Gemäß § 1 Abs. 5 AStG sind die Absätze 1, 3 bis 4 AStG über die Berichtigung von Einkünften entsprechend anzuwenden, wenn für eine Geschäftsbeziehung im Sinne des § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 AStG die Bedingungen, insbesondere die Verrechnungspreise, die der Aufteilung der Einkünfte zwischen einem inländischen Unternehmen und seiner ausländischen Betriebsstätte oder der Ermittlung der Einkünfte der inländischen Betriebsstätte eines ausländischen Unternehmens steuerlich zugrunde gelegt werden, nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen und dadurch die inländischen Einkünfte eines beschränkt Steuerpflichtigen gemindert oder die ausländischen Einkünfte eines unbeschränkt Steuerpflichtigen erhöht werden. Zur Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes ist eine Betriebsstätte wie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln, es sei denn, die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen erfordert eine andere Behandlung (§ 1 Abs. 5 Satz 2 AStG).
2.1. Die Vorschrift des § 1 Abs. 5 AStG wurde mit dem AmtshilfeRLUmsG vom 26. Juni 2013 (BStBl I 2013, 802) eingefügt und ist für Wirtschaftsjahre, die nach dem 31. Dezember 2012 beginnen, anwendbar (Dorner in: AStG – eKommentar, § 1 Berichtigung von Einkünften Fassung vom 1. Januar 2022, Rn. 177). Dadurch soll sichergestellt werden, dass einerseits alle grenzüberschreitenden Vorgänge im Hinblick auf die Gewinnabgrenzung klar und für alle Investitionsalternativen (Kapitalgesellschaften, Personengesellschaften und Betriebsstätten) einheitlich geregelt werden und andererseits sich die Einkunftskorrekturen gem. § 1 AStG an den von der OECD erarbeiteten internationalen Grundsätzen orientieren (vgl. dazu auch BR-Drucks. 302/12 vom 25. Mai 2012, 100). Im Vordergrund stand dabei die Implementierung und Umsetzung des sog. „Authorized OECD Approachs (AOA)“ (OECD, Report on the Attribution of Profits to Permanent Establishments, 22. Juli 2010 – OECD-Betriebsstättenbericht 2010, vgl. Kußmaul/Delarber/Müller: Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung-Entwurf – Ein allgemeiner Überblick, IStR 2014, 466; Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 197, Mai 2015).
2.2. Die Einzelheiten des Fremdvergleichsgrundsatzes und dessen einheitlicher Anwendung sowie Grundsätze zur Bestimmung des Dotationskapitals i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 AStG werden in der am 13. Oktober 2014 in Kraft getretenen BsGaV nach § 1 Abs. 5 AStG (BStBl I 2014, 1378) geregelt. Die entsprechende Ermächtigung zum Erlass dieser Verordnung findet sich in § 1 Abs. 6 AStG. Ergänzt wird die BsGaV durch die am 22. Dezember 2016 veröffentlichten Verwaltungsgrundsätzen – Betriebsstättengewinnaufteilung (VWG BsGa).
2.3. Die Bestimmung des Dotationskapitals inländischer Versicherungsbetriebsstätten ausländischer Versicherungsunternehmen wird in § 25 BsGaV geregelt. Nach § 25 Abs. 1 BsGaV ist der Versicherungsbetriebsstätte in einem ersten Schritt ein Anteil an den Vermögenswerten des ausländischen Versicherungsunternehmens zuzuordnen, die der Bedeckung der versicherungstechnischen Rückstellungen und des Eigenkapitals des ausländischen Versicherungsunternehmens dienen. Der Anteil der Versicherungsbetriebsstätte bemisst sich nach dem Verhältnis der versicherungstechnischen Rückstellungen für Versicherungsverträge, die der inländischen Versicherungsbetriebsstätte zuzuordnen sind, zu den versicherungstechnischen Rückstellungen, die in der Bilanz des ausländischen Versicherungsunternehmens insgesamt ausgewiesen sind.
Gemäß § 25 Abs. 2 BsGaV sind in einem zweiten Schritt von den nach Absatz 1 zugeordneten Vermögenswerten die versicherungstechnischen Rückstellungen und die aus Versicherungsverhältnissen entstandenen Verbindlichkeiten und Rechnungsabgrenzungsposten abzuziehen. Diese bestimmen sich nach den §§ 341e bis 341h des HGB sowie nach der Versicherungsunternehmens-Rechnungslegungsverordnung vom 8. November 1994 (BGBl. I S. 3378), die zuletzt durch Artikel 27 Absatz 9 des Gesetzes vom 4. Juli 2013 (BGBl. I S. 1981) geändert worden ist, in der jeweils geltenden Fassung (RechVersV). Das Ergebnis ist das der inländischen Versicherungsbetriebsstätte zuzuordnende Dotationskapital (modifizierte Kapitalaufteilungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten). Maßgebend sind insoweit die Verhältnisse zum Beginn eines Wirtschaftsjahres (§ 25 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 12 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 BsGaV). Gemäß § 12 Abs. 6 BsGaV ist das Dotationskapital jedoch innerhalb eines Wirtschaftsjahres anzupassen, sofern sich innerhalb eines Wirtschaftsjahres die Zuordnung von Personalfunktionen, von Vermögenswerten oder von Chancen und Risiken gegenüber den Verhältnissen zu Beginn des Wirtschaftsjahres ändern und zu einer erheblichen Veränderung der Höhe des Dotationskapitals führen.
In § 25 Abs. 3 Satz 1 BsGaV ist vorgesehen, dass das ausländische Versicherungsunternehmen der inländischen Versicherungsbetriebsstätte ein geringeres Dotationskapital als nach § 25 Abs. 2 BsGaV nur zuordnen darf, soweit dies zu einem Ergebnis der inländischen Versicherungsbetriebsstätte führt, das im Verhältnis zum übrigen Unternehmen dem Fremdvergleichsgrundsatz auf Grund der ihr zugeordneten Vermögenswerte sowie der ihr zugeordneten Chancen und Risiken besser entspricht.
In § 25 Abs. 3 Satz 2 BsGaV wird ausgeführt, dass die inländische Versicherungsbetriebsstätte mindestens ein Dotationskapital ausweisen muss, das sie nach versicherungsaufsichtsrechtlichen Grundsätzen als Eigenkapital ausweisen müsste, wenn sie ein rechtlich selbständiges Versicherungsunternehmen wäre (Mindestkapitalausstattungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten). Da das Mindesteigenkapital, das ein selbständiges Versicherungsunternehmen in der Situation der Versicherungsbetriebsstätte im Inland versicherungsaufsichtsrechtlich ausweisen müsste, durch die inländische Versicherungsbetriebsstätte nicht unterschritten werden darf und ein unabhängiges Versicherungsunternehmen ohne ein solches Mindesteigenkapital in Deutschland kein Versicherungsgeschäft betreiben könnte, darf das Mindesteigenkapital, das ein selbständiges Versicherungsunternehmen in der Situation der Versicherungsbetriebsstätte im Inland versicherungsaufsichtsrechtlich ausweisen müsste, nach Auffassung der Verwaltung (Rn. 320 VWG BsGa) durch die inländische Versicherungsbetriebsstätte nicht unterschritten werden. Deshalb ist für inländische Versicherungsbetriebsstätten neben der modifizierten Kapitalaufteilungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten auch die Mindestkapitalausstattungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten für die Zuordnung von Dotationskapital von Bedeutung, da sie die Untergrenze für die rechnerische Ausstattung mit Dotationskapital festlegt (Rn. 320 S. 3 VWG BsGa). Dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechend gilt § 25 Abs. 3 Satz 2 BsGaV nach Rn. 320 S. 4 VWG BsGa auch für die modifizierte Kapitalaufteilungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten nach § 25 Abs. 1 und 2 BsGaV.
Sofern das Dotationskapital, das einer inländischen Versicherungsbetriebsstätte vom ausländischen Versicherungsunternehmen zugeordnet wurde, von dem Dotationskapital abweicht, das nach Absatz 2 zuzuordnen ist, so sind die nach § 25 Abs. 1 BsGaV zuzuordnenden Vermögenswerte dem Dotationskapital nach § 25 Abs. 2 BsGaV anzupassen (§ 25 Abs. 4 BsGaV). § 25 Abs. 5 Satz 1 BsGaV regelt, dass § 12 Abs. 6 BsGaV mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass die Höhe des zuzuordnenden Dotationskapitals auch anzupassen ist, soweit dies das inländische Versicherungsaufsichtsrecht erfordert. Im Übrigen gilt § 12 BsGaV sinngemäß (§ 25 Abs. 5 Satz 2 BsGaV).
In Rn. 322 VWG BsGa wird erläutert, dass die in § 12 Absatz 6 BsGaV vorgesehene Anpassung des Dotationskapitals einer inländischen Versicherungsbetriebsstätte im Falle einer sich ergebenden „erheblichen“ Veränderung des zuzuordnenden Dotationskapitals durchzuführen ist, wenn das Dotationskapital zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahrs um mehr als 30% vom Dotationskapital zu Beginn des Wirtschaftsjahrs abweicht, aber nur dann, wenn die Abweichung mindestens 2 Mio. € beträgt.
3. Nach Ansicht des Senats bestehen gegen die vom Finanzamt vorgenommene Berechnung des Dotationskapitals der Klägerin keine Bedenken. Hinsichtlich der Höhe der den Berechnungen des Finanzamts zugrunde gelegten Vermögenswerte besteht im Übrigen kein Streit.
3.1. Das Finanzamt durfte seinen Berechnungen nach den eindeutigen gesetzgeberischen Regelungen in § 25 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 12 Abs. 1, § 3 Abs. 1 Satz 1 BsGaV die Verhältnisse zu Beginn des Wirtschaftsjahres zugrunde legen. Die im Rahmen der i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 3 AStG vorzunehmenden Funktions- und Risikoanalyse, mit der die Gestalt und die Funktion der Betriebsstätte als fiktiv eigenständiges und unabhängiges Unternehmen bestimmt werden soll, bietet die Grundlage für die Art der Geschäftsbeziehungen zwischen der inländischen Betriebsstätte und dem ausländischen Unternehmen (Kramer in: Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, 126.01. Lieferung 07.2021, § 1 AStG, Rn. 168). Aus dieser Analyse, die im Wesentlichen aus einer Feststellung der Aufgaben und der entsprechenden persönlichen und sachlichen Ausstattung der Betriebsstätte besteht, soll sich ein umfassendes Bild der Art der Betriebsstätte ergeben und damit auch, wie hoch der der Betriebsstätte zuzuordnende Teil des Eigenkapitals sein muss (Dotationskapital, vgl. § 1 Abs. 5 Satz 3 Nr. 4 AStG). Es bestehen keine rechtlichen Bedenken und entspricht der gesetzlichen Systematik, dass bei der Abwägung, welche Chancen und Risiken des Unternehmens der Betriebsstätte zuzuordnen sind, jeweils auf den Beginn des jeweiligen Wirtschaftsjahres, das im Streitfall dem Kalenderjahr entspricht, abgestellt wird.
3.2. Eine unterjährige Anpassung des Dotationskapitals nach inländischem Versicherungsaufsichtsrecht gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 12 Abs. 6 BsGaV ist für das Streitjahr 2015 nicht vorzunehmen. Nach § 12 Abs. 6 BsGaV ist das Dotationskapital innerhalb des Wirtschaftsjahres entsprechend anzupassen, wenn sich innerhalb eines Wirtschaftsjahres die Zuordnung von Personalfunktionen, von Vermögenswerten oder von Chancen und Risiken gegenüber den Verhältnissen zu Beginn des Wirtschaftsjahres ändert und dies zu einer erheblichen Veränderung der Höhe des Dotationskapitals führt, das der inländischen Betriebsstätte nach Absatz 1 zuzuordnen ist. Eine erhebliche Veränderung ist nach Rn. 322 VWG BsGa nur anzunehmen, wenn das Dotationskapital zu Beginn des folgenden Wirtschaftsjahres um mehr als 30% vom Dotationskapital zu Beginn des Wirtschaftsjahres abweicht. Die Abweichung muss jedoch mindestens 2 Mio. € betragen.
Im Streitfall hält der Senat die Regelung des Rn. 322 VWG BsGa weder für willkürlich noch führt sie zu offensichtlich unrichtigen Ergebnissen (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1994 II R 101/90, BStBl. II 1994, 503). Vielmehr beinhaltet sie ein die Einheitlichkeit der Bewertung gewährleistendes Hilfsmittel. Der Klägerin wird zwar zugestimmt, dass die genannte Grenze von 2 Mio. € im Streitfall überschritten ist und auch die 30%-Grenze mit 29,75% nahezu erfüllt ist. Gleichwohl sieht der Senat den allgemeinen Grundsatz, dass die Vorteile der Typisierung im rechten Verhältnis zu der damit notgedrungen verbundenen Ungleichheit stehen müssen, im Streitfall als nicht verletzt an (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – vom 25. Juni 2014 1 BvR 668, 2104/10, BVerfGE 137, 1 Rn. 50; BVerwG-Urteil vom 18. März 2016 – 6 C 6.15, BVerwGE 154, 275 Rn. 34 f.). Im Übrigen ist die Frage, ob und auf welche Weise eine Anpassung vorzunehmen ist, im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da auch im Falle einer unterjährigen Anpassung des Dotationskapitals die Mindestkapitalausstattungsmethode zur Anwendung käme.
3.3. Das Finanzamt hat unter zutreffender Anwendung der sogenannten modifizierten Kapitalaufteilungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten gemäß § 25 Abs. 1 und 2 BsGaV für das Streitjahr 2015 ein negatives Dotationskapital von – 1.073.840.361 € errechnet.
Nach § 25 Abs. 1 BsGaV wird der Anteil an den Vermögenswerten des ausländischen Versicherungsunternehmens der inländischen Versicherungsbetriebsstätte, die der Bedeckung der versicherungstechnischen Rückstellungen und des – im Streitfall nach den GAAP (generally accepted accounting principles) des Ansässigkeitsstaates ermittelten – Eigenkapitals des ausländischen Versicherungsunternehmens dienen, in einem ersten Schritt zugeordnet. § 25 Abs. 2 BsGaV ordnet auf der zweiten Gewinnermittlungsstufe gemäß den nationalen Regelungen nach §§ 341e bis 341h HGB und nach der RechVersV eine Korrektur der Vermögenswerte an. Mit dieser Vorgehensweise soll nach dem Willen des Gesetzgebers vermieden werden, dass eine inländische Versicherungsbetriebsstätte eines ausländischen Versicherungsunternehmens zu Lasten der deutschen Besteuerung ein – gemessen an der Gesamtausstattung des Unternehmens – zu geringes Dotationskapital ausweist (Drucksache des Bundesrats – Br-Drs. 401/14, 118).
3.4. Das Finanzamt durfte daher bei Anwendung der modifizierten Kapitalaufteilungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten gemäß § 25 Abs. 1 und 2 BsGaV auch Schwankungsrückstellungen berücksichtigen. Während Schwankungsrückstellungen nach § 341h HGB i.V.m. § 29 RechVersV zu bilden sind, sind sie nach der Rechnungslegung des International Financial Reporting Standard 4 Versicherungsverträge (IFRS 4, Versicherungsverträge übernommen durch VO (EG) Nr. 1126/2008 vom 3. November 2008[1], ABl. L 320 S. 1, 390, zuletzt geändert durch ÄndVO (EU) 2021/25 vom 13.1.2021, ABl. L 11 S. 7) nicht zu bilden, da sie nicht die Anforderungen an Schulden erfüllen (vgl. § 14 IFRS 4) und Rückstellungen nur für Verpflichtungen aus bestehenden Verträgen angesetzt werden dürfen (vgl. auch Nguyen, Grosche: Einfluss der IFRS-Bilanzierung von Versicherungsverträgen auf die Solvabilitätsanforderungen nach Solvency II, IRZ 2011, 525).
Der Senat teilt nicht die Ansicht der Klägerin, dass die dem Vorsichtsprinzip geschuldete Verpflichtung zur Bildung einer Schwankungsrückstellung nach § 341h HGB i.V.m. § 29 RechVersV unzulässigerweise dazu führe, dass Deutschland ein im Vergleich zu den übrigen Staaten höherer Anteil an den Kapitalanlagen zugeordnet wird. Wie die Klägerin selbst darstellt, führt die Einbeziehung der Schwankungsrückstellungen jedoch zu einem niedrigeren Dotationskapital und damit im Grundsatz gerade nicht dazu, dass Deutschland ein im Vergleich zu den übrigen Ländern höherer Anteil an den Kapitalanlagen zugeordnet wird. Mit der Frage, ob die Mindestkapitalausstattung zur Anwendung kommt, hat dies jedoch nichts zu tun.
Im Übrigen sind – wie die Klägerin in der Tabelle 6 im Schriftsatz vom 30. Oktober 2020 darlegt – auch in den Jahresdurchschnittswerten der Klägerin für 2015 Schwankungsrückstellungen nach den GAAP des Ansässigkeitsstaates – wenn auch in deutlich geringerer Höhe als nach HGB- enthalten. Somit sehen auch die GAAP des Ansässigkeitsstaates – anders als die IFRS 4 – Schwankungsrückstellungen grundsätzlich als Verpflichtungen an.
3.5. Die Klägerin kann auch nicht mit Erfolg geltend machen, dass im Rahmen der insoweit vorzunehmenden Hilfs- und Nebenrechnung (vgl. § 3 BsGaV) auch Abrechnungsforderungen aus dem Rückversicherungsgeschäft in die nach § 25 Abs. 1 S. 1 BsGaV zu verteilenden Vermögenswerten einzubeziehen seien. Ihrem Vortrag, dass die vom Finanzamt gewählte Vorgehensweise, die Abrechnungsforderungen zunächst bei der Allkokation der Vermögenswerte i.S.d. § 25 Abs. 1 S. 1 BsGaV unberücksichtigt zu lassen, zwangsläufig zu einem ungerechtfertigten Aktivüberhang führe, wie sich anhand eines Beispiels im Zusammenhang mit einer Verschmelzung zweier Rückversicherungsunternehmen ergebe, folgt der Senat nicht.
Nach der in Rn. 315 VWG BsGa enthaltenen abschließenden Aufzählung gehören die im Formblatt 1 zur RechVersV genannten Positionen C. (Kapitalanlagen), D. (Kapitalanlagen für Rechnung und Risiko von Inhabern von Lebensversicherungspolicen) sowie E.l. (Forderungen aus dem selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft) zu den nach § 25 Abs. 1 S. 1 BsGaV zu verteilenden Vermögenswerten, nicht jedoch die Position E.II (Abrechnungsforderung aus dem Rückversicherungsgeschäft). Die Vorschrift des § 15 RechVersV definiert die Forderungen aus dem selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft wie folgt: Im Unterposten „noch nicht fällige Ansprüche“ sind von den Lebensversicherungsunternehmen und von den Pensions- und Sterbekassen, die die Deckungsrückstellung zillmern, die noch nicht fälligen Ansprüche der Versicherungsunternehmen auf Beiträge der Versicherungsnehmer sowie der Mitglieds- und Trägerunternehmen auszuweisen, soweit diese geleistete, rechnungsmäßig gedeckte Abschlussaufwendungen betreffen (§ 15 Abs. 1 RechVersV). Bei Verträgen, für die das bis zum Inkrafttreten des Dritten Durchführungsgesetzes/EWG zum Versicherungsaufsichtsgesetz vom 21. Juli 1994 (BGBl. I S. 1630) geltende Recht weiterhin gilt, ist, wenn Garantiewerte vorgesehen sind, der Unterschiedsbetrag zwischen der geschäftsplanmäßigen Deckungsrückstellung und der uneingeschränkt gezillmerten Deckungsrückstellung hier auszuweisen (§ 15 Abs. 2 RechVersV). Gemäß § 16 RechVersV sind im Posten „Abrechnungsforderungen aus dem Rückversicherungsgeschäft“ die sich aus den laufenden Abrechnungen mit den Vor- und Rückversicherern und den Rückversicherungsmaklern ergebenden Forderungssalden aus dem in Rückdeckung übernommenen und in Rückdeckung gegebenen Versicherungsgeschäft auszuweisen. Bei zum Abschlussstichtag gekündigten Rückversicherungsverträgen umfassen die Abrechnungssalden auch die auf diese entfallenden versicherungstechnischen Rückstellungen, sofern sie zum Abschlussstichtag abgelöst werden; erfolgt die Ablösung der versicherungstechnischen Rückstellungen erst zu einem späteren Abschlussstichtag oder Zeitpunkt, sind sie bis dahin unter den entsprechenden Unterposten der versicherungstechnischen Rückstellungen auszuweisen (§ 16 S. 2 RechVersV).
Die in § 15 und § 16 RechVersV enthaltenen Definitionen zeigen, dass der Gesetzgeber zwischen Abrechnungsforderungen aus dem Rückversicherungsgeschäft und Forderungen aus dem selbst abgeschlossenen Versicherungsgeschäft bei Erstversicherungsunternehmen unterscheidet. Dies ergibt sich insbesondere aus der Einschränkung, dass gemäß § 15 Abs. 1 RechVersV die noch nicht fälligen Ansprüche der Versicherungsunternehmen auf Beiträge der Versicherungsnehmer sowie der Mitglieds- und Trägerunternehmen nur dann ausgewiesen werden dürfen, soweit diese geleistete, rechnungsmäßig gedeckte Abschlussaufwendungen betreffen.
Die Finanzverwaltung hat ebenfalls zwischen Erst- und Rückversicherern differenziert und die im Formblatt 1 zur RechVersV genannte Position E.II (Abrechnungsforderung aus dem Rückversicherungsgeschäft) nicht in die abschließende Aufzählung des Rn. 315 VWG BsGa aufgenommen und keine entsprechenden Beispielsberechnungen gebildet.
Entgegen der Ansicht der Klägerin sieht der Senat keine Veranlassung, Rn. 315 VWG BsGa bei Rückversicherungsunternehmen modifiziert auszulegen (a.A. Greinert/Karnath in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld AStG Stand 96. Lieferung Mai 2021, § 1 Rn. 3537). Die in der RechVersV enthaltenen Vorschriften ergänzen die handelsrechtlichen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften für Versicherungsunternehmen. Zwar stellt der Saldo aus Abrechnungsforderungen und Abrechnungsverbindlichkeiten sowohl nach deutschem Recht (§ 16 RechVersV) als auch – wie von der Klägerin vorgetragen – nach dem Aufsichtsrecht des Ansässigkeitsstaates grundsätzlich einen bedeckungsfähigen Vermögenswert dar. Die versicherungsrechtlichen Regelungen und die zu diesen Zwecken erstellten Daten dienen als Vorgaben für eine branchenspezifische Beurteilung, können jedoch die Grundsätze der steuerrechtlichen Einkünfteabgrenzung nicht verändern.
Der BFH hat den Zweck seiner Rechtsprechung zum Dotationskapital inländischer Betriebsstätten ausländischer Kreditinstitute dahingehend definiert, das Eigenkapital ausländischer Kreditinstitute mit Betriebsstätten im Inland nach wirtschaftlichen Kriterien – zu denen auch bankaufsichtsrechtliche Vorgaben gehören – für steuerliche Zwecke rechnerisch zwischen den inländischen und den anderen Betriebsstätten des Kreditinstituts aufzuteilen (BFH – Urteil vom 23. August 2000 I R 98/96, BStBl II 2002, 207, Rn. 26). Die allein das Bankaufsichtsrecht betreffende Umsetzung gesetzgeberischer Vorgaben (im vom BFH mit Beschluss vom 22. August 2011 I B 169/10, Rn. 13, juris entschiedenen Fall durch das Vierte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen und anderer Vorschriften über Kreditinstitute vom 21. Dezember 1992) verändere die Grundsätze der steuerrechtlichen Einkünfteabgrenzung jedoch nicht. Auch soweit aufgrund der auf den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum bezogenen Niederlassungsfreiheit für Kreditinstitute ein Kreditinstitut mit Sitz in einem anderen Staat des Europäischen Wirtschaftsraums aufgrund der Erlaubnis dieses Staates, jedoch ohne Erlaubnis durch die Bundesanstalt, über eine Zweigniederlassung im Inland Bankgeschäfte betreiben oder Finanzdienstleistungen erbringen darf, hat dies für die an nationale (und: falls vorhanden) branchenspezifische Beurteilungskriterien anknüpfenden steuerrechtlichen Aufteilungsgrundsätze keine Bedeutung.
Nach Auffassung des Senats gilt dieser für Kreditinstitute aufgestellte Grundsatz auch für die in der BsGaV enthaltenen steuerrechtlichen Aufteilungsgrundsätze. Für die danach durchzuführendende Hilfs- und Nebenrechnung hat es keine Bedeutung, dass es sich bei den Abrechnungsforderungen und Abrechnungsverbindlichkeiten aus dem Rückversicherungsgeschäft nach dem Aufsichtsrecht des Ansässigkeitsstaates um bedeckungsfähige Vermögenswerte handelt. Die Grundsätze der steuerrechtlichen Einkünfteabgrenzung werden dadurch nicht verändert. Aufgrund der grundsätzlich unterschiedlichen Zielsetzungen des handelsrechtlichen Jahresabschlusses, der in erster Linie dem Schutz der Gläubiger dienen soll, und der Ermittlung des Dotationskapitals für steuerliche Zwecke ist die Nichtberücksichtigung der Abrechnungsforderungen aus dem Rückversicherungsgeschäft im Rahmen der Hilfs- und Nebenrechnung einzubeziehenden Vermögenswerte nicht zu beanstanden.
Darüber hinaus wird auch im OECD-Betriebsstättenbericht 2010 ausgeführt, dass bei der im Rahmen der Funktionsanalyse vorzunehmenden Untersuchung, welche Vermögenswerte bei der Annahme eines Versicherungsvertrags genutzt und welche Risiken dabei übernommen werden, eine Prüfung der zu berücksichtigenden Kapitalanlagen erfolgen muss (Teil IV. B. B-3 Rn. 51, S. 238 OECD-Betriebsstättenbericht 2010). Zu den wichtigsten Vermögenswerten werden dabei Kapitalanlagen gezählt, die eine Rendite in der Form von Zinsen, Dividenden, Mieten und Kapitalgewinnen erbringen, und insbesondere Schuldtitel, Aktien, Derivate, Immobilien, die Beleihung von Versicherungspolicen und Barmittel umfassen. Dagegen handle es sich bei einigen Vermögenswerten genaugenommen nicht um Kapitalanlagen, sondern um Forderungen, die kurzfristig in Barmittel umgewandelt werden, jedoch möglicherweise keine Anlagerendite generieren, da sie aus dem Versicherungsgeschäft resultieren und zur Besicherung bestimmter Versicherungsverpflichtungen genutzt werden. Zu diesen Forderungen zählen auch Rückversicherungsforderungen. Aufgrund des engen Zusammenhangs zwischen dem übernommenen Versicherungsrisiko und dem Bedarf an Kapitalanlagen zur Bedeckung dieses Risikos müsse bei der Analyse der von der Betriebsstätte eines Versicherungsunternehmens genutzten Kapitalanlagen genau untersucht werden, wo das Versicherungsrisiko übernommen wird.
3.6. Der Senat sieht insoweit auch keine Diskriminierung von Drittstaatenversicherungsunternehmen. Denn die nicht vorgesehene Einbeziehung von Abrechnungsforderungen aus dem Rückversicherungsgeschäft knüpft nicht daran an, dass es sich bei der Klägerin um die inländische Zweigniederlassung einer ausländischen Körperschaft handelt. Entscheidend sind insoweit vielmehr die unterschiedlichen Zielsetzungen zwischen der Rechnungslegung nach dem versicherungs- bzw. handelsrechtlichen und den steuerrechtlichen Vorschriften.
Soweit die Klägerin einwendet, dass die vom Gesetzgeber nicht vorgesehene Anerkennung der Abrechnungsforderungen aus dem Rückversicherungsgesetz nicht den Vorgaben des OECD-Betriebsstättenberichts 2010 entspricht, wird im Übrigen auf die obigen Ausführungen zu der im OECD-Betriebsstättenbericht 2010 enthaltenen grundsätzlichen Akzeptanz der innerstaatlichen gesetzlichen Ansätze der einzelnen Staaten verwiesen (OECD-Betriebsstättenbericht 2010 Teil IV, Tz. 77).
3.7. Die Klägerin kann auch nicht zu ihren Gunsten vortragen, dass das von ihr errechnete Dotationskapital im Einklang mit § 25 Abs. 1 und Abs. 2 BsGaV bestimmt worden sei und daher keine weitere Anpassung der ermittelten Vermögenswerte in Betracht komme. Nach Ansicht des Senats durfte das Finanzamt aufgrund des sich in negativer Höhe ergebenden Dotationskapitals bei Anwendung der Kapitalaufteilungsmethode für die Ermittlung des der Klägerin zuzurechnenden Dotationskapital die sogenannte Mindestkapitalausstattungsmethode für Versicherungsbetriebstätten i.S.d. § 25 Abs. 3 Satz 2 BsGaV und Rn. 320 VWG BsGa anwenden. Aus dem Wortlaut des § 25 Abs. 3 Satz 2 BsGaV ergibt sich, dass die Mindestkapitalausstattungsmethode die Untergrenze für die rechnerische Ausstattung einer inländischen Versicherungsbetriebstätte darstellt. Insoweit wird ausgeführt, dass die inländische Versicherungsbetriebsstätte mindestens ein Dotationskapital ausweisen muss, das sie nach versicherungsaufsichtsrechtlichen Grundsätzen als Eigenkapital ausweisen müsste, wenn sie ein rechtlich selbständiges Versicherungsunternehmen wäre.
Der Klägerin ist zwar zuzustimmen, dass § 25 Abs. 3 S. 1 BsGaV eine Öffnungsklausel enthält, soweit auf Grund der Funktions- und Risikostruktur der inländischen Versicherungsbetriebsstätte ein geringeres Dotationskapital zu einem Ergebnis der inländischen Versicherungsbetriebsstätte führt, das dem Fremdvergleichsgrundsatz im Einzelfall besser entspricht, und § 25 Abs. 3 S. 2 BsGaV nach der Gesetzesbegründung eine Untergrenze für die Anwendung der Öffnungsklausel regelt (Br-Drs. 401/14, 119). Nach Ansicht des Senats enthält die Regelung des § 25 Abs. 3 S. 2 BsGaV ebenso wie die Regelungen in § 20 Abs. 2 BsGaV für Kreditinstitute jedoch den allgemeinen Grundsatz, dass das Mindesteigenkapital, das ein selbständiges Versicherungsunternehmen in der Situation der Versicherungsbetriebsstätte im Inland versicherungsaufsichtsrechtlich ausweisen müsste, durch die inländische Versicherungsbetriebsstätte nicht unterschritten werden darf, da ein unabhängiges Versicherungsunternehmen ohne ein solches Mindestkapital in Deutschland kein Versicherungsgeschäft betreiben könnte und die Gleichbehandlung von Versicherungsbetriebsstätten und selbständigen Versicherungsunternehmen im Inland gesichert werden müsse. Für dieses Verständnis der Regelung in § 25 Abs. 3 Satz 2 BsGaV spricht die in § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG enthaltene Fiktion, dass eine Betriebsstätte bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes grundsätzlich wie ein eigenständiges Unternehmen zu behandeln ist.
Die Regelung in § 1 Abs. 5 Satz 2 AStG entspricht dem Kerngedanken des OECD-Betriebsstättenberichts 2010, der die nahezu vollständige Verselbständigung der Betriebsstätte für steuerliche Zwecke beinhaltet, um die Gewinne dieses Unternehmensteils gemäß Art. 7 OECD-Musterabkommen zu bestimmen (vgl. OECD-Betriebsstättenbericht 2010 Teil I Tz. 11, vgl. auch Busch, Die Bestimmung des Dotationskapitals bei Versicherungsbetriebsstätten gemäß BsGaV, IStR 2014, 757). Nach Art. 7 Abs. 2 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Ansässigkeitsstaat zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und Verhinderung der Steuerhinterziehung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen, der Art. 7 OECD-Musterabkommen entspricht, handelt es sich bei den Gewinnen, die in jedem Vertragsstaat einer Betriebsstätte i.S.d. Art. 7 Abs. 1 DBA des Ansässigkeitsstaats zugerechnet werden können, um die Gewinne, die die Betriebsstätte, insbesondere in ihren wirtschaftlichen Beziehungen mit anderen Teilen des Unternehmens, voraussichtlich erzielen würde, wenn sie ein eigenständiges und unabhängiges Unternehmen wäre und die gleichen oder ähnlichen Tätigkeiten unter den gleichen oder ähnlichen Bedingungen ausübt, unter Berücksichtigung der durch die Betriebsstätte und durch die anderen Teile des Unternehmens ausgeübten Funktionen, der genutzten Wirtschaftsgüter und der übernommenen Risiken des Unternehmens. Danach wird die ausländische Zweigniederlassung eines Unternehmens aus dem jeweils anderen Vertragsstaat als selbständiges Unternehmen fingiert.
Der OECD-Betriebsstättenbericht 2010 hebt ausdrücklich hervor, dass bei Versicherungsunternehmen das Hauptziel nicht weniger als bei anderen Unternehmen darin besteht, einer Betriebsstätte Gewinne in Übereinstimmung mit Artikel 7 Absatz 2 des OECD-Musterabkommens zuzurechnen und es notwendig sei, die Gewinne zu bestimmen, „die die Betriebsstätte insbesondere in ihren wirtschaftlichen Beziehungen mit anderen Teilen des Unternehmens voraussichtlich erzielen würde, wenn sie ein selbstständiges und unabhängiges Unternehmen wäre, das die gleichen oder ähnliche Tätigkeiten unter den gleichen oder ähnlichen Bedingungen ausübt, unter Berücksichtigung der durch die Betriebsstätte und die anderen Teile des Unternehmens ausgeübten Funktionen, der genutzten Vermögenswerte und der übernommenen Risiken“ (OECD-Betriebsstättenbericht 2010 Teil IV Tz. 67). Auch wenn die Mindestkapitalausstattungsmethode nur hilfsweise angewandt werden soll, betont die OECD jedenfalls auch, dass der Betriebsstätte gemäß dem Fremdvergleichsgrundsatz und dem Grundsatz „capital follows risk“ ausreichend Dotationskapital zuzuordnen sei, um den aus der Funktionsausübung und den zugeordneten Vermögenswerten resultierenden Risiken begegnen zu können (vgl. Kußmaul/Delarber/Müller, IStR 2014, 466, beck-online unter Verweis auf OECD-Betriebsstättenbericht 2010 Teil I Tz. 71). Für die Ermittlung des Dotationskapitals gibt die OECD verschiedene Methoden vor, ohne sich auf eine festzulegen (vgl. Margerie/Feikus, Herausforderungen bei der Bestimmung des Dotationskapitals in- und ausländischer Betriebsstätten – Konkretisierung des Fremdvergleichsgrundsatzes, IStR 2019, 328).
Hinsichtlich der Eigenkapitalzuordnung und des zur Verfügung gestellten Kapitals bedeutet dies, dass die inländische Niederlassung einer ausländischen Versicherung aufgrund der Eigenart ihrer Geschäfte die nach dem VAG (vgl. insbesondere § 122 VAG) erforderliche Mindestkapitalanforderung benötigt, um ihre Geschäftstätigkeit ausüben zu können (vgl. BFHBeschluss vom 22. August 2011 I B 169/10, Rn. 16, juris zu Kreditinstituten). Nach dem anzuwendenden Fremdvergleichsgrundsatz ist einer Betriebsstätte grundsätzlich ausreichend Dotationskapital zuzuordnen, um den aus der Funktionsausübung und den zugeordneten Vermögenswerten resultierenden Risiken begegnen zu können.
Für die im Streitfall gebotene Anwendung der Mindestkapitalausstattungsmethode spricht auch die in § 12 Abs. 4 i. V. m. § 25 Abs. 5 S. 2 BsGaV enthaltene allgemeine Regelung, nach der die Kapitalaufteilungsmethode nicht dauerhaft zu Ergebnissen führen darf, die ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter nicht bereit wäre hinzunehmen. Die Klägerin kann insoweit nicht mit Erfolg einwenden, dass das negative Eigenkapital keineswegs aus einer Unterkapitalisierung des ausländischen Versicherungsunternehmens stammt, dessen Gesamtkapitalausstattung im Sitzland aufsichtsrechtlich reguliert und damit insgesamt ausreichend ist (vgl. auch Busch, IStR 2014, 757). Denn wie oben dargestellt, ist die Klägerin bei der Ermittlung des Dotationskapitals aufgrund der Selbstständigkeitsfiktion grundsätzlich als selbstständiges und unabhängiges Unternehmen zu behandeln. Insoweit spielt die Gesamtkapitalausstattung des Versicherungsunternehmen keine Rolle.
Der Klägerin ist zwar insoweit zuzustimmen, dass die Selbstständigkeitsfiktion in § 1 Abs. 5 Satz 2 letzter Halbsatz AStG eine Einschränkung enthält, sofern die Zugehörigkeit der Betriebsstätte zum Unternehmen eine andere Behandlung erfordert („Escape-Klausel“, vgl. auch Pohl in Blümich, § 1 AStG Rz. 197, Mai 2015). Die Tatsache, dass eine Betriebsstätte rechtlich und tatsächlich nur ein unselbständiger Teil des Unternehmens ist, soll nach dem OECD-Betriebsstättenbericht 2010 auch bei der Anwendung des Fremdvergleichsgrundsatzes nicht gänzlich negiert werden (vgl. auch BR-Drucks. 302/12 v. 25. Mai 2012, 105, Dorner in: AStG – eKommentar, § 1 Berichtigung von Einkünften – Fassung vom 1. Januar 2022), Rn. 178, Kußmaul/ Delarber/Müller, IStR 2014, 466). Eine Durchbrechung der Selbständigkeitsfiktion wird insbesondere bei Offshore-Windparks angenommen (vgl. Melhem/ Dombrowski, Die unbestimmten Grenzen der Selbständigkeitsfiktion des AOA, IStR 2015, 912, beck-online, Beschluss des Finanzgerichts des Saarlandes vom 30. März 2021 1 V 1374/20, EFG 2021, 1122 zur Anwendung der Grundsätze zur Zuordnung von Wirtschaftsgütern nach der Personalfunktion bei personallosen Betriebsstätten), da es selbständige Unternehmen ohne Personal nicht geben kann und insoweit eine andere Behandlung der Betriebsstätte erforderlich sein könnte (Leonhardt/Tcherveniachki in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld AStG Stand 96. Lieferung Mai 2021, § 1 Rn. 2883). Danach verringert sich die tatsächliche Selbständigkeit und Unabhängigkeit einer Betriebsstätte vom übrigen Unternehmen grundsätzlich umso mehr, je geringer die Bedeutung der Betriebsstätte ist.
Im Streitfall sieht der Senat jedoch keine Veranlassung für die Anwendung der „Escape-Klausel“. Insbesondere wegen der Eigenart der Geschäfte eines Versicherungsunternehmens benötigt die inländische Niederlassung einer ausländischen Versicherung die nach dem VAG erforderliche Mindestkapitalausstattung, um ihre Geschäftstätigkeit ausüben zu können. Der Versicherungsbetriebsstätte sind daher die Kapitalanlagen zuzuordnen, die sie aufgrund der aufsichtsrechtlichen Anforderungen im Belegenheitsstaat mindestens vorhalten müsste, wenn sie ein selbständiges Versicherungsunternehmen wäre, um eine Erlaubnis zur Ausführung des Versicherungsgeschäfts zu erhalten.
Auch wenn das Gesetz bei Anwendung der modifizierten Kapitalaufteilungsmethode für Versicherungsbetriebsstätten nicht den Ausweis eines positiven Eigenkapitals erfordert, ergibt sich aus der Gesetzesbegründung, dass eine inländische Versicherungsbetriebsstätte eines ausländischen Versicherungsunternehmens zu Lasten der deutschen Besteuerung – gemessen an der Gesamtausstattung des Unternehmens – kein zu geringes Dotationskapital ausweisen darf (Br-Drs. 401/14, 11). Nach Ansicht des Senats ist der Ausweis eines negativen Dotationskapitals nicht anzuerkennen (a.A. Busch, IStR 2014, 757, Greinert/Karnath in Flick/Wassermeyer/Baumhoff/Schönfeld AStG Stand 96. Lieferung Mai 2021, § 1 Rn. 3542).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).