Steuerrecht

(Erbschaft- und Schenkungsteuer: ; Feststellung der Summen der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens; Begünstigung von Grundstücken im Betriebsvermögen bei Nutzungsüberlassung an Dritte);

Aktenzeichen  II R 3/19

Datum:
16.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.160321.IIR3.19.0
Normen:
§ 151 Abs 1 S 1 Nr 1 BewG 1991
§ 154 BewG 1991 vom 01.11.2011
§ 13a ErbStG 1997 vom 01.11.2011
§ 13b Abs 2 S 2 Nr 1 S 2 Buchst a ErbStG 1997 vom 01.11.2011
§ 13b Abs 2a ErbStG 1997 vom 01.11.2011
Spruchkörper:
2. Senat

Leitsatz

1. Beteiligter am Verfahren der gesonderten Feststellung der Summen der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens und des jungen Verwaltungsvermögens ist der Erwerber, der die Steuerbegünstigung für das Betriebsvermögen in Anspruch nehmen könnte. Dies kann auch ein Vermächtnisnehmer sein, wenn der Erbe aufgrund einer letztwilligen Verfügung verpflichtet ist, das dem Grunde nach steuerbegünstigte Vermögen vollständig auf ihn zu übertragen.
2. Eine steuerschädliche Nutzungsüberlassung eines Grundstücks an Dritte ist anzunehmen, wenn das Grundstück einer Personengesellschaft nicht von dem Erblasser oder Schenker, sondern von einer anderen Personengesellschaft überlassen wird. Dies gilt selbst dann, wenn der Erblasser Gesellschafter dieser Personengesellschaft ist.

Verfahrensgang

vorgehend FG Münster, 11. Oktober 2018, Az: 3 K 533/17 F, Urteil

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 11.10.2018 – 3 K 533/17 F wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine im Jahr 2008 gegründete GmbH & Co. KG. Alleiniger Kommanditist war A.
2
Mit Vertrag vom 29.08.1991 war ein Grundstück (Betriebsgrundstück) an die TK-GmbH zu betrieblichen Zwecken verpachtet worden. Seit Gründung der Klägerin gehörte das Betriebsgrundstück zu ihrem Betriebsvermögen und stellte dort den Hauptvermögenswert dar. Die TK-GmbH wurde im Jahr 2008 durch Formwechsel in die TK-KG umgewandelt. Alleiniger Kommanditist mit einer Kommanditeinlage von 26.000 € war A. Einzelvertretungsbefugte Komplementärin ohne Kapitaleinlage war die TV-GmbH, deren Alleingesellschafter mit einem Geschäftsanteil von 25.000 € ebenfalls A war. Einzelvertretungsbefugte und von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) befreite Geschäftsführer der TV-GmbH waren A und sein Sohn, der durch das Finanzgericht (FG) zum Verfahren beigeladen wurde (Beigeladener). Die Verpachtung des Betriebsgrundstücks wurde zwischen der Klägerin und der TK-KG fortgesetzt.
3
Mit notariell beurkundetem Schenkungsvertrag vom 18.12.2008 übertrug A einen Teil-Kommanditanteil an der TK-KG in Höhe von 24.700 € (95 %) auf den Beigeladenen. Der Schenkungsvertrag sah in § 2 Nr. 2 ein Widerrufsrecht vor, nach dem A einen vererblichen Anspruch auf (Rück-)Übertragung der Schenkungsgegenstände u.a. dann hatte, wenn der Beigeladene sich durch eine schwere Verfehlung gegen A des groben Undanks schuldig gemacht (§ 2 Nr. 2.1 des Schenkungsvertrags) oder ohne Zustimmung des A über den Schenkungsgegenstand verfügt hatte (§ 2 Nr. 2.7 des Schenkungsvertrags).
4
Am 18.12.2008 wurde zudem der Gesellschaftsvertrag der TK-KG neugefasst. Nach dessen § 5 Abs. 1 war weiterhin zur Geschäftsführung und Vertretung der TK-KG die TV-GmbH allein berechtigt und verpflichtet. Gemeinsam vertretungsbefugte Geschäftsführer der TV-GmbH waren A und der Beigeladene. In § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags wurde vereinbart, dass zur Vornahme von bestimmten Geschäften und Rechtshandlungen, die über den üblichen Rahmen des Geschäftsbetriebes hinausgehen, die Einwilligung der Gesellschafterversammlung der TK-KG erforderlich war. Im Anschluss wurden verschiedene solcher Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte –z.B. der Erwerb von und die Verfügung über Grundstücke oder die Änderung des Gesellschaftszwecks– genannt. In einem als “Abs. 2” bezeichneten Abs. 3 des § 5 des Gesellschaftsvertrags wurde schließlich niedergelegt, dass Gesellschafterbeschlüsse gemäß Abs. 3 (gemeint: Abs. 2) der Mehrheit von 96 % der Stimmen bedurften. Gemäß § 8 Abs. 3 des Gesellschaftsvertrags war die Gesellschafterversammlung nur dann beschlussfähig, wenn alle Gesellschafter ordnungsgemäß geladen wurden und in der Versammlung mindestens mehr als 96 % des Kommanditkapitals vertreten waren. Nach § 17 des Gesellschaftsvertrags konnte ein Gesellschafter seinen Geschäftsanteil nur auf andere Personen übertragen, wenn ein Einwilligungsbeschluss der Gesellschafter mit einer Mehrheit von 96 % aller nach dem Gesellschaftsvertrag vorhandenen Stimmen vorlag. Gemäß § 8 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags gewährten je 100 € Kommanditeinlage eine Stimme.
5
A verstarb am …2012. Alleinerbin war seine Ehefrau (E). In einem gemeinschaftlichen Testament vom …2006 hatten A und E durch Vermächtnis verfügt, dass der “gesamte an” die TK-KG “verpachtete […], betrieblich genutzte […] Grundbesitz” auf den Beigeladenen übergehen sollte. In Erfüllung dieses Vermächtnisses übertrug E im November 2012 alle Anteile an der Klägerin und die noch nicht in seinem Eigentum befindlichen Anteile an der TK-KG auf den Beigeladenen.
6
Die Klägerin reichte am 12.07.2012 eine Erklärung zur Feststellung des Werts des Anteils am Betriebsvermögen nach § 97 Abs. 1a, § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) ein. Der Wert des Betriebsgrundstücks auf den …2012 wurde am 18.06.2013 auf X € festgestellt.
7
Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Bescheid über die gesonderte Feststellung des Werts des Betriebsvermögens auf den …2012 für Zwecke der Erbschaftsteuer nach § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG, die gesonderte Feststellung des Verwaltungsvermögens nach § 13b Abs. 2a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes i.d.F. des Steuervereinfachungsgesetzes 2011 (StVereinfG 2011) vom 01.11.2011 (BGBl I 2011, 2131 –ErbStG a.F.–) und die gesonderte Feststellung der Ausgangslohnsumme und der Anzahl der Beschäftigten nach § 13a Abs. 1a ErbStG a.F. (Feststellungsbescheid) vom 02.07.2013 stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) den Wert des Anteils am Betriebsvermögen auf Y € und die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens sowie die Ausgangslohnsumme auf 0 € fest. Feststellungsbeteiligte i.S. des § 154 des Bewertungsgesetzes i.d.F. des StVereinfG 2011 (BewG 2012) waren die Klägerin und der Beigeladene.
8
Nach einer Außenprüfung wurde der Feststellungsbescheid zweimal geändert und mit Änderungsbescheid vom 12.02.2015 die Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens auf X € (= Quote des Verwaltungsvermögens: 98,77 %) festgestellt. Der Änderungsbescheid bezeichnete als Feststellungsbeteiligte wiederum die Klägerin und den Beigeladenen.
9
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG führte zur Begründung im Wesentlichen aus, der geänderte Feststellungsbescheid weise zu Recht als Beteiligte nur die Klägerin und den Beigeladenen aus. Der streitbefangene Grundbesitz sei zutreffend als Verwaltungsvermögen i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 ErbStG a.F. qualifiziert worden. Die Voraussetzungen der Rückausnahme nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a ErbStG a.F. lägen nicht vor. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 195 veröffentlicht.
10
Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung von § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG und § 154 Abs. 1 BewG 2012 sowie von § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a und Abs. 2a ErbStG a.F. geltend.
11
Der Feststellungsbescheid sei entgegen § 119 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) nicht hinreichend bestimmt und deshalb nach § 125 Abs. 1 AO nichtig. E hätte an der Feststellung beteiligt werden müssen. Als Gesamtrechtsnachfolgerin des A seien ihr –und nicht dem Beigeladenen als Vermächtnisnehmer– im Todeszeitpunkt die Anteile an der Klägerin zuzurechnen. Demgemäß sei E nach § 154 Abs. 1 Nr. 1, § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG 2012 i.V.m. § 97 BewG notwendige Feststellungsadressatin. Mit dieser Feststellung gehe die hier streitige Feststellung der Summe der gemeinen Werte der Wirtschaftsgüter des Verwaltungsvermögens gemäß § 13b Abs. 2a ErbStG a.F. zwingend einher. Es sei nicht maßgebend, wer die Steuerbefreiung nach § 13b ErbStG a.F. letztlich in Anspruch nehme.
12
Der Feststellungsbescheid sei auch materiell-rechtlich rechtswidrig. Die Rückausnahme nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a Alternative 1 ErbStG a.F. definiere einen eigenen erbschaftsteuerrechtlichen Begriff der Betriebsaufspaltung. Der ertragsteuerrechtlich geforderte einheitliche geschäftliche Betätigungswille als Voraussetzung der personellen Verflechtung werde dem erbschaftsteuerrechtlichen Ziel nicht gerecht, dasjenige Vermögen zu begünstigen, das dem Erhalt von Arbeitsplätzen diene. A sei zu 100 % an der Klägerin und zu 5 % an der TK-KG beteiligt gewesen. Letzteres reiche im Streitfall aus, um eine erbschaftsteuerrechtliche Betriebsaufspaltung anzunehmen. A sei nicht nur als Geschäftsführer der Komplementärin maßgebend an den alltäglichen Geschäften der TK-KG, sondern wegen des in § 5 des Gesellschaftsvertrags vorgesehenen Quorums von 96 % auch an deren außergewöhnlichen Geschäften beteiligt gewesen. Im Übrigen habe A schon deshalb einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen bei der Klägerin wie bei der TK-KG durchsetzen können, weil die Schenkung unter den Vorbehalt des Widerrufs gestellt worden sei und der Beigeladene über den Gegenstand der Zuwendung nicht ohne Zustimmung von A habe verfügen dürfen.
13
Im Übrigen sei die Ungleichbehandlung zwischen einem Einzelunternehmen und einer Kapitalgesellschaft einerseits und einer Personengesellschaft andererseits nicht gerechtfertigt. Hätte sich das verpachtete Betriebsgrundstück im Vermögen des A befunden, wäre es unstreitig seinem Sonderbetriebsvermögen bei der TK-KG zuzurechnen und damit begünstigt gewesen. Ebenso verhielte es sich, wenn sich das Grundstück im Vermögen einer GmbH befände und A die Anteile hieran hielte.
14
Sollte die Beteiligung des A an der Klägerin in Übereinstimmung mit der Verfügung der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main vom 16.09.2014 (Deutsches Steuerrecht 2014, 2180) dem Sonderbetriebsvermögen der TK-KG zuzurechnen gewesen sein, wäre das Betriebsgrundstück ebenfalls kein Verwaltungsvermögen, da dann die Rückausnahme nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a Alternative 2 ErbStG a.F. einschlägig sei.
15
Die Klägerin beantragt sinngemäß,die Vorentscheidung aufzuheben und den Änderungsbescheid vom 12.02.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 31.01.2017 dahingehend zu ändern, dass die Summe der gemeinen Werte des Verwaltungsvermögens auf 0 € festgestellt wird.
16
Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
17
Bei der Feststellung nach § 13b Abs. 2a ErbStG a.F. handele es sich um eine von der Feststellung gemäß § 151 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BewG i.V.m. § 97 BewG zu unterscheidende, eigenständige Feststellung, auch wenn beide Feststellungen in einem Bescheid ergangen seien. Die Steuerbefreiung des § 13a ErbStG a.F. könne der Beigeladene als Vermächtnisnehmer und nicht E als Erbin in Anspruch nehmen. Daher betreffe die Feststellung nach § 13b Abs. 2a ErbStG a.F. nur ihn. Die Rückausnahme des § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a Alternative 1 ErbStG a.F. finde keine Anwendung. Nachdem A dem Beigeladenen die Anteile an der TK-KG geschenkt habe, habe er seinen Willen dort nicht mehr durchsetzen können. Auch die Rückausnahme nach § 13b Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 2 Buchst. a Alternative 2 ErbStG a.F. sei nicht einschlägig. Die Vorschrift sei eng auszulegen. Das Betriebsgrundstück befinde sich nicht im Sonderbetriebsvermögen des A.
18
Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
19
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.


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