Steuerrecht

Erlaubnis zur Wohnungsdurchsuchung

Aktenzeichen  AN 5 X 17.01617

Datum:
21.8.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GG GG Art. 13 Abs. 2
BayVwZVG BayVwZVG Art. 19 Abs. 1 Ziff. 3, Art. 37 Abs. 3
AufenthG AufenthG § 48

 

Leitsatz

Die sich aus § 48 AufenthG ergebende Mitwirkungspflicht ermächtigt die zuständige Behörde auch zum Erlass von Verwaltungsakten, den sog Passverfügungen, mit denen die Mitwirkungspflichten im Einzelfall konkretisiert und eine Grundlage für Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung geschaffen werden sollen. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Betreten und die Durchsuchung der Wohnung mit Nebenräumen des Antragsgegners in der …, … durch Bedienstete der Stadt … und der örtlich zuständigen Polizeiinspektion werden gestattet. Verschlossene Türen und Behältnisse dürfen geöffnet werden.
Die Gestattung gilt bis zum 10. September 2017 und nur zum Zweck der Sicherstellung/Beschlagnahme des türkischen Nationalpasses Nr. …, gültig vom 29. November 2012 bis 16. März 2021.
2. Die Stadt … wird mit der Zustellung dieses Beschlusses sowie des Antrages vom 11. August 2017 an den Antragsgegner bzw. dessen Bevollmächtigte zu Beginn der Durchführung der unter Nummer 1. gestatteten Maßnahme beauftragt.
3. Die Kosten des gerichtsgebührenfreien Verfahrens trägt der Antragsgegner.

Gründe

II.
Der Antrag ist zulässig und begründet.
Gemäß Art. 37 Abs. 3 Satz 1 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz – BayVwZVG – sind die zuständigen Bediensteten der Vollstreckungsbehörde sowie Polizeibeamte befugt, die Wohnung des Pflichtigen zu betreten sowie verschlossene Türen und Behältnisse zu öffnen. Im Hinblick auf Art. 13 Abs. 2 GG, wonach Wohnungsdurchsuchungen außer in dem hier nicht einschlägigen Fall der Gefahr in Verzug nur durch den Richter angeordnet werden dürfen, ist diese Vorschrift in verfassungskonformer Auslegung um einen Richtervorbehalt zu ergänzen (vgl. z.B. BayVGH, B.v. 23.2.2000 Az. 21 C 99, 1406).
Der Antrag ist auch begründet.
Die allgemeinen Vollstreckungsvoraussetzungen nach Art. 19 BayVwZVG liegen vor.
Der Bescheid vom 18. Juli 2017, mit dem der Antragsteller aufgefordert wurde, binnen fünf Tagen nach Zustellung der Anordnung seinen türkischen Reisepass vorzulegen, wurde in Ziffer 2) für sofort vollziehbar verfügt, so dass die Vollstreckungsvoraussetzung des Art. 19 Abs. 1 Ziffer 3 BayVwZVG vorliegt. Die sich aus § 48 AufenthG ergebende Mitwirkungspflicht ermächtigt die zuständige Behörde auch zum Erlass von Verwaltungsakten, den sogenannten Passverfügungen, mit denen die Mitwirkungspflichten im Einzelfall konkretisiert und eine Grundlage für Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung geschaffen werden sollen. Angesichts der vom Antragsgegner ausgehenden Wiederholungsgefahr (vgl. die ausführlichen Darlegungen im Bescheid der Antragstellerin vom 21. September 2015 und im Beschluss der Kammer vom 13. April 2017 (AN 5 S. 15.01689)) bestehen auch hinsichtlich der Rechtmäßigkeit dieser Verfügung keine Bedenken.
Diesen Bescheid hat die Bevollmächtigte des Antragstellers am 21. Juli 2017 erhalten (vgl. Empfangsbestätigung). Hiergegen wurde bisher weder Klage erhoben noch Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt.
Der Antragsgegner ist seiner Verpflichtung zur Vorlage seines Reisepasses bisher auch nicht nachgekommen (vgl. Art. 19 Abs. 2 BayVwZVG). Mit der Antragstellerin geht die Kammer davon aus, dass vorliegend die Anordnung unmittelbaren Zwanges zur Erreichung des angestrebten Ziels, nämlich mittels der Sicherstellung des türkischen Nationalpasses des Antragsgegners die zeitnahe Durchführung aufenthaltsbeendender Maßnahmen zu ermöglichen, geeignet, erforderlich und angemessen ist.
Die notfalls zwangsweise Öffnung und Durchsuchung der Wohnung ist auch erforderlich, da mit der freiwilligen Herausgabe des Passes nicht zu rechnen ist. Vielmehr lässt der Antragsgegner durch seine Bevollmächtigte am 24. Juli 2017 vortragen, seinen Pass verloren zu haben, ohne dass entgegen anderslautender Ankündigung auch nur ansatzweise substantiiert vorgetragen wird, seit wann er den Pass vermisst, wo er ihn eventuell verloren haben könnte bzw. ob er sich diesbezüglich mit dem Begehren einer Neuausstellung an die türkischen Behörden gewandt hätte.
Die Wohnungsdurchsuchung ist vorliegend auch nicht unverhältnismäßig. Dabei wird durchaus der Grundsatz der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG) gesehen. Diese Rechtsposition hat aber hier hinter dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Gefahrenabwehr, das im Wege der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen ist, zurückzutreten. Zutreffend führte die Antragstellerin aus, dass es sich beim Antragsgegner um einen Intensivstraftäter handelt, bei dem ein unbehandeltes Drogen- und Persönlichkeitsproblem vorliegt. So wurde bereits in der für sofort vollziehbar erklärten Ausweisungsverfügung vom 21. September 2015 im Einzelnen dargelegt, dass vorliegend ein besonderes öffentliches Interesse an der baldigen Aufenthaltsbeendigung des Antragsgegners besteht, um Schaden von Dritten abzuwehren und zum Schutz der Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Auch die Kammer hat im Beschluss vom 13. April 2017 (AN 5 S. 15.01689) diese Gefahr gesehen und die Anordnung der sofortigen Verfügung der Ausweisungsverfügung für rechtmäßig befunden. Insbesondere ging die Kammer mit der Antragstellerin davon aus, dass für den Fall der Haftentlassung des Antragsgegners vor Unanfechtbarkeit des Klageverfahrens eine vollziehbare Ausweisungs- und Abschiebungsverfügung erforderlich ist, da ein Eintreten der prognostizierten Wiederholungsgefahr bereits relativ kurzfristig nach Haftentlassung zu befürchten ist. Angesichts dessen, dass der Schwerpunkt der vom Antragsgegner begangenen Delikte im Bereich der Gewaltdelikte liegt, und auch dessen, dass die Kammer nach wie vor davon ausgeht, dass nach dem persönlichen Verhalten des Antragsgegners mit hinreichender Wahrscheinlichkeit damit gerechnet werden muss, dass von ihm auch künftig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht, ist das öffentliche Interesse an einer möglichst zeitnahen Abschiebung im Interesse einer effektiven Gefahrenabwehr offenkundig. In dieses Gesamtbild fügt sich im Übrigen das Verhalten des Antragsgegners anlässlich seiner Vorsprache bei der Ausländerbehörde am 9. Mai 2017 ein, als er Mitarbeiter mit dem Tod bedrohte. Es besteht nach Mitteilung der Regierung von Oberbayern trotz Vollziehbarkeit des Ausweisungsbescheides auch keine andere Möglichkeit im Sinne eines milderen Mittels über türkische Behörden an Heimreisepapiere zu kommen, da die türkischen Behörden nur im Falle endgültiger Bestandskraft der Ausweisung entsprechend tätig werden.
Darüber hinaus bleibt es dem Antragsgegner unbenommen, eine Durchsuchung seiner Wohnung usw. durch sofortige Abgabe seines Nationalpasses abzuwenden.
Von der Zustellung des Antrages an die Bevollmächtigte des Antragsgegners bzw. an diesen und auch von einer vorherigen Anhörung des Antragsgegners vor Erlass dieses Beschlusses sieht die Kammer in Ausübung des ihr hierbei zustehenden pflichtgemäßen Ermessens ab. Die Sicherung gefährdeten Interessen macht vorliegend einen sofortigen Zugriff notwendig, der die vorherige Anhörung ausschließt.
Weil die richterliche Prüfung einer Wohnungsdurchsuchung die Einhaltung der rechtlichen Grundlagen nicht für unabsehbare Zeit gewährleisten kann, war die Durchsuchungsanordnung zu befristen.
Um den Erfolg der Durchsuchung nicht zu gefährden, ist die Antragstellerin im Wege der Amtshilfe zu beauftragen, den Beschluss gemäß § 14 VwGO dem Antragsgegner bzw. dessen Bevollmächtigter unmittelbar bei Beginn der Durchsuchung durch Übergabe zuzustellen.
Der beantragten Tenorierung, dass die Durchsuchungsanordnung die Kraftfahrzeuge des Antragsgegners mitumfasst, bedarf es nicht, weil ein Kraftfahrzeug keine „Wohnung“ ist und damit dessen Durchsuchung nicht dem Richtervorbehalt des Art. 13 Abs. 2 GG unterliegt. Für die Durchsuchung des Kraftfahrzeugs genügt die allgemeine Befugnis der Behörde nach Art. 30 Abs. 1 VwZVG, ihren Verwaltungsakt selbst zu vollstrecken, gegebenenfalls im Wege unmittelbaren Zwangs nach Art. 37 Abs. 2 VwZVG.
Kosten: §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.


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