Steuerrecht

Erweiterte Gewerbeuntersagung

Aktenzeichen  22 ZB 17.374

Datum:
22.3.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
NWB – 2017, 2016
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
GewO § 35 Abs. 1 S. 2
BGB § 320 Abs. 1 S. 1

 

Leitsatz

1 Eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit ist auch dann anzunehmen, wenn sich der Gewerbetreibende zur Erledigung beruflich bedingter Pflichten Dritter bedient, die die ihnen übertragenen Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Gewerbetreibenden das Fehlverhalten des Dritten bekannt sein musste, ohne dass er für Abhilfe sorgt. (redaktioneller Leitsatz)
2 Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung der Tatsachen, auf denen die Einordnung eines Gewerbetreibenden als unzuverlässig beruht, ist die Untersagungsverfügung. Nachträglich eintretende Umstände (zB die Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Gewerbetreibenden) bleiben unberücksichtigt. (redaktioneller Leitsatz)
3 Für die Erstreckung einer Untersagungsverfügung über die angemeldete Tätigkeit hinaus muss die Ausübung der in § 35 Abs. 1 S. 2 GewO beschriebenen Tätigkeiten nicht wahrscheinlich sein. Es genügt, wenn die Ausübung dieser Tätigkeiten nicht ausgeschlossen werden kann.   (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

M 16 K 16.1782 2016-12-12 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 20.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Durch Bescheid vom 18. März 2016 untersagte die Beklagte dem Kläger die Ausübung des Gewerbes „zulassungsfreies Gebäudereinigerhandwerk“, ferner die Ausübung jeder selbständigen Tätigkeit sowie von Betätigungen als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person.
Begründet wurde die Entscheidung im Wesentlichen mit Verletzungen der Steuerentrichtungspflicht durch den Kläger (aus von ihm abgegebenen Lohnsteueranmeldungen und Gewerbesteuervoranmeldungen standen am 9.3.2016 23.794,45 € zur Zahlung offen), mit der teilweisen Missachtung der Steuererklärungspflicht durch ihn (er hatte bis zum Bescheidserlass die Einkommen- und Umsatzsteuererklärungen für die Jahre 2013 und 2014 nicht eingereicht) sowie damit, dass er am 14. August 2015 wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in sechs tatmehrheitlichen Fällen rechtskräftig zu einer Gesamtgeldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 30 Euro verurteilt worden war.
Die gegen den Bescheid vom 18. März 2016 erhobene Anfechtungsklage des Klägers wies das Verwaltungsgericht München durch Urteil vom 12. Dezember 2016 als unbegründet ab.
Der Kläger beantragt, gegen diese Entscheidung die Berufung zuzulassen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung, über den ohne Anhörung der Beklagten entschieden werden konnte, bleibt ohne Erfolg, da durch die Antragsbegründung (vgl. zur Maßgeblichkeit der darin enthaltenen Darlegungen § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO – allein diesen Zulassungsgrund nimmt der Kläger für sich in Anspruch – nicht aufgezeigt werden.
Ungeeignet, Bedenken bezüglich der Richtigkeit dieser Entscheidung hervorzurufen, ist zunächst das Vorbringen, die Steuerrückstände beruhten maßgeblich auf Schwierigkeiten des Klägers mit einem früheren Steuerberater; sie hätten dazu geführt, dass Steuererklärungen verspätet abgegeben worden und erhebliche Säumniszuschläge aufgelaufen seien. Da der Kläger einen neuen Steuerberater beauftragt habe, sei gewährleistet, dass seine steuerlichen Pflichten nunmehr beachtet würden.
Soweit die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers aus der Verletzung der Steuerentrichtungspflicht durch ihn hergeleitet wird, ist diese Behauptung schon deshalb nicht geeignet, ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils vom 12. Dezember 2016 hervorzurufen, weil in der im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt – nämlich bei Erlass des Bescheids vom 18. März 2016 (vgl. dazu grundlegend BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146.80 – BVerwGE 65, 1/2 f.) – bestehenden Steuerschuld in Höhe von 23.794,45 € ausweislich der von der Beklagten eingeholten Auskunft des Finanzamtes München vom 9. März 2016 Säumniszuschläge nur in sehr geringem Umfang (nämlich in Höhe von 482,50 €) enthalten waren.
Unbehelflich ist das sich auf die Tätigkeit des früheren Steuerberaters des Klägers beziehende Vorbringen aber auch, soweit damit der Vorwurf der teilweisen Nichterfüllung der Steuererklärungspflicht entkräftet werden soll. Hierbei kann dahinstehen, ob die unterbliebene Abgabe von Steuererklärungen durch einen früheren steuerlichen Berater des Klägers tatsächlich pflichtwidrig war oder diesem nicht vielmehr gemäß § 320 Abs. 1 Satz 1 BGB das Recht zustand, von einem (weiteren) Tätigwerden für den Kläger, in Bezug auf den nach den unwidersprochen gebliebenen Angaben in den amtlichen Auskünften des Finanzamtes München vom 12. November 2015 und vom 9. März 2016 fortlaufend Pfändungsmaßnahmen erforderlich waren, Abstand zu nehmen. An dem Befund, dass der Kläger u. a. wegen Verletzung der Steuererklärungspflicht gewerberechtlich unzuverlässig ist, würde sich nämlich nichts ändern, falls ein früherer Steuerberater es ohne rechtfertigenden Grund unterlassen hätte, steuerliche Angelegenheiten des Klägers wahrzunehmen. Denn unzuverlässig ist ein Gewerbetreibender auch dann, wenn er sich zur Erledigung beruflich bedingter Pflichten Dritter bedient, die die ihnen übertragenen Aufgaben nicht ordnungsgemäß erfüllen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn dem Gewerbetreibenden das Fehlverhalten des Dritten bekannt sein musste, ohne dass er sogleich für Abhilfe sorgt. Dem Kläger aber konnte nicht verborgen bleiben, dass im Rahmen der Einkommen- und der Umsatzsteuerveranlagung für das Jahr 2013 die Besteuerungsgrundlagen wegen fehlender diesbezüglicher Steuererklärungen geschätzt werden mussten, wie das nach glaubhafter Darstellung des Finanzamtes erforderlich war. Dass es zu solchen Schätzungen gekommen ist, vermochte der Kläger spätestens den Einkommen- und Umsatzsteuerbescheiden für das Jahr 2013 zu entnehmen; sollte der Steuerberater sie nicht an ihn weitergegeben haben, musste ihm bereits geraume Zeit vor dem 18. März 2016 – dem maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt – auffallen, dass ihm für das Jahr 2013 keine Bescheide über diese beiden Steuerarten vorlagen.
Angesichts der Maßgeblichkeit der im Zeitpunkt der Untersagungsverfügung bestehenden Verhältnisse ist auch das Vorbringen in der Antragsbegründung, das sich mit den vom Kläger nunmehr behauptetermaßen unternommenen Bemühungen befasst, seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit durch den Verkauf einer Eigentumswohnung zu verbessern, nicht geeignet, Zweifel daran zu begründen, dass das Verwaltungsgericht die Klage zu Recht abgewiesen hat. Gleiches gilt für die Ausführungen, die sich mit dem Abschluss einer Ratenzahlungsvereinbarung mit einer Betriebskrankenkasse befassen, zumal weder die Beklagte noch das Verwaltungsgericht ihre Entscheidungen darauf gestützt haben, dass der Kläger auch gegenüber diesem Träger der Sozialversicherung Rückstände hat auflaufen lassen.
Das Vorbringen in der Antragsbegründung, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger eine von § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO erfasste Tätigkeit ausüben werde, bzw. ein Ausweichen in solche Betätigungen sei „keineswegs wahrscheinlich“, ist schon deshalb ungeeignet, die Voraussetzungen für eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darzutun, weil der Kläger insoweit von einem unzutreffenden rechtlichen Ansatzpunkt ausgeht. Denn zur Rechtfertigung einer auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gestützten Erstreckung der Gewerbeuntersagung über die angemeldete Tätigkeit hinaus genügt es, dass die Ausübung derartiger weiterer Tätigkeiten durch den Betroffenen nicht ausgeschlossen werden kann; hierauf hat das Verwaltungsgericht auf Seite 14 des angefochtenen Urteils unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zutreffend hingewiesen. Auf den Umstand, dass das vorerwähnte Vorbringen in der Antragsbegründung, das den auf § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO gestützten Ausspruch betrifft, ebenso gänzlich unsubstantiiert geblieben ist wie die Behauptung, das Verwaltungsgericht habe die „besondere Ausnahmesituation“ des Klägers nicht hinreichend berücksichtigt, ist vor diesem Hintergrund nur ergänzend hinzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit den Empfehlungen in den Nummern 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.


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