Steuerrecht

Erweiterte Gewerbeuntersagung, GmbH, Unzuverlässigkeit einer juristischen Person, Rückstände bei Sozialversicherungsträgern, Nichtabgabe der Vermögensauskunft

Aktenzeichen  M 16 K 19.2899

Datum:
5.6.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 51723
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
GewO § 35 Abs. 1 S. 1 und S. 2

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1. Das Gericht konnte über die Klage verhandeln und entscheiden, obwohl nur die Beklagtenpartei zur mündlichen Verhandlung erschienen ist.
a) In der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens verhandelt und entschieden werden kann (§ 102 Abs. 2 VwGO).
b) Dem Verlegungsgesuch der Klägerin hat das Gericht nicht entsprochen, weil diese keinen erheblichen Verlegungsgrund glaubhaft gemacht hat (§ 173 VwGO, § 227 ZPO).
Soweit die Klägerin geltend macht, sie wolle in der Sache noch weiter vortragen und einen Bevollmächtigten beauftragen, steht eine nicht entschuldigte mangelnde Vorbereitung inmitten, die keinen erheblichen Grund darstellen kann (vgl. § 227 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 ZPO; Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 227 Rn. 10).
Soweit eine Erkrankung des Geschäftsführers Herrn T* … vorgetragen wurde, ist diese entgegen dem Verlangen des Gerichts nicht glaubhaft gemacht worden. Eine Verlegung wegen Krankheit kommt nur in Betracht, wenn der Beteiligte darlegt und durch ein aussagekräftiges ärztliches Attest, das nähere Angaben zu Art und Schwere der Krankheit enthält, glaubhaft macht, dass Art und Schwere der Krankheit der Verhandlungs- und /oder Reisefähigkeit für die begrenzte Zeit der Anreise und Dauer der mündlichen Verhandlung entgegenstehen (vgl. BayVGH, B.v. 27.7.2016 – 11 ZB 16.30121 – juris Rn. 7 ff.; BFH, B.v. 26.11.2013 – I B 2/13 – juris Rn. 3; OVG Lüneburg, B.v. 5.11.2012 – 2 LA 177/12 – juris Rn. 7; Feskorn in Zöller, ZPO, 33. Aufl. 2020, § 227 Rn. 8). Die vorgelegte pauschale Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 27. Juni 2020 genügte demnach nicht (vgl. BayVGH, a.a.O). Ebenfalls ungenügend ist die übersandte ärztliche Bescheinigung vom 4. Juni 2020. Diese benennt allein Symptome – „Allergie-Hustenanfälle, Fieber, akute Infektion der Atemwege“ – ohne diese einem Krankheitsbild zuzuordnen und sich zur Schwere der Krankheit zu verhalten. Damit enthält die Bescheinigung bereits keine Diagnose, ist nicht schlüssig und kann die nicht plausibel begründete ärztliche Angabe, ein Aufenthalt im Freien oder Menschen sei nicht möglich, nicht nachvollzogen werden. Abgesehen davon wurde, obwohl das Gericht Gelegenheit dazu gegeben hat, nicht plausibel dargelegt, wie sich die ärztliche Bescheinigung damit vereinbaren lässt, dass Mitarbeiter des Beklagten Herrn T* … am 2. Juni 2020 anlässlich einer Betriebskontrolle zur Einhaltung der Vorgaben der 4. BayIfSMV in seinem Friseursalon angetroffen haben. Diese haben dem Gericht glaubhaft versichert, die Mitarbeiter Herrn T* … hätten beim erstmaligen Aufsuchen des Salons am 2. Juni 2020 gegen 14 Uhr angegeben, Herr T* … würde jeden Abend von 18 bis 20 Uhr selber dort sein und so auch an jenem Abend. Weiterhin wurde nachvollziehbar dargelegt, dass Herr T* … keine Erkrankung thematisierte, keine Anzeichen dafür erkennen ließ und einen Mund-Nasen-Schutz trug, obwohl bereits mit Schriftsatz vom 27. Mai 2020 geltend gemacht worden war, Herr T* … leide an „starken Hustenanfällen und Allergieausbruch“ und könne keine Maske tragen.
Abgesehen von Vorstehendem zwingen die Gesamtumstände und das Prozessverhalten der Klagepartei zu dem Schluss, dass die Verlegung allein zur Prozessverschleppung begehrt wird und der Antrag sich daher als rechtsmissbräuchlich darstellt (vgl. dazu Feskorn in Zöller, a.a.O., Rn. 8a). Bereits bei der ersten telefonischen Kontaktaufnahme beim Gericht durch eine Mitarbeiterin der Klägerin wurde der Wunsch geäußert, noch Zeit für die Vorbereitung der Verhandlung eingeräumt zu erhalten, eine Erkrankung Herrn T* … wurde hingegen nicht angesprochen.
2. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid der Beklagten vom 8. Mai 2019 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
3. Die Untersagung der konkret ausgeübten Gewerbe findet ihre Rechtsgrundlage in § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO. Danach ist die Ausübung eines Gewerbes ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden in Bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutz der Allgemeinheit erforderlich ist.
a) Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Gewerbetreibender dann gewerberechtlich unzuverlässig, wenn er nach dem Gesamteindruck seines Verhaltens nicht die Gewähr dafür bietet, dass er sein Gewerbe künftig ordnungsgemäß ausüben wird. Die Unzuverlässigkeit kann sich insbesondere aus mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, dem Vorliegen von Steuerschulden, der Verletzung von steuerlichen Erklärungspflichten, dem Vorhandensein von Beitragsrückständen bei Sozialversicherungsträgern oder aus Straftaten und Ordnungswidrigkeiten ergeben (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 146/80 – juris; BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5/94 – juris; BVerwG, B.v. 11.11.1996 – 1 B 226/96 – juris; BVerwG, B.v. 5.3.1997 – 1 B 56/97 – juris; BVerwG, B.v. 16.2.1998 – 1 B 26/98 – juris).
Für die erforderliche Prognose zur Feststellung der Unzuverlässigkeit ist aus den bereits vorhandenen tatsächlichen Umständen auf ein wahrscheinliches zukünftiges Verhalten des Gewerbetreibenden zu schließen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit ist wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes gemäß § 35 Abs. 6 GewO grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17/79 – juris; BVerwG, B.v. 16.6.1995 – 1 B 83/95 – juris). Nachträgliche Veränderungen der Sachlage zugunsten des Gewerbetreibenden, insbesondere eine Minderung von Verbindlichkeiten, bleiben daher außer Betracht (vgl. BayVGH, B.v. 23.10.2012 – 22 ZB 12. 888 – juris Rn. 15 m.w.N.).
Steht wie hier die Zuverlässigkeit einer juristischen Person in Rede, können Unzuverlässigkeitsgründe gerade in der juristischen Person liegen – wie etwa eine mangelnde finanzielle Leistungsfähigkeit, ggf. auch in der Unterform der Steuerschulden – oder auf einer Unzuverlässigkeit des vertretungsberechtigten Organs beruhen, das der juristischen Person zurechenbar ist. Davon zu unterscheiden sind Unzuverlässigkeitsgründe, die ausschließlich in der Person des Vertretungsberechtigten liegen und der juristischen Person nicht zuzurechnen sind; darunter wird insbesondere die mangelnde Leistungsfähigkeit des Vertretungsberechtigten selbst gefasst (vgl. zu alldem BayVGH, B.v. 7.6.2018 – 22 ZB 18.807 – juris Rn. 11; BayVGH, B.v. 17.1.2012 – 22 CS 11.1972 – juris Rn. 10; OVG NRW, B.v. 28.8.2017 – 4 A 2233/15 – juris Rn. 8; Pielow, BeckOK GewO, Stand 1.3.2030, § 35 Rn. 27).
b) Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Gewerbeuntersagung zu Recht ergangen.
aa) Die Beklagte ist zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit der Klägerin ausgegangen.
(1) Die negative Prognose rechtfertigt sich bereits im Hinblick auf den bei Wirksamwerden des Bescheids am 16. Mai 2019 vorliegenden Eintrag im Vollstreckungsportal mit dem Vermerk „Nichtabgabe der Vermögensauskunft“, der für eine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Klägerin selbst spricht. Dieser Eintrag spricht zudem dafür, dass ihr Geschäftsführer nicht bereit ist, den Gläubigern der Klägerin den notwendigen Überblick über ihre Vermögensverhältnisse zu verschaffen, und damit leistungsunwillig (vgl. BayVGH, B.v. 19.2.2009 – 22 ZB 09.218 – juris Rn. 2), was der Klägerin zurechenbar ist. Wenn die Klägerin dagegen in der Klagebegründung einwendet, der Eintrag habe sich mit der Vereinbarung einer Ratenzahlung mit der AOK überschnitten, ist das nach der Stellungnahme der AOK vom 13. Juni 2019 bereits unzutreffend; danach lag keine Zahlungsvereinbarung vor. Abgesehen davon machten Zahlungsvereinbarungen, wie sie in der Klagebegründung vorgetragen wurden, die erfolgten Eintragungen ins Schuldnerverzeichnis nicht nachträglich obsolet, wie die engen Löschungsvoraussetzungen des § 882e Abs. 1 und 3 ZPO zeigen, und belegten weiterhin, dass die Klägerin vollstreckbare Forderungen nicht sofort zahlen kann oder will. Dabei kann dahinstehen, ob insoweit Zahlungsvereinbarungen mit dem Gerichtsvollzieher (vgl. dazu BayVGH, B.v. 21.9.2018 – 22 ZB 18.1043 – juris Rn. 11) oder mit den Gläubigern (vgl. dazu Thomas/Putzo, ZPO, 41. Aufl. 2020, § 882e Rn. 7; LG Dessau-Roßlau, B.v. 25.8.2014 – 1 T 152/14 – juris Rn. 6) in Rede stehen.
(2) Darüber hinaus hat die Beklagte, was sich als eigenständig tragender Grund darstellt, zu Recht angenommen, dass die Klägerin deswegen als gewerberechtlich unzuverlässig einzuordnen ist, weil sie ihren Zahlungspflichten gegenüber den Sozialversicherungsträgern nicht nachgekommen ist. Insbesondere aus den Aufstellungen der AOK Bayern und der BIG direkt gesund vom 6. Mai 2019 ist erkennbar, dass die Klägerin seit Beginn ihrer Tätigkeit, die sie zum 1. August 2018 angezeigt hat, systematisch und nachhaltig ihre Zahlungspflichten verletzt hat. Beim Bescheiderlass hatten sich deshalb die in dem Bescheid genannten Rückstände von mehr als 150.000 EUR gebildet. Ein sinnvolles und erfolgversprechendes Sanierungskonzept (vgl. dazu BayVGH, B.v. 5.12.2016 – 22 ZB 16.2177 – juris Rn. 16; B.v. 8.7.2013 – 22 C 13.1163 – juris Rn. 10) hatte die Beklagte auch im Rahmen der Anhörung nicht vorgelegt, insbesondere, wie sich aus der Mitteilung der AOK bzw. dem Telefonvermerk über die Telefonate mit BIG direkt gesund und Novitas BKK vom 13. Mai 2019 ergibt, keine Ratenzahlungsvereinbarungen abgeschlossen. Dies rechtfertigt zum einen den Schluss, dass die Klägerin wirtschaftlich nicht leistungsfähig oder gar leistungsunwillig ist. Zum anderen entspricht es nicht der Fürsorge der Klägerin für ihre Beschäftigten, diesen zwar den Netto-Lohn auszuzahlen, aber die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen, die der sozialen Absicherung der Arbeitnehmer dienen, schuldig zu bleiben (vgl. BayVGH, U.v. 14.8.2014 – 22 B 14.880 – juris Rn. 24).
(3) Unabhängig von Vorstehendem rechtfertigt auch das sonstige dokumentierte Verhalten der Klägerin die Einschätzung, dass sie zur Erfüllung öffentlichrechtlicher Verpflichtungen nicht bereit oder in der Lage ist. So ist aus den Mitteilungen des Finanzamts München ersichtlich, dass die Klägerin auch ihre steuerlichen Zahlungsverpflichtungen gleich nach der Aufnahme ihrer gewerblichen Tätigkeit verletzt hat (Mitteilung v. 10.4.2019) und die Steuern durch Vollstreckung beigetrieben werden mussten (vgl. Vermerk v. 13. Mai 2019). Fällige Schulden bei öffentlichen Kassen nicht von sich aus zu erfüllen, sondern es auf Vollstreckungsmaßnahmen ankommen zu lassen, entspricht aber gerade nicht einer ordnungsgemäßen Gewerbeausübung (vgl. BayVGH, B.v. 17.4.2012 – 22 ZB 11.2845 – juris Rn. 24). Zugleich lässt die Äußerung des Geschäftsführers vom 28. März 2019 gegenüber dem Finanzamt, in dem eine „angenehme Zusammenarbeit auch in einer manchmal nicht vermeidbaren Pfändungsphase“ angemahnt wird, nicht erkennen, dass dieser sich der Verbindlichkeit öffentlichrechtlicher Forderungen bewusst ist, und rechtfertigte den Schluss, dass die Klägerin öffentliche Verpflichtungen auch in Zukunft nicht zuverlässig erfüllen wird. In dieses Bild fügt sich ein, dass die Klägerin bereits zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses ihre steuerlichen Erklärungspflichten verletzt hat. Aus dem Telefonvermerk der Beklagten vom 4. Juni 2020 ergibt sich, dass die Umsatzsteuervoranmeldungen (vgl. dazu § 18 UStG) seit Betriebsbeginn allein für den Monat August 2018 abgegeben wurde und im Übrigen Schätzungen erfolgten.
(4) Somit hat die Beklagte auch zu Recht darauf abgestellt, dass die Klägerin sich einen unlauteren Wettbewerbsvorteil gegenüber mit ihr konkurrierenden Betrieben verschafft, die Steuern und Sozialversicherungsbeiträge für ihre Mitarbeiter pünktlich entrichten (vgl. BayVGH, U.v. 14.8.2014 – 22 B 14.880 – juris Rn. 24).
(5) Bestätigt wird die negative Prognose, was sich gleichfalls als selbständig tragender Grund darstellt (zur Berücksichtigungsfähigkeit vgl. OVG Lüneburg, B.v. 24.8.2007 – 7 ME 193/06 – juris Rn. 15) dadurch, dass die Klägerin auch nach Bescheiderlass ihre Zahlungspflichten gegenüber der AOK Bayern sowie der BIG direkt gesund verletzt hat (vgl. Vermerk v. 3./4. Juni 2020), immer noch Beiträge in Höhe von gut 70.000 EUR schuldet und auch ihren steuerlichen Erklärungspflichten weiterhin nicht nachkommt. Nach wie vor werden Umsatzsteuervoranmeldungen nicht abgegeben, inzwischen steht auch die Jahressteuererklärung 2018 aus.
(6) Dahinstehen kann damit, ob die Klägerin auch wegen der im Bescheid genannten Steuerschulden ihres Geschäftsführers unzuverlässig ist. Ebenso keiner Erörterung bedarf, ob, wie die Beklagte in der mündlichen Verhandlung unter Vorlage umfangreicher Materialien ausgeführt hat, die Beklagte auch deswegen als unzuverlässig anzusehen ist, weil hier ein Strohmannverhältnis vorliegt und die faktische Betriebsleitung von Frau V* … ausgeübt wird (vgl. dazu den bestandskräftigen Bescheid der Beklagten v. 28.7.2017), oder aber zumindest deswegen, weil Herr T* … Frau V* … maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung einräumt (vgl. zu alldem Ennuschat in Tettinger/Wank/Ennuschat, GewO, 8. Auf. 2011, § 35 Rn. 85 ff., 107 ff.).
bb) Die Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO – als gebundene Entscheidung – ist auch erforderlich und steht in Einklang mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Ein milderes, gleich wirksames Mittel, die Allgemeinheit vor den o.g. Gefahren zu schützen, ist nicht ersichtlich. Grundsätzlich ist geklärt, dass eine den gesetzlichen Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO entsprechende Gewerbeuntersagungsverfügung allenfalls in extremen Ausnahmefällen gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen kann (BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5/94 – juris Rn. 8; U.v. 16.3.1982 – 1 C 124/80 – juris Rn. 24). Dafür besteht hier kein Anhalt.
4. Die Ausdehnung der Gewerbeuntersagung auf jegliche gewerbliche Tätigkeit ist ebenso wenig zu beanstanden. Nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO kann die Untersagung u.a. auch auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Gewerbetreibende auch für diese Gewerbe unzuverlässig ist. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung setzt der Erlass einer solchen erweiterten Gewerbeuntersagung das Vorliegen einer „gewerbeübergreifenden Unzuverlässigkeit“ des Betroffenen voraus. Darüber hinaus muss die Erstreckung der Untersagung auf andere gewerbliche Tätigkeiten erforderlich sein. Dies ist dann der Fall, wenn zu erwarten ist, dass der Gewerbetreibende auf entsprechende Tätigkeiten ausweicht. Ausreichend für diese Annahme ist es, dass keine besonderen Umstände vorliegen, die es ausschließen, dass der Gewerbetreibende ein anderes Gewerbe in Zukunft ausübt (vgl. BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17/79 – juris; BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 CB 2/81 – juris; BVerwG, B.v. 11.9.1992 – 1 B 131/92
– juris; BVerwG, B.v. 19.1.1994 – 1 B 5/94 – juris; BayVGH, U.v. 1.6.2011 – 22 B 09.2785 – juris).
Diese Voraussetzungen waren hier gleichfalls gegeben. Die o.g. Unzuverlässigkeitstatbestände haben keinen Bezug zu einer bestimmten gewerblichen Tätigkeit und begründen – jeder für sich – die gewerbeübergreifende Unzuverlässigkeit der Klägerin. Da nicht ersichtlich war, dass die Klägerin zukünftig kein anderes Gewerbe ausüben würde, war ein Ausweichen hinreichend wahrscheinlich.
Die Beklagte hat auch das ihr nach § 35 Abs. 1 Satz 2 GewO zustehende Ermessen fehlerfrei ausgeübt (§ 114 Satz 1 VwGO). Insbesondere steht der Ausschluss eines Gewerbetreibenden, der gewerbeübergreifend unzuverlässig ist, aus dem Wirtschaftsverkehr mit dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz in der Ausprägung durch Art. 12 GG in Einklang (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.1993 – 1 B 1/93 – juris).
4. Nach alldem war die Klage abzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 Abs. 1 und Abs. 2 VwGO in Verbindung mit den §§ 708 ff. ZPO.


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