Steuerrecht

Fremdenverkehrsbeitrag, Höhe des Vorteilssatzes, Begriff des Fremden, Juwelier, Goldschmied

Aktenzeichen  M 10 K 19.2536

Datum:
20.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 17988
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
KAG Art. 6
Satzung für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags in der Gemeinde … vom 4. Dezember 1992 in der Fassung vom 29. November 2004

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

Gründe

A.
Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg.
Der Bescheid der Beklagten vom 28. November 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts … … vom 3. Mai 2019 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen subjektiven Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
I. Rechtsgrundlage für die Erhebung des Fremdenverkehrsbeitrags ist Art. 6 KAG i.V.m der Fremdenverkehrsbeitragssatzung der Beklagten vom 4. Dezember 1992 in der Fassung vom 29. November 2004.
Bedenken gegen die Wirksamkeit der Satzung sind weder vorgetragen noch ersichtlich. Insbesondere kann auch die Heranziehung des Klägers als natürliche Person auf die vorliegende Satzung gestützt werden. Zwar wird der Beitrag gemäß § 1 Abs. 1 FVBS „von allen selbständig tätigen und den juristischen Personen“ erhoben, denen durch den Fremdenverkehr im Gemeindegebiet Vorteile erwachsen. Dass damit nach dem Willen der Beklagten auch natürliche Personen als Beitragsschuldner umfasst sind, lässt sich ohne weiteres durch Auslegung ermitteln.
II. Die Beklagte hat die Satzung auch zutreffend auf den vorliegenden Fall angewendet.
1. Die Fremdenverkehrsbeitragspflicht des Klägers als Inhaber eines Juweliergeschäfts bzw. einer Goldschmiede ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Daran, dass einem Einzelhandels- und Handwerksbetrieb wie dem des Klägers durch Geschäfte mit Besuchern unmittelbare Vorteile aus dem stattfindenden Fremdenverkehr erwachsen, bestehen keine Zweifel.
2. Der angesetzte Vorteilssatz von 30% begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
Die Ermittlung des Vorteilssatzes durch Schätzung beruht auf § 3 Abs. 3 Satz 2 FVBS. Die Legitimation für eine Schätzung des Vorteilssatzes ergibt sich daraus, dass es praktisch kaum möglich ist, die dem Einzelnen aus dem Fremdenverkehr erwachsenden Vorteile exakt zu ermitteln und die Geschäfte mit Fremden und Ortsansässigen auseinander zu dividieren. Die Schätzung des Vorteilssatzes ist als bloße Tatsachenfeststellung in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar. Es besteht jedoch ein Schätzungsspielraum (Engelbrecht in Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, 3. Aufl. 2018, 18. Lfg. August 2018, Art. 6 Rn. 46 m.w.N.; VGH Baden-Württemberg, U.v. 29.4.2010 – 2 S 2160/09 – juris).
Die Beklagte begründet ihre Schätzung in Übereinstimmung mit § 3 Abs. 3 Satz 3 FVBS mit der zentralen Lage der Geschäftsräume. Zudem hat sie die von anderen Gemeinden für vergleichbare Betriebe angenommenen Vorteilssätze berücksichtigt, sodass der Vorteilssatz nicht „gegriffen“ ist, was unzulässig wäre (BayVGH, U.v. 14.3.2000 – 4 B 96.809 – juris Rn. 30). Auch die konkrete Ausgestaltung des klägerischen Betriebs, insbesondere das vorgehaltene Sortiment und die Tätigkeit als Goldschmied lassen den Vorteilssatz von 30% nicht unangemessen erscheinen. Durchgreifende Bedenken gegen die ermittelte Höhe des Vorteilssatzes hat der Kläger nicht vorgebracht.
Den Vorteilssatz von 30% hat der Kläger insbesondere nicht durch die Gegenüberstellung der monatlichen Umsätze in den Jahren 2016 bis 2018 mit den monatlichen Übernachtungszahlen dieser Jahre widerlegt. Dieser lässt sich, wie vom Kläger vorgetragen, entnehmen, dass er in den Monaten Mai bis Oktober, in die zwei Drittel der Übernachtungen in … fielen, nur knapp die Hälfte seines Jahresumsatzes erzielte und im Monat Februar, in dem vergleichsweise hohe Übernachtungszahlen vorlagen, nur der jeweils geringste Monatsumsatz des Jahres erzielt wurde. Hieraus folgt zwar, dass der Kläger mit seinem Betrieb nicht in hohem Maße vom Fremdenverkehr profitiert, wie dies beispielsweise oftmals bei Restaurants und Vergnügungsstätten der Fall ist. Gleichwohl folgt daraus nicht, dass der Kläger nur in völlig untergeordnetem Maße vom Fremdenverkehr profitieren würde. So lässt sich beispielsweise feststellen, dass in die Sommermonate, insbesondere in die Monate Juli bis September, in denen durchgängig hohe Übernachtungszahlen vorlagen, immer wieder vergleichsweise hohe Umsätze fielen. Ein fehlender oder nur sehr geringer Einfluss des Fremdenverkehrs auf die erzielten Umsätze kann der Gegenüberstellung gerade nicht entnommen werden. Stattdessen wird ein Vorteil im Bereich des von der Beklagten gewählten Vorteilssatzes bestätigt. Auch ein Anteil des Fremdenverkehrs am Umsatz im Monat Dezember lässt sich trotz der vergleichsweise niedrigen Übernachtungszahlen während dieses Monats nicht von der Hand weisen, da auch die zu diesem Zeitpunkt anwesenden Übernachtungsgäste erfahrungsgemäß am Weihnachtsgeschäft teilnehmen. Hinzukommt, dass dem Kläger auch durch den stattfindenden Tagestourismus Vorteile entstehen und Übernachtungszahlen hierüber keine Erkenntnisse liefern können.
Nach Einschätzung des Klägers stammt ein großer Teil seiner Kundschaft aus der Region um … Soweit er in diesem Zusammenhang jedoch ausführt, dass sich dieser Kundenteil nicht zu touristischen Zwecken in … aufhalte und damit nicht dem Fremdenverkehrsbegriff unterfalle, ist dem entgegenzuhalten, dass der Begriff des Fremdenverkehrs nach ständiger Rechtsprechung weit auszulegen ist. Er umfasst alle Formen des Erholungs-, Vergnügungs-, Heil- und Bildungstourismus. Entscheidend ist, dass es sich um einen kurzfristigen Aufenthalt eines nicht Ortsansässigen in der Gemeinde aus einem im weitesten Sinne dem Tourismus zuzurechnenden Grund handelt (vgl. BayVGH, B.v. 5.6.2018 – 4 ZB 17.1865 – juris Rn. 11 m.w.N.). Auf die subjektive Motivation für einen Besuch kommt es nicht an (Engelbrecht in Schieder/Happ, Bayerisches Kommunalabgabengesetz, 3. Aufl. 2018, 18. Lfg. August 2018, Art. 6 Rn. 47). Der Fremdenverkehrsbeitrag stellt einen Gegenwert für diejenigen Kosten dar, welche die Gemeinde zur Förderung des Fremdenverkehrs aufbringt. Es kommt nicht darauf an, ob der Beitragspflichtige durch die Inanspruchnahme ganz bestimmter Fremdenverkehrseinrichtungen einen konkreten nachweisbaren Vorteil hat. Die Beitragspflicht wird vielmehr durch die Vorteile aus dem Fremdenverkehr als solchem ausgelöst (BayVGH, B.v. 5.6.2018, a.a.O.). Auch Besucher aus der Region werden nach allgemeiner Lebenserfahrung regelmäßig durch die vorgehaltenen Einrichtungen des Fremdenverkehrs angezogen und unterfallen somit zu einem großen Teil dem Fremdenverkehrsbegriff. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass es Kunden aus der Region um … gibt, die etwa aufgrund des Trauringsortiments ausschließlich für einen Einkauf im Geschäft des Klägers nach … kommen und gezielt dessen Geschäft aufsuchen, lässt sich zum einen nicht ausschließen, dass auch diese Personen durch einen touristischen Besuch in … auf das Geschäft des Klägers aufmerksam geworden sind – wofür insbesondere die zentrale Lage des Geschäfts spricht -, zum anderen ist erfahrungsgemäß dennoch davon auszugehen, dass der überwiegende Teil der Kunden des Klägers den Einkauf in seinem Geschäft mit anderen Unternehmungen oder Einkäufen verbindet und sich somit auch aus touristischen Gründen in … aufhält. Diese Erwägungen lassen sich auch auf die vom Kläger angeführte Gruppe der Durch- und Geschäftsreisenden übertragen. Auch hier wird ein Anhalten in … bzw. ein längeres Verweilen als unbedingt nötig regelmäßig gerade aufgrund der bestehenden Erholungs- und Vergnügungsmöglichkeiten stattfinden. Dass dem Kläger auch im Hinblick auf aus der Region um … stammende Personen sowie Geschäfts- und Durchreisende Vorteile aus den von der Beklagten durchgeführten Maßnahmen zur Aufwertung des Ortes Vorteile entstehen, hat der Kläger nicht durchgreifend in Zweifel gezogen. Durch den Fremdenverkehr erlangt er auch im Hinblick auf diese Personengruppen bessere Verdienstmöglichkeiten, die in die Berechnung des Vorteilssatzes miteinzubeziehen sind.
Sollte der Anteil der Einheimischen bzw. nicht dem Fremdenverkehr zuzurechnenden auswärtigen Personen am Kundenkreis des Klägers tatsächlich höher sein, als derzeit angenommen, ist es Sache des Klägers, hierfür geeignete Nachweise – beispielsweise mittels Durchführung einer Kundenumfrage oder Vorlage von Rechnungen, die die Adresse der Kunden enthalten – vorzulegen und so eine für ihn günstigere Schätzung des Vorteilssatzes zu ermöglichen. Im Rahmen der Schätzung des Vorteilssatzes besteht für die Gemeinde die Verpflichtung, die ihr zugänglichen Umstände zu ermitteln und zu berücksichtigen, die ein realitätsnahes Schätzergebnis vermitteln. Diese Verpflichtung der Kommune entlastet den Betroffenen aber nicht von der ihn treffenden Obliegenheit, die in seine Sphäre fallenden und nur von ihm ermittelbaren Umstände offen zu legen (BayVGH, B.v. 1.2.2007 – 4 ZB 06.167 – juris Rn. 11). Eine unzureichende Ermittlung der relevanten Umstände kann der Beklagten vorliegend nicht zum Vorwurf gemacht werden. Insbesondere die Ermittlung der tatsächlichen Zusammensetzung des Kundenkreises, auf die es vorliegend nach dem Vortrag des Klägers in erster Linie ankommt, ist für Gemeinden im Hinblick auf die Vielzahl der zu berücksichtigenden Betriebe rein praktisch nicht möglich. Stattdessen kann eine dahingehende Ermittlung deutlich einfacher durch den Kläger vorgenommen werden und fällt damit in seine Sphäre.
3. Gründe für eine Rechtswidrigkeit der Berechnung der Beitragshöhe im Übrigen sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
B.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.


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