Aktenzeichen VI R 2/13
§ 10 Abs 1 Nr 7 EStG 2009 vom 07.12.2011
§ 12 Nr 5 EStG 2009 vom 07.12.2011
§ 4 Abs 9 EStG 2009 vom 07.12.2011
§ 52 Abs 23d S 5 EStG 2009 vom 07.12.2011
§ 52 Abs 12 S 11 EStG 2009 vom 07.12.2011
Art 3 Abs 1 GG
Art 100 Abs 1 GG
§ 80 Abs 1 BVerfGG
§ 80 Abs 2 S 1 BVerfGG
EStG VZ 2007
Art 12 GG
EStG VZ 2008
Verfahrensgang
vorgehend Finanzgericht Baden-Württemberg, 26. November 2012, Az: 10 K 4245/11, Urteilnachgehend BVerfG, 19. November 2019, Az: 2 BvL 22/14, Beschluss
Tenor
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Es wird eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber eingeholt, ob § 9 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592) insoweit mit dem Grundgesetz vereinbar ist, als danach Aufwendungen des Steuerpflichtigen für seine erstmalige Berufsausbildung oder für ein Erststudium, das zugleich eine Erstausbildung vermittelt, keine Werbungskosten sind, wenn diese Berufsausbildung oder dieses Erststudium nicht im Rahmen eines Dienstverhältnisses stattfindet und auch keine weiteren einkommensteuerrechtlichen Regelungen bestehen, nach denen die vom Abzugsverbot betroffenen Aufwendungen die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage mindern.
Tatbestand
1
A. Gegenstand der Vorlage (Sachverhalt, Entscheidung des Finanzgerichts –FG– und Vortrag der Beteiligten)
2
Streitig ist, ob vom Steuerpflichtigen selbst getragene Aufwendungen für eine Berufsausbildung zum Verkehrsflugzeugführer als vorweggenommene Werbungskosten zu berücksichtigen sind.
3
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) absolvierte in den Streitjahren (2007, 2008) als seine erstmalige Ausbildung eine solche zum Berufspiloten. In diesen beiden Streitjahren erzielte der Kläger noch keine Einkünfte; er war erst ab Januar 2009 als Berufspilot tätig. Die Kosten für seine Berufsausbildung machte der Kläger in seiner Einkommensteuererklärung 2007 als vorweggenommene Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 31.257 € geltend, mit der Einkommensteuererklärung 2008 machte er Kosten in Höhe von 43.203 € geltend, die er jeweils auch im Einzelnen nachgewiesen hat.
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Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) berücksichtigte in den Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre die Berufsausbildungskosten jeweils nur in Höhe von 4.000 € als Sonderausgaben und setzte die Einkommensteuer mit 0 € fest. Mit weiteren Bescheiden lehnte das FA die gesonderte Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags zum 31. Dezember 2007 sowie zum 31. Dezember 2008 ab.
5
Die dagegen eingelegten Einsprüche ruhten zunächst wegen beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängiger Verfahren. Nach den Urteilen des vorlegenden Senats vom 28. Juli 2011 VI R 38/10 (BFHE 234, 279, BStBl II 2012, 561) und VI R 7/10 (BFHE 234, 271, BStBl II 2012, 557) erhob der Kläger am 14. Dezember 2011 Untätigkeitsklage, weil das FA noch nicht über die Einsprüche entschieden hatte. Das FA wies sodann mit Einspruchsentscheidung vom 26. März 2012 die Einsprüche zurück.
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Mit der dagegen erhobenen Klage brachte der Kläger im Wesentlichen vor, dass nach Auffassung des BFH auch Aufwendungen für eine erstmalige Berufsausbildung als vorab entstandene Werbungskosten anzuerkennen seien. Die als Reaktion auf diese Rechtsprechung in das Gesetz eingefügten §§ 4 Abs. 9 und 9 Abs. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes (BeitrRLUmsG) vom 7. Dezember 2011 (BGBl I 2011, 2592), die rückwirkend für offene Veranlagungszeiträume ab 2004 anzuwenden seien, verstießen als unzulässige echte Rückwirkung gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
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Das FG hat mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2013, 433 veröffentlichten Gründen die Klage abgewiesen. Die vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen für seine erstmalige Ausbildung zum Berufspiloten seien gemäß § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG vom Werbungskostenabzug ausgeschlossen. Die –dem Grunde und der Höhe nach unstreitig entstandenen– Aufwendungen hierfür seien daher nach §§ 9 Abs. 6, 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG keine abziehbaren Werbungskosten.
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Die Neuregelung verstoße nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.
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Der Kläger rügt mit der Revision die Verletzung materiellen (Verfassungs-)Rechts. § 9 Abs. 6 und § 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des BeitrRLUmsG verstießen gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
10
Die Neuregelung verstoße schließlich auch gegen das Rückwirkungsverbot, da sie ab Veranlagungszeitraum 2004 anwendbar sei; es liege insoweit eine echte Rückwirkung vor, weil die Neuregelung in tatsächlich und rechtlich abgeschlossene Geschehen eingreife. Zwingende Gründe des Gemeinwohls seien hierfür nicht ersichtlich.
11
Der Kläger beantragt,das Urteil des FG Baden-Württemberg aufzuheben und das FA zu verpflichten, die Verluste der Streitjahre 2007 und 2008 im beantragten Umfang festzustellen.
12
Das FA beantragt sinngemäß,die Revision zurückzuweisen.
13
Das Urteil des FG entspreche der geltenden Rechtslage. Die streitigen Vorschriften seien nicht verfassungswidrig.