Steuerrecht

(isolierte) Zwangsgeldandrohung, Vollstreckung einer bestandskräftigen Nutzungsuntersagung, Verkaufsplatz für PKW, Inanspruchnahme des Eigentümers als Vollstreckungsschuldner anstelle des Nießbrauchsberechtigten, Untersuchungsgrundsatz im Verwaltungsverfahren, Mitwirkungslast der Beteiligten

Aktenzeichen  M 8 K 21.2279 , M 8 K 21.4004 , M 8 K 21.5382

Datum:
24.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 11115
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwZVG Art. 38
BayVwVfG Art. 24
BayVwVfG Art. 26 Abs. 2
BGB § 1030
BGB § 1036

 

Leitsatz

Tenor

I. Die Verfahren M 8 K 21.2279, M 8 K 21.4004 und M 8 K 21.5382 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Zwangsgeldandrohungen in den Bescheiden der Beklagten vom 25. März 2021 und vom 5. Juli 2021, jeweils Aktenzeichen …, sowie die Zwangsgeldandrohung im Bescheid der Beklagten vom 10. September 2021, Aktenzeichen …, werden aufgehoben.
III. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
IV. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

I. Die drei anhängigen (Hauptsache-)Verfahren konnten gemäß § 93 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur gemeinsamen Entscheidung verbunden werden, da die Streitgegenstände – es handelt sich jeweils um eine isolierte Zwangsgeldandrohung zur Durchsetzung derselben Nutzungsuntersagung in Bezug auf das Grundstück H2. Straße 83 – im Zusammenhang stehen (vgl. zu den Voraussetzungen des § 93 VwGO: Rennert in: Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 15. Auflage 2019, § 93 Rn. 2).
II. Die zulässigen Klagen haben in der Sache Erfolg.
1. Der Bevollmächtigte des Klägers hat in der mündlichen Verhandlung in Bezug auf alle drei anhängigen Hauptsacheverfahren klargestellt, dass die Klage sich jeweils lediglich auf die in den streitgegenständlichen Bescheiden enthaltenen Zwangsgeldandrohungen beziehen. Die (insoweit statthaften) Anfechtungsklagen (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 VwZVG i.V.m. § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO; vgl. zur statthaften Klageart: BayVGH, U.v. 27.5.1993 – 24 B 90.1654 – juris Rn. 17; VG München, B.v. 22.8.2017 – M 8 S 17.3296 – juris Rn. 34) sind zulässig, insbesondere fristgerecht, nämlich jeweils innerhalb eines Monates nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts (§ 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO) erhoben worden. Dies gilt insbesondere (auch) für die Klage gegen den Bescheid vom 25. März 2021, für den sich zwar in den Behördenakten kein Zustellungsnachweis findet. Der Nachweis, dass das Schriftstück dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers zuging (Art. 8 Abs. 1 Satz 2 VwZVG), ist durch die Einreichung der Kopie des angefochtenen Bescheids mit Eingangsstempel des damaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 29. März 2021 zur Gerichtsakte geführt (siehe Anlage AST 1 zum Schriftsatz vom 28. April 2021, Gerichtsakte M 8 S 21.2310, Bl. 10 sowie Anlage K 2 zum Schriftsatz vom gleichen Tag im Verfahren M 8 K 21.2279, Gerichtsakte Bl. 14) Damit konnten auch etwaige Verletzungen zwingender Zustellungsvorschriften nach Art. 9 VwZVG geheilt werden, wonach das Schriftstück dem Empfänger als zu dem Zeitpunkt zugestellt gilt, in dem er es tatsächlich erhalten hat. Zudem wäre eine Heilung auch durch rügeloses Einlegen des statthaften Rechtsbehelfs mit Klageerhebung eingetreten (VG München, U.v. 20.7.2009 – M 8 K 09.91 – juris Rn. 32 m.w.N. sowie U.v. 9.11.2020 – M 8 K 19.192 – S. 19 des Urteilsumdrucks). Damit begann die Klagefrist in Bezug auf den Bescheid vom 25. März 2021 am 30. März 2021 zu laufen und endete mit Ablauf des 29. April 2021, § 57 VwGO i.V.m. §§ 222 Zivilprozessordnung (ZPO), 187 ff. Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Die Klage ging bei Gericht am 28. April 2021 und damit innerhalb der Frist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ein.
2. Die Klagen sind auch begründet, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
Die Zwangsgeldandrohungen in den Bescheiden vom 25. März 2021, 5. Juli 2021 (dort Ziffer II.) und 10. September 2021 (dort ebenfalls Ziffer II.) sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Rechtswidrigkeit erfasst auch die in den streitgegenständlichen Bescheiden jeweils enthaltene Kostenentscheidung (vgl. Ziffer 2. des Bescheids vom 25. März 2021, Ziffer II.2. des Bescheids vom 5. Juli 2021 und Ziffer II.2. des Bescheids vom 10. September 2021).
Die Klagen haben in der Sache jedenfalls deswegen Erfolg, weil die an den Kläger gerichteten Zwangsgeldandrohungen in den Bescheiden der Beklagten vom 25. März 2021, 5. Juli 2021 und 10. September 2021 wegen dessen Inanspruchnahme als Vollstreckungsschuldner rechtswidrig sind und der Kläger hierdurch in seinen Rechten verletzt wird, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
a) Soweit der Kläger eine fehlerhafte Störerauswahl rügt, ist sein Vortrag im vorliegenden Fall nicht nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG ausgeschlossen. Nach dieser Vorschrift kann die Androhung eines Zwangsmittels, wenn sie – so wie hier – nicht mit dem zu Grunde liegenden Verwaltungsakt verbunden ist, nur insoweit angefochten werden, als eine Rechtsverletzung durch die Androhung selbst behauptet wird (BayVGH, B.v. 21.8.2017 – 1 ZB 17.926 – juris Rn. 3). Zwar ist die Störerauswahl grds. der Auswahlermessensentscheidung der Bauaufsichtsbehörde im Rahmen der Grundverfügung zuzuordnen, so dass ein Vollstreckungsschuldner mit dem Vortrag, er sei zu Unrecht als Adressat einer Anordnung in Anspruch genommen worden, im Klageverfahren gegen eine isolierte Zwangsgeldandrohung nicht mehr gehört werden kann (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2021 – 9 ZB 19.322 – juris Rn. 8; B.v. 20.10.2021 – 9 ZB 21.1749 – juris Rn. 8; B.v. 15.10.2020 – 1 ZB 18.148 – juris Rn. 6 f.). Den vorgenannten Entscheidungen lag dabei aber jeweils ein Sachverhalt zugrunde, in welchem der Adressat der Grundverfügung und Vollstreckungsschuldner identisch waren. So verhält es sich hier indes nicht. Die Grundverfügung, die vorliegend vollstreckt werden soll, erging nicht gegenüber dem Kläger, sondern gegenüber einem Dritten, Herrn H1., den die Beklagte seinerzeit als Handlungsstörer in Anspruch genommen hat. Im Vollstreckungsverfahren zieht die Beklagte über Art. 54 Abs. 2 Satz 3 BayBO nunmehr den Kläger als (neuen) Grundstückseigentümer heran. In dieser Konstellation ist die Frage der richtigen Störerauswahl nicht nach Art. 38 Abs. 1 Satz 3 VwZVG ausgeschlossen.
b) Die Inanspruchnahme des Klägers als Vollstreckungsschuldner war jedoch vorliegend ermessensfehlerhaft.
Ob die zuständige Behörde in das Vollstreckungsverfahren einsteigt und welche Maßnahmen sie ergreift, steht in ihrem pflichtgemäßem Ermessen (vgl. Art. 19 Abs. 1, Art. 29 Abs. 1 VwZVG), das nur einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt (§ 114 Satz 1 VwGO). Das behördlich Ermessen erstreckt sich sowohl auf die Frage, ob überhaupt Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet werden (Entschließungsermessen), als auch auf die Frage, gegen wen (etwa bei gesamtschuldnerischer Verpflichtung) und auf welche Art und Weise (Ausübungsermessen; vgl. hierzu: Zeiser in: Wernsmann, Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz, 2020, Art. 19 Rnrn. 49, 52; Giehl/Adolph/Käß, Verwaltungsverfahrensrecht in Bayern, Art. 19 VwZVG Rn. 30). Liegt eine Störermehrheit vor, hat die Behörde nach pflichtgemäßem Ermessen über die Inanspruchnahme eines Störers zu entscheiden. Gesetzliche Richtschnur für die fehlerfreie Ausübung des Auswahlermessens unter mehreren Störern sind die Umstände des Einzelfalles, der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und auch das Gebot der schnellen und effektiven Gefahrenbeseitigung. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Handlungsstörer durch seine Tätigkeit mehr zur Störung der Rechtsordnung beiträgt als etwa der Grundstückseigentümer als Zustandsstörer, wird es dabei regelmäßig sachgerecht sein, den Handlungsstörer vor dem Zustandsstörer in Anspruch zu nehmen, wenn nicht die Wirksamkeit der Maßnahme eine andere Reihenfolge gebietet (vgl. BayVGH, B.v. 28.7 2014 – 2 CS 14.1326 – juris Rn. 4B.v. 28.05.2001 – 1 ZB 01.664 – juris; U.v. 22.4.1992 – 2 B 90.1348 – BayVBl 1993, 147; VG Ansbach, B.v. 05.09.2018 – AN 9 K 18.01014 – juris Rn. 61; Decker in Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand September 2021, Art. 76 Rn. 179). Dies gilt grundsätzlich auch für eine Nutzungsuntersagung, mit der nicht nur (präventiv) die künftige Nutzung untersagt, sondern auch eine bereits ausgeübte Nutzung unterbunden werden soll. In diesem Fall ist grundsätzlich zunächst der Mieter bzw. Pächter als Handlungsstörer vor dem Eigentümer bzw. Vermieter als Zustandsstörer heranzuziehen, sofern nicht zu befürchten ist, dass das Objekt einem ständig wechselnden Personenkreis überlassen wird (vgl. zur bordellartigen Nutzung einer Wohnung: BayVGH, B.v. 26.2.2007 – 1 ZB 06.2296 – juris; Decker in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand September 2021, Art. 76 Rn. 295). Eine Nutzungsuntersagung beinhaltet in erster Linie ein Unterlassungsgebot, nämlich die Verpflichtung des Adressaten, die untersagte Nutzung nicht fortzuführen oder durch Dritte fortführen zu lassen. Richtet sich die Verfügung nicht gegen den unmittelbaren Nutzer des Anwesens, sondern gegen den Eigentümer, so enthält sie darüber hinaus noch ein Handlungsgebot zum aktiven Tätigwerden, die zur Verfügung stehenden eigentumsrechtlichen oder mietvertraglichen Möglichkeiten zu ergreifen, um die rechtswidrige Nutzung abzustellen (OVG RhPf, B.v. 13.7.2010 – 8 A 10623/10 – juris Ls. 1 und Rn. 9 m.w.N.; VG München, U.v. 2.5.2011 – M 8 K 10.2456 – juris Rn. 49; Decker in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand September 2021, Art. 76 Rn. 270 ff., insbes. Rn. 272 unter Verweis auf BayVGH vom 23.4.1975 – 124 II 70; vgl. zur Reichweite der Nutzungsuntersagung auch: OVG SH, B.v. 17.11.2015 – 1 MB 25/15 – juris Rn. 13).
Dies berücksichtigend war vorliegend – unbeschadet der Frage, ob die allgemeinen und besonderen Vollstreckungsvoraussetzungen im Übrigen erfüllt sind (s.o.) – die Störerauswahl in den streitgegenständlichen Bescheiden mit der Inanspruchnahme des Klägers als Vollstreckungsschuldner rechts-, weil ermessensfehlerhaft. Sie berücksichtigt insbesondere nicht das zwischenzeitlich zu Gunsten des Adressaten der Nutzungsuntersagung – Herrn H1. – bestellte Nießbrauchsrecht (vgl. bei einer Beseitigungsanordnung: OVG SH, U.v. 26.5.2021 – 1 LB 11/17 – juris Rn. 55 ff.; Tillmanns, jurisPR-ÖffBauR 10/2021 Anm. 3; OVG SH). Die Kammer hält nach Vorlage der Abschrift des Kaufvertrags vom 20. Juli 2020 u.a. über das Grundstück FlNr. … der Gemarkung … (Urkunde des Notars Dr. H1. H1., Urkunden-Nr. … *) in der mündlichen Verhandlung vom 24. Januar 2022 an ihrer im vorläufigen Rechtsschutzverfahren nach summarischer Prüfung und auf der Grundlage des damaligen Sachstands vertretenen Auffassung (M 8 S 21.2310, dort S. 17 f.), es sei insbesondere unter Berücksichtigung der Vorgeschichte und der seit mehreren Jahren bestehenden ungenehmigten Nutzung des Grundstücks als Autoverkaufsplatz, den verschiedenen Betreiberwechseln und den bislang erfolglosen Versuchten der Beklagten, ehemalige Betreiber im Wege des Verwaltungszwangs zur Aufgabe der Nutzung des Grundstücks zu bewegen, nicht zu beanstanden, dass die Beklagte nunmehr den Grundstückseigentümer in die Pflicht nehme, nicht mehr fest.
§ 1030 Abs. 1 BGB konstituiert den Nießbrauch als umfassendes (persönliches) Sachnutzungsrecht eines Berechtigten an einer beweglichen (Bestellung gem. § 1032 BGB) oder unbeweglichen Sache (Bestellung gem. § 873 BGB). Mit der Nießbrauchsbegründung werden die Sachnutzungsbefugnisse aus dem umfassenden Eigentumsrecht abgespalten und dem Nießbraucher zugeordnet (Reischl in: BeckOK BGB, 60. Edition § 1030 Rn. 1). Der Nießbrauch nach § 1030 Abs. 1 BGB vermittelt im Unterschied zur schuldrechtlichen Pacht ein dingliches, absolut wirkendes Recht zur umfassenden Nutzung des Grundstücks (vgl. auch § 1036 Abs. 1 BGB). Darüber hinaus steht dem Nießbraucher das Recht zu, die Sache an Dritte zu vermieten oder zu verpachten, sofern er darin nicht – wofür hier auf der Grundlage der Einigung vom 20. Juli 2020 keine Anhaltpunkte bestehen – gemäß § 1030 Abs. 2 BGB beschränkt ist. Hierdurch gewinnt er selbst mittelbare Sachfrüchte (Pohlmann in: Münchner Kommentar, 8. Auflage 2020, § 1030 Rn. 114; BGH, U.v. 20.1.1989 – V ZR 341/87 – juris Rn. 19; Reischl in: BeckOK BGB, 60. Edition, § 1030 Rn. 28). Schließlich tritt der Nießbrauchsberechtigte aufgrund seines mit der Nießbrauchsbestellung einhergehenden Rechts auf Nutzungsziehung (§ 1030 Abs. 1 BGB) auch in vom Grundstückseigentümer bereits vor Nießbrauchsbestellung abgeschlossene Miet- und Pachtverhältnisse mit Dritten ein [vgl. § 581 Abs. 2 (bei Pacht i.V.m.) § 578 Abs. 1, § 567 Satz 1 BGB (bei Mietverhältnissen; vgl. hierzu Pohlmann in: Münchner Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 1030 Rn. 113 f.; Grüneberg/Herrler, Bürgerliches Gesetzbuch, 81. Auflage 2022, § 1030 Rn. 4) ].
aa) Vor diesem Hintergrund stellt sich die Ausübung des Auswahlermessens mit dem Ergebnis der Inanspruchnahme des Klägers als Vollstreckungsschuldner jedenfalls deshalb als ermessensfehlerhaft dar, weil sich in den streitgegenständlichen Bescheiden keine Ausführungen dazu finden, weshalb die Beklagte nicht den Nießbrauchsberechtigten, Herrn H1., der zudem auch Adressat der zu vollstreckenden Grundverfügung ist, als Vollstreckungsschuldner in Anspruch genommen hat. Insbesondere hat die Beklagte nicht aufgeklärt, ob dieser den ungenehmigten Kfz-Handel auf dem streitgegenständlichen Grundstück zwischenzeitlich selbst wieder aktiv betreibt (wofür das Kündigungsschreiben des Klägers vom 6. April 2021 sprechen könnte, worin er unter anderem Herrn H1. als „Betreiber des Kfz-Handels“ bezeichnete). Übte der Nießbrauchsberechtigte die mit bestandskräftigem Bescheid vom 9. Dezember 2014 untersagte Nutzung selbst wieder aus, verursachte dieser den baurechtswidrigen Zustand als Handlungsstörer nicht nur selbst (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 LStVG), sondern wäre zugleich auch als dinglich Verfügungsberechtigter Zustandsstörer im Sinne des Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 Alt. 2 LStVG. Schon unter diesem Gesichtspunkt wäre der Nießbraucher als sog. „Doppelstörer“ prinzipiell vor dem Kläger heranzuziehen gewesen. Übte Herr H1. die baurechtswidrige Nutzung nicht selbst aus, sondern hätte das Grundstück an Dritte weitervermietet/-verpachtet, die die Nutzung des Grundstücks als K.platz entgegen der Nutzungsuntersagungsverfügung ausübten, wäre er insoweit ebenfalls für den baurechtswidrigen Zustand aufgrund seiner dinglichen Verfügungsberechtigung als Zustandsstörer (Art. 9 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 LStVG) mitverantwortlich. Insofern wäre es auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Effektivität der Gefahrenabwehr in erster Linie am Nießbrauchsberechtigten, die unzulässige Nutzung als Kfz-Handel durch Kündigung etwaiger schuldrechtlicher Vereinbarungen, die er selbst mit den Dritten geschlossen hat, zu unterbinden. Er hat bei Weitervermietung/Verpachtung an Dritte seine Vertragspartner selbst bestimmt und damit naturgemäß den besten Überblick über die zugrundeliegenden Rechts- und Personenverhältnisse. Er kann damit am schnellsten für eine Beendigung etwaiger Mietverhältnisse sorgen. Gleiches gilt, soweit der Bevollmächtigte des Klägers schriftsätzlich und insbesondere auch in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, die Voreigentümerin habe mehreren Personen rechtsgeschäftlich die Möglichkeit der Nutzung des Grundstücks eingeräumt. Selbst wenn diese Rechtsgeschäfte mit (weiteren) Dritten (tatsächlich noch) bestehen sollten, wäre es insoweit am Nießbrauchsnehmer, der, wie umseitig dargelegt, in die bestehenden Miet-/Pachtverhältnisse eingetreten ist, die zivilrechtlichen Möglichkeiten gegenüber den Dritten zu ergreifen, um die baurechtswidrige Nutzung zu unterbinden.
bb) Die Inanspruchnahme des Klägers stellt sich in der hier vorliegenden Konstellation darüber hinaus auch als ungeeignetes Mittel dar (vgl. hierzu: OVG RhPf, B.v. 13.7.2010 – 8 A 10623/10 – juris Rn. 13; VG München, U.v. 2.5.2011 – M 8 K 10.2456 – juris Rn. 48), weil er die Nutzungsuntersagung infolge des bestellten Nießbrauchsrechts aus Rechtsgründen nicht durchsetzen kann. Es kann dabei dahinstehen, ob es dem Kläger – wie er vorträgt – gelungen ist, die ungenehmigte Nutzung in tatsächlicher Hinsicht – jedenfalls vorübergehend – zu unterbinden. Maßgeblich ist vielmehr, dass der rechtliche Erfolg von ihm nicht erbracht werden kann. Der Kläger hat keine Möglichkeit, dem Nießbrauchsberechtigten dessen Nießbrauchsrecht einseitig zu entziehen. Dieses erlischt kraft Gesetzes mit dem Tod des Berechtigten (§ 1061 Satz 1 BGB), ferner mit Eintritt der in der Bestellungsurkunde vereinbarten Bedingung (Pfändungsfall oder Eröffnung des Insolvenzverfahrens). In rechtsgeschäftlicher Hinsicht wird es durch einseitige Aufgabeerklärung des Berechtigten und Löschung aufgehoben (§ 875 Abs. 1 BGB). Ebenso wenig hat er die unmittelbare Möglichkeit, auf etwaige Dritte, die die ungenehmigte Nutzung auf dem streitgegenständlichen Grundstück ausüben und ihr Besitzrecht auf der Grundlage von mit dem Nießbrauchsberechtigten abgeschlossenen Gebrauchsüberlassungsverträgen ableiten, zivilrechtlich einzuwirken.
c) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch nicht aus dem Vortrag des Vertreters der Beklagten in der mündlichen Verhandlung, der Kläger habe weder im Verwaltungsverfahren auf das zugunsten des Herrn H1. bestellte Nießbrauchsrecht hingewiesen noch sei der Beklagten dessen konkreter Inhalt nicht bekannt gewesen.
Im Verwaltungsverfahren gilt grundsätzlich der Untersuchungsgrundsatz. Gem. Art. 24 Abs. 1 Satz BayVwVfG ermittelt die Behörde den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen, ist an das Vorbringen und die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden (Art. 24 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG) und hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen (Art. 24 Abs. 2 BayVwVfG). Im Rahmen ihrer Ermittlungen hat die Behörde die Erkenntnismöglichkeiten heranzuziehen, die sich ihr vernünftigerweise bieten, und muss basierend auf allgemeinen Erfahrungssätzen grundsätzlich solchen Umständen nachgehen, die sich ihr aufdrängen oder die an sie herangetragen werden (Kallerhoff/Fellenberg, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 24 Rn. 26; BayVGH, B.v. 13.1.2014 – 14 CS 13.1790 – juris Rn. 17).
Die behördliche Sachverhaltsermittlungspflicht wird ihrerseits durch die verfahrensrechtliche Mitwirkungslast des Betroffenen eingeschränkt (Kallerhoff/Fellenberg in: Stelkens/ Bonk/ Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 24 Rn. 28; Kyrill-Alexander Schwarz in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, § 26 VwVfG Rn. 35 ff.). Nach Art. 26 Abs. 2 Satz 1 BayVwVfG sollen die Beteiligten des Verwaltungsverfahrens bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken und insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben (Art. 26 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG). Daraus ergibt sich, dass die Behörde dann, wenn und soweit ein Beteiligter es unterlässt, zur Klärung der für ihn günstigen Tatsachen beizutragen, obwohl ihm dies möglich und zumutbar ist, in der Regel nicht mehr gehalten ist, insoweit von sich aus allen sonstigen denkbaren Erkenntnismöglichkeiten nachzugehen, um die Tatsachen aufzuklären (vgl. OVG Bremen, B.v. 26.1.2021 – 1 B 321/20 – juris Rn. 8 f.; OVG MV, B.v. 14.6.2006 – 3 L 394/05 – juris Rn. 10; vgl. auch BayVGH, B.v. 2.12.2019 – 9 ZB 19.999 – juris Rn. 9; B.v. 10.5.2019 – 1 ZB 17.1039 – juris Rn. 5 ff. m.w.N.; Kallerhoff/Fellenberg in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 9. Auflage 2018, § 24 Rn. 28 m.w.N.; Zeiser in: Wernsmann, Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz, 2020, Art. 19 Rn. 46). Unterbleibt die Mitteilung eines Umstandes, der in erster Linie in der Sphäre des Adressaten eines belastenden Verwaltungsakts liegt, kann er hernach die Rechtswidrigkeit der Entscheidung auf diesen Gesichtspunkt nicht stützen (OVG Bremen, B.v. 26.1.2021 – 1 B 321/20 – juris Rn. 8; OVG NW, U.v. 6.9.1993 – 11 A 694/90 – juris Rn. 54 ff.; Kyrill-Alexander Schwarz in: Fehling/Kastner/Störmer, Verwaltungsrecht, 5. Auflage 2021, § 26 VwVfG Rn. 35).
Zwar ist der Beklagten vorliegend zuzugeben, dass der Kläger den Umstand der Nießbrauchsbestellung weder in seiner Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG noch sonst im Verwaltungsverfahren geltend gemacht hat. Auch in seinen verwaltungsgerichtlichen Verfahren hat er den Kaufvertrag vom 20. Juli 2020 mit der darin enthaltenen Bestellung des bedingten Nießbrauchsrechts zugunsten Herrn H1. erst in der mündlichen Verhandlung am 24. Januar 2022 – und zudem erst nach vorherigen richterlichen Hinweis – vorgelegt. Zuvor beschränkte sich sein Vortrag darauf, nicht Betreiber des Autohandels und auch nicht daran beteiligt zu sein.
Allerdings hätten sich nach Aktenlage hier weitere Ermittlungen der Beklagten aufgedrängt. Dem in den Behördenakten enthaltenen Grundbuchauszug ließ sich eindeutig entnehmen, dass zugunsten von Herrn H1. ein – wenn auch bedingtes – Nießbrauchsrecht am streitgegenständlichen Grundstück bestellt worden war. Wenngleich sich aus dem Grundbuchauszug weder der konkrete Inhalt des Nießbrauchsrechts noch Art und Umfang der Bedingung ergeben, wäre im Hinblick auf die aus der Nießbrauchsbestellung resultierenden gesetzlichen Folgen des absoluten, dinglichen Nutzungs- und Fruchtziehungsrechts nach § 1030 Abs. 1 BGB und § 1036 Abs. 1 BGB (vgl. dazu: Pohlmann in: Münchner Kommentar zum BGB, 8. Auflage 2020, § 1030 Rn. 5; Rn. 113; § 1036 Rn. 2) jedenfalls eine weitere behördliche Sachverhaltsaufklärung geboten gewesen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.


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