Steuerrecht

Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft: Feststellungsinteresse bei Erledigung des Widerrufsbescheids vor Klageerhebung

Aktenzeichen  AnwZ (Brfg) 15/20

Datum:
1.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:010321BANWZ.BRFG.15.20.0
Normen:
§ 43 VwGO
§ 113 Abs 1 S 4 VwGO
§ 112a BRAO
Spruchkörper:
Senat für Anwaltssachen

Verfahrensgang

vorgehend Anwaltsgerichtshof Rostock, 21. Februar 2020, Az: 1 AGH 1/19

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs Mecklenburg-Vorpommern vom 21. Februar 2020 wird abgelehnt.
Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger war von 1993 bis 2003 und sodann erneut seit 2015 als Rechtsanwalt zugelassen. Die Beklagte widerrief die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft mit Bescheiden vom 19. Dezember 2018 wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO), vom 10. Januar 2019 mit Wirkung zum 15. Januar 2019 auf Grund einer entsprechenden Verzichtserklärung des Klägers (§ 14 Abs. 2 Nr. 4 BRAO) und vom 1. Februar 2019 wegen Fehlens der vorgeschriebenen Berufshaftpflichtversicherung (§ 14 Abs. 2 Nr. 9 BRAO). Ebenfalls mit Bescheid vom 10. Januar 2019 bestellte die Beklagte dem Kläger einen amtlichen Vertreter (§§ 53, 161 BRAO). Hinsichtlich des auf seine Verzichtserklärung ergangenen Bescheids verzichtete der Kläger unter dem 1. Februar 2019 auf die Einlegung von Rechtsmitteln.
2
Mit seiner am 5. März 2019 erhobenen Klage hat der Kläger zuletzt die Feststellung begehrt, dass die Bescheide vom 19. Dezember 2018, vom 10. Januar 2019 (betreffend die Bestellung eines amtlichen Vertreters) und vom 1. Februar 2019 rechtswidrig sind und den Kläger in seinen Rechten verletzen. Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage mangels Feststellungsinteresses i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.
II.
3
Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nrn. 1 und 3 VwGO) liegen nicht vor.
4
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2011 – AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn solche Zweifel nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (Senat, Beschluss vom 17. September 2015 – AnwZ (Brfg) 32/15, juris Rn. 4 mwN).
5
Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung zu dem Rechtsinstitut der Fortsetzungsfeststellungsklage und dem insoweit bestehenden Erfordernis eines zureichenden (Fortsetzungs-)Feststellungsinteresses, welches unter anderem zur Durchsetzung eines Schadenersatz- oder Entschädigungsanspruchs (Präjudizinteresse), wegen Wiederholungsgefahr oder aus Gründen der Rehabilitierung bzw. Genugtuung anzunehmen sein kann (vgl. Eyermann/Schübel-Pfister, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn. 111; Kopp/Schenke/R. P. Schenke, VwGO, 26. Aufl., § 113 Rn. 136 ff., 141, 142 ff., jeweils mwN).
6
a) Das Bestehen eines Feststellungsinteresses unter dem Gesichtspunkt der Durchsetzung eines Schadenersatz- oder Entschädigungsanspruchs hat der Anwaltsgerichtshof rechtsfehlerfrei verneint. Es ist anerkannt, dass in der Fallkonstellation der Erledigung eines angefochtenen Verwaltungsaktes nach Klageerhebung ein berechtigtes Interesse an der Fortführung der Klage als Fortsetzungsfeststellungsklage besteht, weil diesbezüglich bereits prozessualer Aufwand entfaltet worden ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 2001 – 1 WB 15/01, juris Rn. 8; HessVGH, Zwischenurteil vom 4. Juli 2012 – 6 C 824/11.T, NVwZ 2012, 1350, 1351 f.; Kopp/Schenke/R. P. Schenke, VwGO, 26. Aufl., § 113 Rn. 136 mwN). Dagegen kann auch die Absicht der Erhebung einer Amtshaftungsklage kein schutzwürdiges Interesse an einer auf die Feststellung der Rechtswidrigkeit eines Verwaltungsakts gerichteten Klage begründen, wenn sich der Verwaltungsakt bereits vor Klageerhebung erledigt hat. In diesem Fall obläge es dem Kläger, wegen des von ihm erstrebten Schadensersatzes sogleich das insoweit zuständige Zivilgericht anzurufen, das im Amtshaftungsprozess auch für die Klärung öffentlich-rechtlicher Fragen zuständig ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Januar 1989 – 8 C 30/87, BVerwGE 81, 226, 227 f. und vom 27. März 1998 – 4 C 14/96, BVerwGE 106, 295, 298; Eyermann/Schübel-Pfister, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn. 97, 118 mwN).
7
So liegt der Fall hier. Zwar hat der Kläger seine ursprünglich angekündigten, auf Anfechtung der Ausgangsbescheide gerichteten Klageanträge im Verlauf des Verfahrens vor dem Anwaltsgerichtshof umgestellt und Feststellung der Rechtswidrigkeit derselben begehrt; er verkennt jedoch, dass der Widerruf seiner Zulassung zur Rechtsanwaltschaft bereits durch den am 1. Februar 2019 erklärten Rechtsmittelverzicht mit der Folge bestandskräftig geworden ist, dass die auf denselben Regelungsgegenstand gerichteten gleichfalls angefochtenen Verwaltungsakte bereits vor Klageerhebung am 5. März 2019 erledigt waren. Gleiches gilt für die ebenfalls angefochtene Bestellung eines amtlichen Vertreters i.S.v. § 14 Abs. 4, §§ 53, 161 BRAO; auch diese fand dadurch ihre Erledigung, dass der Widerruf der Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft Bestandskraft erlangte (vgl. Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 53 Rn. 38), denn wie sich aus § 55 Abs. 5 BRAO ergibt, kommt nach dem Erlöschen der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft nur noch die Bestellung eines Abwicklers in Betracht.
8
Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus dem angeführten Beschluss des Anwaltsgerichtshofs Berlin vom 24. Februar 2010 (I AGH 18/08, juris) ein abweichendes Ergebnis nicht herleiten, denn im Unterschied zu hiesiger Fallkonstellation war in dem dort entschiedenen Fall, der im Übrigen die Frage der Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits zum Gegenstand hatte, die Anfechtungsklage im Zeitpunkt des Erledigungseintritts bereits beim Anwaltsgerichtshof anhängig.
9
b) Auch unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr war das erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse nicht gegeben. Der Anwaltsgerichtshof hat nachvollziehbar begründet, dass und warum der Kläger nach dem Eintritt der Bestandskraft hinsichtlich des Widerrufs der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft am 1. Februar 2019 nicht mehr mit der Erteilung weiterer Bescheide seitens der Beklagten zu rechnen hatte.
10
c) Gleiches gilt im Ergebnis hinsichtlich des Gesichtspunkts der Rehabilitierung bzw. Genugtuung. Erforderlich für die Annahme hinreichenden Fortsetzungsfeststellungsinteresses ist insoweit, dass ein Verwaltungsakt außer seiner – erledigten – belastenden Wirkung zusätzlich einen diskriminierenden, ehrenrührigen Inhalt hat, der dem Ansehen des Betroffenen abträglich ist. Es muss sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergeben und zudem sein ideelles Interesse an einer Rehabilitierung schutzwürdig sein, wie es namentlich bei Grundrechtsverletzungen, die auf polizeiliche Maßnahmen zurückgehen, oder dem Vorwurf schuldhaft-kriminellen Verhaltens der Fall sein kann (vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Mai 2013 – 8 C 14/12, BVerwGE 146, 303 Rn. 25; vom 23. März 1999 – 1 C 12/97, NVwZ 1999, 991; vom 29. April 1997 – 1 C 2/95, NJW 1997, 2534 f.; Eyermann/Schübel-Pfister, VwGO, 15. Aufl., § 113 Rn. 119 f. mwN). Eine solche, mit der Durchführung polizeilicher Maßnahmen oder dem Vorwurf schuldhaft-kriminellen Verhaltens vergleichbare Intensität wiesen die seitens der Beklagten erlassenen Bescheide indessen nicht auf, zumal der Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft gerade nicht auf die Begehung von Straftaten seitens des Klägers gestützt worden war. Im Einklang hiermit hat der Anwaltsgerichtshof ohne Rechtsfehler dargelegt, dass den angefochtenen Bescheiden kein den Kläger diskriminierender Charakter beizumessen war und die erfolgten Mitteilungen an die Bundesrechtsanwaltskammer schon deshalb zu keiner Beeinträchtigung seines Persönlichkeitsrechts führen konnten, weil sie jeweils auf gesetzlichen Mitteilungspflichten beruhten. Soweit der Kläger insoweit vorgebracht hat, er sei im Nachgang zu der Veröffentlichung im Bundesrechtsanwaltsverzeichnis von einigen Personen darauf angesprochen worden, welche Straftaten er sich habe zu Schulden kommen lassen, handelt es sich um gänzlich unsubstantiierten und unbelegten Vortrag, der nicht geeignet ist, eine Stigmatisierung seiner Person im oben genannten Sinne zu begründen.
11
d) Soweit der Kläger zu Recht rügt, der Anwaltsgerichtshof habe das Feststellungsinteresse fälschlich der Begründetheit statt richtig der Zulässigkeit der Klage zugeordnet (vgl. statt vieler Kopp/Schenke/R. P. Schenke, VwGO, 26. Aufl., § 113 Rn. 129), füllt dies einen Zulassungsgrund deswegen nicht aus, weil dadurch nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfasst wird. Nach den obigen Ausführungen hat der Anwaltsgerichtshof die Klage zu Recht abgewiesen. Zwar kann wegen der unterschiedlichen Rechtskraftwirkungen von Prozess- und Sachurteil nicht offenbleiben, ob eine Klage mangels Zulässigkeit oder Begründetheit abgewiesen wird. Das angefochtene Urteil ist aber – trotz der fälschlichen Zuweisung des Feststellungsinteresses zur Begründetheit – als die Zulässigkeit verneinendes Prozessurteil auszulegen.
12
2. Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) hat der Kläger nicht dargelegt. Dieser Zulassungsgrund ist gegeben, wenn der Rechtsstreit eine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage aufwirft, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 27. März 2003 – V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 291; BVerfG, Beschluss vom 21. Januar 2019 – 1 BvR 2524/06, NVwZ 2009, 515, 518; BVerwG, Beschluss vom 30. März 2005 – 1 B 11/05, NVwZ 2005, 709). Diese Voraussetzungen sind vom Beschwerdeführer darzulegen. Insbesondere muss begründet werden, warum ein korrigierendes Eingreifen des Bundesgerichtshofs erforderlich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 5. April 2019 – AnwZ (Brfg) 2/19, juris Rn. 13 mwN).
13
Diesen Anforderungen genügt das Vorbringen des Klägers nicht. Die in der Zulassungsschrift angeführten Fragestellungen betreffen sämtlich Umstände des Einzelfalls.
III.
14
Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 BRAO.
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