Steuerrecht

Rechtmäßigkeit eines Einkommensteuerbescheides

Aktenzeichen  9 K 3041/15

Datum:
31.5.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
IStR – 2017, 749
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1, § 50d Abs. 9 S. 1 Nr. 1
DBA Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e, Art. 4 Abs. 2 Buchst. a, Art. 5 Abs. 1, Art. 7

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist unbegründet. Der angegriffene Einkommensteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. Der Kläger hatte im Streitjahr unstreitig seinen Wohnsitz (§ 8 Abgabenordnung – AO; seit 7. Juni 2013) und seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 9 AO) im Inland und war deshalb unbeschränkt einkommensteuerpflichtig. Er hielt sich seit spätestens April 2013 bis zum 10. November 2013 in Deutschland auf und hatte die Absicht, für eine Projektdauer von insgesamt zwei Jahren hier zu bleiben.
In sachlicher Hinsicht unterliegen der unbeschränkten Steuerpflicht alle in § 2 Abs. 1 EStG genannten Einkünfte. Dazu gehören auch die Einkünfte aus selbständiger Arbeit (§ 2 Abs. 1 Nr. 3, § 18 EStG).
2. Die Voraussetzungen für eine abkommensrechtliche Freistellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit liegen nicht vor.
Der Kläger war im Streitjahr nach Abkommensrecht unstreitig doppelt ansässig, da er auch in Uruguay einen Wohnsitz hatte. Auch wenn zugunsten des Klägers davon ausgegangen wird, dass sich der Mittelpunkt seiner Lebensinteressen (vgl. Art. 4 Abs. 2 Buchst. a DBA Uruguay) in Uruguay befand mit der Folge, dass Uruguay der Ansässigkeitsstaat und Deutschland der Quellenstaat war, so besteht gleichwohl kein vorrangiges Besteuerungsrecht Uruguays. Dies gilt erst recht, wenn Deutschland auch der Ansässigkeitsstaat wäre.
a) Art. 7 DBA Uruguay regelt die Verteilung des Besteuerungsrechts von Unternehmensgewinnen. Zu diesen gehören gemäß Art. 3 Abs. 1 Buchst. d und e DBA Uruguay auch die Gewinne aus der Ausübung einer freiberuflichen oder sonstigen selbständigen Tätigkeit. Nach Art. 7 Abs. 1 DBA Uruguay können Unternehmensgewinne, die nicht einer Betriebsstätte im Quellenstaat zugerechnet werden können, nur im Wohnsitzstaat besteuert werden (vgl. Musterkommentar – MK – zum OECD Musterabkommen – MA, Nr. 23 MK vor Art. 1 MA). Wird jedoch im Quellenstaat eine Betriebsstätte unterhalten, der die Einkünfte zuzurechnen sind, so hat dieser Staat ein diesbezüglich unbeschränktes Besteuerungsrecht (vgl. Nr. 21 MK vor MA Art. 1; Behrenz in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 7 DBA Uruguay, Rz. 1).
Nach Art. 5 Abs. 1 DBA Uruguay (entspricht wörtlich Art. 5 Abs. 1 MA) bedeutet Betriebsstätte im Sinne des Abkommens eine feste Geschäftseinrichtung, durch die die Tätigkeit eines Unternehmens ganz oder teilweise ausgeübt wird. Nach Art. 5 Abs. 2 Buchst. a MA bzw. DBA Uruguay umfasst der Ausdruck „Betriebsstätte“ insbesondere einen Ort der Leitung. Die abkommensrechtliche Betriebsstätte hat die Funktion, für Unternehmensgewinne und Betriebsvermögen das ortsbezogene Anknüpfungsmerkmal zu umschreiben, als dessen Rechtsfolge einem Vertragsstaat die Eigenschaft als Quellenstaat zukommt, d.h. eine ortsbezogene Zuordnung von Einkünften und Vermögen vorzunehmen (vgl. Wassermeyer in Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 5 MA, Rz. 1). Art. 5 Abs. 2 Buchst. a MA/DBA Uruguay kommt insoweit konstitutiver Charakter zu, als es Geschäftsleitungsbetriebsstätten ohne eine dem Unternehmen zuzurechnende feste Geschäftseinrichtung gibt (vgl. Wassermeyer, Art. 5 MA, Rz. 4). Welche Anforderungen an den Ort der Leitung zu stellen sind, richtet sich nach der im Einzelfall auszuübenden unternehmerischen Tätigkeit. Hat diese nur einen geringen Umfang oder macht sie nur gelegentliche Leitungstätigkeiten erforderlich, so kann sich der Ort der Leitung z.B. auch in der Privatwohnung des Unternehmers oder des Geschäftsführers des Unternehmens befinden (vgl. auch Wassermeyer zu dem früheren Art. 14 MA „Selbständige Arbeit“, aaO, Art. 14 MA, Rz. 68). Der Ort der Leitung erfordert nicht notwendigerweise eine Mindestbüroeinrichtung. Es kann das Wohnzimmer des Unternehmers bzw. des Geschäftsleiters ausreichen, wenn dort nur die gegebenenfalls geringfügigen Leitungstätigkeiten ausgeübt werden. Es ist nicht einmal erforderlich, dass in dem „Geschäftsleitungs-Wohnzimmer“ ein Schreibtisch oder ein Telefon vorhanden sind (Wassermeyer, Art. 5 MA, Rz. 64 m.w.N.). Die Regelbeispiele des Art. 5 Abs. 2 MA bilden eo ipso eine Betriebsstätte im Sinne des Art. 5 Abs. 1 MA. Sie müssen jedoch auch eine Ständigkeit aufweisen und der Unternehmer muss durch sie eine unternehmerische Tätigkeit ausüben (vgl. Wassermeyer, Art. 5 MA, Rz. 61). Das erforderliche zeitliche Moment ist gegeben, wenn die Nutzungsdauer mindestens sechs Monate beträgt, wobei es nicht auf die tatsächliche, sondern auf die voraussichtliche Dauer der Geschäftseinrichtung ankommt (vgl. Wassermeyer, Art. 5 MA, Rz. 37a; Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 28. Juni 2006 I R 92/05, BStBl II 2007, 100 zu Art. 14 MA).
b) Im Streitfall sind die Gewinne des Klägers einer Betriebsstätte im Inland zuzurechnen. Der Kläger hat sein Einzelunternehmen von Deutschland aus geführt und verfügte in Mjedenfalls über eine Geschäftsleitungsbetriebsstätte im Sinne des Art. 5 Abs. 2 Buchst. a DBA Uruguay.
Der Kläger hielt sich spätestens seit April 2013 bis zur Beendigung seiner inländischen Tätigkeit im November 2013 nicht in Uruguay auf. Er erbrachte seine Dienstleistungen für die K-GmbH ausschließlich und allein im Inland. Er traf hier auch sämtliche grundlegenden Leitungs- und kaufmännischen Entscheidungen (Vertragsabschluss, – verlängerung, – kündigung, Rechnungsstellungen). Hier befand sich somit seine einzige (Geschäftsleitungs-) Betriebsstätte, der damit seine sämtlichen freiberuflichen Einkünfte zuzuordnen sind (vgl. BFH-Urt. vom 19. Dezember 2007 I R 19/06, BStBl II 2010, 398, unter II. 1. b. bb. bbb der Entscheidungsgründe; vom 28. Oktober 2009 I R 99/08, BStBl II 2011, 1019, unter B. 7. b. bb. ccc der Entscheidungsgründe). Es kann dahinstehen, ob er eine Verfügungsbefugnis über die Räumlichkeiten der B-Bank hatte, die die Anforderungen an eine ihm zuzurechnende Betriebsstätte erfüllen. Wenn dies nicht der Fall war, so hätte sich seine Geschäftsleitungsbetriebsstätte jedenfalls in den Privatwohnungen in Mbzw. in Sbefunden. Die jeweiligen Wohnungen erfüllen die Anforderungen. Die Geschäftsleitungstätigkeiten bestanden im Wesentlichen aus den Vertragsvereinbarungen und den Vergütungsabrechnungen, hierzu war keine besondere Büroreinrichtung erforderlich. Da es keine betriebsstättenlosen freiberuflichen Einkünfte gibt, kommt den Privatwohnungen insofern eine Auffangfunktion als Geschäftsleitungsbetriebsstätte zu (vgl. auch Wassermeyer, Art. 7 MA (2000), Rz. 56). Das zeitliche Moment ist erfüllt, da der Kläger beabsichtigte, die inländische Geschäftsleitungsbetriebsstätte für die Dauer von zwei Jahren zu nutzen. Tatsächlich hatte er seinen Mietvertrag für die R-Str. bereits bis zum Ende des Streitjahres verlängert, bevor seine Mitarbeit beim …- Projekt einvernehmlich beendet wurde.
Der Vortrag des Klägers, er habe sich von seiner unternehmerischen Infrastruktur in Uruguay unterstützen lassen, führt zu keinem anderen Ergebnis. Diese Behauptung ist trotz der dahingehenden Aufforderung des Gerichts (vgl. gerichtliche Aufklärungsanordnung vom 6. Oktober 2016 und vom 12. Dezember 2016, Nr. 9) durch nichts belegt worden. Weder ist nachgewiesen, dass die behaupteten Tätigkeiten (Korrespondenz, B-Banken, Zahlungen, Bürokosten, Logistik für Übernachtungen, Buchung von Flügen, Mietwagen, Bahnfahrten usw.) im Streitjahr überhaupt entstanden sind noch ist die Erbringung dieser Tätigkeiten durch irgendeine Person in Uruguay erwiesen. Vielmehr hat der Kläger selbst von seiner Wohnung in Deutschland bzw. von der Wohnung seines Cousins aus Rechnungen an die K-GmbH erstellt und die Vergütungen wurden seinem deutschen Konto gutgeschrieben. Unterlagen über die Buchung von Geschäftsreisen oder über das Führen von Korrespondenz hat er nicht vorgelegt. Es fehlt vollständig an Betriebsausgaben für eine Betriebsstätte in Uruguay. Weiter ist in diesem Zusammenhang zu würdigen, dass sich der Kläger bereits vor Beginn seiner Tätigkeit für die K-GmbH in Deutschland zum Zwecke der Akquise aufgehalten hat. Eine Geschäftsleitungstätigkeit in Uruguay ist somit zu keinem Zeitpunkt ersichtlich. Auch aus den Verhältnissen der Vorjahre ergibt sich, dass der Kläger die IT-Dienstleistungen ausschließlich in Europa erbracht hat.
Der Kläger muss sich entgegen halten lassen, dass es im Bereich der freiberuflichen Tätigkeit keine Einkünfte gibt, die keiner Betriebsstätte zugeordnet werden können (vgl. BFH in BStBl II 2010, 398 und in BStBl II 2011, 1019). Nach seiner Handhabung sind seine freiberuflichen Einkünfte gar keiner Betriebsstätte zugerechnet, weder in Deutschland noch in Uruguay. In seiner uruguayischen Steuererklärung hat er nämlich keine Einkünfte aus IT-Dienstleistungen erklärt. Die von ihm hierzu abgegebene Erläuterung, wonach Uruguay nach seinem innerstaatlichen Recht die ausschließlich im Ausland verwerteten Einkünfte nicht in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbeziehe (vgl. Schriftsatz vom 4. November 2016 unter 8.), ist nicht schlüssig. Wenn die Einkünfte nicht einer deutschen Betriebsstätte zuzuordnen sind, so wären sie einer uruguayischen zuzurechnen und dort im steuerlichen Rechenschaftsbericht zu erklären. Die somit von ihm im Ergebnis vertretene Auffassung von betriebsstättenlosen Einkünften ist – wie bereits ausgeführt – nicht haltbar.
3. Die Höhe der festgesetzten Einkommensteuer ist nicht zu beanstanden.
Das Finanzamt setzte im Wege der Schätzung den inländischen Gewinn aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 80.000 € an. Gegen diese Schätzung bringt der Kläger keine substantiellen Einwendungen vor, solche ergeben sich auch nicht nach Aktenlage.
Weiter schätzte das Finanzamt ausländischen Einkünfte für Zwecke der Ermittlung des Progressionsvorbehalts in Höhe von 55.000 €. Tatsächlich erzielte der Kläger einen Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft in Uruguay in Höhe von rund 70.000 € und weitere Einkünfte aus seiner freiberuflichen Tätigkeit in Italien. Insgesamt würden sich höhere als die bislang festgesetzten Einkünfte ergeben. Eine Verböserung zu Lasten des Klägers scheidet jedoch im finanzgerichtlichen Verfahren aus.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung. Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.

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