Steuerrecht

Sog. Typenvergleich zur Qualifizierung von Ausschüttungen einer ausländischen Gesellschaft

Aktenzeichen  I R 12/18

Datum:
18.5.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.180521.IR12.18.0
Normen:
§ 8b Abs 1 S 1 KStG 1999
§ 8b Abs 5 KStG 1999
§ 20 Abs 1 Nr 1 EStG 1997
§ 8 Nr 5 GewStG 1999
§ 9 Nr 2a GewStG 1999
§ 9 Nr 7 GewStG 1999
§ 17 Abs 1 AuslInvestmG
§ 18 Abs 1 AuslInvestmG
Art 10 DBA USA 1989
Art 11 DBA USA 1989
Art 23 Abs 2 DBA USA 1989
Art 56 EG
§ 8 Abs 1 KStG 2002
Spruchkörper:
1. Senat

Leitsatz

1. Ob Ausschüttungen einer ausländischen Gesellschaft gemäß § 8b Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG außer Ansatz bleiben, richtet sich nach dem sog. Typenvergleich. Sowohl das ausländische Rechtsgebilde als auch die konkrete Beteiligungsform des Steuerpflichtigen müssen vom Typ her den Gesellschafts- und Beteiligungsformen gleichen, die in diesen Regelungen angeführt werden. Entscheidend ist eine rechtliche und wirtschaftliche Gesamtwürdigung der maßgebenden ausländischen Bestimmungen über die Organisation und Struktur der Gesellschaft sowie deren konkrete Ausformung in ihrer Satzung.
2. Für den Typenvergleich der konkreten Beteiligungsform mit einer Aktie kommt es grundsätzlich darauf an, ob die Beteiligungsform als mitgliedschaftliche Beteiligung anzusehen ist, die dem Anteilseigner Vermögens- und Mitverwaltungsrechte einräumt. Dies setzt aber nicht voraus, dass sämtliche Einzelheiten der ausländischen Beteiligungsform auch für inländische Aktien umsetzbar wären.
3. Aufgrund der Unionsrechtswidrigkeit des § 8b Abs. 5 KStG 2001 richtet sich die Abzugsfähigkeit von Betriebsausgaben beim Bezug steuerfreier Dividenden im Jahr 2001 grundsätzlich nach § 3c Abs. 1 EStG.

Verfahrensgang

vorgehend FG Nürnberg, 30. Januar 2018, Az: 1 K 655/16, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 30.01.2018 – 1 K 655/16 hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2001 aufgehoben.
Die Sache wird insoweit an das Finanzgericht Nürnberg zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Im Übrigen wird die Revision der Klägerin als unbegründet zurückgewiesen.
Dem Finanzgericht Nürnberg wird die Entscheidung über die gesamten Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob Zahlungen, die die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) im Jahr 2001 (Streitjahr) von einer US-amerikanischen Schwestergesellschaft erhalten hat, als steuerfreie Bezüge i.S. des § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes, jeweils in der für das Streitjahr geltenden Fassung (KStG, EStG), oder als steuerpflichtige Zinserträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu behandeln sind.
2
Die in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) ansässige Klägerin, eine GmbH, ist eine 100 %ige Tochtergesellschaft der Y-AB (EU-Ausland). Die nach dem Recht des US-Bundesstaats Delaware gegründete X-Inc., gehört ebenfalls zum Konzern der Y-AB und ist eine Schwestergesellschaft der Klägerin.
3
Am 26.11.2001 gab die X-Inc. gegen eine Zahlung von … US-Dollar an die Klägerin … Anteile “Series A Cumulative Convertible Preferred Stock” (“Preferred Shares” –Vorzugsaktien–) aus. Zum 31.12.2001 entsprach dies einer Beteiligung an den insgesamt ausgegebenen Anteilen von 30 %. Dem lagen folgende Vereinbarungen zugrunde:
–       
Mit der “Pooling, Servicing and Collections Policy” vom 31.10.2001 (FASIT-Richtlinie) sonderte die X-Inc. nach Art. 860H bis Art. 860L des US-Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (Internal Revenue Code –IRC–) bestimmte Vermögensgegenstände aus und bildete mit diesen einen “Financial Asset Securitization Investment Trust” (FASIT). Der FASIT war weder rechtsfähig noch Steuersubjekt. Die X-Inc. beabsichtigte, an dem FASIT einen “Regular Interest” im Sinne des IRC durch die Ausgabe von “Preferred Shares” (Vorzugsaktien) und “Commercial Paper” (Schuldscheinen) zu bilden. Hierauf geleistete Ausschüttungen sind nach dem IRC beim Empfänger wie Zinsen zu behandeln.Darüber hinaus verpflichtete sich die X-Inc., für die jeweiligen Investorengruppen “von Zeit zu Zeit” Kapitaltöpfe zu ermitteln. Der “Preferred Share Fund” (das Vorzugsaktienkapital) bestand nach Abschnitt 2.03(b)(ii) der FASIT-Richtlinie aus dem niedrigeren der beiden folgenden Beträge: Saldo der FASIT-Vermögensgegenstände abzüglich des Saldos des für die Commercial Paper geführten Kontos oder Saldo des für die Vorzugsaktien geführten Kontos (Ausgabepreis der Vorzugsaktien zuzüglich aufgelaufene und nicht ausgezahlte Ausschüttungen).Die FASIT-Richtlinie gilt bis zum 26.11.2026. Darüber hinaus endet sie u.a. im Fall der Insolvenz der X-Inc. oder im Fall des Eintritts eines Liquidationsereignisses.
–       
Die nähere Ausgestaltung der … Vorzugsaktien wird in dem “Certificate of Designation of Series A Cumulate Convertible Preferred Stock” vom 21.11.2001 (Urkunde über die Bestimmung von Vorzugsaktien) festgelegt.Der Nennwert dieser Aktien beträgt jeweils … US-Dollar, der Ausgabewert jeweils … US-Dollar. Zum 26.11.2026 werden die Vorzugsaktien automatisch in voll eingezahlte und nicht nachschusspflichtige Stammaktien umgewandelt.Die Ausschüttungen der Vorzugsaktien berechnen sich nach einem Prozentsatz des Ausgabepreises. Dieser Prozentsatz wird auf der Basis der durchschnittlichen monatlichen Zinssätze für langfristige Anleihen ermittelt, die vom US-Finanzministerium für den Ausschüttungszeitraum festgesetzt und veröffentlicht werden. Der Anspruch hängt nicht davon ab, ob die X-Inc. in dem jeweiligen Dividendenzeitraum einen Reingewinn oder einen Überschuss erzielt. Die tatsächliche Auszahlung ist allerdings beschränkt auf die gesetzlich zur Verfügung stehenden Gewinne, Überschüsse und Rücklagen der X-Inc. sowie auf den verfügbaren Betrag des Vorzugsaktienkapitals im Sinne der FASIT-Richtlinie. Ist eine Auszahlung nicht möglich, laufen die Ansprüche auf, d.h. sie sind kumulativ.Im Fall der Liquidation, Auflösung oder Abwicklung der X-Inc. steht der Klägerin nach Nr. 5 der Urkunde über die Bestimmung von Vorzugsaktien eine “Liquidation Preference” (Liquidationsvorteil) zu. Der daraus resultierende Anspruch der Klägerin auf den Liquidationswert ist auf die Rückzahlung des Ausgabepreises zuzüglich aufgelaufener und bisher nicht ausgezahlter Ausschüttungen beschränkt.Der Klägerin steht pro Vorzugsaktie ein Stimmrecht hinsichtlich aller Fragen zu, welche den Inhabern der “Common Shares” (Stammaktien) gestellt werden. Die aus den Vorzugsaktien resultierenden Ansprüche sind gegenüber anderen Aktien vorrangig.
–       
Das “Preferred Stock Subscription Agreement” zwischen der Klägerin und der X-Inc. vom 31.10.2001 (Vertrag über die Zeichnung von Vorzugsaktien) regelt die Ausgabe der … Vorzugsaktien an die Klägerin gegen eine Zahlung in Höhe von … US-Dollar. Künftige Zahlungen an die Klägerin werden von einer Verfügbarkeit der entsprechenden Kapitalmittel im FASIT abhängig gemacht (Hintergrund B. des Vertrags über die Zeichnung von Vorzugsaktien). Im Fall eines Liquidationsereignisses hat die Klägerin das Recht, die Vorzugsaktien der X-Inc. zum Kauf anzudienen. Der Kaufpreis wird auf den niedrigeren der beiden folgenden Beträge festgelegt: Ausgabepreis zuzüglich aufgelaufene und nicht ausgezahlte Ausschüttungen oder anteiliges Vorzugsaktienkapital im Sinne der FASIT-Richtlinie.
–       
Schließlich gewährt das “Put Option Agreement” vom 31.10.2001 (Put-Optionsvereinbarung) der Klägerin das Recht, der X-Inc. die Vorzugsaktien auch am Tag vor ihrer automatischen Umwandlung in Stammaktien zum Kauf anzudienen. Der Kaufpreis wird entsprechend zum Kaufpreis beim Andienungsrecht im Liquidationsfall festgelegt.
4
Die Klägerin erhielt auf ihre Vorzugsaktien im Streitjahr Ausschüttungen in Höhe von … €, die ihr über die Y-AB ausgezahlt wurden. In ihrer deutschen Steuererklärung behandelte sie diese Ausschüttungen als steuerfreie Beteiligungserträge i.S. des § 8b Abs. 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Die US-Steuerbehörden gingen dagegen wegen des FASIT von steuerlich abzugsfähigem Zinsaufwand der X-Inc. und entsprechenden Zinseinkünften der Klägerin aus, die auf Grundlage des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Vereinigten Staaten von Amerika zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und einiger anderer Steuern vom 29.08.1989 –DBA-USA 1989– (BGBl II 1991, 355, BStBl I 1991, 95) nicht in den USA besteuert wurden.
5
Im Anschluss an eine Außenprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) die Ausschüttungen auf die Vorzugsaktien der X-Inc. als steuerpflichtige Zinserträge i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und erließ am 11.06.2010 entsprechend geänderte Bescheide über Körperschaftsteuer 2001 und über den Gewerbesteuermessbetrag 2001.
6
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Nürnberg entschied mit Urteil vom 30.01.2018 – 1 K 655/16 (Entscheidungen der Finanzgerichte –EFG– 2019, 802), die X-Inc. sei zwar als eine ausländische Kapitalgesellschaft anzusehen. Auf Grundlage einer Gesamtbetrachtung unter Beachtung der rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse handele es sich aber bei den streitigen Zahlungen nach deutschem Steuerrecht um Zinsen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Dabei stellte das FG entscheidend darauf ab, dass der Zahlungsanspruch der Klägerin nicht vom Gewinn der X-Inc. abhängig und die Klägerin auch nicht am Liquidationserlös der X-Inc. beteiligt gewesen sei. Letztlich sei ein Entgelt für die laufzeitabhängige Nutzungsüberlassung von Kapital gezahlt worden. Die der Klägerin aus den Vorzugsaktien zustehenden Stimmrechte hätten aufgrund der Konzernabhängigkeit der Klägerin wirtschaftlich keine Bedeutung.
7
Die Klägerin rügt mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts und beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und die Änderungsbescheide über Körperschaftsteuer für 2001 und über den Gewerbesteuermessbetrag für 2001 vom 11.06.2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.04.2016, hinsichtlich der Körperschaftsteuer 2001 erneut geändert durch Bescheid vom 18.09.2018, dahin zu ändern, dass das zu versteuernde Einkommen und der Gewerbeertrag um … € gemindert sowie die festzusetzende Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuermessbetrag entsprechend angepasst werden.
8
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.


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