Steuerrecht

Steuerpflicht der Zinsen aus einer Kapitallebensversicherung bei Umschuldung eines sog. Neudarlehens

Aktenzeichen  VIII R 6/18

Datum:
12.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.120421.VIIIR6.18.0
Normen:
§ 10 Abs 2 S 2 EStG vom 29.12.2003
§ 10 Abs 2 S 2 Buchst a EStG vom 29.12.2003
§ 20 Abs 1 Nr 6 S 2 EStG vom 29.12.2003
§ 20 Abs 1 Nr 6 S 4 EStG vom 29.12.2003
§ 189 AO
§ 180 Abs 2 AO
§ 9 AO1977§180Abs2V
EStG VZ 2010
Spruchkörper:
8. Senat

Leitsatz

Ein Forwarddarlehen, das durch die Abtretung der Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung besichert wird, dient im Rahmen einer Umschuldung nicht unmittelbar und ausschließlich i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 der Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts, wenn es höher als die Restschuld des umzuschuldenden Darlehens ist und der übersteigende Betrag zur Finanzierung der Bereitstellungszinsen und anderer umschuldungsbedingter Aufwendungen verwendet wird.

Verfahrensgang

vorgehend FG Düsseldorf, 6. September 2017, Az: 15 K 2050/16 F, Urteil

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 06.09.2017 – 15 K 2050/16 F wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb im Jahr 1998 gemeinsam mit seiner damaligen Ehefrau ein Einfamilienhaus. Die gesamten Anschaffungs- und Herstellungskosten betrugen 360.812 DM (= 184.480,24 €). Das Einfamilienhaus wurde seit 1999 vermietet. Zur Finanzierung der Anschaffung nahmen der Kläger und seine damalige Ehefrau u.a. Darlehen bei der A-Bank in Höhe von 185.000 DM (= 94.589 €) und bei der B-Bank in Höhe von 76.000 DM (= 38.858 €) auf. Im März 2006 übernahm der Kläger den Miteigentumsanteil und die Darlehensschuld seiner damaligen Ehefrau.
2
Am 17.11.2006 schloss der Kläger mit der B-Bank ein Forwarddarlehen über 112.000 € ab, um beide genannten Anschaffungsdarlehen abzulösen. Die bereitstellungszinsfreie Zeit betrug 32 Monate, danach waren Bereitstellungszinsen in Höhe von 3 % p.a. geschuldet.
3
Zudem war der Kläger Versicherungsnehmer einer Kapitallebensversicherung. Am 21.06.2010 trat er die Ansprüche aus der Lebensversicherung bis zu einem Höchstbetrag von 38.000 € an die B-Bank zur Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens ab.
4
Der Kläger konnte die ursprünglichen Anschaffungsdarlehen vertragsgemäß erst im Juli 2010 ablösen. Am 05.07.2010 valutierte die B-Bank den Darlehensbetrag in Höhe von 112.000 €. Der Kläger tilgte noch am selben Tag das erste –mittlerweile bei der C-Bank als Rechtsnachfolgerin der A-Bank geführte– Darlehen in Höhe von 80.322,45 €. Für die taggenaue Überweisung fielen Gebühren in Höhe von 9,50 € an. Ferner löste der Kläger am 06.07.2010 das Anschaffungsdarlehen bei der B-Bank in Höhe von 26.979,89 € (Tilgung 26.904,45 € und noch offene Zinsen 75,44 €) ab. Die B-Bank buchte vom Konto, auf das das Forwarddarlehen ausgezahlt worden war, zudem einen Betrag in Höhe von 3.248 € für die entstandenen Bereitstellungszinsen (= 3 % von 112.000 € für die Zeit vom 17.07.2009 bis zum 05.07.2010) ab.
5
Mit einer Anzeige nach § 29 Abs. 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung vom 16.07.2010 benachrichtigte die B-Bank den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt –FA–), dass der Kläger ihr seine Ansprüche aus der Kapitallebensversicherung in Höhe von 38.000 € zur Tilgung und Besicherung des Forwarddarlehens abgetreten habe.
6
Mit Feststellungsbescheid vom 06.10.2014 stellte das FA die Steuerpflicht der rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus der Kapitallebensversicherung des Klägers gesondert fest.
7
Hiergegen wandte sich der Kläger mit dem Einspruch. Die Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung der rechnungs- und außerrechnungsmäßigen Zinsen aus der Kapitallebensversicherung gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 2 und 4 und § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes in der am 31.12.2004 anzuwendenden Fassung (EStG 2004) seien erfüllt. Er habe das Forwarddarlehen über 112.000 € in Höhe von 107.226,90 € verwendet, um die bestehenden Anschaffungsdarlehen abzulösen. Von dem Differenzbetrag in Höhe von 4.773,10 € habe die B-Bank ihm 3.248 € für die Bereitstellungszinsen belastet. Bei diesen Aufwendungen handele es sich um bankübliche einmalige Finanzierungskosten, die er nach dem Senatsurteil vom 19.01.2010 – VIII R 40/06 (BFHE 228, 216, BStBl II 2011, 254) neben den originären Anschaffungs- und Herstellungskosten des vermieteten Einfamilienhauses habe steuerunschädlich mitfinanzieren dürfen. Die Bereitstellungszinsen seien daher nicht auf die gesetzliche Bagatellgrenze gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 in Höhe von 2.556 € anzurechnen. Der Restbetrag des Forwarddarlehens sei zwar in Höhe von 1.525,10 € (= 1.440,16 € für andere mit der Umschuldung im Zusammenhang stehende Kosten und 75,44 € zur Tilgung der Zinsen aus dem Ursprungsdarlehen bei der B-Bank und in Höhe von 9,50 € für Überweisungskosten) steuerschädlich verwendet worden. Dieser Betrag unterschreite aber die auch in Umschuldungsfällen anzuwendende Bagatellgrenze (2.556 €).
8
Das FA wies den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Es stellte darauf ab, dass der Kläger, selbst wenn man die Verwendung des Darlehens zur Tilgung der Bereitstellungszinsen als unschädlich ansehe, die weiteren Finanzierungsaufwendungen in Höhe von 1.525,10 € steuerschädlich durch das Darlehen mitfinanziert habe. Die Bagatellgrenze sei bei Umschuldungen nicht anzuwenden (Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen –BMF– vom 15.06.2000 – IV C 4-S 2221-86/00, BStBl I 2000, 1118, Rz 43).
9
Die anschließend erhobene Klage blieb erfolglos. Die Begründung des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 635 mitgeteilt. Das FG sah die tatsächliche Verwendung des Forwarddarlehens zur Tilgung der Bereitstellungszinsen und übrigen Aufwendungen im Rahmen der Umschuldung als steuerschädlich an, weil das Darlehen insoweit nicht ausschließlich und unmittelbar zur Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG 2004 verwendet worden sei.
10
Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er rügt die Verletzung materiellen Bundesrechts. Das FG habe § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG 2004 unzutreffend angewandt. Es habe verkannt, dass es sich bei der Mitfinanzierung der Bereitstellungszinsen im Rahmen der Umschuldung um eine sich im Rahmen des Üblichen haltende Finanzierung handele, die als solche steuerunschädlich sei, und die steuerschädlichen Aufwendungen die Bagatellgrenze unterschritten.
11
Der Kläger beantragt sinngemäß,das Urteil des FG Düsseldorf vom 06.09.2017 – 15 K 2050/16 F und den Feststellungsbescheid vom 06.10.2014 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 06.07.2016 aufzuheben.
12
Das FA beantragt,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
13
Die Entscheidung des FG sei zutreffend. Nach Rz 45 des BMF-Schreibens in BStBl I 2000, 1118 dürfe für eine unmittelbare und ausschließliche Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten durch das besicherte Umschuldungsdarlehen dessen Höhe die Restschuld des abzulösenden Anschaffungsdarlehens nicht übersteigen. Überdies sei die gesetzliche Bagatellgrenze in Umschuldungsfällen nicht anzuwenden.


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