Steuerrecht

Unionsrechtmäßigkeit des Ausschlusses des Sonderausgabenabzugs für Sozialversicherungsbeiträge eines in Österreich tätigen Arbeitnehmers

Aktenzeichen  I R 19/19

Datum:
13.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.130421.IR19.19.0
Normen:
§ 10 Abs 1 Nr 2 Buchst a EStG 2009
§ 10 Abs 2 S 1 Nr 1 EStG 2009 vom 11.12.2018
§ 32b Abs 1 S 1 Nr 3 EStG 2009
§ 32b Abs 2 S 1 Nr 2 EStG 2009
Art 15 Abs 2 DBA AUT 2000 2010
Art 15 Abs 4 DBA AUT 2000 2010
Art 15 Abs 7 DBA AUT 2000 2010
Art 45 AEUV
Art 15 Abs 1 DBA AUT 2000 2010
Art 267 Abs 3 AEUV
EStG VZ 2012
EStG VZ 2014
Spruchkörper:
1. Senat

Leitsatz

NV: Beiträge eines unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmers zu einem inländischen Versorgungswerk, die in Zusammenhang mit nach Art. 15 Abs. 1 DBA-Österreich 2000/2010 steuerfreien ausländischen Einkünften stehen, sind weder als Sonderausgaben noch im Rahmen des Progressionsvorbehalts zu berücksichtigen. Dies verstößt nicht gegen die unionsrechtliche Arbeitnehmerfreizügigkeit.

Verfahrensgang

vorgehend FG Nürnberg, 13. Februar 2019, Az: 5 K 887/18, Urteil

Tenor

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 13.02.2019 – 5 K 887/18 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die im Inland wohnenden Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und wurden in den Streitjahren (2012 und 2014) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Neben Einkünften aus selbständiger und nichtselbständiger Arbeit erzielten sie Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Gewerbebetrieb.
2
Der Kläger war in den Streitjahren nichtselbständig für eine inländische Arbeitgeberin sowohl im Inland (2012: an 47 Tagen; 2014: an 37 Tagen) als auch in Österreich (2012: an 166 Tagen; 2014: an 191 Tagen) tätig. Aufgrund seiner Mitgliedschaft in der Bayerischen …versorgung (als Teil der Bayerischen Versorgungskammer) war der Kläger von der gesetzlichen Rentenversicherung befreit. Er leistete in den Streitjahren Altersvorsorgebeiträge (einschließlich Arbeitgeberanteil) in Höhe von jeweils … € an die Versorgungskammer.
3
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt –FA–) teilte im Rahmen der Festsetzung der Einkommensteuer für die Streitjahre den Arbeitslohn des Klägers (2012: … €; 2014: … €) und dessen Werbungskosten entsprechend dem Verhältnis der im Inland zu den in Österreich absolvierten Arbeitstagen (2012: 22 % inländische Arbeitstage; 2014: 16 % inländische Arbeitstage) in einen voll steuerpflichtigen und einen nach dem Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen vom 24.08.2000 (BGBl II 2002, 735, BStBl I 2002, 585), ab 01.03.2012 i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 29.12.2010 (BGBl II 2011, 1210, BStBl I 2012, 367) –DBA-Österreich 2000/2010– von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer auszunehmenden Teil auf (im Arbeitslohn enthaltene Bonuszahlungen ordnete das FA allerdings in voller Höhe den freizustellenden Einkünften zu). Die nach dem DBA-Österreich 2000/2010 von der Besteuerung freizustellenden Einkünfte berücksichtigte das FA bei der Bemessung des Steuersatzes im Rahmen des Progressionsvorbehalts (§ 32b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung –EStG–).
4
Die geleisteten Beiträge zur berufsständischen Altersversorgung setzte das FA in jener Höhe als Sonderausgaben an, die dem Verhältnis des steuerpflichtigen Arbeitslohns zum gesamten Arbeitslohn bis zur Beitragsbemessungsgrenze entsprach. In Bezug auf den darüber hinausgehenden Teil greife das Abzugsverbot des § 10 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG. Auch im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigte das FA diesen Teil der Beiträge zur Altersversorgung nicht.
5
Der österreichische Fiskus besteuerte Teile des vom Kläger bezogenen Arbeitslohns. Die Beiträge zur berufsständischen Altersversorgung wurden dabei –entsprechend dem österreichischen Recht– als Werbungskosten von der Bemessungsgrundlage der Einkommensteuer in Abzug gebracht.
6
Die Kläger sind der Auffassung, die Beiträge des Klägers zur berufsständischen Altersversorgung müssten aus unionsrechtlichen Gründen im Rahmen des Progressionsvorbehalts berücksichtigt werden und beziehen sich hierfür auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) Bechtel vom 22.06.2017 – C-20/16 (EU:C:2017:488, BStBl II 2017, 1271).
7
Die Klage blieb ohne Erfolg; das Finanzgericht (FG) Nürnberg hat sie mit Urteil vom 13.02.2019 – 5 K 887/18 (abgedruckt in Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 764) als unbegründet abgewiesen.
8
Gegen das FG-Urteil richtet sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Kläger.
9
Die Kläger beantragen (sinngemäß), das FG-Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid 2012 vom 19.02.2014 bzw. den Einkommensteuerbescheid 2014 vom 18.09.2015 –jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.06.2018– dahingehend abzuändern, dass bei der Berechnung des Progressionsvorbehalts die bisher unberücksichtigten Beiträge zur Bayerischen …versorgung in Höhe von … € (2012) bzw. … € (2014) mindernd berücksichtigt werden.
10
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.


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