Steuerrecht

Verträge zur Dauergrabpflege durch eine Friedhofsgärtnerei; Bilanzierung selbst begründeter und übernommener Verpflichtungen; Divergenz

Aktenzeichen  XI B 53/20

Datum:
7.4.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:B.070421.XIB53.20.0
Normen:
§ 5 Abs 4a EStG 2009
§ 249 HGB
§ 115 Abs 2 Nr 2 FGO
EStG VZ 2009
Spruchkörper:
11. Senat

Leitsatz

NV: Mit der Annahme, dass eine Friedhofsgärtnerei für Zahlungen, die Kunden für zukünftige Grabpflegeleistungen geleistet haben, in ihrer Bilanz
– erhaltene Anzahlungen zu passivieren habe, soweit Zahlungen von noch nicht verstorbenen Kunden für zukünftige eigene Grabstellen geleistet worden seien,
– für die übrigen Verpflichtungen einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten über die verbleibende Restlaufzeit der Verpflichtungen zu bilden habe,
– zukünftige Kostensteigerungen bei der Berechnung des passiven Rechnungsabgrenzungspostens nicht zu berücksichtigen seien und
– eine pauschale Verzinsung von 6 % p.a. für sämtliche Kundenguthaben nicht zu berücksichtigen sei, wenn die Entstehung des Anspruchs der Kunden auf Zahlung von Zinsen nicht hinreichend nachgewiesen sei,
weicht ein FG nicht vom BFH-Urteil vom 21.06.2001 – V R 80/99 (BFHE 195, 440, BStBl II 2003, 810) ab.

Verfahrensgang

vorgehend FG Bremen, 27. August 2020, Az: 1 K 104/17 (3), Urteil

Tenor

1. Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision (gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2009) gegen das Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 27.08.2020 – 1 K 104/17 (3) wird als unzulässig verworfen.
2. Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision (Körperschaftsteuer 2009) gegen das Urteil des Finanzgerichts Bremen vom 27.08.2020 – 1 K 104/17 (3) wird als unbegründet zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.
1
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, betreibt eine Friedhofsgärtnerei. Sie hat sich in einer Vielzahl von Verträgen zur Dauergrabpflege verpflichtet bzw. in den Jahren 1990, 1997 und 2002 derartige Verpflichtungen im Rahmen von Betriebsübernahmen von anderen Friedhofsgärtnereien übernommen. Die Auftraggeber zahlten dafür eine Gegenleistung, die in der Weise ermittelt wurde, dass in einer Kostenaufstellung die Kosten für ein Jahr berechnet und mit der Anzahl der Jahre der Vertragslaufzeit multipliziert wurden. Der Auftraggeber, aber nicht seine Erben, waren zur Kündigung des Vertrages (teilweise nur aus wichtigem Grund) berechtigt. Im Fall der Kündigung war der Auftraggeber berechtigt, den nicht verbrauchten Betrag “einschließlich vorhandener Zinsen” zurückzufordern.
2
Eine treuhänderische Verwaltung der Dauergrabpflegeverträge durch einen Dritten erfolgte im Jahr 2009 (Streitjahr) noch nicht.
3
Die Klägerin bildete u.a. in ihrer Bilanz zum 31.12.2009 für die Grabpflegeverpflichtungen eine Rückstellung in Höhe von … €. Diese Rückstellung hatte sie durch ein versicherungsmathematisches Gutachten berechnen lassen. Bei der Berechnung wurde eine Verzinsung für das vorhandene Restkapital von 6 % pro Jahr (p.a.) sowie eine Kostensteigerung von 4 % p.a. zugrunde gelegt.
4
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt –FA–) nahm nach Durchführung einer Außenprüfung bei der Klägerin u.a. in den Änderungsbescheiden wegen Körperschaftsteuer für das Jahr 2009 sowie gesonderter Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer auf den 31.12.2009 vom 11.02.2016 an, dass die Bildung der Rückstellung zu Unrecht erfolgt sei. Es seien vielmehr erhaltene Anzahlungen zu passivieren, soweit Zahlungen von noch nicht verstorbenen Kunden für eigene Gräber geleistet worden seien. Für die übrigen Verpflichtungen sei ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten für die verbleibende Restlaufzeit der Verpflichtung zu bilden. Eine Verzinsung sowie eine Kostensteigerung seien bei dessen Berechnung nicht zu berücksichtigen.
5
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) Bremen nahm in seinem Urteil vom 27.08.2020 – 1 K 104/17 (3) an, der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid sei rechtmäßig.
6
Der Ansatz der Anzahlungen sei zutreffend und werde mit der Klage nicht mehr angefochten.
7
Ob eine Rückstellung oder ein passiver Rechnungsabgrenzungsposten für die von anderen Friedhofsgärtnereien übernommenen Grabpflegeverpflichtungen zu bilden sei, müsse nicht entschieden werden, weil der Ansatz des FA insoweit für die Klägerin günstig sei.
8
Hinsichtlich der selbst eingegangenen Grabpflegeverpflichtungen erweise sich der Ansatz eines passiven Rechnungsabgrenzungspostens als richtig.
9
Eine Rückstellung wegen drohender Kostensteigerungen dürfe wegen § 5 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes nicht gebildet werden.
10
Eine Rückstellung für Rückzahlungsverpflichtungen dürfe nicht gebildet werden, da sich diese nur auf Beträge beziehe, die wegen der Bildung des passiven Rechnungsabgrenzungspostens noch nicht erfolgswirksam geworden wären; die Rückzahlungspflicht trete im Kündigungsfall an die Stelle der Sachleistungspflicht.
11
Auch eine Rückstellung für Zinszahlungen könne nicht gebildet werden. Der Auftraggeber dürfe zwar vorhandene Zinsen zurückfordern. Dass diese erwirtschaftet worden seien, sei aber von der Klägerin nicht dargelegt. Eine Verpflichtung der Klägerin zur verzinslichen Anlage bestehe nach den Verträgen nicht. Dass in den zurückgezahlten Beträgen Zinsen enthalten gewesen seien, sei ebenfalls nicht ausgewiesen. Darüber hinaus seien Kündigungen ausgesprochen unwahrscheinlich und betragsmäßig gering gewesen. Dass der pauschale Ansatz mit 6 % des gesamten Guthabens dem tatsächlichen oder zumindest wahrscheinlichen jährlichen Umfang von Zinszahlungen nicht entsprochen habe, sei offensichtlich.
12
Der angefochtene Verlustfeststellungsbescheid sei wegen § 10d Abs. 4 Satz 4 und 5 EStG ebenfalls rechtmäßig; in ihm seien die Einkünfte gemäß dem Körperschaftsteuerbescheid zu berücksichtigen. Die Einkünfte seien nicht eigenständig zu ermitteln bzw. zu überprüfen.
13
Mit der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision macht die Klägerin geltend, die Revision sei gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zuzulassen. Das Urteil des FG weiche vom Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21.06.2001 – V R 80/99 (BFHE 195, 440, BStBl II 2003, 810) ab, in dem der BFH entschieden habe, dass Einmalzahlungen für Grabpflegeleistungen zur Annahme einer Vorauszahlung oder eines verzinslichen Darlehens führen. Der im dortigen Urteil beschriebene Sachverhalt passe zu dem hier zu entscheidenden Streitfall, auch wenn die Klägerin keine Karteikarten für die Guthaben der Auftraggeber geführt habe, sondern ein versicherungsmathematisches Gutachten habe erstellen lassen. Die Verzinsung sei in der mündlichen Verhandlung vom 27.08.2020 unter Vorlage von Abrechnungsunterlagen anhand eines Beispielsfalls dem FG ausführlich erläutert worden. Richtig sei daher der Ausweis als Darlehensverbindlichkeit, wobei allerdings der Zinssatz nicht konkretisiert worden sei, was für eine ungewisse Verbindlichkeit spreche. Die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme sei durch die zu erbringenden Grabpflegeleistungen gegeben. Die vom FG vorgenommene Aufteilung in Rückzahlungen, Zinsen und Kostensteigerungen sei nicht nachvollziehbar.


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