Steuerrecht

Verwandtschaftsverhältnis zwischen Rechtsanwalt und Richter als Ablehnungsgrund

Aktenzeichen  13 U 1810/20

Datum:
25.3.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 5892
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 42 Abs. 2, § 48

 

Leitsatz

1. Steht ein Richter in einem Verwandtschaftsverhältnis zu dem Prozessbevollmächtigten einer Partei (hier: Rechtsanwalt ist Cousin eines Richters), so besteht die Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO jedenfalls dann, wenn zur bloßen Verwandtschaft ein regelmäßiger persönlicher Kontakt zwischen Richter und Rechtsanwalt hinzukommt. (Rn. 6)
2. Dass der verwandte Rechtsanwalt lediglich in einem früheren Verfahrensstadium, in welchem der betreffende Richter noch nicht mit dem Verfahren befasst war, als Prozessbevollmächtigter tätig war (hier: anwaltliche Tätigkeit nur in erster Instanz, verwandter Richter im Berufungsverfahren), steht der Annahme der Besorgnis der Befangenheit nicht entgegen. (Rn. 7)

Tenor

Die Ablehnung der Richterin am Oberlandesgericht K. wegen Besorgnis der Befangenheit wird für begründet erklärt.

Gründe

Die Ablehnung der Richterin am Oberlandesgericht K. wegen Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO ist begründet.
1. Die Besorgnis der Befangenheit eines Richters nach § 42 Abs. 2 ZPO setzt voraus, dass ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Richters zu rechtfertigen. Es kommt nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich „parteilich“ oder „befangen“ ist oder ob er sich selbst für befangen oder für unbefangen hält. Es muss ein objektiver Grund vorliegen, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus die Befürchtung erwecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Rein subjektive, unvernünftige Vorstellungen und Gedankengänge des Antragstellers scheiden als Ablehnungsgrund aus. Entscheidend ist, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit eines Richters zu zweifeln (BGH, Beschluss vom 14. März 2003 – IXa ZB 27/03 -, juris Rn. 6; BVerfG, Kammerbeschluss vom 11. Oktober 2011 – 2 BvR 1010/10 -, juris Rn. 17, mit weiteren Nachweisen). Bei den Vorschriften über die Besorgnis der Befangenheit geht es auch darum, bereits den „bösen Schein“ einer möglicherweise fehlenden Unvoreingenommenheit zu vermeiden (BVerfG, Beschluss vom 13. Februar 2018 – 2 BvR 651/16 -, juris Rn. 17; BVerfG, Beschluss vom 18. Juni 2003 – 2 BvR 383/03 -, juris Rn. 25).
2. Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen sind die von Richterin am Oberlandesgericht K. gemäß § 48 ZPO mitgeteilten objektiven Umstände geeignet, die Besorgnis der Befangenheit im Sinne des § 42 Abs. 2 ZPO zu begründen.
Danach ist Rechtsanwalt Sp. ihr Cousin, mit dem sie in regelmäßigem – nach Rückfrage mehrmals pro Woche stattfindendem – Kontakt steht. Die Beziehung zwischen dem Rechtsanwalt und der Berichterstatterin beschränkt sich also nicht auf das Verwandtschaftsverhältnis als solches, sondern es besteht auch regelmäßiger Kontakt.
Rechtsanwalt Sp. war in erster Instanz persönlich als Klägervertreter am Verfahren beteiligt. Er hat die Klägerin in einem Termin vertreten und Schriftsätze unterzeichnet, unter anderem einen Vergleichswiderruf. Er ist nach wie vor in der die Klägerin vertretenden Kanzlei tätig und deren Namensgeber.
Zwar wird ein Verwandtschaftsverhältnis zu einem Prozessbevollmächtigten nicht generell die Besorgnis der Befangenheit begründen. Dies ergibt sich schon aus der gesetzgeberischen Wertung des § 41 ZPO, die den entsprechenden Sachverhalt – im Gegensatz zu verwandtschaftlichen Beziehungen zu Parteien (vgl. § 41 Nr. 3 ZPO) – nicht zu einem jede weitere Bewertung entbehrlich machenden Ausschlussgrund erhoben hat. Insbesondere Verwandtschaftsverhältnisse zwischen einem Richter und einem Prozessbevollmächtigten, die mit keinerlei persönlichem Kontakt verbunden sind, bei denen sich die Verbindung also auf die Tatsache der Verwandtschaft beschränkt, werden die Besorgnis der Befangenheit in der Regel nicht begründen können. Sobald aber zur bloßen Verwandtschaft als solcher die Pflege regelmäßigen persönlichen Kontakts hinzutritt, darf ein Verfahrensbeteiligter bei objektiver Betrachtung annehmen, dass eine „gelebte“ Nähebeziehung besteht, die die Unvoreingenommenheit des Richters beeinträchtigen kann.
In diesem Fall genügt es, wenn der mit dem Richter verwandte Prozessbevollmächtigte zu irgendeinem Zeitpunkt am Verfahren als Parteivertreter beteiligt war. Es steht der Besorgnis der Befangenheit vorliegend also nicht entgegen, dass Rechtsanwalt Sp. ab Januar 2020 in der vorliegenden Angelegenheit keine Schriftsätze mehr unterschrieben hat und, wie von den Klägervertretern mitgeteilt, in die anwaltliche Bearbeitung auch auf sonstige Weise nicht mehr involviert war. Dies ergibt sich schon allein daraus, dass sich wegen zivilprozessualer Ausschlusstatbestände (§§ 296, 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO) unzureichender Vortrag in einem früheren Verfahrensstadium auch im späteren Verfahrensverlauf, an dem der mit dem Richter verwandte Prozessbevollmächtigte nicht mehr beteiligt ist, weiterhin auswirken kann. Allein schon deshalb kann ein Eigeninteresse eines früheren Prozessbevollmächtigten am Ausgang des Rechtsstreits bestehen und daraus resultierend die Besorgnis der übrigen Prozessbeteiligten, dass der mit dem Prozessbevollmächtigten verwandte Richter davon beeinflusst werden könnte. Angesichts dessen musste vorliegend nicht entschieden werden, ob schon allein die Tätigkeit in derselben Kanzlei auch dann einen Grund zur Besorgnis der Befangenheit eines verwandten Richters gibt, wenn der betroffene Rechtsanwalt selbst niemals in die Bearbeitung des verfahrensgegenständlichen Mandats eingebunden war.


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