Steuerrecht

Zur Annahme von Sonderbetriebseinnahmen bei Stipendiengewährung an die Mitunternehmer einer GbR

Aktenzeichen  VIII R 47/18

Datum:
25.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BFH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BFH:2021:U.250321.VIIIR47.18.0
Normen:
§ 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2009
§ 18 Abs 4 S 2 EStG 2009
§ 173 Abs 1 AO
§ 179 Abs 3 AO
EStG VZ 2010
§ 3 Nr 44 EStG 2009
Spruchkörper:
8. Senat

Leitsatz

1. Das einem Mitunternehmer gewährte Stipendium ist als Sonderbetriebseinnahme i.S. des. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 i.V.m. § 18 Abs. 4 Satz 2 EStG zu erfassen, wenn die durch das Stipendium geförderte Tätigkeit des Mitunternehmers im Rahmen der Mitunternehmerschaft mit deren Mitteln betrieben wird.
2. Der Grundsatz von Treu und Glauben hindert das FA nicht daran, Stipendienzahlungen, die es bei der Einkommensteuerveranlagung eines Mitunternehmers (rechtsirrig) als steuerfreie Einnahmen i.S. des § 3 Nr. 44 EStG angesehen hat, später in einem gemäß § 181 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 173 Abs. 1 AO geänderten Feststellungsbescheid als Sonderbetriebseinnahmen des Mitunternehmers zu erfassen.

Verfahrensgang

vorgehend FG Münster, 13. April 2018, Az: 14 K 3906/14 F, Urteil

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 13.04.2018 – 14 K 3906/14 F aufgehoben.
Die Sache wird an das Finanzgericht Münster zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.
Diesem wird die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens übertragen.

Tatbestand

I.
1
Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zu 1. und zu 2. waren jeweils zur Hälfte an einer GbR beteiligt. Die GbR, die im Jahr 2008 gegründet worden war und sich mit Softwareentwicklung befasste, ermittelte ihren Gewinn im Jahr 2010 (Streitjahr) durch Einnahmen-Überschuss-Rechnung. Sie wurde –wie sich aus dem vom Finanzgericht (FG) ausdrücklich in Bezug genommenen Betriebsprüfungsbericht vom 15.03.2013 ergibt– mit notariellem Vertrag vom …2012 rückwirkend zum 01.01.2012 in die 2011 neu gegründete B-GmbH eingebracht.
2
Die Kläger hatten am 30.03.2010 mit der Universität C (Universität) jeweils Stipendiatenverträge geschlossen, nach denen sie als Teil des Programms “Existenzgründungen aus der Wissenschaft (EXIST)” für die Zeit vom 01.04.2010 bis zum 31.03.2011 ein Stipendium erhielten. Die Stipendien sollten der Entwicklung und Realisierung eines Gründungsvorhabens dienen, in dessen Fokus die Entwicklung einer …Software … stand. Dazu sollte –wie es in den jeweiligen Stipendiatenverträgen hieß– ein Forschungsprototyp der Universität von den Gründern –den Klägern– basierend auf aktueller Internet-Technologie zu einem marktreifen Produkt ausgearbeitet werden.
3
Die Stipendien sollten den Existenzgründern ermöglichen, sich ganz der Verfolgung und Realisierung der Gründungsidee zu widmen. Die Stipendien stellten –so die Stipendiatenverträge– weder Vergütungen i.S. des § 611 des Bürgerlichen Gesetzbuchs noch Arbeitsentgelt i.S. des § 14 des Vierten Buchs Sozialgesetzbuch dar, sondern dienten lediglich der Sicherung des Lebensunterhalts und einer angemessenen Absicherung gegen das finanzielle Risiko von Krankheit des Existenzgründers während der Phase der Weiterverfolgung und Realisierung der Gründungsidee (§ 2 der Verträge). Gemäß § 3 der Stipendiatenverträge oblagen den Existenzgründern verschiedene Pflichten, deren Erfüllung Voraussetzung für die Auszahlung der Stipendien war (§ 5 der Verträge). Die Gründung und Aufnahme der geplanten Geschäftstätigkeit während der Förderung war zulässig, allerdings durfte diese bei Beginn des Stipendiums noch nicht erfolgt sein.
4
Die den Klägern gewährten Stipendien kamen im Streitjahr (Kläger zu 1.: 18.000 €/Kläger zu 2.: 16.800 €) sowie im Jahr 2011 (je 6.000 €) zur Auszahlung.
5
In der Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung für das Streitjahr, die die GbR im Oktober 2011 einreichte, wurden die an die Kläger erfolgten Stipendienzahlungen nicht angegeben. Dementsprechend waren die Zahlungen in dem Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Feststellungsbescheid) für das Streitjahr vom 18.11.2011, den das Finanzamt A (FA A) erlassen hatte, nicht berücksichtigt worden. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig. Allerdings erklärten die Kläger die Einkünfte aus den Stipendien in ihren Einkommensteuererklärungen für das Streitjahr. Das zuständige FA A behandelte die Stipendienzahlungen in den Einkommensteuerbescheiden 2010 vom 15.02.2012 bzw. 08.03.2012 als steuerfreie Einnahme.
6
In einer aus Anlass der Betriebsaufgabe bei der GbR durch das FA A durchgeführten Außenprüfung gelangte die Prüferin zu der Auffassung, die Stipendien seien als Sonderbetriebseinnahmen der Kläger zu erfassen. Der bestandskräftige Feststellungsbescheid 2010 sei gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) zu ändern. Das FA A folgte dieser Auffassung und erließ am 17.05.2013 einen entsprechend geänderten Feststellungsbescheid für das Streitjahr, in dem es dem Kläger zu 1. Sonderbetriebseinnahmen in Höhe von 18.000 € und dem Kläger zu 2. Sonderbetriebseinnahmen in Höhe von 16.800 € zurechnete. Das FA A gab den Bescheid vom 17.05.2013 an den Kläger zu 2. als Empfangsbevollmächtigten für “Firma … GbR” bekannt.
7
Hiergegen legte der Steuerberater der GbR mit Schreiben vom 17.06.2013, in dessen Betreffzeile er die “Firma … GbR” nennt, “im Auftrag meiner Mandantin” Einspruch ein. Nach Abgabe an den hierfür zuständigen Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt –FA–) wies dieser den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 03.11.2014).
8
Die hiergegen gerichtete Klage erhob der damalige Prozessbevollmächtigte der Kläger unter Bezugnahme auf die Einspruchsentscheidung vom 03.11.2014 “aufgrund nachzureichender Vollmacht des Herrn [Kläger zu 1.] … und des Herrn [Kläger zu 2.] … – Kläger -“. Zur Begründung verwies er darauf, dass die Einbeziehung der Stipendien gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Das FA A habe die Stipendien im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen der Kläger als steuerfreie Einnahmen beurteilt. Daher sei es unzulässig, die Stipendien nachträglich, über den Umweg der Erfassung als Sonderbetriebseinnahmen im Rahmen der gesonderten Feststellung, nun doch der Einkommensteuer zu unterwerfen.
9
Das FG, das davon ausging, dass neben den Klägern auch die GbR Klage erhoben hat, gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2018, 1089 veröffentlichtem Urteil statt, weil es an einer Veranlassung der Stipendienzahlungen durch das Gesellschaftsverhältnis fehle. Grundlage der Zahlungen seien die Stipendiatenverträge, die die Kläger unabhängig von ihrer Gesellschafterstellung mit der Universität geschlossen hätten.
10
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, das die Verletzung materiellen Rechts rügt.
11
Das FA beantragt sinngemäß,das angefochtene FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
12
Die Kläger beantragen sinngemäß,die Revision als unbegründet zurückzuweisen.


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