Aktenzeichen 2 StR 207/21
§ 46 Abs 3 StGB
§ 176a StGB
§ 178 Abs 4 aF StGB
Verfahrensgang
vorgehend LG Köln, 22. Dezember 2020, Az: 102 KLs 10/20
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 22. Dezember 2020 im Strafausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels und die den Nebenklägerinnen entstandenen notwendigen Auslagen, an eine andere Jugendschutzkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in 21 Fällen, wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in 13 Fällen sowie wegen sexuellen Missbrauchs einer Jugendlichen in acht Fällen zu neun Jahren Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt. Die Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Erfolg. Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
2
1. Die Verfahrensrüge ist nicht ausgeführt und daher unzulässig (§ 344 Abs. 2 StPO).
3
2. Die auf die Sachrüge gebotene umfassende Nachprüfung des angefochtenen Urteils hat zum Schuldspruch keinen den Angeklagten beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Indes hält der Strafausspruch sachlich-rechtlicher Nachprüfung in zweifacher Hinsicht nicht stand.
4
a) Die Strafkammer hat in den Fällen 13 bis 23, 24 bis 28 und 34 bis 38 der Urteilsgründe das Vorliegen minder schwerer Fälle im Sinne des § 176a Abs. 4 StGB (in der hier maßgeblichen, ab 27. Januar 2015 geltenden Fassung) verneint. Soweit die Strafkammer minder schwere Fälle mit dem Hinweis auf die „über 40 Jahre umfassende Altersdifferenz des Angeklagten gegenüber den Tatopfern“ verneint, stellt diese Erwägung – wie der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend dargelegt hat – einen Verstoß gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB dar. Das Bestehen eines Altersgefälles zwischen Täter und Opfer als solches ist in dem Schutzzweck des Tatbestandes des sexuellen Missbrauchs eines Kindes und der Schutzaltersgrenze von 14 Jahren angelegt; allenfalls in einer geringen Altersdifferenz zwischen einem (jugendlichen oder heranwachsenden) Täter und einem kindlichen Opfer kann ein strafzumessungsrechtlicher Sonderfall liegen, dem indes strafmildernde Wirkung zukommt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Juni 2017 – 4 StR 186/17 Rn. 3). Soweit die Urteilsgründe darüber hinaus mitteilen, die Strafkammer habe bei der Prüfung minder schwerer Fälle „alle zu Gunsten und zu Lasten des Angeklagten wirkenden, tat- und täterbezogenen Umstände“ berücksichtigt, erhellt aus den Urteilsgründen nicht, welche Gesichtspunkte die Strafkammer für bestimmend erachtet hat. Weder werden in den Urteilsgründen solche Strafzumessungsgesichtspunkte genannt noch an anderer Stelle genannte Erwägungen – dort allerdings auch zu nicht § 176a StGB betreffenden Fällen – in Bezug genommen. Der Senat kann nicht ausschließen, dass die Strafrahmenwahl in den genannten Fällen auf diesen Rechtsfehlern beruht.
5
b) Im Rahmen der konkreten Einzelstrafbemessung zu allen verfahrensgegenständlichen Fällen hat die Strafkammer das von Reue getragene, umfangreiche Geständnis des Angeklagten berücksichtigt, welches er erst in der Hauptverhandlung abgegeben hat. Hiergegen ist nichts zu erinnern. Als rechtlich nicht unbedenklich erweist sich indes die Erwägung der Strafkammer in diesem Zusammenhang, der Angeklagte habe Nebenklägerinnen die Teilnahme an der vor der Hauptverhandlung durchgeführten aussagepsychologischen Begutachtung nicht erspart, „obwohl ihm im Rahmen und im Nachgang zum im April 2020 durchgeführten Haftprüfungstermin die Möglichkeit hierzu deutlich vor Augen stand“. Dies lässt besorgen, die Strafkammer könnte rechtmäßiges Verteidigungsverhalten im Ergebnis rechtsfehlerhaft zu Lasten des Angeklagten gewertet haben.
6
c) Der Strafausspruch bedarf daher insgesamt neuer Verhandlung und Entscheidung.
Franke
Appl
Krehl
Zeng
Meyberg