Strafrecht

2 StR 359/20

Aktenzeichen  2 StR 359/20

Datum:
17.3.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:170321B2STR359.20.0
Normen:
§ 25 Abs 2 StGB
§ 212 StGB
Spruchkörper:
2. Strafsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Köln, 17. März 2020, Az: 104 Ks 32/19

Tenor

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 17. März 2020 mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und bestimmt, dass die in Griechenland erlittene Auslieferungshaft im Verhältnis von 1,5 zu 1 auf die Strafe angerechnet wird. Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten mit Verfahrensrügen und der Sachbeschwerde. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge Erfolg.
I.
2
Das Landgericht hat folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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1. Der Angeklagte wohnte im Juni 2014 zusammen mit seiner damaligen Freundin in B.    . Er befand sich in Geldschwierigkeiten und entschloss sich dazu, mit drei unbekannten Mittätern in das Haus von       B.      , der Mutter seines Stiefvaters, in K.   einzubrechen und Wertgegenstände zu entwenden. Am frühen Morgen des 12. Juni 2014 fuhr der Angeklagte mit dem Auto von Serbien nach Deutschland. In der Zeit von 2.37 bis 2.46 Uhr des Folgetages führte er Telefongespräche im Bereich der Funkzelle, die das Anwesen der Geschädigten abdeckt. Zu dieser Zeit oder bis 4.00 Uhr bestieg ein Mittäter das Garagendach und gelangte über das Vordach in den Garten. Dort hebelte er die Seitentür des Wintergartens auf, gelangte ins Haus und ließ die anderen Täter herein. Zum weiteren „zeitlichen Ablauf“ konnte die Schwurgerichtskammer außer den folgenden Handlungen keine konkreten Feststellungen treffen.
4
Im Schlafzimmer trafen die Täter auf        B.       , überwältigten sie, fesselten ihr die Hände auf den Rücken und umwickelten ihren Mund mit Klebeband. Das Tatopfer lag danach auf dem Bauch im Bett, wobei der Kopf verdreht auf der Schräge des erhöhten Kopfteils lag. „Aufgrund der Liegeposition knickte der knorpelige Anteil der Nasenscheidewand zur Seite. Einer der Täter kniete sich zudem mit beiden Knien auf die Schultern des Opfers. Der Angeklagte nahm all dies wahr und erkannte die Gefährlichkeit der Handlungen. Er nahm den Tod des Opfers billigend in Kauf. Er handelte in der Absicht, sich in den Besitz von werthaltigen Gegenständen und/oder Geld zu bringen, sowie um eine Entdeckung des vorangegangenen Einbruchs zu verhindern.“ Aufgrund aller Umstände war es       B.       „nicht mehr möglich ausreichend zu atmen. Sie verlor schnell das Bewusstsein und verstarb in wenigen Minuten an einem `positionalen Ersticken´.“ Entweder zuvor oder danach legte ein Täter dem Tatopfer ein Kopfkissen über den Kopf. Die Täter durchsuchten das Haus und die Garage und nahmen ein Notebook, eine goldene Uhr und Bargeld mit.
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2. Von der Beteiligung des Angeklagten am eigentlichen Tatgeschehen und auch bei der Fesselung des Opfers hat sich das Landgericht vor allem deshalb überzeugt, weil an der Innenfläche der linken Hand und am rechten Unterarm des Tatopfers Hautschuppen gefunden wurden, die nach einer DNA-Analyse dem Angeklagten zuzurechnen waren. Das Landgericht ist von einer vorsätzlichen Tötung des Opfers ausgegangen, die dem Angeklagten zuzurechnen sei:
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Die Feststellungen, „dass der Angeklagte die Liegeposition des Opfers wahrnahm und die Gefährlichkeit der Handlungen erkannte, beruhen auf dem Umstand, dass der Angeklagte, wie festgestellt, an der Fesselung beteiligt war, er also die unmittelbar in diesem Zusammenhang stattgefundenen Handlungen mitbekommen haben muss, weil diese – wie festgestellt – in einem kurzen zeitlichen Zusammenhang zu dem Vorgang stattgefunden haben. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass der Angeklagte – wie festgestellt – an der Fesselung beteiligt gewesen ist, dann aber die übrigen Einwirkungen auf das Tatopfer nicht mitbekommen haben könnte“.
7
Aus der Erkenntnis der Gefährlichkeit der Handlungen gegenüber dem Opfer hat die Schwurgerichtskammer die weitere Feststellung entnommen, dass der Angeklagte den Tod billigend in Kauf genommen habe. Es sei für einen durchschnittlich gebildeten Menschen eindeutig ersichtlich gewesen, dass die Tathandlungen sowie die Liegeposition des Opfers zum Ersticken führen konnten. Dabei sei es „unerheblich, dass die Täter `nur´ den Mund und nicht die Nase des Tatopfers verschlossen haben, denn es ist auch allgemein bekannt, dass zum einen in Stresssituationen die Sauerstoffaufnahme auch durch den Mund erfolgt und zum anderen, dass insbesondere das Knien auf den Schultern eines Menschen diesen erheblich in seiner Atemfähigkeit beeinträchtigt. Aufgrund des Umstands, dass dem Angeklagten naturgemäß auch bewusst war, dass das Fesseln und das Verbinden des Mundes auf einen gewissen Zeitraum angelegt waren, folgt auch, dass er sich zumindest damit abgefunden hatte, dass der Tod des Tatopfers eintreten kann“.
II.
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Die Revision des Angeklagten hat Erfolg.
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1. Die Verfahrensrügen sind aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 16. Dezember 2020 genannten Gründen unbegründet. Auch ist die Feststellung, dass der Angeklagte zur Tatzeit am Tatort und an der Fesselung beteiligt war, rechtlich nicht zu beanstanden. Jedoch halten die Beweiserwägungen, mit denen das Landgericht einen bedingten Tötungsvorsatz bejaht hat, einer rechtlichen Überprüfung aufgrund der Sachrüge nicht stand.
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a) Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und er ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten. Ob der Täter nach diesen Maßstäben bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Vorsatzelemente in jedem Einzelfall umfassend zu prüfen und durch tatsächliche Feststellungen zu belegen. Die Prüfung, ob Vorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich das Tatgericht mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzen und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivlage und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände, insbesondere die konkrete Angriffsweise, mit in Betracht zieht. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die dem Täter bekannte Gefährlichkeit der Tathandlung einen Indikator sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement dar (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Februar 2021 – 4 StR 266/20 mwN). Sie ist aber nicht allein maßgeblich; vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalles an (vgl. BGH, Urteil vom 1. März 2018 – 4 StR 399/17, BGHSt 63, 88, 94). Das gilt besonders, wenn die eigentlich tödliche Tathandlung möglicherweise von einem anderen Täter ausgeführt wurde. Ein mittäterschaftlich begangenes Tötungsverbrechen setzt voraus, dass der gemeinsame Tatentschluss auf die Tötung eines Menschen durch arbeitsteiliges Zusammenwirken gerichtet ist. Für die Annahme eines mittäterschaftlich begangenen Tötungsdelikts reicht es deshalb nicht aus, dass sich die Täter lediglich zu einem gemeinsamen Unternehmen entschlossen haben, durch das ein Mensch zu Tode kommt (vgl. BGH, Urteil vom 18. Juni 2020 − 4 StR 482/19, NStZ 2020, 602, 603).
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b) Diesen Anforderungen an die Feststellung von Tötungsvorsatz werden die Ausführungen des Landgerichts nicht gerecht.
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aa) Das Landgericht hat angenommen, einer der Täter habe auf den Schultern des Tatopfers gekniet, weil sich an beiden Schultern Einblutungen gefunden hätten, die auf einen solchen Vorgang schließen ließen. Aus der Feststellung des Kniens eines Täters auf dem Opfer hat es keine Schlüsse auf die Todesursache und auf das Vorhandensein oder Fehlen von Vorsatz des Angeklagten gezogen. Es hat die Feststellung, „dass das Opfer aufgrund der Knebelung in Kombination mit der Bauchlage auf dem erhöhten Bettoberteil in wenigen Minuten an einem positionalen Ersticken, unter vorherigem Eintritt einer Bewusstlosigkeit, verstarb,“ den Ausführungen der rechtsmedizinischen Sachverständigen entnommen. Danach hätten „alle Maßnahmen, also das Liegen auf dem Bauch, die hinter dem Rücken gefesselten Hände, die vorgenommene Knebelung, der leicht verdrehte Kopf auf der Bettschräge sowie die abgeknickte Nase, kumuliert dazu beigetragen“, dass das Tatopfer erstickt ist. Das Knien eines Täters auf dem Rücken des Opfers, das als gesonderte Tathandlung mit tödlicher Wirkung anzusehen sein könnte, wurde dabei nicht erwähnt. Es wurde auch nicht in die Prüfung des Tötungsvorsatzes des Angeklagten einbezogen, obwohl dazu Anlass bestand.
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bb) Wurde das gefesselte und geknebelte Opfer, das auf dem Bauch im Bett lag, so niedergedrückt, dass dies zum Ersticken beitrug, so kann das Knien auf dem Rücken des Opfers auf direkten Tötungsvorsatz des Handelnden hinweisen; dies würde mit der vom Landgericht dem Angeklagten zugerechneten Verdeckungsabsicht korrespondieren (zum Zusammentreffen mit bedingtem Tötungsvorsatz BGH, Urteil vom 19. August 2020 – 1 StR 474/19, NJW 2021, 326, 329 mwN). Das Tatgericht hat aber weder festgestellt, dass der Angeklagte selbst auf dem Opfer gekniet, noch, dass er das Knien eines Mittäters auf dem Opfer beobachtet und gebilligt hat. Das war nicht möglich, weil zu dem zeitlichen Ablauf des Geschehens und den Einzelheiten der Rollenverteilung der Mittäter keine Feststellungen getroffen werden konnten. Die Urteilsgründe ergeben nicht, dass die Überwältigung des Opfers durch Fesseln und Knebeln sowie dessen Lagerung im Bett auf dem Bauch, die zum „positionalen Ersticken“ geführt hat, in ununterbrochener Abfolge an derselben Stelle stattgefunden haben. Die verbleibende Wissenslücke konnte nicht mit dem Hinweis geschlossen werden, es „wäre lebensfremd anzunehmen, dass der Angeklagte – wie festgestellt – an der Fesselung beteiligt gewesen ist, dann aber die übrigen Einwirkungen auf das Tatopfer nicht mitbekommen haben könnte“; denn einen entsprechenden Erfahrungssatz gibt es nicht.
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cc) Das Landgericht hat sich bei der Vorsatzprüfung ferner nicht damit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte und das Opfer sich einerseits kannten, andererseits durch Fesseln und Knebeln kein direkt auf die Tötung des Opfers gerichteter Angriff ausgeführt wurde, der bei einer beabsichtigten Tötung zur Verdeckung des Raubes nahegelegen hätte. Auch insoweit ist die Beweiswürdigung lückenhaft.
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2. Die Verurteilung des Angeklagten wegen Mordes kann danach keinen Bestand haben. Da sich die Aufhebung wegen des tateinheitlichen Zusammentreffens auf den Schuldspruch wegen Raubes mit Todesfolge erstreckt, bedarf die Sache schon deshalb insgesamt neuer tatrichterlicher Verhandlung und Entscheidung.
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3. Für die neue Verhandlung und Entscheidung weist der Senat auf Folgendes hin:
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a) Hat einer von mehreren Tatbeteiligten den qualifizierenden Erfolg verursacht, so sind die übrigen nach § 251 StGB strafbar, wenn sich ihr zumindest bedingter Vorsatz auf die Gewalthandlungen erstreckt, durch welche der qualifizierende Erfolg herbeigeführt worden ist, und wenn auch ihnen in Bezug auf die Todesfolge wenigstens Leichtfertigkeit vorzuwerfen ist. Ein Beteiligter haftet somit nach § 251 StGB als Mittäter nur für die Folgen derjenigen Handlungen des den Tod des Opfers unmittelbar herbeiführenden Täters, die er in seine Vorstellungen von dem Tatgeschehen einbezogen hatte (vgl. Senat, Beschluss vom 16. September 2009 – 2 StR 259/09, NStZ 2010, 33; BGH, Urteil vom 4. März 2020 – 5 StR 623/19, NStZ-RR 2020, 143, 144).
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b) Das Landgericht hat bei seiner Beweiswürdigung unter anderem das Aussageverhalten des Angeklagten bewertet, der erst am Ende der Beweisaufnahme erstmals eine Äußerung zur Sache abgegeben habe; diese sei auf den Stand des Beweisergebnisses zugeschnitten gewesen. Dagegen bestehen rechtliche Bedenken, weil der Angeklagte sich nach den Urteilsgründen nicht selbst geäußert, sondern der Verteidiger für ihn einen Schriftsatz verlesen hat. Dabei handelt es sich zunächst nur um eine Prozesserklärung des Verteidigers (vgl. Senat, Urteil vom 11. März 2020 – 2 StR 69/19, NStZ 2021, 180, 182), die allein durch erkennbare Bezugnahme des Angeklagten auf die verlesene Erklärung zum Beweismittel wird. Dem kommt allenfalls ein geringer Beweiswert zu.
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c) Auslieferungshaft in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union ist im Maßstab von 1 : 1 auf die Strafe anzurechnen, wenn nicht besondere Umstände vorliegen, die einen anderen Maßstab erforderlich erscheinen lassen (vgl. BGH, Beschluss vom 13. November 2019 – 3 StR 277/19, juris). Mit Blick auf die Überprüfbarkeit eines erhöhten Anrechnungsmaßstabs bedarf dieser regelmäßig einer Begründung anhand der Umstände des konkreten Falles (vgl. LK/Schneider, StGB, 13. Aufl., § 51 Rn. 65; zu den Haftbedingungen in Griechenland vgl. OLG Celle, Beschluss vom 2. Juli 1997 – 3 Ws 131/97, NStZ 1998, 137, 138; OLG München, Beschluss vom 9. Januar 2018 – 1 AR 319/17, juris). Das wird der neue Tatrichter unter Beachtung von § 358 Abs. 2 Satz 1 StPO zu berücksichtigen haben.
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d) Zur Abfassung von Urteilsgründen hat der Bundesgerichtshof bereits oft darauf hingewiesen, dass die Urteilsgründe nach § 267 Abs. 1 Satz 1 StPO die für erwiesen erachteten Tatsachen angeben müssen, in denen die gesetzlichen Merkmale der Straftat gefunden werden; die Sachverhaltsschilderung soll kurz, klar und bestimmt sein und alles Unwesentliche fortlassen. Dies gilt gleichermaßen für die Beweiswürdigung. Als Ergebnis einer wertenden Auswahl des Tatgerichts zwischen Wesentlichem und Unwesentlichem ist das Beweisergebnis nur so weit zu erörtern, wie es für die Entscheidung von Bedeutung ist. Eine schrittweise Angabe von Belegen für jede einzelne Feststellung, mag diese in Bezug auf den Tatvorwurf auch noch so unwesentlich sein, ist entbehrlich und lenkt eher von den wesentlichen Aspekten ab (vgl. Senat, BGH, Beschluss vom 11. März 2020 – 2 StR 380/19, NStZ-RR 2020, 258 mwN).
Franke     
        
Eschelbach     
        
Zeng   
        
Meyberg     
        
Grube     
   


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