Strafrecht

2 StR 391/21

Aktenzeichen  2 StR 391/21

Datum:
8.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:081221B2STR391.21.0
Normen:
§ 323a Abs 1 StGB
Spruchkörper:
2. Strafsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Köln, 30. April 2021, Az: 321 Ks 1/21

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Köln vom 30. April 2021 mit den Feststellungen ‒ ausgenommen die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen ‒ aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
2. Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe

1
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Vollrauschs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten verurteilt. Seine dagegen gerichtete, auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision hat überwiegend Erfolg.
2
1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Prüfung nicht stand. Die Annahme, der Angeklagte habe den Tatbestand des Vollrauschs vorsätzlich verwirklicht, findet in den Feststellungen keine Stütze.
3
a) Bedingt vorsätzlich im Sinne des § 323a Abs. 1 StGB handelt, wer es bei dem Genuss von Rauschmitteln für möglich hält und billigend in Kauf nimmt, dass er sich dadurch in einen Rauschzustand versetzt, der seine Einsichtsfähigkeit oder sein Hemmungsvermögen jedenfalls erheblich vermindert, wenn nicht ganz ausschließt (vgl. Senat, Beschluss vom 12. Mai 1989 ‒ 2 StR 684/88, BGHR StGB § 323a Abs. 1 Vorsatz 2; BGH, Urteil vom 28. Juni 2000 ‒ 3 StR 156/00, NStZ-RR 2001, 15).
4
b) Diesen Maßstäben genügt die Feststellung des Landgerichts, dem Angeklagten sei „die berauschende Wirkung des Kokains wegen seiner langjährigen Erfahrung mit dieser Droge bekannt“ gewesen, nicht.
5
aa) Die Urteilsgründe lassen offen, worin bei dem Angeklagten diese berauschende Wirkung besteht und welche Intensität diese aus seiner Sicht erfährt. Sie lassen auch eine Auseinandersetzung mit seiner Einlassung vermissen, er habe nach seiner Wahrnehmung nie Probleme gehabt, wenn er Kokain konsumiert habe; er sei nie aggressiv geworden und habe nie jemanden geschlagen, Kokain habe ihn beruhigt. Zudem hätte das Landgericht bei der Prüfung des Vorsatzes auch in den Blick nehmen müssen, dass der Kokainkonsum bei dem Angeklagten, wie der Sachverständige darstellte, aufgrund einer hirnorganischen Veränderung atypische Folgen wie amnestische Störungen hervorruft (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1976 ‒ 3 StR 155/76, BGHSt 26, 363, 365 f.; Senat, Urteil vom 5. März 1986 ‒ 2 StR 28/86, juris Rn. 7).
6
(bb) Unabhängig davon steht die Annahme des Landgerichts, der Angeklagte habe seinen Rauschzustand vorsätzlich herbeigeführt, in einem unauflösbaren Widerspruch zu seiner weiteren Wertung, es habe nicht festgestellt werden können, „dass der Angeklagte schon im Zeitpunkt der Defektherbeiführung sowohl die Herbeiführung des Defekts als auch die spätere Defekttat mindestens hätte voraussehen können.“ Wäre aber der Eintritt des Rausches von der für eine Strafbarkeit nach § 323a Abs. 1 StGB erforderlichen Schwere für den Angeklagten nicht vorhersehbar gewesen, entfiele sogar der Fahrlässigkeitsvorwurf des Vollrauschs (vgl. MüKo-StGB/Geisler, 4. Aufl., § 323a Rn. 52).
7
2. Die Sache bedarf daher neuer Verhandlung und Entscheidung. Die Feststellungen zum äußeren Tatgeschehen sind von dem Rechtsfehler nicht betroffen und können bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StGB). Das neue Tatgericht wird Gelegenheit haben, genauer als bisher die Voraussetzungen eines schuldrelevanten Rausches im Sinne des § 323a Abs. 1 StGB im Tatzeitpunkt darzustellen. In den Urteilsgründen wird nicht erläutert, welche Rückschlüsse die rund sieben Stunden nach der Tat gemessenen toxischen Blutwerte des Angeklagten, auch mit Blick auf einen möglichen weiteren Kokainkonsum nach der Tat, auf seinen Zustand im Zeitpunkt der Tat erlauben. Zudem lassen die Urteilsgründe offen, worauf der Generalbundesanwalt in seiner Zuschrift zutreffend hingewiesen hat, wie sich die Intoxikationspsychose des Angeklagten auf dessen Handlungsmöglichkeiten in der konkreten Tatsituation und damit auf seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit im Tatzeitpunkt ausgewirkt hat.
Franke     
        
Eschelbach     
        
Meyberg
        
Grube     
        
Schmidt     
        


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