Strafrecht

3 StR 302/21

Aktenzeichen  3 StR 302/21

Datum:
16.12.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:161221U3STR302.21.0
Normen:
§ 244 Abs 4 S 1 StPO
Spruchkörper:
3. Strafsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG Bad Kreuznach, 24. Februar 2021, Az: 2 KLs 1021 Js 14401/18

Tenor

Die Revisionen der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bad Kreuznach vom 24. Februar 2021 werden verworfen.
Jeder Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin dadurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen

Gründe

1
Das Landgericht hat den Angeklagten K.                der Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung und den Angeklagten M.     der Vergewaltigung schuldig gesprochen. Es hat gegen die Angeklagten jeweils eine Freiheitsstrafe von drei Jahren verhängt. Gegen ihre Verurteilungen wenden sich diese mit ihren auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revisionen. Die Rechtsmittel bleiben ohne Erfolg.
I.
2
1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:
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a) Die Angeklagten dienten als Zeitsoldaten bei der Bundeswehr und nahmen im März 2018 an einer Ausbildung am Bundeswehrstandort B.       teil. Dorthin war auch die seinerzeit 18 Jahre alte Nebenklägerin abkommandiert, die ebenfalls Soldatin und für die Verpflegung der Lehrgangsteilnehmer zuständig war. Am Abend des 20. März 2018 fand in der Kaserne eine Zusammenkunft der Ausbildungsteilnehmer statt, bei der die Angeklagten anwesend waren und die Nebenklägerin dienstlich für den Ausschank der Getränke zuständig war. Während die Nebenklägerin den damals 27 Jahre alten Oberstabsgefreiten M.     bereits kannte, da beide derselben Einheit angehörten, machte sie an diesem Abend mit dem seinerzeit 23 Jahre alten Stabsgefreiten K.                erstmals Bekanntschaft.
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Gegen 1:00 Uhr am 21. März 2018 gelang es der Nebenklägerin, die Feier zu beenden, die verbliebenen Gäste – darunter die Angeklagten – zum Gehen zu bewegen und die Räumlichkeiten abzuschließen. Sie begab sich in das ihr als eine der wenigen Frauen zugewiesene Einzelzimmer, um sich schlafen zu legen.
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b) Die Angeklagten entschlossen sich, mit der Nebenklägerin noch in dieser Nacht geschlechtlich zu verkehren. Sie folgten ihr und klopften an ihre Zimmertür. Die Nebenklägerin, die sich bereits für die Nacht umgezogen und mit einem T-Shirt und einer Jogginghose bekleidet hatte, öffnete die Tür, erklärte den Angeklagten, sie wolle schlafen, und forderte sie auf wegzugehen. Gleichwohl betraten die Angeklagten, die auf der Feier zwar Bier getrunken hatten, jedoch in ihrer Schuldfähigkeit nicht beeinträchtigt waren, das Zimmer. Die Nebenklägerin sagte zu den Angeklagten erneut, sie sollten gehen. Diese widersetzten sich jedoch weiterhin der Aufforderung und entkleideten sich.
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Der Angeklagte M.     zog der Nebenklägerin die Hose herunter und schlug ihr auf das nackte Gesäß. Die Nebenklägerin zog ihre Hose sogleich wieder hoch und erklärte, “keine Lust” zu haben. Sie verlangte von den Angeklagten ein weiteres Mal, ihr Zimmer zu verlassen, allerdings vergeblich.
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Nun näherte sich der Angeklagte K.                der Nebenklägerin, fasste mit einer Hand an ihren Intimbereich und biss ihr absichtlich in den Hals, wodurch sie Schmerzen erlitt. Die Nebenklägerin entwand sich dem Zugriff des Angeklagten K.                und sagte erneut, sie wolle keinen Geschlechtsverkehr.
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Daraufhin entkleideten die Angeklagten gemeinschaftlich die Nebenklägerin und brachten sie so in Position, dass sie auf ihrem Bett kniete und sich auf den Händen abstützte. Sodann führte der Angeklagte K.                von hinten ungeschützten Vaginalverkehr mit der Nebenklägerin aus, während der Angeklagte M.     sich vor die Nebenklägerin begab und den Oralverkehr vollzog, indem er ihren Kopf mit beiden Händen umfasste und unter Kraftanwendung vor und zurück bewegte. Anschließend wechselten die Angeklagten ihre Positionen, so dass nunmehr der Angeklagte M.     ungeschützten Vaginalverkehr und der Angeklagte K.                in der beschriebenen Weise Oralverkehr durchführte.
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Die Nebenklägerin erklärte den Angeklagten ein weiteres Mal, sie wolle das nicht. Sie wehrte sich allerdings nicht und rief nicht um Hilfe, sondern erduldete das Agieren der Angeklagten, weil diese ihr körperlich überlegen waren. Zudem wollte sie verhindern, dass in den Nachbarzimmern untergebrachte höherrangige Soldaten das Geschehen wahrnahmen. Sie sorgte sich, dass dann ihr Ruf bei der Bundeswehr Schaden nehmen könnte. Zwar richtete sich die Nebenklägerin zwischenzeitlich kurz auf, als der Angeklagte M.     eine Bemerkung machte, die sie als besonders herabwürdigend empfand, ließ die Angeklagten aber danach weiter gewähren, wobei sie jedoch erneut ihren Widerwillen artikulierte.
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Während des gesamten Geschehens war den Angeklagten klar, dass die Nebenklägerin mit den sexuellen Aktivitäten nicht einverstanden war, sondern diese nur erduldete. Über ihre Ablehnung setzten sie sich bewusst hinweg.
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Beide Angeklagten kamen jeweils beim vaginalen Geschlechtsverkehr zum Samenerguss und verließen anschließend das Zimmer der Nebenklägerin.
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2. Die Angeklagten haben den Tatvorwurf bestritten. Zwar haben sie in der Hauptverhandlung eingeräumt, mit der Nebenklägerin in der Tatnacht in deren Zimmer Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Die zu dritt ausgeübten sexuellen Aktivitäten seien allerdings einvernehmlich gewesen. Diese Einlassungen hat die Strafkammer aufgrund der als glaubhaft erachteten Angaben der Nebenklägerin für widerlegt gehalten und ihre Feststellungen auf deren Bekundungen gestützt.
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3. Die Strafkammer hat die Taten der Angeklagten rechtlich als Vergewaltigung gemäß § 177 Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1, Abs. 6 Satz 2 Nr. 1 und 2 StGB, hinsichtlich des Angeklagten K.                darüber hinaus als in Tateinheit (§ 52 StGB) hierzu begangene Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB gewertet.
II.
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1. Die von beiden Angeklagten zulässig erhobene Verfahrensrüge, die Strafkammer habe einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin rechtsfehlerhaft wegen eigener Sachkunde gemäß § 244 Abs. 4 Satz 1 StPO abgelehnt, dringt nicht durch.
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a) Der Rüge liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
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aa) Der Verteidiger des Angeklagten K.                beantragte in der Hauptverhandlung, ein psychiatrisch-psychologisches Sachverständigengutachten zum Beweis der Tatsache einzuholen, dass die Nebenklägerin an einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung leide, weshalb bei ihr keine Aussagekompetenz gegeben sei. Der Verteidiger des Angeklagten M.     schloss sich dem Antrag an.
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Zur Begründung brachte der Antragsteller im Wesentlichen vor, die Nebenklägerin habe bekundet, sie sei einige Zeit nach der verfahrensgegenständlichen Tat wegen eines Nervenzusammenbruchs für eineinhalb Wochen stationär in ein Bundeswehrkrankenhaus aufgenommen worden. Es seien eine leichte depressive Episode und eine partielle posttraumatische Belastungsstörung diagnostiziert worden. Ferner seien, so habe die Nebenklägerin weiter bekundet, bei ihr Anzeichen für eine Borderline-Störung festgestellt worden.
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Der Antragsteller machte weiter geltend, die Nebenklägerin habe in ihrer Person und ihrem Verhalten Auffälligkeiten gezeigt, welche die Diagnose einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung vom Borderline-Typus stützten. So habe sie Wert auf einen guten Ruf bei der Truppe und darauf gelegt, als gleichberechtigt anerkannt zu werden. Sie habe sich daher durch vielfache sexuell anzügliche Kommentare männlicher Kameraden gestört gefühlt. Dies stehe jedoch im Widerspruch dazu, dass sie auch mit mehreren anderen Kameraden als den Angeklagten Geschlechtsverkehr gehabt habe. Ferner habe sie verschiedene sexuelle Beziehungen bei der Bundeswehr gehabt, jedoch keine feste Beziehung geführt; vom Vater ihres zwischenzeitlich geborenen Kindes lebe sie getrennt. Dies zeige, dass sie nicht in der Lage sei, feste stabile Beziehungen einzugehen, was symptomatisch für eine Borderline-Störung sei. Zudem habe die Nebenklägerin einen weiteren Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten K.                , zu dem es einige Zeit nach dem verfahrensgegenständlichen Geschehen gekommen sei, bei einer polizeilichen Vernehmung im Juni 2018 als einvernehmlich dargestellt. In der Hauptverhandlung habe sie indes angegeben, auch bei diesem Geschlechtsverkehr ihre Ablehnung kundgetan zu haben.
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Aufgrund dieser Auffälligkeiten übersteige die Beurteilung der Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin die Fachkompetenz der Strafkammer.
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bb) Das Landgericht lehnte den Antrag mit der Begründung ab, es verfüge selbst über die erforderliche Sachkunde zur Beurteilung der Aussagekompetenz und Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin sowie der Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen.
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Die Strafkammer habe sich in der Hauptverhandlung einen eigenen Eindruck von der Nebenklägerin verschafft und keine Auffälligkeiten bei der erwachsenen Zeugin festgestellt. Es hätten sich keine Hinweise auf Denkstörungen, Wahnvorstellungen oder eine verzerrte Realitätswahrnehmung ergeben. Die in jeder Hinsicht voll orientierte Nebenklägerin sei in der Lage gewesen, ihre Erlebnisse zu erinnern sowie verständlich und differenziert wiederzugeben.
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Konkrete Hinweise auf eine Beeinträchtigung der Aussagetüchtigkeit gebe es nicht. Anhaltspunkte für eine gesicherte Diagnose einer emotional-instabilen Persönlichkeitsstörung lägen nicht vor. Der Umstand, dass ein Arzt nach den Bekundungen der Nebenklägerin bei einem kurzen Klinikaufenthalt Anzeichen für eine solche Störung erkannt haben wolle, genüge nicht zur Begründung vernünftiger Zweifel an ihrer Aussagetüchtigkeit.
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Es seien, so die Strafkammer weiter, keine erheblichen Anhaltspunkte für Entwicklungs- und Verhaltensauffälligkeiten der Nebenklägerin zu Tage getreten, die auf eine sogenannte Borderline-Persönlichkeitsstörung hinwiesen. Zum Sexualverhalten der Nebenklägerin sei lediglich bekannt geworden, dass es zu einvernehmlichem Geschlechtsverkehr mit verschiedenen Männern gekommen sei. Dies stehe nicht im Widerspruch zu dem nachvollziehbaren Wunsch, im Dienst anerkannt und als gleichberechtigt erachtet zu werden. Die Tatsache, dass die Nebenklägerin nicht mehr mit dem Vater ihres Kindes liiert sei, stütze nicht die Annahme, sie sei unfähig, stabile Beziehungen zu führen. Der Umstand, dass die Nebenklägerin einen weiteren der hiesigen Tat nachfolgenden Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten K.                im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung zunächst als einvernehmlich, in der Hauptverhandlung aber als nicht einvernehmlich dargestellt habe, stelle ebenfalls keinen Anhaltspunkt für eine Borderline-Persönlichkeitsstörung dar, sondern sei lediglich eine in der gerichtlichen Praxis häufig zu beobachtende Aussageänderung. Der mit der Begutachtung der Angeklagten beauftragte Sachverständige habe mitgeteilt, bei der Nebenklägerin festgestellte “Anzeichen” einer Borderline-Störung bedeuteten nicht, dass eine solche vorliege; zudem habe er im Rahmen seiner Beobachtung der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung bei ihr keine Hinweise auf eine solche Störung erkannt.
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b) Gegen die Ablehnung des Beweisantrages ist revisionsrechtlich nichts zu erinnern.
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aa) Die Beurteilung der Aussagetüchtigkeit eines Zeugen und der Glaubhaftigkeit seiner Aussage ist die ureigene Aufgabe des Tatgerichts, das diese grundsätzlich aufgrund eigener Sachkunde bewältigen kann und muss (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 26. August 2021 – 3 StR 7/21, juris Rn. 9; vom 5. Juli 1955 – 1 StR 195/55, BGHSt 8, 130, 131; KK-StPO/Krehl, 8. Aufl., § 244 Rn. 51 mwN; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 97, 126). Etwas anderes gilt nur, wenn besondere Umstände vorliegen, deren Würdigung eine spezielle Sachkunde erfordert, die dem Gericht nicht zur Verfügung steht (BGH, Beschlüsse vom 15. Mai 2018 – 3 StR 18/18, NStZ 2019, 41, 42; vom 5. März 2013 – 5 StR 39/13, StV 2013, 483 Rn. 9; vom 28. Oktober 2009 – 5 StR 419/09, NStZ 2010, 100, 101; KK-StPO/Krehl, 8. Aufl., § 244 Rn. 51; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 97, 115, 129; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 244 Rn. 74).
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Ein solcher Ausnahmefall kann bei deutlichen Anhaltspunkten für eine Persönlichkeitsstörung vorliegen. Denn die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung und die Beurteilung von deren Auswirkungen auf die Aussagetüchtigkeit erfordern spezifisches Fachwissen, das nicht Allgemeingut von Richtern ist (BGH, Beschluss vom 23. Mai 2012 – 5 StR 174/12, NStZ-RR 2012, 353, 354; Urteil vom 12. August 2010 – 2 StR 185/10, juris Rn. 10; Beschlüsse vom 28. Oktober 2009 – 5 StR 419/09, NStZ 2010, 100, 101; vom 11. September 2002 – 1 StR 171/02, BGHR StPO § 244 Abs. 4 Satz 1 Sachkunde 12; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 131).
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bb) Hier hat die Strafkammer mit plausiblen und tragfähigen Erwägungen rechtsfehlerfrei bereits das Vorliegen von konkreten und erheblichen Anhaltspunkten für eine (emotional-instabile) Persönlichkeitsstörung der Nebenklägerin mit Relevanz für ihre Aussagetüchtigkeit und die Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen verneint. Mithin sind keine Besonderheiten in der Person oder im Verhalten der Nebenklägerin ersichtlich gewesen, aufgrund derer sich die Strafkammer hätte veranlasst sehen müssen, hinreichende eigene Sachkunde zur Beurteilung der Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin und Glaubhaftigkeit ihrer Bekundungen zu verneinen und das beantragte Sachverständigengutachten einzuholen.
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cc) Zwar begegnet rechtlichen Bedenken, dass die Strafkammer den in der Hauptverhandlung anwesenden und mit einer Begutachtung der Schuldfähigkeit der Angeklagten beauftragten psychiatrischen Sachverständigen in Reaktion auf den Beweisantrag freibeweislich zu Anzeichen einer Borderline-Störung der Nebenklägerin befragt hat.
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Denn es ist rechtsfehlerhaft, einen Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens mit dem Hinweis auf genügende eigene Sachkunde abzulehnen, wenn sich das Tatgericht diese Sachkunde erst zuvor gezielt durch die Befragung eines Sachverständigen im Freibeweisverfahren verschafft hat, um einen erwarteten oder bereits gestellten Beweisantrag ablehnen zu können. Wenn das Tatgericht die Anhörung eines Sachverständigen für erforderlich hält, um sich sachkundig zu machen, muss der Sachverständige in der Hauptverhandlung im Strengbeweisverfahren gehört werden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. Juli 2018 – 4 StR 621/17, StV 2019, 811 Rn. 6; vom 26. März 2014 – 2 StR 274/13, BGHR StGB § 244 Abs. 4 Satz 1 Sachkunde 14; vom 23. Mai 2013 – 2 StR 555/12, wistra 2013, 389 f.; Urteil vom 15. März 1995 – 2 StR 702/94, BGHR StPO § 244 Abs. 4 Strengbeweis 1; KK-StPO/Krehl, 8. Aufl., § 244 Rn. 46, 198; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 244 Rn. 72).
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Jedoch liegt insofern im Ergebnis kein durchgreifender Rechtsfehler vor. Denn die Strafkammer ist ersichtlich auf der Basis bereits zuvor vorhandener eigener Sachkunde zu den Feststellungen gelangt, dass – was ohnehin Allgemeinwissen ist – “Anhaltspunkte” für eine Borderline-Störung nicht mit einer entsprechenden Diagnose gleichgesetzt werden können und das Verhalten der Nebenklägerin in der Hauptverhandlung keine Hinweise auf eine solche Erkrankung geliefert hat. Sie hat sich im Ablehnungsbeschluss mit dem Vorbringen des Antragstellers im Einzelnen befasst und dabei – ebenso wie in den Urteilsgründen – die eigene Sachkunde hinreichend dargetan. Mit den ergänzend referierten Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen hat die Strafkammer sich mithin nicht ihr bis dahin fehlende Sachkunde rechtsfehlerhaft frei- statt strengbeweislich verschafft, sondern erkennbar lediglich zum Ausdruck bringen wollen, dass ihre aufgrund eigener Sachkunde gewonnenen Erkenntnisse nicht durch diesen widerstreitende Angaben des Sachverständigen in Frage gestellt worden sind.
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dd) Entgegen dem Vorbringen in der Revisionsbegründungsschrift des Verteidigers des Angeklagten M.     genügt der Ablehnungsbeschluss der Strafkammer jedenfalls den sich aus §§ 34, 244 Abs. 6 Satz 1 StPO ergebenden Begründungsanforderungen. Die tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen, auf welche die Entscheidung gestützt worden ist, hat das Landgericht im Einzelnen und in einer die revisionsrechtliche Prüfung ermöglichenden Weise dargetan.
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2. Aus den vorgenannten Gründen liegt auch die mit einer weiteren Verfahrensrüge geltend gemachte Verletzung der richterlichen Aufklärungspflicht des § 244 Abs. 2 StPO durch Nichteinholung eines Sachverständigengutachtens zur Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin nicht vor.
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3. Die auf die Sachrügen gebotene umfassende materiell-rechtliche Überprüfung des Urteils hat gleichfalls keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben. Die vom Landgericht getroffenen Feststellungen werden durch die Beweiswürdigung belegt und tragen die Schuldsprüche. Die Strafzumessungsentscheidungen sind ebenfalls nicht zu beanstanden.
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Der Erörterung bedarf lediglich die Frage, ob die Beweiswürdigung den in der vorliegenden Fallkonstellation zu beachtenden Anforderungen genügt.
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a) Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatgerichts (§ 261 StPO). Ihm allein obliegt es, ohne Bindung an gesetzliche Beweisregeln das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein; es genügt, dass sie möglich sind. Die revisionsgerichtliche Prüfung ist darauf beschränkt, ob dem Tatgericht Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen ein Denkgesetz oder einen gesicherten Erfahrungssatz verstößt. Liegen solche Rechtsfehler nicht vor, hat das Revisionsgericht die tatrichterliche Überzeugungsbildung auch dann hinzunehmen, wenn eine abweichende Würdigung der Beweise möglich oder sogar näherliegend gewesen wäre (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 12. August 2021 – 3 StR 441/20, NJW 2021, 2896 Rn. 29 f.; Urteile vom 14. Januar 2021 – 3 StR 124/20, NStZ-RR 2021, 113, 114; vom 13. Oktober 2020 – 1 StR 299/20, NStZ-RR 2021, 24; Beschluss vom 6. August 2020 – 1 StR 178/20, NStZ 2021, 184 Rn. 8).
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In Fällen, in denen – wie hier hinsichtlich der Einvernehmlichkeit der sexuellen Handlungen – “Aussage gegen Aussage” steht, sind besondere Anforderungen an die Darstellung der Beweiswürdigung durch das Tatgericht zu stellen. Die Urteilsgründe müssen in einer solchen Konstellation, in der die Entscheidung im Wesentlichen davon abhängt, ob das Gericht den Angaben des einzigen Belastungszeugen folgt, erkennen lassen, dass das Tatgericht alle Umstände, welche die Entscheidung beeinflussen können, in seine Überlegungen einbezogen hat. Aus den Urteilsgründen muss sich ferner ergeben, dass die einzelnen Beweisergebnisse nicht nur isoliert gewertet, sondern in eine umfassende Gesamtwürdigung eingestellt worden sind. Erforderlich sind vor allem eine sorgfältige Inhaltsanalyse der Angaben des Belastungszeugen, eine möglichst genaue Prüfung der Entstehungsgeschichte der belastenden Aussage, eine Bewertung des feststellbaren Aussagemotivs sowie eine Prüfung von Konstanz, Detailliertheit und Plausibilität der Angaben (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Juni 2021 – 1 StR 109/21, juris Rn. 10; Urteile vom 17. Februar 2021 – 2 StR 222/20, juris Rn. 7; vom 13. Oktober 2020 – 1 StR 299/20, NStZ-RR 2021, 24; Beschlüsse vom 6. August 2020 – 1 StR 178/20, NStZ 2021, 184 Rn. 8; vom 19. Mai 2020 – 2 StR 7/20, juris Rn. 4 mwN; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 100 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 261 Rn. 11a mwN).
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b) Hieran gemessen lassen die Sachdarstellung und die Beweiswürdigung entgegen dem Vorbringen der Revisionsführer und der Auffassung des Generalbundesanwalts keinen Rechtsfehler erkennen. Die Strafkammer hat gesehen und beachtet, dass hinsichtlich der fehlenden Einvernehmlichkeit von sexuellen Handlungen eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation vorgelegen hat und hieran die vorgenannten besonderen Anforderungen an die Darstellung des Ergebnisses der Beweisaufnahme und die Beurteilung der Glaubhaftigkeit der Bekundungen der Nebenklägerin anknüpfen. Das Landgericht hat sich seine Überzeugung von der Richtigkeit der die Angeklagten belastenden Angaben der Nebenklägerin aufgrund einer sorgfältigen und umfassenden Gesamtwürdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme gebildet. Es hat die Bekundungen der Nebenklägerin einer gründlichen Analyse unterzogen und auch diese in den Urteilsgründen dargelegt. Die Strafkammer hat insbesondere ausführlich die Merkmale Detailliertheit, Plausibilität und Konstanz der Aussage in den Blick genommen sowie eine etwaige Fehlbezichtigung geprüft und ist bei einer Gesamtwürdigung aller wesentlichen Aspekte zu dem Ergebnis gelangt, dass die Angaben der Nebenklägerin erlebnisbasiert gewesen sind.
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Insofern ist im Einzelnen Folgendes zu bemerken:
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aa) Die Strafkammer hat die Bekundungen der Nebenklägerin bei ihrer Vernehmung in der Hauptverhandlung im Urteil im Detail wiedergegeben und auch deren Sachverhaltsdarstellungen bei den Zeugenvernehmungen durch Ermittlungsführer der Bundeswehr und die Polizei im Einzelnen referiert. Die Urteilsgründe bieten damit eine hinreichende Basis für die revisionsrechtliche Überprüfung der vorgenommenen Aussageanalyse (vgl. zu den Anforderungen an eine geschlossene Darstellung der Angaben des Tatopfers BGH, Beschlüsse vom 20. Dezember 2017 – 1 StR 408/17, juris Rn. 10 f.; vom 4. April 2017 – 2 StR 409/16, NStZ 2017, 551, 552; Urteile vom 22. Oktober 2014 – 2 StR 92/14, NStZ-RR 2015, 52 f.; vom 10. August 2011 – 1 StR 114/11, NStZ 2012, 110 Rn. 14; KK-StPO/Ott, 8. Aufl., § 261 Rn. 102 mwN).
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bb) Die Strafkammer hat in den Urteilsgründen die Aussagetüchtigkeit der Nebenklägerin erörtert und ist – unter Anführung der bereits in ihrem Ablehnungsbeschluss zum vorerwähnten Beweisantrag angestellten Erwägungen – zu dem Ergebnis gelangt, dass keine Auffälligkeiten vorgelegen haben, die Zweifel an der Fähigkeit der Nebenklägerin zur richtigen Wahrnehmung der Ereignisse sowie deren korrekter Erinnerung und Wiedergabe begründen könnten.
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cc) Das Landgericht hat das Aussageverhalten der Nebenklägerin und den Inhalt ihrer Bekundungen in der Hauptverhandlung, namentlich deren Detailliertheit und Plausibilität, einer gründlichen Analyse unterzogen. Dabei hat es ausdrücklich berücksichtigt, dass die Angeklagten, nachdem sie zunächst jedweden sexuellen Kontakt mit der Nebenklägerin in der Tatnacht in Abrede genommen hatten, den Geschlechtsverkehr als solchen letztlich eingeräumt und abweichend von der Nebenklägerin schließlich allein noch geltend gemacht haben, die sexuellen Handlungen seien einvernehmlich gewesen. Die Strafkammer hat mithin gesehen und gewürdigt, dass die Bekundungen der Nebenklägerin zu äußeren Details des Tatgeschehens, die auch mit einem einvernehmlichen Geschlechtsverkehr vereinbar sind, nur eingeschränkt zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit ihrer Angaben zu ihrem mehrfach und deutlich geäußerten entgegenstehenden Willen herangezogen werden durften. Gänzlichen Beweiswert hat die Strafkammer im Rahmen der von ihr vorgenommenen Gesamtwürdigung den Aussagedetails indes – entgegen der Beurteilung des Generalbundesanwalts – nicht absprechen müssen, zumal sie dargetan hat, dass die Nebenklägerin keine übermäßigen Belastungstendenzen gezeigt habe.
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dd) Die Strafkammer hat die Aussagegenese in den Blick genommen und insofern angeführt, die Nebenklägerin habe die Tat nicht von sich aus zur Anzeige gebracht, sondern sich im Anschluss an ein späteres weiteres Sexualdelikt zu ihrem Nachteil einer Kameradin offenbart, die dann ihrerseits – ohne dass es von der Nebenklägerin gewollt gewesen sei – dieses Delikt bei der Bundeswehr gemeldet habe. Erst im Rahmen der diesbezüglich eingeleiteten Ermittlungen und nur auf ausdrückliche Nachfrage nach vergleichbaren Vorfällen habe die Nebenklägerin gegenüber einem bundeswehrinternen Ermittler die verfahrensgegenständliche Tat erwähnt. Diese Umstände durfte die Strafkammer gleichfalls als Indizien für die Richtigkeit der Sachdarstellung der Nebenklägerin werten.
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ee) Zur Aussagekonstanz hat die Strafkammer festgestellt, die Nebenklägerin habe das Tatgeschehen zunächst 2018 einem Dienstvorgesetzten der Bundeswehr, im Anschluss gegenüber der Polizei und einer Ermittlungsführerin der Bundeswehr sowie schließlich in der Hauptverhandlung, also über einen Zeitraum von mehreren Jahren hinweg, im Kern jeweils identisch geschildert. Die Strafkammer hat sich in diesem Zusammenhang auch mit dem Umstand auseinandergesetzt, dass die Nebenklägerin einen weiteren Geschlechtsverkehr mit dem Angeklagten K.                im Rahmen einer polizeilichen Vernehmung zunächst als einvernehmlich, in der Hauptverhandlung aber als nicht einvernehmlich dargestellt hat, hierin aber – frei von Rechtsfehlern – mit näherer Begründung keinen Umstand erblickt, der durchgreifend gegen die Glaubhaftigkeit ihrer durchgehend konstanten Schilderung der verfahrensgegenständlichen Tat spreche.
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Entgegen dem Vorbringen des Generalbundesanwalts streitet nicht maßgeblich gegen die vom Tatgericht angenommene Aussagekonstanz, dass die Nebenklägerin den Abschluss des Tatgeschehens nicht in allen Vernehmungen auch im Detail gleich bekundet hat. Ausweislich der Feststellungen hat sie zunächst gegenüber einem Dienstvorgesetzten und der Polizei das Tatende dahin geschildert, die Angeklagten hätten ihr Zimmer verlassen, nachdem sie zum Höhepunkt gekommen seien. Dagegen hat sie bei einer späteren Vernehmung durch eine Beamtin der Bundeswehr sowie in der Hauptverhandlung bekundet, zunächst sei der Angeklagte K.                zum Samenerguss gelangt. Er habe dann das Zimmer verlassen, weil der Angeklagte M.     Schwierigkeiten gehabt habe, in seiner Anwesenheit zum Höhepunkt zu kommen. Erst danach habe der Angeklagte M.     den vaginalen Geschlechtsverkehr bis zum Samenerguss fortgesetzt. Diese Erweiterung der Tatschilderung widerstreitet jedoch den zunächst gemachten Bekundungen nicht.
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ff) Ein etwaiges Falschbelastungsmotiv hat das Tatgericht tragfähig verneint, unter anderem mit Hinweis darauf, die Angeklagten hätten auf Nachfrage keines genannt.
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gg) Ferner hat das Landgericht dargelegt, die Einlassung des Angeklagten M.     stehe in Bezug auf das Randgeschehen mit weiteren Ergebnissen der Beweisaufnahme nicht in Einklang, und dies – rechtsfehlerfrei – als Indiz für ihre Unrichtigkeit angesehen: Der Angeklagte M.     habe sich dahin eingelassen, die Nebenklägerin habe ihn und den Mitangeklagten noch während der Feier aufgefordert, sie auf ihr Zimmer zu begleiten, woraufhin man die laufende Veranstaltung gemeinsam verlassen habe. Die Beweisaufnahme, insbesondere die Vernehmung eines weiteren bei der Feier anwesenden Soldaten, habe indes ergeben, dass die Nebenklägerin die Veranstaltung nicht vorzeitig verließ, sondern ihrem dienstlichen Befehl entsprechend bis zum Ende begleitete sowie anschließend die Räumlichkeiten abschloss und die Kasse mit den Einnahmen ordnungsgemäß abgab.
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hh) Zwar verhält sich die Beweiswürdigung der Strafkammer nicht explizit zu der Feststellung, dass die Angeklagten den erkennbaren entgegenstehenden Willen der Nebenklägerin tatsächlich erkannten und sich über die von ihnen wahrgenommene und zutreffend erfasste Ablehnung sexueller Handlungen bewusst hinwegsetzten. Das Fehlen ausdrücklicher Erörterungen zur inneren Tatseite stellt vorliegend aber entgegen der Auffassung der Revisionsführer und des Generalbundesanwalts keine relevante Lücke in der Beweiswürdigung dar. Angesichts der mehrfach in unterschiedlichen Stadien der Tat deutlich geäußerten Ablehnung sexueller Handlungen durch die Nebenklägerin, der von den Angeklagten zielgerichtet angewandten Gewalt und des Umstandes, dass sie zwar vor der Tat Alkohol getrunken hatten, indes nicht in einem ihre Wahrnehmungsfähigkeit beeinträchtigenden Umfang, bedurfte der damit offensichtlich vorliegende Tatvorsatz der Angeklagten keiner ausdrücklichen Erörterung in den Urteilsgründen. Er ist durch die Beweiswürdigung im Übrigen hinreichend belegt. Dies gilt auch deshalb, weil sich die Nebenklägerin – entgegen dem Revisionsvorbringen und dem Urteilsverständnis des Generalbundesanwalts – nach den Feststellungen an den Geschlechtsakten nicht aktiv beteiligte (vgl. zu den Anforderungen an die Beweiswürdigung zur inneren Tatseite in einer solchen Fallkonstellation BGH, Beschluss vom 21. November 2018 – 1 StR 290/18, NStZ 2019, 717 Rn. 18 f.), sondern sich lediglich gegen die Aktivitäten der Angeklagten nicht zur Wehr setzte.
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c) Insgesamt entspricht die Beweiswürdigung der Strafkammer daher den an sie in der “Aussage-gegen-Aussage”-Konstellation zu stellenden Anforderungen.
VRiBGH Prof. Dr. Schäferist erkrankt und deshalbgehindert zu unterschreiben.
        
Berg     
        
Anstötz
Berg   
        
        
        
        
        
     Kreicker     
        
Voigt     
        


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