Strafrecht

Absolute Fahruntüchtigkeit beim Fahren mit E-Scootern

Aktenzeichen  26 Qs 51/19

Datum:
29.11.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
VRS – 2020, 18
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 44, § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 69a, § 316 Abs. 1, Abs. 2
StPO § 111a Abs. 1
StVG § 1 Abs. 2

 

Leitsatz

Der für die absolute Fahruntüchtigkeit bei Kfz geltende Grenzwert einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 ‰ ist auch beim Fahren mit E-Scootern anzuwenden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft München I vom … gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom … wird dieser aufgehoben.
2. Dem Angeklagten … wird die Fahrerlaubnis gemäß § 111 a StPO vorläufig entzogen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie seine hierfür entstandenen notwendigen Auslagen.

Gründe

I.
Das Amtsgericht München erließ am … gegen den Angeklagten einen Strafbefehl, Az. 943 Cs 421 Js 164609/19, wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr gemäß §§ 316 Abs. 1 und 2, 44, 69, 69 a StGB. Es wurden eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 40 EUR, ein Fahrverbot von 3 Monaten für Kraftfahrzeuge jeder Art sowie der Entzug der Fahrerlaubnis und eine Sperrfrist von 6 Monaten festgesetzt.
Gegen den am 09.09.2019 dem Verteidiger zugestellten Strafbefehl vom … legte der Verteidiger mit Schriftsatz vom … Einspruch ein und beschränkte diesen zeitgleich auf den Rechtsfolgenausspruch.
Dem nunmehr rechtskräftigen Schuldspruch liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Am 06.07.2019 gegen 21:15 Uhr fuhr der Angeklagte mit dem E-Scooter …, Versicherungskennzeichen … auf der B.Straße in München, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war. Eine bei ihm am 26.08.2019 um 21:50 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 1,23 Promille im Mittelwert, mindestens gültig und wirksam auch zum Fahrzeitpunkt. Die Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen.
Am … erließ das Amtsgericht München auf Antrag der Staatsanwaltschaft München I einen Beschluss, mit welchem dem Angeklagten die Fahrerlaubnis gemäß § 111 a StPO vorläufig entzogen wurde. Sein Führerschein war bereits seit dem … polizeilich sichergestellt.
In der Hauptverhandlung vom … machte der Verteidiger geltend, ein Fahrverbot ohne Entzug der Fahrerlaubnis sei für den Bereich zwischen 1,1 und 1,6 Promille ausreichend bei einer Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter. Er beantragte eine Schriftsatzfrist bzgl. der charakterlichen Eignung des Angeklagten.
Das Amtsgericht München hob sodann mit Beschluss vom … Beschluss nach § 111 a StPO vom … auf, ordnete die vorläufige Herausgabe des Führerscheins an, setzte die Hauptverhandlung aus und stellte fest, dass der Verteidiger einen Schriftsatz zur charakterlichen Eignung des Angeklagten erstellen und einreichen werde. Neuer Termin werde von Amts wegen bestimmt.
Gegen den Beschluss wendet sich die Staatsanwaltschaft München I mit Schriftsatz vom …, eingegangen beim Amtsgericht am … Auf die Begründung vom … wird Bezug genommen.
Der Beschwerde hat das Amtsgericht München nicht abgeholfen.
Mit Schriftsatz vom … legte der Verteidiger seinen Rechtsstandpunkt zu § 69 StGB bei einer fahrlässigen Trunkenheitsfahrt mit einem E-Scooter näher dar. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom … Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft München I ist statthaft und auch sonst zulässig, § 306 Abs. 1 StPO.
Die Beschwerde ist auch begründet, da dringende Anhaltspunkte im Sinn von § 111 a Abs. 1 StPO dafür bestehen, dass dem Angeklagten die Fahrerlaubnis endgültig entzogen wird.
Es steht bereits rechtskräftig fest, dass der Angeklagte am 06.07.2019 gegen 21:15 Uhr mit dem E-Scooter …, Versicherungskennzeichen … auf der B. Straße in München fuhr, obwohl er infolge vorangegangenen Alkoholgenusses fahruntüchtig war. Eine bei ihm am 26.08.2019 um 21:50 Uhr entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 1,23 Promille im Mittelwert, mindestens gültig und wirksam auch zum Fahrzeitpunkt. Die Fahruntüchtigkeit hätte der Angeklagte bei kritischer Selbstprüfung erkennen können und müssen.
Damit liegt ein Regelfall für die Entziehung der Fahrerlaubnis wegen charakterlicher Ungeeignetheit gemäß § 69 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 StGB vor, der auch durch das Verteidigervorbringen nicht entkräftet wird, das im Wesentlichen auf die geltend gemachten Besonderheiten von E-Scootern abstellt.
Die Kammer ist der Überzeugung, dass der für die absolute Fahruntüchtigkeit bei Kraftfahrzeugen geltende Grenzwert einer Blutalkoholkonzentration von 1,1 Promille auch beim Fahren mit E-Scootern anzuwenden ist.
Diese E-Scooter werden von der Verordnung über die Teilnahme von Elektrokleinstfahrzeugen am Straßenverkehr (eKFV) grundsätzlich als Kraftfahrzeuge im Sinn von § 1 Abs. 2 StVG eingestuft.
Eine abweichende Regelung für Trunkenheitsfahrten mit Elektrokleinstfahrzeugen wurde weder für die laufende Nr. 241 des BKat (0,5 Promille-Grenze) noch im Rahmen des § 69 StGB getroffen.
Die Kammer ist auch nicht der Auffassung, dass Elektrokleinstfahrzeuge wegen ihrer einfachen Handhabung und/oder ihres Gefährdungspotentials wie ein E-Bike oder als spielzeugartiges Gefährt zu behandeln sind mit der Folge, dass § 69 StGB nicht zur Anwendung käme.
E-Scooter haben ein Gewicht von ca. 20 bis 25 kg und eine mögliche Höchstgeschwindigkeit von 20 km/h., woraus sich ein erhebliches Verletzungspotential für Dritte ergibt. Nicht zuletzt deswegen unterliegen sie auch einer Versicherungspflicht. Die ohne eigene Anstrengung abrufbare Kraft des Elektromotors erfordert es, dass der Fahrer sie sicher kontrolliert und nicht unter einer erhöhten Alkoholisierung steht.
Die Kammer schließt sich auch insoweit der Auffassung der 1. Jugendkammer des Landgerichts München I in ihrem Beschluss vom …, Az. 1 J Qs 24/19 jug an, dass Elektrokleinstfahrzeuge im Rahmen des Gefährdungspotentials mit Mofas vergleichbar sind, bei denen auch von einem Grenzwert von 1,1 Promille für die absolute Fahruntüchtigkeit auszugehen ist.
Sonstige Anhaltspunkte für eine Abweichung vom Regelfall des § 69 StGB sind nicht ersichtlich. Die Tatsache, dass E-Scooter einfach gestartet werden können und bereits ab 14 Jahren sowie ohne Helm gesteuert werden dürfen, widerlegt den Eignungsmangel eines Erwachsenen nicht, der als Inhaber einer Fahrerlaubnis die Pflichten eines Kraftfahrzeugführers im Straßenverkehr zur bereits zur Führerscheinprüfung zu erlernen hatte, zu denen ganz wesentlich das Verbot des Fahrens unter erheblichem Alkoholeinfluss gehört.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 465 StPO analog.


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