Strafrecht

Aussageverweigerungsrecht im Strafverfahren: Verfahrensrüge wegen Verneinung des Verlöbnisses einer Zeugin mit dem Angeklagten durch den Vorsitzenden

Aktenzeichen  4 StR 606/09

Datum:
9.3.2010
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
Normen:
§ 52 Abs 1 Nr 1 StPO
§ 52 Abs 3 StPO
§ 238 Abs 2 StPO
§ 252 StPO
Spruchkörper:
4. Strafsenat

Leitsatz

Die in die Hauptverhandlung eingeführte Bewertung des Vorsitzenden einer Strafkammer, eine Zeugin sei nicht mit dem Angeklagten verlobt, kann vom Angeklagten nur dann zur Grundlage einer Verfahrensrüge gemacht werden, wenn er eine Entscheidung des Gerichts gemäß § 238 Abs. 2 StPO herbeigeführt hat .

Verfahrensgang

vorgehend LG Schwerin, 25. Juni 2009, Az: 33 KLs 20/08 – 132 Js 35040/07, Urteil

Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 25. Juni 2009
a) mit den Feststellungen aufgehoben, soweit in Ziffer II. des Tenors die durch das einbezogene Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 23. November 2007 angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis aufrechterhalten wurde,
b) aufgehoben, soweit in Ziffer IV. des Tenors der Verfall von Wertersatz in Höhe von 115.000 € angeordnet wurde.
2. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
3. Die weiter gehende Revision des Angeklagten wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 16 Fällen unter Einbeziehung der Strafe aus dem Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 23. November 2007 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und drei Monaten sowie wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Ferner hat es bestimmt, dass jeweils ein Monat der Gesamt- und der Freiheitsstrafe als vollstreckt gilt, dass die im Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 23. November 2007 angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis aufrechterhalten bleibt und ca. 5 g Kokain eingezogen werden; zudem hat es den Verfall von Wertersatz in Höhe von 115.000 € angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf Verfahrensrügen und die Verletzung des sachlichen Rechts gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

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1. Die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte eine Verletzung des § 252 StPO beanstandet, hat keinen Erfolg.

3

a) Ihr liegt Folgendes zu Grunde:

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Wesentliches Beweismittel für die Überzeugung der Strafkammer von der Tatbegehung durch den Angeklagten in den Fällen 1 bis 14 und 16 sind die Angaben von T. im Ermittlungsverfahren, die durch die Vernehmung eines Polizeibeamten und des Ermittlungsrichters in die Hauptverhandlung eingeführt wurden. Beide hatten T. im Ermittlungsverfahren – nach ordnungsgemäßer Belehrung (nur) nach § 136 Abs. 1 Satz 2 StPO – als Beschuldigte vernommen.

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Bei der ersten Vernehmung von T. als Zeugin in der Hauptverhandlung am 8. Juli 2008 wurde diese von der Vorsitzenden Richterin als Verlobte des Angeklagten nach § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO belehrt und machte daraufhin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Für den 29. April 2009 wurde T. abermals als Zeugin geladen. Sie erschien mit ihrem Zeugenbeistand und erklärte erneut, mit dem Angeklagten verlobt zu sein. Daraufhin gab die Vorsitzende bekannt, dass ein Verlöbnis zwischen dem Angeklagten und der Zeugin “nicht anerkannt” werde. Jedoch belehrte die Vorsitzende die Zeugin gemäß § 55 Abs. 2 StPO. Daraufhin erklärte diese, dass sie von ihrem Auskunftsverweigerungsrecht Gebrauch mache; sodann wurde sie “im allseitigen Einverständnis” – ohne Angaben zur Sache gemacht zu haben – entlassen. Anschließend bzw. an einem späteren Sitzungstag wurden der Polizeibeamte und der Ermittlungsrichter zu den Angaben von T. während des Ermittlungsverfahrens vernommen.

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Die Strafkammer hielt die Angaben der beiden Vernehmungspersonen für verwertbar. In den Urteilsgründen hat sie hierzu ausgeführt:

Zwar hat die Zeugin T. bei ihrem ersten Vernehmungstermin in der Hauptverhandlung vom 08.07.2008 unter Berufung auf ein Verlöbnis mit dem Angeklagten die Aussage verweigert. In dem Termin vom 29.04.2009 hat die Vorsitzende jedoch festgestellt, dass ein Verlöbnis zwischen der Zeugin T. und dem Angeklagten nicht bestehe, und die Zeugin T. erneut in den Zeugenstand gerufen. Diese Feststellung war für die Urteilsfindung bindend.
Auch die am 10.06.2009 stattgefundene Heirat der Zeugin T. und des Angeklagten steht einer Verwertung der Zeugenaussagen nicht entgegen, da die Zeugin T. nach der Heirat kein daraus abgeleitetes Zeugnisverweigerungsrecht geltend gemacht hat.
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Die Revision macht mit der Verfahrensrüge geltend, dass T. in der Hauptverhandlung als Verlobte des Angeklagten gemäß § 52 Abs. 1 StPO zur Verweigerung des Zeugnisses berechtigt gewesen sei. Wäre sie – wie geboten – bei ihrem zweiten Erscheinen in der Hauptverhandlung entsprechend belehrt worden, hätte sie hierauf und nicht nur auf § 55 Abs. 1 StPO gestützt auch bei dieser Vernehmung die Aussage verweigert. Dann hätte einer Verwertung der Angaben des Polizeibeamten und des Ermittlungsrichters das aus § 252 StPO herzuleitende Verwertungsverbot entgegengestanden.

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b) Die Rüge hat schon deshalb keinen Erfolg, weil der Revisionsführer gegen die “Feststellung” der Vorsitzenden, dass die Zeugin T. nicht die Verlobte des Angeklagten sei, keine Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO erhoben und keine Entscheidung des Gerichts herbeigeführt hat.

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aa) Zweck des § 238 Abs. 2 StPO ist es, die Gesamtverantwortung des Spruchkörpers für die Rechtsförmigkeit der Verhandlung zu aktivieren, hierdurch die Möglichkeit zu eröffnen, Fehler des Vorsitzenden im Rahmen der Instanz zu korrigieren und damit Revisionen zu vermeiden. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn es im unbeschränkten Belieben des um die Möglichkeit des § 238 Abs. 2 StPO wissenden Verfahrensbeteiligten stünde, ob er eine für unzulässig erachtete verhandlungsleitende Maßnahme des Vorsitzenden nach § 238 Abs. 2 StPO zu beseitigen sucht oder stattdessen hierauf im Falle eines ihm nachteiligen Urteils in der Revision eine Verfahrensrüge stützen will. Er hat daher grundsätzlich auf Entscheidung des Gerichts anzutragen; unterlässt er dies, kann er in der Revisionsinstanz mit einer entsprechenden Rüge nicht mehr gehört werden (BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, BGHSt 51, 144, 147; zur Verfassungsmäßigkeit dieser Rechtsprechung: BVerfG, Beschluss vom 10. Januar 2007 – 2 BvR 2557/06).

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Dies gilt jedenfalls dann, wenn der Anordnung des Vorsitzenden eine strafprozessuale Regelung zu Grunde liegt, die ihm für die Feststellung der tatbestandlichen Voraussetzungen einen Beurteilungsspielraum eröffnet oder ihm auf der Rechtsfolgenseite Ermessen einräumt, und die Revisionsrüge auf eine Überschreitung des Beurteilungsspielraums oder einen Ermessensfehlgebrauch gestützt werden soll (BGH aaO).

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Umso mehr ist eine Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO geboten, wenn das Revisionsgericht an solche tatrichterlichen Feststellungen gebunden ist, wie dies die Rechtsprechung bezüglich der Voraussetzungen eines Verlöbnisses annimmt (vgl. die Nachweise bei BGH, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 StR 445/02, BGHSt 48, 294, 300 [dort offen gelassen] und bei Meyer-Goßner StPO 52. Aufl. § 52 Rdn. 33, § 337 Rdn. 17). Gerade wenn dem Revisionsgericht eine Richtigkeitsprüfung infolge einer Bindung an die Feststellungen des Tatrichters verwehrt ist, besteht für den späteren Revisionsführer Anlass, sich mit der Maßnahme des Vorsitzenden nicht zu begnügen, sondern diese und ihre im Nachhinein selbst im Freibeweisverfahren kaum rekonstruierbare Tatsachengrundlage zunächst zur Überprüfung durch das gesamte Tatgericht zu stellen. Unterlässt er diese Anrufung des Gerichts, so gibt er damit zu erkennen, dass er die Grenzen des Beurteilungsspielraums des Vorsitzenden nicht als überschritten und die Anordnung nicht als rechtswidrig ansieht.

12

bb) Ein solcher Fall liegt hier vor.

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Die Entscheidung, ob eine Zeugin Verlobte des Angeklagten ist, ihr deshalb das Aussageverweigerungsrecht nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO zusteht und sie hierüber zu belehren ist, ist durch § 238 StPO dem Vorsitzenden anvertraut. Hierfür hat er die insofern relevanten Umstände festzustellen, wobei er in Fällen, in denen der Zeuge das Zeugnisverweigerungsrecht in Anspruch nimmt, nach seinem Ermessen deren Glaubhaftmachung verlangen kann (vgl. Meyer-Goßner aaO § 56 Rdn. 1, § 52 Rdn. 4). Da das Verlöbnis ein allein vom Willen der Betroffenen abhängiges, an keine Form gebundenes Rechtsverhältnis ist, dessen Auflösung sogar dann in Betracht kommt, wenn einer der Beteiligten einseitig den Heiratswillen aufgibt (vgl. BGH, Urteil vom 28. Mai 2003 – 2 StR 445/02, BGHSt 48, 294, 300 f.), unterliegt die “Feststellung“, ob ein Verlöbnis vorliegt, als Maßnahme der Verhandlungsleitung der wertenden Beurteilung des Vorsitzenden nach Maßgabe der Umstände des Einzelfalls. Sie ist deshalb nach § 238 Abs. 2 StPO angreifbar (ebenso für die Bewertung der Verfolgungsgefahr im Sinne des § 55 Abs. 1 StPO: BGH, Urteile vom 27. Oktober 2005 – 4 StR 235/05, NStZ 2006, 178, und vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, BGHSt 51, 144, 146). Dementsprechend hält die Rechtsprechung eine Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO etwa dann für erforderlich, wenn der Vorsitzende die Befragung eines Zeugen trotz einer von anderen Verfahrensbeteiligten als Ausübung des Zeugnisverweigerungsrechts angesehenen Erklärung des Zeugen fortsetzt (BGH, Urteil vom 26. August 1998 – 3 StR 256/98, NStZ 1999, 94, 95).

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Der Erforderlichkeit einer Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO steht dabei nicht entgegen, dass § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO die Belehrung zwingend vorschreibt, wenn der Zeuge zur Verweigerung der Aussage berechtigt ist. Hat sich der Vorsitzende über eine Verfahrensvorschrift hinweggesetzt, die keinen Entscheidungsspielraum zulässt oder hat er eine von Amts wegen gebotene unverzichtbare Maßnahme unterlassen, so scheidet eine Präklusion der Revisionsrüge bei Verzicht auf den in § 238 Abs. 2 StPO vorgesehenen Zwischenrechtsbehelf zwar grundsätzlich aus (BGH, Urteil vom 7. März 1996 – 4 StR 737/95, BGHSt 42, 73, 77 f. m.w.N.). Ein solcher Fall ist aber nicht gegeben, wenn – wie hier – dem Vorsitzenden bei der Bewertung der tatsächlichen Grundlagen einer zwingend vorgeschriebenen und unverzichtbaren Verfahrensvorschrift ein Beurteilungsspielraum eingeräumt ist (vgl. zu § 55 StPO: BGH, Urteil vom 16. November 2006 – 3 StR 139/06, BGHSt 51, 144, 148).

15

Der Zwischenrechtsbehelf nach § 238 Abs. 2 StPO war auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Angeklagte einen Verstoß gegen § 252 StPO selbst dann rügen kann, wenn er oder sein Verteidiger der Verwertung nicht widersprochen hat oder sie die Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO nicht erhoben haben (vgl. dazu BGH, Urteil vom 23. September 1999 – 4 StR 189/99, BGHSt 45, 203, 205; Beschluss vom 27. Oktober 2006 – 2 StR 334/06, StV 2007, 68). Denn das Bestehen eines Verlöbnisses der Zeugin mit dem Angeklagten ist bezogen auf das Verwertungsverbot nach § 252 StPO eine eigenständig zu beurteilende Voraussetzung; darauf aufbauend und – von Ausnahmefällen abgesehen – nur im Falle der (berechtigten) Aussageverweigerung in der Hauptverhandlung ergibt sich die Unverwertbarkeit der früheren Angaben der Zeugin.

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Schließlich steht der Erforderlichkeit einer Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO auch nicht entgegen, dass diese bei einem bloßen Unterlassen entbehrlich ist. Denn die “Feststellung” der Vorsitzenden, dass die Zeugin nicht die Verlobte des Angeklagten sei, wurde (mehrfach) zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht (vgl. Schneider in KK StPO 6. Aufl. § 238 Rdn. 12).

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c) Die Strafkammer hat auch nicht deshalb gegen § 252 StPO verstoßen, weil die Vorsitzende die Zeugin bei ihrer ersten Vernehmung in der Hauptverhandlung vom 8. Juli 2008 nach § 52 Abs. 3 Satz 1 StPO belehrt und diese daraufhin das Zeugnis unter Berufung auf § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO verweigert hat.

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Kommt der Tatrichter – wovon der Senat hier infolge des Unterlassens der Beanstandung nach § 238 Abs. 2 StPO auszugehen hat – während der Hauptverhandlung zu dem Ergebnis, dass das einem Zeugen zunächst zugebilligte Zeugnisverweigerungsrecht tatsächlich nicht bestand und besteht, so muss er diesen Zeugen nach Maßgabe seiner Aufklärungspflicht gegebenenfalls erneut laden und – ohne Belehrung – zur Sache vernehmen. Auch ist es dem Tatrichter durch § 252 StPO dann nicht verwehrt, zur Sachaufklärung frühere Vernehmungspersonen dieses Zeugen anzuhören und deren Angaben zu verwerten. Hieran ist der Tatrichter auch dann nicht gehindert, wenn der Zeuge – nunmehr infolge einer berechtigten Auskunftsverweigerung nach § 55 StPO – keine Angaben zur Sache macht.

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2. Die Sachrüge hat dagegen in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

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a) Soweit die Strafkammer in Ziffer II. des Tenors die im Urteil des Amtsgerichts Rostock vom 23. November 2007 angeordnete Entziehung der Fahrerlaubnis aufrechterhalten hat, steht dies in unauflösbarem Widerspruch zu den Feststellungen in den Entscheidungsgründen. Dort ist ausgeführt (UA 16, 33), dass in diesem Urteil lediglich eine Sperre für die Erteilung der Fahrerlaubnis angeordnet wurde.

21

Das Urteil ist daher insofern mit den Feststellungen aufzuheben, wobei die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer zu bedenken haben wird, dass eine vor dem Erlass des angefochtenen Urteils bereits abgelaufene Sperrfrist einer “Aufrechterhaltung” nach § 55 Abs. 2 StGB nicht zugänglich ist (vgl. BGH, Beschluss vom 28. Oktober 2009 – 2 StR 351/09, NStZ-RR 2010, 58).

22

b) Aufzuheben ist ferner die Anordnung des Verfalls von Wertersatz in Höhe von 115.000 €. Zwar hat die Strafkammer den Gesamterlös aus den Kokaingeschäften des Angeklagten zutreffend mit 116.300 € errechnet. Sie hat aber zur Höhe des für verfallen erklärten Geldbetrags lediglich ausgeführt, dass dieser “angemessen” sei, ohne § 73c Abs. 1 StGB zu prüfen oder auch nur zu erwähnen. Hierzu bestand indes schon im Hinblick auf die Einkommens- und die Änderung der Familienverhältnisse des Angeklagten (UA 15) sowie die seit dem 18. Januar 2008 ununterbrochen andauernde Untersuchungshaft Anlass.

23

Die Prüfung von § 73c Abs. 1 StGB (vgl. dazu BGH, Urteil vom 2. Oktober 2008 – 4 StR 153/08, NStZ-RR 2009, 234) hat die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer nachzuholen, wobei es einer Aufhebung der hierfür bedeutsamen, im angefochtenen Urteil bereits getroffenen Feststellungen nicht bedarf. Diese können indes – insbesondere zu den Vermögensverhältnissen und zur Frage, ob und gegebenenfalls inwieweit die Erlöse aus den Drogengeschäften noch im Vermögen des Angeklagten vorhanden sind – ergänzt werden.

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