Strafrecht

Ausweisung eines türkischen Staatsangehörigen wegen Straffälligkeit

Aktenzeichen  19 CS 21.330

Datum:
2.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 20968
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AufenthG § 53 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 3, § 55 Abs. 1 Nr. 4
GG Art. 6
EMRK Art. 8

 

Leitsatz

1. Ein Suchtmittelrückfall ist ein gewichter Umstand dafür, dass es erneut zu suchtbedingten Straftaten kommen wird.  (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine massive Delinquenz und ein tiefgreifendes Drogenproblem stehen der Annahme einer gelungenen Integration bzw. Verwurzelung in der Bundesrepublik Deutschland entgegen. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3. Wächst das Kind des Ausländers seit seiner Geburt haftbedingt ohne den Vater auf, ist die Schutzwürdigkeit der familiären Beziehung bei massiver Delinquenz gering. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

AN 11 S 20.2182 2021-01-13 Bes VGANSBACH VG Ansbach

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers, eines am … 1994 im Bundesgebiet geborenen assoziationsberechtigten türkischen Staatsangehörigen, hat keinen Erfolg. Die zu ihrer Begründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung sich der Senat gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zu beschränken hat, rechtfertigen keine Änderung des angefochtenen Beschlusses, mit dem es das Verwaltungsgericht abgelehnt hat, die aufschiebende Wirkung der Klage des Antragstellers gegen die für sofort vollziehbar erklärte Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 21. September 2020 wiederherzustellen.
Ist das besondere öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Ausweisung in einer den Formerfordernissen nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügenden Weise – und damit die Ausnahme der Anordnung des Sofortvollzugs gegenüber dem Regelfall der aufschiebenden Wirkung einer Anfechtungsklage – begründet worden (hier: eine erneute Straffälligkeit und damit verbundene Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung nach der Haftentlassung des Antragstellers sollen insbesondere auch wegen der nicht überwundenen Drogenabhängigkeit des Antragstellers und des Zusammenhangs der Drogenabhängigkeit mit der Delinquenz verhindert werden), ist zunächst zu prüfen, ob tatsächlich ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts gegeben ist, das über jenes Interesse hinausgeht, das den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt (vgl. BVerfG, B.v. 18.1.2017 – 2 BvR 2259/17 – juris Rn. 17). Zudem setzt die gerichtliche Entscheidung nach § 80 Abs. 5 VwGO über die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage eine Abwägung des Interesses des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsakts bis zur endgültigen Entscheidung über seine Rechtmäßigkeit verschont zu bleiben, gegen das öffentliche Interesse an dessen sofortiger Vollziehung voraus. Da die Ausweisung eine schwerwiegende und mit schwer zu behebenden Folgen für den Ausländer verbundene Maßnahme darstellt, deren Gewicht durch die Anordnung der sofortigen Vollziehung noch erheblich verschärft wird, setzt das Interesse an der sofortigen Vollziehung des Weiteren die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls zu treffende Feststellung voraus, dass der Sofortvollzug schon vor Abschluss des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren erforderlich ist (vgl. BVerfG, B.v. 13.6.2005 – 2 BvR 485/05 – NJW 2005, 3275; BayVGH, B.v. 14.3.2019 – 19 CS 17.1784 – juris Rn. 7, B.v. 19.2.2009 – 19 CS 08.1175 – juris Rn. 49 jeweils m.w.N.). Bei der im Übrigen vorzunehmenden Folgenabwägung sind die konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter bei einem Aufschub des Vollzugs, wenn sich die Ausweisung nachträglich als rechtmäßig erweist, den konkreten Folgen des Sofortvollzugs für den Ausländer, wenn sich die Ausweisungsverfügung nachträglich als rechtswidrig erweisen sollte, gegenüberzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 4.10.2006 – 1 BvR 2403/06 – juris). Für das Vorliegen des besonderen Vollziehungsinteresses im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO kommt es auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung – hier des Beschwerdegerichts – an (vgl. OVG NW, B.v. 5.8.2009 – 18 B 331/09 – juris).
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend entschieden, dass nach diesen Maßstäben das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes keinen Erfolg hat. Die Ausweisungsverfügung der Antragsgegnerin vom 21. September 2020 ist voraussichtlich rechtmäßig (1.), die Anordnung des Sofortvollzugs ist als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden Gefahren schon vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens erforderlich (2.) und die bei einem Aufschub des Vollzugs eintretenden konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter überwiegen die den Antragsteller treffenden Folgen der sofortigen Vollziehung (3.).
1. Für die verwaltungsgerichtliche Beurteilung der Ausweisungsverfügung ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung oder Entscheidung des Tatsachengerichts abzustellen (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.2007 – 1 C 45.06 – BVerwGE 130, 20). Davon ausgehend ist die Ausweisungsentscheidung voraussichtlich rechtmäßig:
Die Antragsgegnerin hat ihre Verfügung vom 21. September 2020 zutreffend auf § 53 Abs. 1, Abs. 3 AufenthG gestützt. Sie hat zutreffend dargelegt, dass die Abwägung der Ausweisungsinteressen mit den privaten Interessen an einem weiteren Verbleib des Antragstellers im Bundesgebiet unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausweisung überwiegt. Das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG wiegt besonders schwer: Der Antragsteller wurde mit Urteil des Landgerichts N.-F. vom 16. November 2016 wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 15 Fällen zu einer Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt (vgl. § 54 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Demgegenüber kann sich der Antragsteller auf ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG berufen. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend festgestellt, dass sich der Antragsteller darüber hinaus nicht auf ein besonders schwerwiegendes Bleibeinteresse nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG berufen kann.
Auch hat die Antragsgegnerin zutreffend erkannt, dass der Antragsteller in Annahme des Bestehens eines assoziationsrechtlichen Aufenthaltsrechts nach Art. 7 des Beschlusses Nr. 1/80 des Assoziationsrates vom 29. September 1980 über die Entwicklung der Assoziation EWG-Türkei (ARB 1/80) gemäß § 53 Abs. 3 AufenthG privilegiert ist. Er kann daher, wie die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht richtig ausgeführt haben, nur ausgewiesen werden, wenn sein persönliches Verhalten gegenwärtig eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt und die Ausweisung für die Wahrung dieses Interesses unerlässlich ist. Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
Der Vortrag des Antragstellers im Beschwerdeverfahren, dass bei ihm ein vorrangig zu berücksichtigendes Bleibeinteresse vorliege, da er nach Erteilung des Bescheides durch die Antragsgegnerin Vater eines Sohnes, geboren am 7. Oktober 2020, geworden sei und nach seiner Entlassung mit dem Kind in einer familiären Gemeinschaft zusammenleben wolle, diese familiären Bindungen im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der Anordnung des sofortigen Vollzugs entgegenstünden, er darüber hinaus ein faktischer Inländer ausländischer Staatsangehörigkeit sei, ihm eine berufliche Eingliederung durch Erreichen des Hauptschulabschlusses gelungen, aber eine Integration im Herkunftsland mangels wesentlicher Kontakte für ihn nicht möglich sei und auch die Gefahrprognose nicht den sofortigen Vollzug der Ausweisung rechtfertige, greift nicht durch:
Bei der Feststellung der in § 53 Abs. 3 AufenthG genannten schwerwiegenden Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (zu diesem Maßstab vgl. EuGH, U.v. 8.12.2011 – C-371/08, „Ziebell“ – Rn. 82 ff.), handelt es sich um eine Prognose, die Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eigenständig zu treffen haben (vgl. z.B. U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Die Indizien, die für diese Prognose heranzuziehen sind, ergeben sich nicht nur aus dem Verhalten im Strafvollzug und danach. Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 16.11.2000 – 9 C 6/00 – BVerwGE 112, 185, juris Rn.14; BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (stRspr; vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 34; BVerwG, U.v. 4.10.2012- 1 C 13.11 – Rn. 18).
Die Entwicklung des Antragstellers belegt, dass nach diesen Maßgaben weiter von einer schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung auszugehen ist, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt:
Der Antragsteller ist seit vielen Jahren mehrfach und mit einer beachtlichen Rückfallgeschwindigkeit strafrechtlich in Erscheinung getreten; der Auszug aus dem Bundeszentralregister enthält gemäß den Feststellungen im Strafurteil des Landgerichts N.-F. vom 16. November 2016 (Anlasstat) vier Eintragungen:
Verurteilung wegen Unterschlagung durch das Amtsgericht F. vom 8. April 2009 (462 Ls 607 Js 51567/08) zu einem Freizeitarrest und 20 Stunden gemeinnützige Arbeit; vier Tage Jugendarrest wegen Zuwiderhandlung gegen Auflagen. Datum der (letzten) Tat: 14. November 2008.
Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung durch das Amtsgericht F. vom 18. Januar 2010 (462 Ds 610 Js 49293/09) zu einem Freizeitarrest. Datum der (letzten) Tat: 25. Juni 2009.
Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung durch das Amtsgericht F. vom 21. Januar 2010 (452 Ds 604 Js 48464/09) zu 60 Stunden gemeinnützige Arbeit; zwei Wochen Jugendarrest wegen Zuwiderhandlung gegen Auflagen. Datum der (letzten) Tat: 15. Mai 2009.
Verurteilung wegen Raub in Mittäterschaft durch das Amtsgericht F. vom 22. Mai 2013 (462 Ls 606 Js 39533/1309) zu zwei Wochen Jugendarrest. Datum der (letzten) Tat: 26. März 2013.
Dem Urteil des Landgerichts N.-F. vom 16. November 2016 (Einheitsjugendstrafe von vier Jahren und sechs Monaten wegen bandenmäßigen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in 15 Fällen) ist zur Person des Antragstellers zu entnehmen, dass dieser am … 1994 in F. geboren wurde. Er sei bei seiner Familie aufgewachsen, deren Familienleben durch die massive Alkoholproblematik des Vaters und dessen Gewalttätigkeiten gegenüber den übrigen Familienmitgliedern geprägt gewesen sei. Seine Eltern hätten sich getrennt, als er sechs oder sieben Jahre alt gewesen sei, worauf der Antragsteller bei sporadischem Kontakt zu seinem leiblichen Vater bei seiner Mutter geblieben sei. Die Mutter habe zwischenzeitlich erneut geheiratet. Zur Bewältigung der Gewalterfahrungen mit seinem leiblichen Vater habe der Antragsteller 2012 Gespräche mit einer Psychotherapeutin wahrgenommen. Der Antragsteller habe regulär die Grundschule besucht und sei anschließend für zwei Jahre auf die Realschule gekommen. Er habe dann auf die Hauptschule gewechselt, die er zunächst ohne Abschluss verließ. Den Hauptschulabschluss habe er über eine Abendschule nachgeholt. Anschließend habe der Antragsteller ab September 2012 ein Langzeitpraktikum an einer Tankstelle gemacht und habe dort ab September 2013 eine Ausbildung als Verkäufer begonnen, die er im Sommer 2014 erfolgreich abgeschlossen habe. Da er von seinem Ausbildungsbetrieb nicht übernommen worden sei, sei er mehrere Monate arbeitssuchend gewesen. Anschließend habe er für etwa acht bis neun Monate bei der Firma UPS in Nürnberg als Be- und Entlader gearbeitet. Dem Antragsteller sei dort auf seinen Wunsch hin gekündigt worden, nachdem ihm die Arbeit nicht mehr gefallen habe. Seit etwa Mitte 2015 bis zu seiner Inhaftierung sei er arbeitslos gewesen. Bezüglich des Drogenkonsums des Antragstellers lässt sich den Feststellungen des vorgenannten Urteils weiter entnehmen, dass der Antragsteller seit seinem 13. Lebensjahr Raucher gewesen sei und seit dem 15. Lebensjahr Alkohol getrunken habe. Cannabis habe er erstmalig mit 14 Jahren geraucht, wobei es mit ca. 16 Jahren zu einem regelmäßigen Konsum gekommen sei, der sich langsam, aber kontinuierlich gesteigert habe. Seit ca. März 2014 habe der Antragsteller täglich zweieinhalb bis drei Gramm Marihuana geraucht. Kokain habe er erstmals mit 18 oder 19 Jahren zu sich genommen, den Konsum jedoch auf drei bis vier Konsumstage im Jahr beim Feiern beschränkt.
Zu den Umständen der Begehung der Anlassstraftat ist dem Urteil weiter zu entnehmen, dass dem Verfahren Betäubungsmittelgeschäfte mit Marihuana in einer Gesamtmenge von insgesamt ca. 50 Kilogramm zugrunde lagen. Der Antragsteller habe als Teil einer mehrköpfigen Bande mit Marihuana gedealt. Er sei im Januar 2015 zu der bestehenden Gruppe gestoßen und habe sich zunächst bei Kurierfahrten mit einer anderen Beteiligten abgewechselt. Das arbeitsteilige Vorgehen sah dabei vor, dass die Beteiligten mit einem Pkw zu dem jeweiligen Lieferanten gefahren seien und abwechselnd jeweils die Betäubungsmittel mit dem Flixbus nach Franken gebracht hätten. In der Zeit zwischen Januar 2015 und November 2015 sei der Antragsteller bei mindestens neun dieser Beschaffungsfahrten nach K. dabei gewesen. Dabei seien der Gruppe in K. jeweils mindestens 2000 Gramm Marihuana übergeben worden. Ab März/April 2015 habe der Antragsteller selbst bei fünf dieser Gelegenheiten das Marihuana in einem Koffer mit dem Flixbus nach Franken gebracht. Im Vorfeld des 23. Oktober 2015 vereinbarte die Bande einen Kauf von 2000 Gramm Marihuana in D. für einen Preis von 6500 EUR pro Kilogramm, um diese anschließend im Bereich N./F. gewinnbringend weiterzuverkaufen. Um das Geschäft abzuschließen, sei der Antragsteller mit weiteren Mitgliedern der Gruppe am 23. Oktober 2015 nach D. gefahren, wo es aber schlussendlich nicht zur Übergabe der Betäubungsmittel gekommen sei. Am 24. November 2015 sei der Antragsteller mit drei anderen Mitgliedern der Gruppe nach K. gefahren, um dort erneut 2000 Gramm Marihuana einzukaufen. Ein anderer Beteiligter habe das Rauschgift mit dem Flixbus bis nach N. transportiert und sei bei seiner Ankunft festgenommen und durchsucht worden. Der Antragsteller habe darüber hinaus das Marihuana aus den Beschaffungsfahrten entsprechend der Abrede an Abnehmer in N./F. weiterverkauft. Zunächst habe er in den Monaten Januar und Februar 2015 alle drei Tage 100-Gramm-Portionen erhalten, wobei der Einkaufspreis auf 11,00 Euro bis 11,50 EUR pro Gramm festgelegt worden sei. Anschließend habe der Antragsteller das Rauschgift auf eigene Rechnung weiterverkaufen können. Ab März 2015 habe er bis zur Festnahme 200- bis 300-Gramm-Portionen im Abstand von vier bis fünf Tagen geholt. Den Einkaufspreis habe er gezahlt, nachdem er das Geld von den Kunden erhalten hatte. Das Marihuana habe in allen Fällen einen Wirkstoffgehalt von mindestens 5% THC gehabt. Weiterhin hätten alle Beteiligten gewusst, dass keiner von ihnen die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis gehabt habe. Der Antragsteller habe die Taten begangen, um den für seine Betäubungsmittelabhängigkeit jeweils erforderlichen eigenen Betäubungsmittelkonsum zu finanzieren.
Den Feststellungen des Urteils lässt sich ferner entnehmen, dass im Rahmen der Strafzumessung zu Gunsten des Antragstellers unter anderem berücksichtigt wurde, dass dieser vollumfänglich geständig gewesen sei, die Taten auch aufgrund seiner Cannabisabhängigkeit begangen habe und es sich bei Cannabis um eine im Vergleich zu anderen Betäubungsmitteln weniger gefährliche Droge gehandelt habe. Zulasten des Antragstellers wurde gewertet, dass sich die Taten jeweils auf erhebliche Betäubungsmittelmengen bezogen hätten und der Antragsteller bereits mehrfach strafrechtlich in Erscheinung getreten sei. Die Unterbringung in einer Entziehungsanstalt sei anzuordnen gewesen, da die Voraussetzungen des § 64 StGB erfüllt gewesen seien. Beim Antragsteller sei die psychiatrische Diagnose einer manifesten Abhängigkeit von Cannabis entsprechend der Kategorie F12.2 gestellt worden. Diese Rauschgiftabhängigkeit sei Auslöser und Anlass der Taten gewesen. Die Strafkammer war davon überzeugt, dass bei dem Antragsteller die Gefahr bestehe, dass infolge seines Hanges zukünftig weitere erhebliche rechtswidrige Taten bei unbehandelter Suchtproblematik begangen würden. Weiterhin ist dem Gutachten des Sachverständigen in diesem Verfahren zu entnehmen, dass bei dem Antragsteller eine drogenbedingte Beeinträchtigung der psychosozialen Leistungsfähigkeit im beruflichen Bereich feststellbar sei, nachdem der Antragsteller aufgrund seines Konsums vor seiner Inhaftierung die Berufstätigkeit im Wesentlichen aufgegeben habe. Vielmehr habe der Antragsteller zuletzt nur noch in den Tag hinein gelebt und über den Drogenkonsum hinaus keine besonderen Interessen gezeigt. Bei dem Antragsteller läge eine tief verwurzelte innere Disposition vor, psychotrope Substanzen im Übermaß zu konsumieren, sodass ein Hang im Sinne des § 64 StGB festgestellt werden könne.
Der Antragsteller befand sich vom 25. November 2015 bis zum 21. November 2016 in Untersuchungshaft. Aufgrund der Verurteilung befand sich der Antragsteller dann bis 7. Februar 2017 in Strafhaft (Vorwegvollzug).
In dem Bericht des Bezirkskrankenhauses P. vom 20. September 2020 über den stationären Aufenthalt des Antragstellers vom 7. Februar 2017 bis zum 8. Februar 2019 wird ebenfalls eine Cannabisabhängigkeit (ICD-10 F12.2) diagnostiziert. Der Antragsteller habe dort berichtet, dass er während der Haft für ein Jahr regelmäßig Gespräche mit einer Mitarbeiterin der Drogenberatung MUDRA geführt habe. Der Antragsteller habe weiter angegeben, mit 14 Jahren mit dem Rauchen begonnen zu haben. Er habe zunächst Zigaretten und kurze Zeit später auch einen Joint geraucht, zunächst nur alle drei Monate. Mit ca. 15 Jahren habe er erstmals Alkohol getrunken, mit ca. 17 Jahren erstmals bis zum Rausch. Er habe darüber hinaus nie größere Mengen Alkohol getrunken. Ab ca. 16 Jahren habe er begonnen, regelmäßig THC zu konsumieren. Er habe anfangs ca. zehn Euro pro Tag ausgegeben, die Menge habe sich kontinuierlich gesteigert. Mit 19 Jahren habe er erstmals Entzugserscheinungen bemerkt, wenn nichts verfügbar war. Er sei schlecht gelaunt und gereizt gewesen. Die tägliche Menge sei im letzten Jahr vor seiner Inhaftierung zweieinhalb bis drei Gramm gewesen. Es habe lediglich kurze Abstinenzphasen von maximal zwei Monaten gegeben. Mit ca. 20 Jahren habe er mit dem Handeltreiben mit Marihuana begonnen und sei sehr schnell sehr erfolgreich gewesen, er habe 7000 – 8000 EUR pro Woche zur Verfügung gehabt. Seiner Mutter gegenüber habe er seine Aktivitäten geheim halten können und ihr erzählt, er würde für eine Sicherheitsfirma arbeiten. Während des Handeltreibens habe er sich von einem befreundeten Hausarzt Anabolika (Steroide) spritzen lassen und intensiv Kraftsport betrieben, um „abschreckend“ zu wirken. Andere Medikamente habe er nicht missbräuchlich eingenommen. Mit ca. 18 Jahren habe er gelegentlich mit Freunden zum Feiern eine Nase Kokain gezogen. Weitere Substanzen habe er nicht konsumiert. Aktuell rauche er ca. acht Zigaretten am Tag, eigentlich wolle er wieder aufhören, weil er sehr gesundheitsbewusst sei. Der letzte Konsum von THC sei vor seiner Inhaftierung Ende November 2015 gewesen. Das am Aufnahmetag (7. Februar 2017) in der Klinik durchgeführte Drogenscreening sei negativ gewesen. Der Antragsteller gab u.a. weiter an, er habe die zweite Klasse wiederholen müssen und sei für ein Jahr in der Realschule gewesen, sei dann zur Hauptschule gewechselt und habe diese nach der achten Klasse verlassen. Den Hauptschulabschluss habe er 2012 in einem Kurs der Deutschen Angestellten Akademie nachgemacht und anschließend die Berufsschule besucht mit dem Ziel, Einzelhandelskaufmann zu werden. Er habe ab September 2012 ein Langzeitpraktikum in einer Tankstelle absolviert und im September 2013 eine Ausbildung als Verkäufer begonnen. Zwei Monate vor dem Ende der Ausbildung habe er, da er sich von seinem Ausbildungsbetrieb ausgenutzt gefühlt habe und nicht übernommen worden wäre, die Ausbildung vor den Abschlussprüfungen beendet und sei für mehrere Monate arbeitssuchend gewesen. Schließlich habe er für 8 – 9 Monate bei UPS in Nürnberg als Be- und Entlader gearbeitet. Im Sommer 2015 sei die Arbeitsstelle gekündigt worden, die Arbeit habe ihm nicht mehr gefallen und er sei bis zu seiner Inhaftierung arbeitssuchend gewesen. In der Zusammenfassung und prognostischen Einschätzung des Berichts wird ausgeführt, dass als Delinquenz bedingende Faktoren bei dem Antragsteller unter anderem der Wunsch nach Anerkennung und die Selbstwertstabilisierung innerhalb der Drogenszene und durch materiellen Besitz eruiert werden konnten. Durch die erlebte Selbstwirksamkeit beim Handel und dem Drogenmilieu habe er diese Bedürfnisse zunehmend bis zum erfolgten Exzess befriedigen können. Relevant sei dabei auch die langfristig dysfunktionale Fähigkeit erschienen, diese Verhaltensweisen vor seinem bürgerlich-familiären Umfeld, aber möglicherweise auch vor eigenen inneren bürgerlichen Anteilen, verbergen zu können und so je nach Bezugsgruppe unterschiedlich angepasst aufzutreten. So habe er auch im Therapieverlauf häufig reflektiert und nahezu überangepasst imponieren können, was mit dem im Verlauf beschriebenen Regelverletzungsverhalten im Diskurs stand. Auch habe sich dies im Verlauf dadurch gezeigt, dass er bisweilen offensichtliche Regelverstöße nicht eingestehen oder bestehende Regelungen (zum Beispiel Alkoholverbot während der Unterbringung) trotz kognitiver Einsichtsfähigkeit nicht in sein Freizeitverhaltensrepertoire emotional integrieren konnte. Im letzten Behandlungsteil schienen diese beiden Teile jedoch nach intensiver therapeutischer Auseinandersetzung ausreichend integriert, sodass der Antragsteller vollumfänglich absprachefähig und in Bezug auf die Suchtmittelabstinenz durchgängig stabil aufgetreten sei. Die ehemals delinquenzbedingenden Bedürfnisse erschienen gut befriedigt. So habe er angegeben, über seinen Therapieerfolg von der Familie und bezüglich seiner Leistung in der Arbeit Anerkennung zu erfahren. Es sei ihm gelungen, seine materiellen Bedürfnisse einerseits etwas zu reduzieren, sodass ihm seine eigene Erwerbstätigkeit in Verbindung mit der finanziellen Unterstützung seiner Eltern zu einer zufriedenen Lebensführung auszureichen schien. Das soziale Umfeld erscheine günstig. Langfristig wäre sicher an ein eigenständiges Wohnverhältnis zu denken, zum Entlasszeitpunkt erschien das Umfeld in seinem Elternhaus jedoch noch mit stützender und behütender Funktion. Unter der Voraussetzung, dass der Antragsteller die ambulante Nachsorge für sich nutze, bestehe aufgrund der geschilderten Entwicklung ein deutlich vermindertes Risiko für das Begehen neuer Straftaten. Es werde deshalb die Entlassung des Antragstellers aus dem Maßregelvollzug und die Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung angeregt.
Mit Beschluss des Amtsgerichts N. vom 24. Januar 2019 wurde die Reststrafe zur Bewährung mit Führungsaufsicht ausgesetzt.
Mit Beschluss des Amtsgerichts F. vom 12. März 2020 wurde die Reststrafaussetzung zur Bewährung aus dem Beschluss des Amtsgerichts N. vom 24. Januar 2019 widerrufen. Den Gründen dieses Beschlusses ist zu entnehmen, dass der Antragsteller nach der Entlassung am 8. Februar 2019 zunächst bei der Firma B. im Lager in Zeitarbeit tätig war, aber die Arbeit am 2. Juli 2019 verlor. Im ersten Bericht des Bewährungshelfers vom 29. April 2019 sei notiert worden, dass der Termin beim Bewährungshelfer am 17. April 2019 unentschuldigt nicht eingehalten worden sei. Alle vorherigen Terminvereinbarungen seien pünktlich wahrgenommen worden. Im Bericht des Bewährungshelfers vom 15. Juli 2019 sei notiert worden, dass der Antragsteller am 18. April 2019 hinsichtlich Kokain leicht positiv getestet worden sei, weiterhin der Befund vom 13. Mai 2019 hinsichtlich Cannabis leicht positiv gewesen sei. Mit gerichtlichem Schreiben vom 17. Juli 2019 sei der Antragsteller aus Anlass der positiven Untersuchungsergebnisse abgemahnt und der Widerruf der Bewährung angedroht worden. Im Bericht des Bewährungshelfers vom 24. September 2019 sei notiert worden, dass der Antragsteller ab 1. August 2019 einen Job als Verkäufer für Feinkost befristet bis 1. August 2020 angenommen habe. Im nächsten Bericht vom 28. Oktober 2019 des Bewährungshelfers sei notiert worden, dass der Antragsteller die Urinprobe vom 4. Oktober 2019 unentschuldigt nicht wahrgenommen habe. Am 4. Dezember 2019 sei es beim Antragsteller offenbar zu einer Durchsuchung im Rahmen eines neuen Ermittlungsverfahrens wegen Verdacht der Rauschgiftkriminalität gekommen (358 Js 22840/19). Im Bericht des Bewährungshelfers vom 20. Dezember 2019 sei festgehalten worden, dass der Antragsteller am 29. Oktober 2019 positiv auf ein Stoffwechselprodukt von Kokain getestet worden sei und am 10. Dezember 2019 wiederum positiv hinsichtlich eines solchen Stoffwechselprodukts von Kokain. Im Bericht des Bewährungshelfers vom 7. Februar 2020 sei notiert worden, dass der Antragsteller einen Termin im Dezember 2019 beim Bewährungshelfer versäumt habe, ein Kontaktabbruch bei der forensischen Nachsorge des Bezirkskrankenhauses P. zu verzeichnen gewesen und er am 13. Dezember 2019 positiv auf Kokain getestet worden sei. Seitens medbo [Bezirkskrankenhaus P.] sei unter dem 7. Januar 2020 berichtet worden, dass der Antragsteller für medbo „derzeit schwer erreichbar“ sei und er nur einen von zwei Terminen wahrgenommen habe; die Probe vom 31. Oktober 2019 sei hinsichtlich eines Abbauproduktes von Kokain positiv und der weitere Test vom 17. Dezember 2019 positiv direkt hinsichtlich Kokain zzgl. Abbauprodukt gewesen. Die Reststrafaussetzung zur Bewährung sei deshalb zu widerrufen gewesen. Denn hinter jedem positiven Test betreffend THC (einmal) und hinsichtlich Kokain (zumindest viermal) und ebenso bezüglich MDMA (Ecstasy) verberge sich ein strafbarer Verstoß gegen Weisungen in der Führungsaufsicht. Mit jedem dieser Konsumfälle enttäusche der Antragsteller die Erwartung straffreier Führung herb. Der Umgang des Antragstellers mit Rauschgift stelle beharrlich weisungswidriges Verhalten gegenüber der Bewährungsweisung dar, sich drogenfrei zu führen, dies erst recht vor dem Hintergrund der gerichtlichen Abmahnung vom 17. Juli 2019. Mit diesem weisungswidrigen Verhalten über längere Zeit hinweg verbinde sich seitens des Gerichtes die Besorgnis weiterer Straftaten nach BtmG, da der Konsum von derartigem Rauschgift regelmäßig deren Erwerb bzw. Besitz erfordere, und StGB, da damit auch weitere Verstöße gegen die Weisungen der Führungsaufsicht zu erwarten seien. Einsetzend schon während der stationären Unterbringungszeit, ablesbar in den einzelnen Berichten von medbo bis hin zur Anhörung vor dem zuständigen Richter am 6. März 2020, sei zu beobachten, dass der Antragsteller konfrontiert mit Fehlverhalten stets mit Besserungs- und Wohlverhaltensbekundungen reagiere, oft gekoppelt mit dem Verweis auf irgendwelche Probleme. In der Gesamtschau – schon beginnend mit der Zeit der stationären Unterbringung – verneine das Gericht daher den ernsten Therapiewillen des Antragstellers, der eine Unterbringung erfordere, damit Erfolgsaussicht angenommen werden könne. Therapiewille werde lediglich bekundet und zur Schau getragen, wenn die Lage für ihn zu eng werde bzw. ihm das günstig erscheine.
Aufgrund des Bewährungswiderrufs befindet sich der Antragsteller seit 8. Juni 2020 erneut – längstens derzeit bis 29. September 2021 – in Strafhaft.
Dies zugrunde gelegt hat das Verwaltungsgericht zu Recht ausgeführt, dass die vom Antragsteller ausgehende (im Sinne des § 53 Abs. 3 AufenthG schwerwiegende) Gefahr bis heute andauert, so dass eine Tatwiederholung konkret zu befürchten ist.
Was die Prognose der Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts angeht, ist zunächst festzuhalten, dass Betäubungsmitteldelikte zu den schweren, Grundinteressen der Gesellschaft berührenden und schwer zu bekämpfenden Straftaten gehören. Die Folgen, insbesondere für junge Menschen, können äußerst gravierend sein. Der Gerichtshof der Europäischen Union sieht in der Rauschgiftsucht ein „großes Übel für den Einzelnen und eine soziale und wirtschaftliche Gefahr für die Menschheit“ (vgl. EuGH, U.v. 23.11.2010 – Rs. C-149/09, „Tsakouridis“ – NVwZ 2011, 221 Rn. 47). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat mehrfach klargestellt, dass er bei der Verurteilung eines Ausländers wegen eines Betäubungsmitteldeliktes – wie hier vorliegend – in Anbetracht der verheerenden Auswirkungen von Drogen auf die Bevölkerung Verständnis dafür hat, dass die Vertragsstaaten in Bezug auf diejenigen, die zur Verbreitung dieser Plage beitragen, entschlossen durchgreifen (U.v. 30.11.1999 – Nr. 3437/97 „Baghli“ – NVwZ 2000, 1401; U.v. 17.4.2013 – Nr. 52853/99 „Yilmaz“ – NJW 2004, 2147; vgl. auch OVG NW, B.v. 17.3.2005 – 18 B 445.05 – juris). Die von unerlaubten Betäubungsmitteln ausgehenden Gefahren betreffen die Schutzgüter des Lebens und der Gesundheit, welche in der Hierarchie der in den Grundrechten enthaltenen Werteordnung einen hohen Rang einnehmen. Rauschgiftkonsum bedroht diese Schutzgüter der Abnehmer in hohem Maße und trägt dazu bei, dass deren soziale Beziehungen zerbrechen und ihre Einbindung in wirtschaftliche Strukturen zerstört wird. Die mit dem Drogenkonsum häufig einhergehende Beschaffungskriminalität schädigt zudem die Allgemeinheit, welche ferner auch für die medizinischen Folgekosten aufkommen muss (BayVGH, B.v. 14.10.2013 – 19 ZB 12.1877).
Bei der Gefahrenprognose ist weiter zu berücksichtigen, dass der Antragsteller aufgrund des Strafurteils des Landgerichts N.-F. vom 16. November 2016 (im Ergebnis erfolglos) in einer Entziehungsanstalt (Bezirksklinikum P.) untergebracht war. Wie bereits oben ausgeführt, musste die Strafrestaussetzung zur Bewährung wegen Suchtmittelrückfalls widerrufen werden. Es liegt daher beim Antragsteller eine nicht erfolgreich therapierte Drogenabhängigkeit vor. Ausgehend von dem bisherigen Drogenkonsumverhalten des Antragstellers, seinem Bewährungsversagen, seiner Haftunempfindlichkeit, seiner erfolglosen Unterbringung in einer Entziehungsanstalt, seine Risiken aufweisende Lebensumstände und wegen der Häufigkeit der Straffälligkeit ist eine erhebliche Wiederholungsgefahr insbesondere auch wegen der weiterhin nicht ausreichend überwundenen Suchtproblematik zu bejahen. Gerade bei Straftaten, die auf einer Suchterkrankung des Ausländers beruhen, kann von einem Wegfall der für die Ausweisung erforderlichen Wiederholungsgefahr nicht ausgegangen werden, solange der Ausländer nicht eine Drogentherapie erfolgreich abgeschlossen und die damit verbundene Erwartung eines künftig drogen- und straffreien Verhaltens nach Therapieende glaubhaft gemacht hat (z.B. BayVGH, B.v. 31.1.2019 – 10 ZB 18.1534 – juris Rn. 13). Denn solange sich der Ausländer nicht außerhalb des Straf- bzw. Maßregelvollzugs bewährt hat, kann nicht mit der erforderlichen Notwendigkeit auf einen dauerhaften Einstellungswandel und eine innerlich gefestigte Verhaltensänderung geschlossen werden, die ein Entfallen der Wiederholungsgefahr rechtfertigen würde (z.B. BayVGH, a.a.O.). All diese Umstände berücksichtigend gibt es keinen vernünftigen Grund, die vom Verwaltungsgericht getroffene Gefahrenprognose anzuzweifeln, es bestehe ausgehend vom persönlichen Verhalten des Betroffenen gegenwärtig eine konkrete hohe Wahrscheinlichkeit, dass der Antragsteller wieder straffällig wird, mithin eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung (§ 53 Abs. 3 AufenthG).
Auch die Gesamtabwägung des Verwaltungsgerichts gemäß § 53 Abs. 1, 2 und 3 AufenthG ist ersichtlich nicht zu beanstanden. Die Ausweisung erweist sich für die Wahrung des Grundinteresses der Gesellschaft – hier insbesondere der Schutz von Leben und Gesundheit – als unerlässlich (§ 53 Abs. 3 AufenthG).
Im Rahmen der Prüfung der Unerlässlichkeit der Ausweisung nach § 53 Abs. 3 AufenthG ist zu beachten, dass die Grundrechte des Betroffenen, insbesondere das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens sowie der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt sein müssen, wobei sämtliche konkreten Umstände, die für die Situation der Betroffenen kennzeichnend sind, zu berücksichtigen sind (vgl. BayVGH, U.v. 3.2.2015 – 10 BV 13.421 – juris Rn. 77 m.w.N.). Unerlässlichkeit ist dabei nicht im Sinne einer „ultima ratio“ zu verstehen, sondern bringt den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für die Ausweisung von Unionsbürgern und Assoziationsberechtigten entwickelten Grundsatz zum Ausdruck, dass das nationale Gericht eine sorgfältige und umfassende Prüfung der Verhältnismäßigkeit vorzunehmen hat (BayVGH, B.v. 27.9.2017 – 10 ZB 16.823 – juris Rn. 20). Auch im Rahmen des § 53 Abs. 3 AufenthG ist unter Berücksichtigung des besonderen Gefährdungsmaßstabs für die darin bezeichneten Gruppen von Ausländern eine Abwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach § 53 Abs. 1 (i.V.m. Abs. 2) durchzuführen.
Vorliegend ergibt die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung auch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK, dass das Interesse des Antragstellers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet das öffentliche Interesse an der Ausreise nicht überwiegt:
Insbesondere ist die Ausweisungsverfügung nicht im Hinblick auf Art. 6 GG oder Art. 8 EMRK als unverhältnismäßig anzusehen. Folgend den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerfG, B.v. 10.5.2007 – 2 BvR 304/07, BVerwG, U.v. 23.10.2007 – 1 C 10/07 – jeweils juris) und den maßgeblichen Kriterien seitens des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (vgl. z.B. EGMR, U.v. 13.10.2011 – „Trabelsi“ – Nr. 41584/06 – juris) sind die persönlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers sowie das öffentliche Interesse zutreffend abgewogen und gewichtet worden.
In der Rechtsprechung des EGMR ist anerkannt, dass selbst schwerwiegende Beeinträchtigungen familiärer Beziehungen nicht stets das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung verdrängen. Vielmehr ist anhand der so genannten „Boultif-Kriterien“ ein gerechter Ausgleich der gegenläufigen Interessen zu finden (vgl. z.B. U.v. 18.10.2006 – „Üner“ – juris Rn. 57 ff.). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist zu berücksichtigen, dass Art. 6 GG keinen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt gewährt und allein aufgrund formal-rechtlicher Bindungen ausländerrechtliche Schutzwirkungen nicht entfaltet (vgl. BVerfG, B.v. 1.12.2008 – 2 BvR 1830/08 – juris). Hinsichtlich geltend gemachter Eltern-Kind-Beziehungen ist zu würdigen, in welcher Form die Elternverantwortung ausgeübt wird und welche Folgen eine endgültige oder vorübergehende Trennung für eine gelebte Eltern-Kind-Beziehung und das Kindeswohl hätte (vgl. BVerfG, B.v. 5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – NVwZ 2013, 1207). Allerdings ist eine Aufenthaltsbeendigung für einen Elternteil aus schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung insbesondere bei schweren Straftaten nicht generell und unter allen Umständen ausgeschlossen. Selbst ein mit einem minderjährigen deutschen Kind bestehendes Familienleben bzw. dessen Kindeswohl hat nicht generell und ausnahmslos Vorrang vor dem öffentlichen Vollzugsinteresse (vgl. BVerwG, B.v. 10.2.2011 – 1 B 22.10 – juris Rn. 4; B.v. 21.7.2015 – 1 B 26.15 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 21.5.2019 – 10 B 19.55 – juris Rn. 44). Wie der Gerichtshof betont auch das Bundesverfassungsgericht, dass selbst gewichtige familiäre Belange sich nicht stets gegenüber gegenläufigen öffentlichen Interessen durchsetzen (z.B. B.v. 23.1.2006 – 2 BvR 1935/05 – juris Rn. 23).
Davon ausgehend hat das Verwaltungsgericht zu Recht festgestellt, dass die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung vor allem mit Blick auf die Anforderung der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 GG und des Art. 8 Abs. 1 EMRK ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise das Interesse des Antragstellers an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet überwiegt. Insbesondere hat das Verwaltungsgericht alle in die vorzunehmende Gesamtabwägung einzustellenden Umstände berücksichtigt und auch nicht fehlgewichtet. Es hat zum einen die familiären Bindungen (insbesondere auch die Geburt seines Sohnes) des im Bundesgebiet geborenen Antragstellers gesehen. Es ist bei der vorzunehmenden Abwägung aller Umstände des Einzelfalls in rechtlich nicht zu beanstandender Weise zu dem Ergebnis gelangt, dass der Eingriff in das Recht auf Achtung des Privatlebens beim Antragsteller als im Sinne des Art. 8 Abs. 2 EMRK gerechtfertigt und verhältnismäßig anzusehen ist, weil die vom ihm ausgehende Gefahr für bedeutende Schutzgüter, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt, auch unter Berücksichtigung seiner persönlichen Interessen eine Ausweisung unerlässlich macht.
Auch wenn der Antragsteller zwischenzeitlich die Vaterschaft für das am 7. Oktober 2020 geborene Kind am 27. Mai 2021 anerkannt hat und die Mutter des Kindes am 31. Mai 2021 ihre Zustimmung zu dieser Vaterschaftsanerkennung erteilt hat, vermag dies keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Eine unzumutbare Beeinträchtigung familiäre Belange ergibt sich unter Berücksichtigung dieser aktuellen Umstände nicht. Entscheidend ist, ob die Ausgestaltung des Umgangs (noch) als Ausübung von Elternverantwortung angesehen werden kann (vgl. Bergmann/Dienelt/Bauer, 13. A. 2020, AufenthG § 55 Rn. 14). Maßgeblich ist die tatsächliche Ausübung des Rechts, nicht dessen bloßes Bestehen; es geht um eine „tatsächlich gelebte Nähebeziehung, d. h. ein tatsächliches Kümmern um den deutschen Minderjährigen“ (BeckOK MigR/Katzer, 8. Ed. 1.5.2021, AufenthG § 55 Rn. 23). Der Antragsteller ist durch seine Inhaftierung, die schon zum Zeitpunkt der Geburt seines Sohnes bestand, jedoch an der Wahrnehmung seiner familiären Pflichten verhindert. Eine familiäre Beistandsgemeinschaft konnte deshalb bisher und kann auch derzeit bis zum voraussichtlichen Entlassungszeitpunkt am 21. September 2021 nicht gelebt werden. Deshalb scheidet auch die für die Annahme eines besonders schwerwiegenden Bleibeinteresses nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 AufenthG erforderliche Ausübung des Personensorgerechts hier aus, weil das Kind des Antragstellers erst während seiner Inhaftierung geboren wurde und der Antragsteller die Freiheitsstrafe nicht im offenen Vollzug verbüßt (vgl. BeckOK AuslR/Fleuß, 29. Ed. 1.4.2021, AufenthG § 55 Rn. 49-51). Das Kind wächst damit schon seit seiner Geburt haftbedingt ohne den Vater auf. Es ist nicht vorgetragen oder ersichtlich, dass das Kind seinen Vater bislang schon überhaupt gesehen hat; vielmehr wurde vorgetragen, dass ein tatsächlicher Umgang bislang noch nicht ausgeübt werden konnte. In Anbetracht der schwerwiegenden gegenläufigen öffentlichen Interessen vermögen daher sich die vom Antragsteller geltend gemachten familiären Belange nicht durchzusetzen. Die Schutzwürdigkeit der familiären Beziehungen des Antragstellers werden durch die schwerwiegenden öffentlichen Interessen (die aus der massiven Delinquenz des Antragstellers resultierende Sicherheitsgefahr für die Bundesrepublik Deutschland) überlagert.
Der Ausweisung steht auch eine möglicherweise beim Antragsteller bestehende Stellung als „faktischer Inländer“ nicht entgegen. Der Begriff „faktischer Inländer“ ist nicht einheitlich definiert, sondern wird in der Rechtsprechung unterschiedlich umschrieben. Das Bundesverwaltungsgericht bezeichnet faktische Inländer als „im Bundesgebiet geborene und aufgewachsene Kinder, deren Eltern sich hier erlaubt aufhalten“ (vgl. BVerwG, U.v. 16.7.2002 – 1 C 8/02, BVerwGE 116, 378 – juris Rn. 23). Das Bundesverfassungsgericht umschreibt den Begriff mit „hier geborene bzw. als Kleinkinder nach Deutschland gekommene Ausländer“ (vgl. BVerfG, B.v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 – InfAuslR 2017, 8, juris Rn. 19). Ob es sich bei dem Antragsteller um einen „faktischen Inländer“ handelt, kann dahinstehen. Denn letztlich entbindet die Bezeichnung eines Ausländers als „faktischer Inländer“ nicht davon, die im jeweiligen Einzelfall gegebenen Merkmale der Verwurzelung zu prüfen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besteht auch für sogenannte „faktische Inländer“ kein generelles Ausweisungsverbot (vgl. BVerfG, B.v. 19.10.2016 – 2 BvR 1943/16 – InfAuslR 2017, 8, juris Rn. 19). Bei der Ausweisung im Bundesgebiet geborener Ausländer ist im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung der besonderen Härte, die eine Ausweisung für diese Personengruppe darstellt, in angemessenem Umfang Rechnung zu tragen. Auch nach der Rechtsprechung des EGMR bietet Art. 8 EMRK bei sogenannten „Zuwanderern der zweiten Generation“ keinen absoluten Schutz vor einer Aufenthaltsbeendigung (vgl. EGMR – Große Kammer -, U.v. 18.10.2006 – 46410/99 Rn. 54 – Üner, NVwZ 2007, 1279).
Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung, welche die besondere Härte, die eine Ausweisung für diese Personengruppe darstellt, in angemessenem Umfang zu berücksichtigen hat, ist bei Ermittlung der privaten Belange in Rechnung zu stellen, inwieweit der Ausländer unter Berücksichtigung seines Lebensalters in die hiesigen Lebensverhältnisse integriert ist. Als Gesichtspunkte für das Vorhandensein von anerkennenswerten Bindungen können Integrationsleistungen in persönlicher, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht von Bedeutung sein, der rechtliche Status, die Beachtung gesetzlicher Pflichten und Verbote, der Grund für die Dauer des Aufenthalts und Kenntnisse der deutschen Sprache. Diese Bindungen des Ausländers im Inland sind in Beziehung zu setzen zu den (noch vorhandenen) Bindungen an seinen Heimatstaat. Hierzu gehört die Prüfung, inwieweit der Ausländer unter Berücksichtigung seines Lebensalters, seiner persönlichen Befähigung und seiner familiären Anbindung im Heimatland von dem Land seiner Staatsangehörigkeit bzw. Herkunft entwurzelt ist.
Davon ausgehend ist nicht zu beanstanden, wenn nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichts das Maß der Verwurzelung des Antragstellers im Bundesgebiet einer Ausweisung vorliegend nicht entgegensteht. Unabhängig davon, ob der Antragsteller mit seinem Beschwerdevorbringen insoweit dem Darlegungsgebot (§ 146 Abs. 4 Sätze 3 und 4 VwGO) genügt, wenn er lediglich darauf verweist, dass er sich seit seiner Geburt im Bundesgebiet aufhält, hat das Verwaltungsgericht jedenfalls zu Recht darauf hingewiesen, dass dem Antragsteller eine dauerhafte Integration in die Lebensverhältnisse der Bundesrepublik Deutschland nicht gelungen ist. Weder verfügt der Antragsteller über eine abgeschlossene Berufsausbildung (eine entgegenstehende Angabe in dem Urteil des Landgerichts N.-F. vom 16. November 2016 wird durch die Aussage des Antragstellers in den Bericht des Bezirkskrankenhauses P. vom 20. September 2020 dahingehend präzisiert, dass er zwei Monate vor dem Ende der Ausbildung, da er sich von seinem Ausbildungsbetrieb ausgenutzt gefühlt habe und nicht übernommen worden wäre, die Ausbildung vor den Abschlussprüfungen beendet habe) noch ist zu erwarten, dass der Antragsteller nach seiner Haftentlassung auf ein Arbeitsplatzangebot zurückgreifen kann, da der Antragsteller vor seiner Inhaftierung – soweit er nicht ohnehin arbeitssuchend war – lediglich nur kurzzeitige und wechselnde Beschäftigungsverhältnisse aufweisen kann. Auch im Übrigen sind keine sonstigen Integrationsleistungen erkennbar oder Anhaltspunkte dafür vorgetragen. Nicht zuletzt stand auch – wie bereits ausgeführt – die massive Delinquenz und das tiefgreifende Drogenproblem des Antragstellers einer gelungenen Integration bzw. Verwurzelung in der Bundesrepublik Deutschland entgegen. Zu Recht weist das Verwaltungsgericht (ebenso die Antragsgegnerin) zudem darauf hin, dass dem Antragsteller eine Ausreise in die Türkei zumutbar ist. Es ist weder ausreichend vorgetragen noch sonst ersichtlich, dass sich der Antragsteller in der Türkei keine Lebensgrundlage schaffen könnte. Es ist ihm auch möglich und zumutbar, den Kontakt zu seiner Familie und zu der Mutter seines Sohnes sowie seinem Sohn von der Türkei aus aufrecht zu erhalten. Auch im Übrigen erweisen sich die Ausführungen des Verwaltungsgerichts – ohne zu verkennen, dass sich die streitgegenständliche Ausweisung in Anbetracht des Aufenthalts des Antragstellers seit Geburt im Bundesgebiet und seiner familiären Bindungen als gravierender Grundrechtseingriff darstellt – im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit und Zumutbarkeit der Verfügung als zutreffend. In Anbetracht der Schwere und der Anzahl der Delinquenz des Antragsstellers, dem Rückfall in den Drogenkonsum und dem dadurch bedingten Bewährungswiderruf überwiegt das Ausweisungsinteresse. Es kann nicht festgestellt werden, dass das Verwaltungsgericht die im Einzelfall für den Ausländer sprechenden Umstände ausgeblendet hätte.
2. Die Anordnung des Sofortvollzugs ist als Präventivmaßnahme zur Abwehr der mit der Ausweisungsverfügung zu bekämpfenden, akuten Gefahren auch schon vor dem Abschluss des Hauptsacheverfahrens erforderlich. Diese Erforderlichkeit ist regelmäßig dann zu bejahen, wenn – wie hier – die Ausweisung von schwerwiegenden Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Bereich der Spezialprävention getragen wird, die nicht nur langfristig, sondern auch schon während des Klageverfahrens Geltung beanspruchen (vgl. z.B. BayVGH, B.v.2.8.2016 – 19 CS 16.878; NdsOVG, B.v. 16.12.2011 – 8 ME 76/11 – juris Rn. 40; VGH BW, B.v. 25.6.1998 – 11 S 682/98 – juris Rn. 4 f.; OVG NW, B.v. 24.2.1998 – 18 B 1466/96 – juris Rn. 30 f.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor.
3. Schließlich überwiegen die bei einem Aufschub des Vollzugs eintretenden konkreten Nachteile für die gefährdeten Rechtsgüter die den Antragsteller betreffenden Folgen der sofortigen Vollziehung. Der Senat verkennt nicht, dass die sofortige Vollziehung der Ausweisung durch die Aufenthaltsbeendigung eine schwerwiegende Maßnahme darstellt, die erheblich in das Leben des Antragstellers eingreift. Er wird – jedenfalls bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens – gezwungen, das Bundesgebiet zu verlassen, hier seine familiären Bindungen zu unterbrechen und sein Leben im Heimatland zu bestreiten. Wie bereits ausgeführt, kann auch insbesondere die erfolgte Vaterschaftsanerkennung für den am 7. Oktober 2020 geborenen Sohn im Ergebnis nicht zu einer anderen Beurteilung führen. Über ein (unbefristetes) Arbeitsverhältnis, das er nach Ende der Haftzeit weiterführen könnte, hat er nichts berichtet. Vielmehr ergibt sich aus den strafrichterlichen Feststellungen vom 16. November 2016, dass dem Antragsteller im Sommer 2015 die Arbeitsstelle gekündigt worden und er bis zu seiner Inhaftierung arbeitssuchend gewesen sei. Auch vor der weiteren Haft ab dem 8. Juni 2020 auf Grund des Bewährungswiderrufs verfügte der Antragsteller nur über eine bis 1. August 2020 befristete Beschäftigung. Dem Bericht des Bezirkskrankenhauses P. vom 20. September 2020 ist auch zu entnehmen, dass der Antragsteller seine Ausbildung vor den Abschlussprüfungen beendet habe und damit nicht über eine abgeschlossene Berufsausbildung verfügt. Zu berücksichtigen ist zudem, dass die früheren Berufstätigkeiten sein delinquentes Verhalten nicht verhindert haben. Auch sind die Wirkungen des Sofortvollzugs im Falle eines Obsiegens im Hauptsacheverfahren für den Antragsteller, dem eine soziale Wiedereingliederung im Bundesgebiet für diesen Fall möglich und zumutbar ist, weitgehend reparabel. Dies gilt für die von einem Aufenthalt des Antragstellers im Bundesgebiet gefährdeten Rechtsgüter (der Antragsteller hat neben Rauschmitteldelikten auch Gewaltdelikte begangen) nicht. Realisiert sich die beschriebene konkrete Gefahr, dass der Antragsteller im Bundesgebiet erneut erhebliche Straftaten begeht, insbesondere Delikte gegen Leib, Leben und Gesundheit Dritter, ggf. im Zusammenhang mit seiner nicht überwundenen Drogensucht, sind die dann eingetretenen Schädigungen regelmäßig nicht mehr wieder gut zu machen. Angesichts des hohen Rangs der Schutzgüter und der in Betracht zu ziehenden Irreparabilität ihrer Beeinträchtigung überwiegen diese im vorliegenden Einzelfall die den Antragsteller betreffenden Folgen der sofortigen Vollziehung.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 47 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG, wobei im vorläufigen Rechtsschutzverfahren der sogenannte Auffangstreitwert halbiert wird.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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