Strafrecht

Beleidigung eines Polizeibeamten durch Mitteilung des Verdachts einer strafbaren Handlung

Aktenzeichen  4 Cs 140 Js 21405/15

Datum:
23.3.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Sonthofen
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB StGB § 185
GG GG Art. 5 Abs. 1

 

Leitsatz

Bei dem gegenüber dem betroffenen Polizeibeamten und seinem Vorgesetzten geäußerten Verdacht, bei einer Wohnungsdurchsuchung seien unerlaubte Substanzen deponiert worden, handelt es sich um eine als Beleidigung zu wertende Schmähkritik (so bestätigt vom Berufungs- und Revisionsgericht – BeckRS 2016, 115152 -, sowie im Ergebnis auch vom Bundesverfassungsgericht – BeckRS 2017, 102107 -, das die Handlung jedoch als von der Meinungsfreiheit grundsätzlich erfasstes Werturteil ansieht und lediglich eine ausreichende Tatsachengrundlage für die Behauptung vermisst). (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Angeklagte ist schuldig der Beleidigung und wird deshalb verwarnt.
2. Die Verhängung einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 30,- EUR bleibt vorbehalten.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Angewandte Bestimmungen:
§§ 185, 194 Abs. 1 StGB.

Gründe

I.
Der Angeklagte ist deutscher Staatsangehöriger, Er ist als Lohn- und Finanzbuchhalter beschäftigt und verdient ca. 2.200,- EUR netto.
Der Angeklagte hat vier unterhaltspflichtige Kinder.
Das Bundeszentralregister weist keine Eintragungen auf.
II.
Am 05.08.2015 versandten Sie per Fax ein, am selben Tag von Ihnen verfasstes, Schreiben an das Polizeipräsidium Schwaben Süd-West, Herrn Polizeipräsidenten M…, in dem Sie diesen baten, dem POM H… . Polizeibeamter der Verkehrspolizeiinspektion Kempten, nahezulegen, seinen Dienst ordnungsgemäß und gesetzeskonform auszuüben.
Das Anschreiben hatte folgenden Wortlaut:
„Sehr geehrter Herr M,
in der Anlage übersende ich Ihnen mein heutiges Schreiben an Ihren Mitarbeiter Herrn H. … zu Ihrer geschätzten Aufmerksamkeit.
Ich möchte hierbei jedoch ausdrücklich erwähnen, dass es sich noch nicht um eine Dienstaufsichtsbeschwerde handelt, sondern dies lediglich zu Ihrer Information gedacht ist.
Es wäre sehr freundlich von Ihnen, wenn Sie dem Beamten … nochmals nahe legen könnten, seinen Dienst ordnungsgemäß den Regeln und Gesetz konform auszuüben.
Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne unter meiner geschäftlichen Rufnummer 08321/… zur Verfügung.
Für Ihre Bemühungen bedanke ich mich im Voraus.”
Im Anhang befand sich ein weiteres, von Ihnen verfasstes Schreiben, das an den Polizeibeamten T… H… adressiert war und dass Sie am selben Tag an diesen übersandten. POM Hm war Sachbearbeiter eines Verfahrens gegen Ihren Stiefsohn, A… R…
Das Schreiben hat folgenden Inhalt:
„Sehr geehrter Herr H…
bezugnehmend auf o.g. Ermittlungsverfahren möchte ich zunächst ausführen, dass ich der Stiefvater des Beschuldigten, Herrn R…, bin.
Leider ist mein Stiefsohn derzeit nicht in der Lage, selber mit Ihnen telefonisch Kontakt aufzunehmen, weswegen ich mich nunmehr, ordnungsgemäß durch Herrn R…bauftragt, schriftlich in dieser Angelegenheit an Sie wende.
In erster Linie geht es zunächst um die von Ihnen mündlich, am Telefon ausgesprochene Vorladung zur Vernehmung meines Stiefsohnes.
Hierbei ist auszuführen, dass es sich bei einer polizeilichen Vorladung um einen Verwaltungsakt handelt, der prinzipiell Schriftform erfordert. Da dies in diesem Fall nicht gegeben scheint, ist die von Ihnen ausgesprochene Vorladung als nichtig anzusehen.
Desweiteren sei hier ausgeführt, dass nach § 161 a StPO lediglich einer staatsanwaltschaftlichen Vorladung bzw. einer richterlichen Vorladung Folge zu leisten ist.
Eine polizeiliche Vorladung ist rechtlich jedenfalls lediglich als Einladung anzusehen, der nicht folge geleistet werden muss. Entsprechend hat Ihnen mein Stiefsohn bereits telefonisch mitgeteilt,, dass er eine Einladung zur Vernehmung nicht wahrnehmen wird.
Ihre daraufhin gemachte Aussage, dass er trotzdem bei der Polizeiinspektion vorbeikommen müsse, da er dies schriftlich bestätigen müsse, entbehrt jeder rechtlichen Grundlage.
Dies ist jedenfalls, meiner Meinung nach, als Vorspielung falscher Tatsachen, wenn nicht sogar als vorsätzliche Täuschung zu sehen, um den Beschuldigten zunächst auf die Inspektion zu bekommen, um dann evtl. in nicht rechtmäßiger Art und Weise trotz Widerspruch des Beschuldigten eine Vernehmung durchführen zu können bzw. zumindest beginnen zu können.
Diese Arzt Ihrer ungesetzlichen Vorgehensweise zeichnete sich ja bereits bei der angeblichen Durchsuchung der Wohnung meiner Schwiegereltern ab, als Sie lediglich allein mit einem Kollegen aufgrund eines angeblichen richterlichen Beschlusses erneut die Räumlichkeiten durchsuchen wollten.
Ein Durchschlag bzw. eine Kopie dieses angeblichen Durchsuchungsbeschlusses wurde Ihrerseits jedoch nicht ausgehändigt. Ihrer eigenen telefonischen Aussage zufolge, welche Sie meiner Frau gegenüber in einem Telefonat tätigten, handelt es sich auf einmal nicht um eine Durchsuchung, da Sie die Räumlichkeiten umgehend verlassen hätten, nachdem festgestellt wurde, dass der Beschuldigte, Herr R… A …, sich nicht in den Räumlichkeiten aufhält. Zudem hätten Sie auch keinen Beschluss benötigt, da der Wohnungseigentümer Sie aus freien Stücken in die Wohnung gelassen hätte.
Diese Widersprüchlichkeiten lassen für mich jedoch nur den Schluss zu, dass Sie sich, meiner Meinung nach, unerlaubt Zugang zu den Räumlichkeiten verschafft haben, indem Sie meinen Schwiegervater meiner Meinung nach vorgetäuscht haben, dass ein erneuter Durchsuchungsbeschluss vorliegen würde. Inn weiteren besteht für mich nach diesem unerlaubten Zutritt nunmehr sogar der Verdacht, dass Sie persönlich in den Räumlichkeiten meiner Schwiegereltern unerlaubte Substanzen aus der Asservatenkammer deponiert haben, um bei einerweiteren, ordentlichen Durchsuchung Beweismaterial sicherstellen zu können.
Bezüglich der bisher getätigten vorgenannten Äußerungen meinerseits möchte ich Sie freundlichst darauf hinweisen, sollten Sie weiterhin in der beschriebenen Art und Weise Ihre Ermittlungen tätigen, indem Sie weiterhin mittelbar oder unmittelbar betroffene Personen vorsätzlich täuschen, dass wir uns unsererseits rechtliche Schritte gegen Sie vorbehalten werden.”
Strafantrag wurde form- und fristgerecht gestellt.
III.
Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der glaubhaften Angaben des Angeklagten.
Der Angeklagte vertritt die Auffassung, dass seine Darstellung vom Recht auf Meinungsfreiheit gedeckt ist.
Er habe zu keinem Zeitpunkt gewollt, dass gegen den Geschädigten H … zumindest ein Strafverfahren eingeleitet wird bzw. Ermittlungen aufgenommen werden.
Aus diesem Grund hat er darauf hingewiesen, dass es sich bei der Übersendung des Schreibens an den Herrn M… keine Dienstaufsichtsbeschwerde handeln soll.
IV.
Der Angeklagte ist schuldig der Beleidigung.
Das Gericht schließt sich vorliegend den Ausführungen der Staatsanwaltschaft an, dass es sich vorliegend um eine unzulässige Schmähkritik und somit um eine Beleidigung handelt.
Das Gericht schließt sich weiterhin der Ansicht der Staatsanwaltschaft an, dass es sich vorliegend um keine Falschverdächtigung handelt nachdem der Angeklagte vorliegend daraufhingewiesen hat, dass es sich um keine Dienstaufsichtsbeschwerde handeln soll.
Bei der Äußerung gegenüber dem Geschädigten H… handelt es sich nach Auffassung des Gerichts um eine Beleidigung, da es sich hier um eine unzulässige Schmähkritik handelt.
Das Gericht nimmt zunächst Bezug auf das Bundesverfassungsgericht; BVerfG (1. Kammer des Ersten Senats), Beschluss vom 29. 7. 2003 – 1 BvR 2145/02
„Mit Rücksicht auf seinen den Schutz der Meinungsfreiheit verdrängenden Effekt ist der Begriff der Schmähung eng auszulegen. Eine Äußerung nimmt dann den Charakter einer Schmähung an, wenn in ihr nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht; sie muss jenseits auch polemischer und ü überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person bestehen.“
Die Schilderung, dass der POM H… wie folgt verhalten hat:
„Im weiteren besteht für mich nach diesem unerlaubten Zutritt nunmehr sogar der Verdacht, dass Sie persönlich in den Räumlichkeiten meiner Schwiegereitern unerlaubte Substanzen aus der Asservate n kämme r deponiert haben, um bei einerweiteren, ordentlichen Durchsuchung Beweismaterial sicherstellen zu können.“
Stellt unproblematisch eine Schmähkritik da.
Es handelt sich um eine bloße Vermutung des Angeklagten die einzig dem Zweck diente die Person H… herabzusezten. Vergleiche oben zitiertes Urteil des BVerG:
… nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund steht; sie muss jenseits auch polemischer und ü überspitzter Kritik in der Herabsetzung der Person bestehen.”
Dies war bei der Vermutung, dass POM … Asservate entwendet eindeutig der Fall. DerAnge-klagle gab selbst an, dass er zu dieser Vermutung durch die im Allgäu bekannte „Koksaffäre“ inspiriert wurde.
Vergleiche hierzu auch Ausführungen des BGH NJW 2002,1192:
„Wegen seines die Meinungsfreiheit des Art. GG Artikel 5 GG Artikel 5 Absatz I GG verdrängenden Effekts ist der Begriff der Schmäkritik eng auszulegen. Auch eine ü überzogene, ungerechte oder gar ausfällige Kritik macht eine Ä Äuß ßerung fü ür sich genommen noch nicht zur Schmähung. Von einer solchen kann vielmehr nur dann die Rede sein, wenn bei der Äußerung nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung des Betroffenen im Vordergrund steht, der jenseits polemischer und ü überspitzter Kritik herabgesetzt und gleichsam an den Pranger gestellt werden soll (vgl. z.B. Senat, NJW 2000, NJW Jahr 2000 Seite 1036 = LM H. 8/2000 § § 823 [Ah] BGB Nr. 130 = VersR 2000, VERSR Jahr 2000 Seite 327 [VERSR Jahr 2000 Seite 330]. und NJW 2000, NJW Jahr 2Q00 Seite 3421 = LM H. 1/2001 Art. 5 GrundG Nr. 94 = VersR 2000, VERSR Jahr 2000 Seite 1162 [VERSR Jahr 2000 Seite 1163], jew. m.w. Nachw.).”
V.
Bei der Strafzumessung war zu berücksichtigen, dass der Angeklagte den Sachverhalt eingeräumt hat. Es war weiterhin zu berücksichtigen, dass durch das Schreiben kein Schaden entstanden ist, da derartigen Schreiben im Normalfall von Vorgesetzten nicht ernstgenommen werden.
Desweiteren war strafmildernd zu berücksichtigen, dass der Angeklagte den Dienstweg eingehalten hat und die Handlung begangen hat um offensichtlich seinen Stiefsohn zu schützen.
Das Gericht erachtete vor dem Hintergrund, dass sich der Angeklagte bislang straflos gehalten hat, den Ausspruch einer Verwarnung für ausreichend.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 464, 465 StPO.


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