Strafrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis bei einmaliger Fahrt unter Cannabiseinfluss

Aktenzeichen  W 6 S 20.277

Datum:
25.2.2020
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
LSK – 2020, 5538
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5, § 155 Abs. 1 S. 1
StVG § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 46 Abs. 1 S. 1, § 14 Abs. 1 S. 3
VwZVG Art.21, Art. 38 Abs. 1 S.1

 

Leitsatz

Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid des Landratsamtes M.-S. vom 28. Januar 2020 wird insoweit wiederhergestellt, als dem Antragsteller die Fahrerlaubnis entzogen wurde (Nr. 1 des Bescheides).
II. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach Ziffer I wird von folgender Auflage abhängig gemacht:
Der Antragsteller legt dem Landratsamt M.-S. zum Nachweis seiner aktuellen Drogenabstinenz ab Zustellung dieses Beschlusses bis zur abschließenden Entscheidung über den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 28. Januar 2020 auf Anforderung des Landratsamts und auf seine Kosten Nachweise über unangekündigte Urinanalysen vor.
III. Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
IV. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu einem Drittel und der Beklagte zu zwei Dritteln.
V. Der Streitwert wird auf 2.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller (geb. …) wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Entzugs seiner Fahrerlaubnis der Klassen AM, B und L.
1. Nach Feststellung der Polizeiinspektion W.-Stadt führte der Antragsteller am 3. Januar 2019 um 23:25 Uhr in Würzburg einen Pkw, obwohl er zuvor Cannabis konsumiert hatte. Eine chemisch-toxikologische Untersuchung der noch am selben Tag entnommenen Blutprobe ergab Werte für Tetrahydrocannabinol (THC) von 1,1 ng/ml, 11-OH-THC (THC-Metabolit) von <0,5 ng/ml (ca. 0,4 ng/ml) sowie THC-COOH (THC-Metabolit) von 13,0 ng/ml.
Mit Schreiben vom 24. Juni 2019 forderte das Landratsamt M.-S. (künftig: Landratsamt) den Antragsteller auf, bis zum 25. Oktober 2019 ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle vorzulegen. Das Gutachten sollte folgende Fragestellung klären: „Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass Sie künftig ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis oder dessen Nachwirkungen führen werden (Fähigkeit zum Trennen von Konsum und Verkehrsteilnahme)?“ Die Anordnung wurde dem Antragsteller am 5. Juli 2019 zugestellt.
Der Antragsteller benannte die TÜV … GmbH (künftig: TÜV …) als Begutachtungsstelle und begab sich am 10. Oktober 2019 zur Begutachtung. Das Landratsamt gab dem Antragsteller Gelegenheit, das Gutachten bis spätestens 20. November 2019 vorzulegen. Nachdem bis dahin keine Vorlage erfolgte, forderte das Landratsamt den Antragsteller auf, bis 9. Dezember 2019 zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis Stellung zu nehmen.
Mit Schriftsatz vom 9. Dezember 2019 bat der Bevollmächtigte des Antragstellers um Fristverlängerung. Zur Begründung führte er aus, das eingeholte Gutachten sei mangelhaft und der Antragsteller habe deshalb beim TÜV Hessen eine Nachbesserung verlangt. Das Landratsamt bewilligte die Fristverlängerung. Mit Schreiben vom 9. Januar 2019 übersandte der Bevollmächtigte des Antragstellers schließlich das medizinisch-psychologische Gutachten des TÜV Hessen vom 31. Oktober 2019 (Absendetag) dem Landratsamt und bat, von einer Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen, bis die Nacherfüllung mit der Begutachtungsstelle geklärt ist.
Mit Schriftsatz vom 14. Januar 2020 erklärte das Landratsamt, dass das vorgelegte medizinisch-psychologische Gutachten den Nachweis der Nichteignung erbracht habe und gab dem Antragsteller Gelegenheit, zur beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis bis 24. Januar 2020 Stellung zu nehmen.
2. Mit Bescheid vom 28. Januar 2020 entzog das Landratsamt dem Antragsteller die Fahrerlaubnis (Nr. 1). Die Rückgabe des Führerscheins (Nr. …) für die Klassen AM, B und L, ausgestellt am … spätestens innerhalb von einer Woche nach Zustellung des Bescheids wurde angeordnet bzw. darauf hingewiesen, dass innerhalb dieser Frist bei Verlust des Führerscheins eine Versicherung an Eides Statt abzugeben ist (Nr. 2). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 EUR angedroht (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nr. 1 und 2 wurde angeordnet (Nr. 4). Dem Antragsteller wurden schließlich die Kosten des Verfahrens (Gebühr in Höhe von 80,00 EUR und Auslagen in Höhe von 7,36 EUR) auferlegt (Nr. 5 und 6).
Zur Begründung wurde ausgeführt, Rechtsgrundlage der Entziehung der Fahrerlaubnis sei § 3 Abs. 1 StVG und § 46 Abs. 1 FeV. Erweise sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, habe ihm die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen. Dies gelte vor allem, wenn Mängel gemäß Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen. Bei gelegentlicher Einnahme von Cannabis sei die Fahreignung nur dann gegeben, wenn Konsum und Führen eines Kraftfahrzeuges konsequent getrennt würden (Nr. 9.2.2 der Anlage 4 FeV). Der Antragsteller besitze nicht das Vermögen, den Konsum von Cannabis von der Teilnahme am Straßenverkehr zu trennen. Das vorgelegte Fahreignungsgutachten sei insoweit in seinen Aussagen und Wertungen nachvollziehbar und frei von Widersprüchen und habe den Nachweis erbracht, dass der Antragsteller derzeit nicht die erforderliche Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen besitze. Ein Einstellungswandel sei beim Antragsteller noch nicht vollzogen, da er seine Drogenproblematik noch nicht aufgearbeitet habe. Die Verpflichtung zur Abgabe des Führerscheins ergebe sich aus § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG und § 37 FeV, die ersatzweise Abgabe einer Versicherung an Eides Statt über den Verbleib des Führerscheins aus § 5 Satz 1 StVG. Die sofortige Vollziehbarkeit der Nrn. 1 und 2 des Bescheids sei auf Grundlage des § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse angeordnet worden. Bei Abwägung des Allgemeininteresses und Individualinteressen gehe das Interesse aller Straßenverkehrsteilnehmer am Bestehen des Sofortvollzugs über das Interesse des Antragstellers hinaus. Es sei bekannt, dass von ungeeigneten Fahrzeugführern erhebliche Gefahren für Leib und Leben der übrigen Verkehrsteilnehmer ausgehen würden. Die gelte insbesondere für Fahrer, die unter Einfluss von Cannabis am Straßenverkehr teilnehmen. Ein wirksamer Schutz könne nur durch einen Sofortvollzug erreicht werden, da ansonsten durch Einlegung von Rechtsbehelfen der Eintritt des Schutzzwecks auf längere Zeit hinausgeschoben werden könne. Bei vorläufigem Belassen des Führerscheins könne ein falscher Rechtsschein über den Besitz der Fahrerlaubnis entstehen, weshalb insoweit die Anordnung des Sofortvollzugs erforderlich sei. Die Anordnung des Zwangsgeldes stütze sich auf Art. 29, 30, 31 und 36 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG). Die Höhe des Zwangsgeldes sowie die Abgabefrist des Führerscheins seien angemessen. Die Kostenentscheidung beruhe auf § 6a StVG i.V.m. §§ 3 und 4 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt) i.V.m. Gebührennummer 206. Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers am 29. Januar 2020 zugestellt.
3. Mit Schriftsatz vom 10. Februar 2020, eingegangen bei Gericht am 11. Februar 2020, beantragte der Antragsteller,
die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 28. Januar 2020 unter bestimmten Auflagen hinsichtlich Nr. 1 und Nr. 2 wiederherzustellen und hinsichtlich Nr. 3 anzuordnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, im medizinisch-psychologischen Gutachten vom 31. Oktober 2019 seien keine konkreten Gründe genannt, warum beim Antragsteller eine hinreichende Trennung zwischen der Verkehrsteilnahme und dem Konsum nicht erfolge. Die konkreten Fragen im Rahmen der Begutachtung hätten nicht die Trennung zwischen Konsum und Verkehrsteilnahme betroffen. Es werde im Gutachten nicht darauf eingegangen, welches Wissen zu Gefahren bzgl. des Fahrens unter Einfluss von Cannabis der Antragsteller habe. Inwiefern keine hinreichende selbstkritische Auseinandersetzung hinsichtlich der Drogenproblematik erfolgt sei, werde nicht angegeben. Die Voraussetzungen an ein medizinisch-psychologisches Gutachten gemäß Anlage 4a zu § 11 Abs. 5 FeV seien nicht erfüllt. Der Antragsteller habe sowohl innere als auch äußere Umstände (insb. … … … … …) aufgezeigt, die ein geändertes Verhalten und eine hinreichende Stabilisierung erwarten lassen würden. Die Empfehlung des Gutachters, fachliche Hilfe in Anspruch zu nehmen sowie eines geeigneten lückenlosen Drogenverzichtsnachweises sei problematisch, da ein Abstinenz-Check und Drogenscreening auch vom TÜV … angeboten werde. Dieser sei vom Antragsteller auch zur Nachbesserung des Gutachtens aufgefordert worden. Der Antragsteller habe deshalb eine einstweilige Verfügung und Klage gegen den TÜV … beim Amtsgericht F… eingereicht. Die Antragsgegnerin hätte daher zumindest die gerichtliche Entscheidung über die Nacherfüllung abwarten müssen.
Das Landratsamt beantragte für den Antragsgegner, den Antrag abzulehnen.
Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestehe keine Veranlassung, an der Richtigkeit des medizinisch-psychologischen Gutachtens des TÜV … zu zweifeln. Das Gutachten sei in seinen Aussagen und Wertungen nachvollziehbar und frei von Widersprüchen. Nach Ansicht des Gutachters sei nur eine ungünstige Prognose möglich, da der Antragsteller sich intensiver und kritischer mit seiner Drogenproblematik auseinandersetzen müsse. Zivilrechtliche Verfahren könnten aufgrund der eindeutigen Aussagen des Gutachtens nicht berücksichtigt werden.
Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 erklärte der Antragsteller, dass am 13. Februar 2018 Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. Januar 2020 erhoben wurde und beantragte nunmehr,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 28. Januar 2020 hinsichtlich Nrn. 1 und 2 wiederherzustellen und hinsichtlich Nr. 3 anzuordnen, hilfsweise unter Auflagen.
4. Am 4. Februar 2020 gab der Antragsteller gegenüber dem Landratsamt eine Versicherung an Eides Statt über den Verlust seines Führerscheines ab.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.
II.
Aufgrund der Antragsänderung mit Schriftsatz vom 18. Februar 2020 war lediglich über den Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des am 13. Februar 2020 eingelegten Widerspruchs gegen den Bescheid vom 28. Januar 2020 zu entscheiden.
Der Antrag ist teilweise unzulässig. Soweit der Antrag zulässig ist, ist er unter Beachtung der gemäß Ziffer II des Tenors festgesetzten Auflage begründet.
1. Der Antrag ist unzulässig, soweit die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen die mit Bescheid vom 28. Januar 2020 angeordnete Rückgabe des Führerscheins (Nr. 2 des Bescheids) sowie gegen die hierauf bezogene Zwangsgeldandrohung (Nr. 3 des Bescheids) beantragt wurde.
Zwar stellen die für sofort vollziehbar erklärte Rückgabeanordnung sowie die Androhung des Zwangsgeldes Verwaltungsakte dar, gegen die der Widerspruch keine aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bzw. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 38 Abs. 1 Satz 1, 21a VwZVG). Jedoch fehlt es insoweit derzeit für eine gerichtliche Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO am erforderlichen allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Der Antragsteller hat gemäß § 5 StVG am 4. Februar 2020 gegenüber dem Landratsamt an Eides Statt versichert, dass er zu einem Zeitpunkt zwischen dem 25. und 26. Januar 2020 bemerkt habe, dass er den zurückgeforderten Führerschein – trotz intensiver Nachsuche – nicht mehr auffinden könne. Eine Nachfrage beim Fundamt der Stadt K… sei ohne Erfolg geblieben.
Da eine Rückgabe des Führerscheins aufgrund des Verlustes gegenwärtig nicht möglich ist, bringt eine Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs bezüglich Nrn. 2 und 3 des Bescheides vom 28. Januar 2020 dem Antragsteller keinen rechtlichen oder tatsächlichen Vorteil, sodass insoweit ein rechtlich schutzwürdiges Interesse zur Inanspruchnahme gerichtlichen Eilrechtsschutzes zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt nicht besteht.
2. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des am 12. Februar 2020 eingelegten Widerspruchs gegen den Bescheid vom 28. Januar 2020 ist hinsichtlich der Entziehung der Fahrerlaubnis (Nr. 1 des Bescheids) zulässig und unter Beachtung der in Ziffer II des Tenors getroffenen Auflage auch begründet.
Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis entfällt im vorliegenden Fall, da die Behörde gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO die sofortige Vollziehung angeordnet hat.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht prüft, ob die formellen Voraussetzungen für die Anordnung der sofortigen Vollziehung gegeben sind. Im Übrigen trifft es eine eigene Abwägungsentscheidung anhand der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO normierten Kriterien. Hierbei ist das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung gegen das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs dann von maßgeblicher Bedeutung, wenn nach summarischer Prüfung von der offensichtlichen Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des streitgegenständlichen Verwaltungsakts und der Rechtsverletzung der Antragstellerin auszugehen ist. Jedenfalls hat das Gericht die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bei seiner Entscheidung mit zu berücksichtigen, soweit diese sich bereits übersehen lassen. Sind diese im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung offen, ist eine reine Interessenabwägung vorzunehmen.
Der Antragsgegner hat die Anordnung der sofortigen Vollziehung in ausreichender Weise gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Die Begründung der Anordnung des Sofortvollzugs im streitgegenständlichen Bescheid genügt den formell-rechtlichen Anforderungen. Sie zeigt, dass sich der Antragsgegner des Ausnahmecharakters der Vollzugsanordnung bewusst war und enthält die Erwägungen, die er für die Anordnung des Sofortvollzugs als maßgeblich angesehen hat.
Die summarische Prüfung der Erfolgsaussichten des eingelegten Rechtsbehelfs, wie sie im Sofortverfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO erforderlich und ausreichend ist, führt zu erheblichen Zweifeln, ob dem Antragsteller die Fahrerlaubnis mit Bescheid vom 28. Januar 2020 auf der Grundlage des medizinisch-psychologischen Gutachtens vom 31. Oktober 2019 rechtmäßig entzogen werden konnte (2.1). Eine zusätzliche, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs losgelöste gerichtliche Abwägung des Vollzugs- und Suspensivinteresses ergibt ausnahmsweise ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen den Fahrerlaubnisentzug. Da jedoch Zweifel an der Fahreignung des Antragstellers verbleiben, war die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von einer Auflage abhängig zu machen (2.2).
2.1 Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich deren Inhaber als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Das ist insbesondere der Fall, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist (§ 46 Abs. 1 Satz 2 FeV). Nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ist bei einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis von der Nichteignung auszugehen, wenn der Fahrerlaubnisinhaber Konsum und Fahren nicht trennen kann oder zusätzlich ein Gebrauch von Alkohol oder anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen, eine Störung der Persönlichkeit oder ein Kontrollverlust vorliegt.
Werden Tatsachen bekannt, die Bedenken gegen die Eignung des Fahrerlaubnisinhabers zum Führen von Kraftfahrzeugen begründen, finden gemäß § 46 Abs. 3 FeV die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Die Fahrerlaubnisbehörde hat damit die Möglichkeit, zur Aufklärung der Fahreignung eines Fahrerlaubnisinhabers die Beibringung eines medizinischen oder medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen. Stehen infolge der ergriffenen Aufklärungsmaßnahme die Tatsachen fest, aus denen sich die Ungeeignetheit ergibt, hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV zwingend zu entziehen. Bloße Eignungszweifel genügen hierfür allerdings nicht. Es ist unter Einbeziehung von Mitwirkungspflichten des Betroffenen Sache der Verwaltungsbehörde, den Nachweis der entscheidungserheblichen Tatsachen zu führen (OVG NW, B.v. 19.2.2013 – 16 B 1229/12 – juris Rn. 7).
2.1.1 Der Antragsteller hatte nach den vorstehenden Maßstäben seine Fahreignung nicht bereits aufgrund des festgestellten einmaligen Verstoßes gegen das Trennungsgebot im Sinne der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV im Rahmen der unstreitigen Fahrt am 3. Januar 2019 mit einer THC-Konzentration von 1,1 ng/ml Blutserum verloren. Nach der (neueren) Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (U.v. 25.4.2017 – 11 BV 17.33 – juris; bestätigt durch BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 13.17) ist bei einem gelegentlichen Konsumenten von Cannabis, der erstmals gegen das Trennungsgebot verstoßen hat, in der Regel nicht ohne weitere Aufklärung von fehlender Fahreignung auszugehen, weshalb ihm folglich nicht unmittelbar die Fahrerlaubnis entzogen werden darf (BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 13.17 – juris Rn. 24). Vielmehr hat in solchen Fällen die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 46 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV nach pflichtgemäßem Ermessen über die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu entscheiden. Die Kammer ist dieser Rechtsprechung zwischenzeitlich gefolgt (z.B. B.v. 5.7.2019 – W 6 S 19.746; B.v. 7.5.2019 – W 6 S 19.410).
2.1.2 Die daher folgerichtige Anordnung des Landratsamtes vom 24. Juni 2019 zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens ist nicht zu beanstanden, da die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV vorlagen. Die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens kann angeordnet werden, wenn gelegentliche Einnahme von Cannabis vorliegt und weitere Tatsachen Zweifel an der Eignung begründen. Nachdem der Antragsteller unstreitig am 3. Januar 2019 ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von THC führte, auf Nachfrage des Landratsamtes hierzu nicht Stellung nahm und somit auch nicht substantiiert auf eine Einmaligkeit des Konsums verwies, durfte im Zeitpunkt der Anordnung der Begutachtung von einer gelegentlichen Einnahme von Cannabis ausgegangen werden, welche in Verbindung mit der Fahrt unter Einfluss von THC die gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV geforderten Zweifel an der Eignung des Antragstellers begründet (vgl. BayVGH, B.v. 6.12.2019 – 11 CS 19.1174 – juris Rn. 14).
Auch die der Gutachtensaufforderung vom 24. Juni 2019 zugrunde gelegte Fragestellung ist nicht zu beanstanden. Die Gutachtensfrage ist zutreffend auf eine prognostische Bewertung gerichtet, ob der Antragsteller möglicherweise in Zukunft ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss von Cannabis oder dessen Nachwirkungen führen wird und daher zu erwarten ist, dass er in Zukunft gegen das (Nr. 9.2.2. der Anlage 4 zur FeV zugrundeliegende) Trennungsgebot verstoßen wird.
2.1.3 Nach summarischer Prüfung kann auf Grundlage des vom Antragsteller auf Anforderung des Landratsamtes vorgelegten medizinisch-psychologischen Gutachtens des TÜV … vom 31. Oktober 2019 – jedenfalls in seiner vorgelegten Form – allerdings nicht von einer feststehenden Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen nach Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV ausgegangen werden. Hierzu im Einzelnen:
Nach Nr. 2 Buchst. a Satz 1 der Anlage 4a zur FeV muss ein erstelltes Gutachten nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Dazu müssen nach Nr. 2 Buchst. a Satz 3 der Anlage 4a zur FeV alle wesentlichen Befunde wiedergegeben und die zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen dargestellt werden. Diesen Anforderungen kann das Gutachten des TÜV … bereits deshalb nicht gerecht werden, weil es nicht in vollständiger Fassung vorliegt. Ausweislich der Angabe auf dem Deckblatt soll das Gutachten insgesamt 15 Seiten (inkl. Deckblatt) umfassen. In der Behördenakte (Bl. 93-99) befinden sich allerdings nur 14 Seiten des seitenmäßig fortlaufend durchnummerierten Gutachtens. Gleiches gilt für die dem Gericht vom Bevollmächtigten des Antragstellers elektronisch (PDF-Datei) übersandte Version des Gutachtens. Die für die Begründung des negativen Begutachtungsergebnisses wohl maßgebliche Seite 14, auf der sich die gutachterliche Bewertung der Aussagen des Antragstellers im verkehrspsychologischen Gespräch finden dürfte, fehlt jeweils.
In seiner vorliegenden Form nennt das medizinisch-psychologische Gutachten vom 31. Oktober 2019 keine Gründe, warum beim Antragsteller eine hinreichende Trennung zwischen der Verkehrsteilnahme und dem gelegentlichen Konsum von Cannabis nicht zu erwarten ist. Das Fahreignungsgutachten ist daher insoweit weder nachvollziehbar noch nachprüfbar im Sinne der Nr. 2 Buchst. a der Anlage 4a zur FeV. Im Gutachten werden zunächst Anlass und Fragestellung geschildert (S. 3), ein Überblick über die Vorgeschichte gegeben (S. 3-4) und Maßstäbe zur Begründung der Eignungsbedenken sowie Voraussetzungen für eine günstige Prognose dargestellt (S. 4-5). Anschließend werden die verkehrsmedizinischen und verkehrspsychologischen Untersuchungsbefunde dargestellt (S. 5-12). Dem folgt mit der Bewertung der Befunde ab Seite 12 des Gutachtens der für die Beantwortung der Begutachtungsfrage maßgebliche Teil. Hier wird auf Seite 12 und Seite 13 des Gutachtens festgehalten, dass im Bereich der geistigen bzw. psychisch-funktionalen Voraussetzungen keine verkehrsrelevanten Beeinträchtigungen des Antragstellers vorlägen. Gleiches gelte für dessen körperliche und geistige Eignung. Im Zusammenhang mit dem früheren Drogenkonsum lägen auch keine organischen, psychiatrischen oder Anpassungsstörungen vor. Die ärztliche Untersuchung habe auf Grundlage eines Urintests keine Hinweise auf aktuellen Drogenkonsum ergeben. Die Fähigkeit des Antragstellers zum zumindest kurzfristigen Drogenverzicht sei hierdurch dokumentiert. Schließlich würden die Angaben des Antragstellers im psychologischen Untersuchungsgespräch im Wesentlichen mit der Akten- und Befundlage übereinstimmen und es hätten sich keine sicheren Hinweise auf eine eingeschränkte Verwertbarkeit der Angaben des Antragstellers ergeben.
Im unmittelbaren Anschluss hieran wird auf Seite 15 der vorliegenden Version des Fahreignungsgutachtens indes festgehalten, dass nach Abwägung aller Befunde zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur eine ungünstige Prognose möglich sei und sich der Antragsteller wesentlich intensiver und selbstkritischer mit seiner Drogenproblematik auseinandersetzen solle. Da sich auf den vorgelegten Seiten 12-13 des Gutachtens ausschließlich positive Befunde finden, kann die auf Seite 15 des Gutachtens getroffene negative Prognose ausschließlich auf einer fachlichen Beurteilung der Aussagen des Antragstellers im psychologischen Begutachtungsgespräch beruhen. Diese kann dem Gutachten in der vorliegenden Form aber nicht entnommen werden. Es ist davon auszugehen, dass sich entsprechende Ausführungen auf der dem Gericht sowie der Behörde und möglicherweise auch dem Antragsteller nicht vorliegenden Seite 14 des Gutachtens finden.
Mangels tragfähiger Anhaltspunkte für eine bewusst unvollständige Vorlage des Gutachtens gegenüber der Behörde und dem Gericht kann von einem Verstoß des Antragstellers gegen seine Mitwirkungspflicht zur Aufklärung seiner Fahreignung derzeit nicht ausgegangen werden. Denn es ist ebenso möglich, dass der Antragsteller das Gutachten vom TÜV Hessen bereits in unvollständiger Form erhalten hat, etwa aufgrund eines Übersendungsfehlers.
Unter Verweis auf das medizinisch-psychologische Gutachten vom 31. Oktober 2019 in seiner vorliegenden unvollständigen Form durfte das Landratsamt nicht auf die feststehende Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen schließen. Da das Gutachten offensichtlich auf Grundlage einer Abwägung der Befunde des psychologischen Untersuchungsgesprächs von einer negativen Beantwortung der Begutachtungsfrage ausgeht, sich diese Abwägung aber in der vorgelegten Form des Gutachtens nicht findet, fehlt es hier an der gemäß Nr. 2 Buchst. a Satz 3 der Anlage 4a zur FeV geforderten Darstellung der zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen. Da auch sonstige Umstände nicht ersichtlich sind, die eine Nichteignung belegen, ist der für einen Entzug der Fahrerlaubnis erforderliche Nachweis der Nichteignung des Antragstellers, für den der Antragsgegner die materielle Beweislast trägt, bislang nicht geführt.
Unbeschadet der Unvollständigkeit des Gutachtens vom 31. Oktober 2019 ergeben sich auch im Hinblick auf die der Begutachtung zugrunde gelegten Prämissen erhebliche Zweifel an der Verwertbarkeit des Fahreignungsgutachtens. Gem. Nr. 1 Buchst. a der Anlage 4a zur FeV ist die Untersuchung anlassbezogen vorzunehmen; ferner hat sich der Gutachter an die von der Fahrerlaubnisbehörde vorgegebene Fragestellung zu richten. Vorliegend orientieren sich indes bereits die der Begutachtung zugrunde gelegten Annahmen nicht bzw. zumindest nicht hinreichend an der vom Landratsamt in der Aufforderung vom 24. Juni 2019 gestellten Begutachtungsfrage. Da beim Antragsteller von einem bloß gelegentlichen Cannabiskonsum auszugehen war und die Fahrt am 3. Januar 2019 unter Einfluss von THC Eignungszweifel begründete, forderte das Landratsamt zutreffend und im Einklang mit der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 13.17 Rn. 24 ff.) gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens, das die Fähigkeit des Antragstellers zur Trennung von Konsum und Fahren eruieren sollte.
Bereits die einführenden allgemeinen Schilderungen im Fahreignungsgutachten vom 31. Oktober 2019 zur „Begründung der Eignungsbedenken“ orientieren sich jedoch nicht an den Umständen, die im Rahmen der hier maßgeblichen Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV die Eignungsbedenken eines Kraftfahrzeugführers begründen, der nur gelegentlich und nicht regelmäßig Cannabis konsumiert. So wird im medizinischen-psychologischen Gutachten vom 31. Oktober 2019 auf Seite 4 ausgeführt:
„Nach den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung sind Personen, die Betäubungsmittel im Sinne des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) nehmen oder von ihnen abhängig sind, nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden. Das gilt auch bei Abhängigkeit von anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen bzw. deren Kombinationen.
Personen mit missbräuchlichem oder regelmäßigem Konsum solcher Substanzen, die die körperlich-geistige (psychische) Leistungsfähigkeit eines Kraftfahrers ständig unter das erforderliche Maß herabsetzen oder durch den besonderen Wirkungsverlauf jederzeit unvorhersehbar und plötzlich die Leistungsfähigkeit oder die Fähigkeit zu verantwortlichen Entscheidungen (wie Verzicht auf die motorisierte Verkehrsteilnahme) vorübergehend beeinträchtigen können, sind ebenfalls nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden.“
Die hier skizzierten wissenschaftlichen Erkenntnisse zu den Auswirkungen einer Betäubungsmitteleinnahme oder Betäubungsmittelabhängigkeit auf die Fahreignung mögen in der Sache zutreffen, beziehen sich allerdings auf einen missbräuchlichen oder regelmäßigen Konsum von Betäubungsmitteln und gehen daher an der Fragestellung in der zutreffenden Gutachtensanordnung des Landratsamtes vorbei. Beim Antragsteller wurde weder eine regelmäßige Einnahme von Betäubungsmitteln festgestellt, noch eine Abhängigkeit, sondern eine gelegentliche Einnahme von Cannabis zugrundegelegt.
Den einführenden Erwägungen des Gutachtens zur Begründung der Eignungsbedenken ist daher die entscheidende Differenzierung zwischen regelmäßigem Cannabiskonsum (Nr. 9.1.2 Anlage 4 zur FeV) und gelegentlichem Cannabiskonsum (Nr. 9.2.2 Anlage 4 zur FeV) nicht zu entnehmen. Der Systematik der Nr. 9.2 der Anlage 4 zur FeV zufolge begründet bei gelegentlichen Cannabiskonsumenten der Umstand, dass der Konsum im Zusammenhang mit dem Fahren erfolgt, zwar Zweifel an der Eignung im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV. Nach dieser Regelung führt diese „Zusatztatsache“ jedoch nicht bereits zur Feststellung der Nichteignung und damit auch nicht zur Anwendung von § 11 Abs. 7 FeV (vgl. BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 13.17 Rn. 28). Der einführende Verweis des Gutachtens vom 31. Oktober 2019, wonach ausweislich den Begutachtungsleitlinien zur Kraftfahreignung Personen, die Betäubungsmittel im Sinne des BtMG nehmen oder von ihnen abhängig sind, nicht in der Lage sind, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen gerecht zu werden, ist deshalb für den zugrundeliegenden Begutachtungsauftrag nicht entscheidend. Bereits der Umstand, dass die einleitenden Erwägungen des Fahreignungsgutachtens für die gestellte Begutachtungsfrage nicht maßgebend sind, begründet aber im Hinblick auf die gem. Nr. 1 Buchst. a der Anlage 4a zur FeV zwingend geforderte Orientierung des Gutachters an der vorgelegten Begutachtungsfrage Zweifel an der Tragfähigkeit der Begutachtung des Antragstellers.
Entsprechendes gilt, da auch den auf Seiten 4-5 des Fahreignungsgutachtens vom 31. Oktober 2019 geschilderten „Voraussetzungen für eine günstige Prognose“ nicht die Maßstäbe zugrunde liegen, die für die Beantwortung der gestellten Begutachtungsfrage entscheidend sind. Im medizinischen-psychologischen Gutachten vom 31. Oktober 2019 wird dort ausgeführt:
„Die Frage der Fahrerlaubnisbehörde kann folglich nur dann in einem für Herr H. günstigen Sinn beantwortet werden, wenn zukünftig von einer hinreichend stabilen Drogendistanzierung auszugehen ist, keine organischen, psychiatrischen oder Verhaltensstörungen vorliegen, welche die Fahreignung beeinträchtigen sowie ein ausreichendes Leistungsvermögen festgestellt werden kann. Eine Drogenabstinenz wiederum kann nur dann als stabil eingestuft werden, wenn die dem früheren Drogenmissbrauch oder der Abhängigkeit zugrundeliegenden Ursachen vom Betroffenen tiefgreifend aufgearbeitet sind und eine nachvollziehbare Einstellungs- und Verhaltensänderung stattgefunden hat, die sich zudem bereits ausreichend stabilisiert hat. Hierbei ist der erforderliche Grad der Aufarbeitung (Einsicht, Beratung, Therapie) sowie die Dauer der Stabilisierung an der Art des früheren Konsumverhaltens (gelegentlicher, regelmäßiger oder abhängiger Konsum) zu orientieren.“
Die hier vom Antragsteller geforderte hinreichend stabile Drogendistanzierung bzw. Drogenabstinenz adressiert weder den Begutachtungsauftrag des Landratsamtes, noch ist die im Gutachten vom 31. Oktober 2019 geforderte vollständige Drogendistanzierung oder Abstinenz bei Eignungsbedenken aufgrund gelegentlichem Cannabiskonsum ausweislich Nr. 9.2.2. der Anlage 4 zur FeV Voraussetzung für die Bejahung der Fahreignung. Im Falle eines ausschließlichen gelegentlichen Cannabiskonsums kommt es für die Begutachtung der Fahreignung vielmehr neben weiteren Voraussetzungen darauf an, ob im Rahmen einer prognostischen Einschätzung in Zukunft eine Verkehrsteilnahme unter Drogeneinfluss auch bei ggf. fortbestehendem Konsum zuverlässig ausgeschlossen werden kann. Davon geht auch die von der Deutschen Gesellschaft für Verkehrsmedizin und der Deutschen Gesellschaft für Verkehrspsychologie verantwortete Kommentierung der Begutachtungsleitlinien für Kraftfahreignung aus (Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Beurteilungskriterien, 3. Aufl. 2013, S. 192 ff.). Danach kann die Fahreignung gelegentlicher Cannabiskonsumenten im Rahmen der medizinisch-psychologischen Begutachtung dann bejaht werden, wenn ausschließlich ein gelegentlicher Cannabiskonsum vorliegt und eine Verkehrsteilnahme unter Drogeneinfluss auch bei gegebenenfalls fortbestehendem Konsum zuverlässig vermieden werden kann (Hypothese D 4; ausführlich dazu BVerwG, U.v. 11.4.2019 – 3 C 13.17 Rn. 32).
Insoweit macht es auch keinen Unterschied, wenn der Betroffene – wie der Antragsteller – behauptet, kein Cannabis mehr konsumieren zu wollen. In diesem Falle ist die Stabilität dieser Verhaltensänderung grundsätzlich unter sinngemäßer Anwendung der Kriterien D 3.3 K und D 3.5 K zu bewerten. Wird der Verzicht vom Gutachter als hinreichend stabil eingeschätzt, könne die Überprüfung der auf die Einschätzung der Trennbarkeit gerichteten Kriterien D 4.2 N und D 4.3 N entfallen (siehe Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Beurteilungskriterien, 3. Aufl. 2013, S. 192). Hieraus ergibt sich im Umkehrschluss, dass bei ausschließlich gelegentlicher Einnahme von Cannabis selbst dann, wenn der vom Betroffenen behauptete vollständige Verzicht als nicht hinreichend stabil eingeschätzt wird, zusätzlich gutachterlich unter Anlegung der Kriterien D 4.2 N und D 4.3 N die Fähigkeit zur Trennung von Konsum und Fahren zu prüfen ist. Auch in diesem Falle kann daher nicht von vorneherein vom gelegentlichen Cannabiskonsumenten eine gänzliche stabile Drogenabstinenz gefordert werden.
2.2 Eine zusätzliche, von den Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs losgelöste gerichtliche Abwägung des Vollzugs- und Suspensivinteresses ergibt ausnahmsweise ein überwiegendes Interesse des Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines eingelegten Widerspruchs.
Die sicherheitsrechtliche Fahrerlaubnisentziehung ist eine präventive Maßnahme zum Schutz der Sicherheit im Straßenverkehr. Es besteht grundsätzlich ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit, vor Kraftfahrern geschützt zu werden, die ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen sind. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes kommt vorliegend jedoch ausnahmsweise in Betracht, da eine Nichteignung des Antragstellers zum Führen von Kraftfahrzeugen bislang nicht festgestellt werden konnte und Gründe dafürsprechen, dass der Kläger seinen Cannabiskonsum eingestellt hat. So konnten bei der Analyse der vom Antragsteller am 10. Oktober 2019 abgegebenen Urinprobe ausweislich des medizinisch-psychologischen Gutachtens des TÜV Hessen keine Drogen nachgewiesen werden. Auch hat der Antragsteller im verkehrspsychologischen Gespräch am 10. Oktober 2019 erläutert, er habe im Jahr 2017 mit 20 Jahren das erste Mal am Joint gezogen und seitdem nur ca. fünf- bis sechsmal in der gesamten Zeit Cannabis geraucht. Ferner habe er am 2. Januar 2019 das letzte Mal Cannabis geraucht. Er habe danach sein Bewerbungsgespräch bei … … gehabt und seine Zusage im Juli 2019 bekommen und habe deshalb nicht mehr kiffen wollen. Diese Angaben des Antragstellers zum Beleg seiner Drogenabstinenz seit Januar 2019 waren laut medizinisch-psychologischem Gutachten vom 31. Oktober 2019 (S. 13) nach Maßgabe aussagepsychologischer Kriterien glaubhaft und nachvollziehbar und würden im Wesentlichen mit der Akten- und Befundlage übereinstimmen. Aufgrund der negativen Urinprobe vom 10. Oktober 2019 sowie der plausiblen Angaben des Antragstellers im Begutachtungsgespräch kann zumindest für den Zeitraum von 2. Januar 2019 bis 10. Oktober 2019 von einer Drogenabstinenz des Antragstellers ausgegangen werden, die bereits aufgrund ihrer Dauer ein Indiz für eine Stabilisierung der Verhaltensänderung bietet. Hinweise, dass der Antragsteller seitdem wieder Cannabis oder sonstige Betäubungsmittel konsumiert, sind nicht ersichtlich. Zwar kann im Fall des gelegentlichen Cannabiskonsums Abstinenz grundsätzlich nicht gefordert werden. Wenn sich der Betroffene jedoch darauf beruft, muss er sich hieran festhalten lassen.
Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist dennoch gemäß § 80 Abs. 5 Satz 4 Alt. 2 VwGO von der Einhaltung einer Auflage abhängig zu machen, die der Ausräumung noch verbleibender Zweifel an der Nichteignung des Antragstellers dient und daher die Verkehrsteilnehmer vor etwaigen Gefahren einer einstweiligen Verkehrsteilnahme des Antragstellers schützen soll. Deshalb hat der Antragsteller – wie von ihm selbst im hiesigen Verfahren beantragt – bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens seine aktuelle Drogenabstinenz durch Abgabe unangekündigter Urinproben nachzuweisen. Die Abstinenzkontrolle erfolgt auf Kosten des Antragstellers, nach Maßgabe der sog. CTU-Kriterien (vgl. Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Beurteilungskriterien, 3. Aufl. 2013, S. 244 ff.) und auf jeweilige Anforderung des Landratsamtes.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da der Antrag zwar teilweise unzulässig war, in der zentralen Frage der Entziehung der Fahrerlaubnis jedoch Erfolg hatte, wenn auch nur unter Festsetzung einer Auflage, ist es sachgerecht, den Antragsteller mit einem Drittel und den Antragsgegner mit zwei Dritteln an den Kosten des Verfahrens zu beteiligen.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 1, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 sowie Nr. 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Die Fahrerlaubnisklasse B sowie die mitumfassten Klassen AM und L (vgl. § 6 Abs. 3 Nr. 4 FeV) sind mit dem Auffangwert von 5.000,00 EUR anzusetzen, der im Eilverfahren zu halbieren war.


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