Strafrecht

Interessenabwägung bei offenem Ausgang des Hauptsacheverfahrens, Mischkonsum von Alkohol und Cannabis, Entziehung der Fahrerlaubnis ohne vorherige Beibringungsanordnung, Verlängerung der Anhörungsfrist

Aktenzeichen  11 CS 21.2129

Datum:
1.10.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 30891
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
FeV § 11 Abs. 7
FeV Nr. 9.2.2 Anlage 4 zur
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, 31 Abs. 7 S. 1, 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2

 

Leitsatz

Verfahrensgang

RO 8 S 21.1171 2021-07-23 Bes VGREGENSBURG VG Regensburg

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen die sofortige Vollziehbarkeit der Entziehung der ihm am 13. April 2004 erteilten Fahrerlaubnis der Klassen B, M und L.
Mit seit 26. Juli 2019 rechtskräftigem Bußgeldbescheid vom 9. Juli 2019 verhängte die Zentrale Bußgeldstelle V. wegen einer Ordnungswidrigkeit gemäß § 24a StVG eine Geldbuße und ein Fahrverbot von einem Monat gegen den Antragsteller. Dem lag zugrunde, dass der Antragsteller am 10. Juni 2019 unter Alkoholeinfluss (Atemalkoholkonzentration 0,33 mg/l) ein Kraftfahrzeug geführt hatte.
Durch polizeiliche Mitteilung vom 4. Mai 2021 wurde der Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts C.  bekannt, dass der Antragsteller am 18. April 2021 gegen 21:10 Uhr einen Personenkraftwagen unter dem Einfluss von Alkohol und Cannabis geführt hatte. Es seien auch drogentypische Auffälligkeiten festgestellt worden. Nach zwei ärztlichen Befundberichten der MVZ L2. K. GbR vom 20. April 2021 wies die Blutprobe des Antragstellers eine Blutalkoholkonzentration von 0,59 ‰ sowie 7,3 ng/ml Tetrahydrocannabinolsäure (THC), 4,5 ng/ml 11-Hydroid-THC und 61 ng/ml THC-Carbonsäure auf.
Nach Anhörung entzog das Landratsamt dem Antragsteller mit Bescheid vom 18. Mai 2021 auf der Grundlage von Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV wegen des zweimaligen Fahrens unter Alkoholeinfluss und des Mischkonsums bei der letzten Fahrt die Fahrerlaubnis aller Klassen und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds, seinen Führerschein innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids abzuliefern. Ferner ordnete es die sofortige Vollziehung dieser Verfügungen an.
Der Abgabepflicht kam der Antragsteller am 26. Mai 2021 nach. Am 6. Juni 2021 ließ er durch seinen Bevollmächtigten Widerspruch einlegen und am 16. Juni 2021 beim Verwaltungsgericht Regensburg beantragen, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs wiederherzustellen.
Mit Beschluss vom 23. Juli 2021 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes ab und führte zur Begründung aus, die Anordnung des Sofortvollzugs genüge den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO. Der Widerspruch werde voraussichtlich keinen Erfolg haben. Im Hinblick darauf, dass das Landratsamt dem Antragsteller zu Recht wegen feststehender fehlender Fahreignung die Fahrerlaubnis entzogen und insoweit kein Ermessen bestanden habe, könne dahingestellt bleiben, ob es die eingeräumte Anhörungsfrist nach Bestellung des Bevollmächtigten auf dessen Antrag hin hätte verlängern müssen. Denn ein eventueller Fehler wäre in diesem Fall nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich. Außerdem komme eine Heilung nach Art. 45 BayVwVfG ohne weiteres in Betracht. Da der Antragsteller gelegentlicher Cannabiskonsument sei und am 18. April 2021 unter nachgewiesenem Einfluss eines fahreignungsrelevanten Mischkonsums von THC und Alkohol ein Kraftfahrzeug geführt habe, habe das Landratsamt ohne weitere Aufklärungsmaßnahme von einer feststehenden Fahrungeeignetheit ausgehen dürfen (§ 11 Abs. 7 FeV i.V.m. § 46 Abs. 1 Satz 1 und 2 FeV, Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV). Bei einer festgestellten Wirkungskumulation infolge eines Mischkonsums von Cannabis und psychoaktiven Substanzen bedürfe es nicht mehr der Anordnung einer Aufklärungsmaßnahme gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV. Denn maßgebend für die vom Verordnungsgeber in der hier einschlägigen Variante der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV vorgezeichneten Gefahreneinschätzung sei nicht nur die Gefahr einer fehlenden Trennung von Konsum und Fahren, sondern vielmehr auch die signifikante Erhöhung des Unfallrisikos infolge des kombinierten Konsums von Cannabis und Alkohol bei einem etwaigen Verstoß gegen das Trennungsgebot. Die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Teilnahme am Straßenverkehr unter kumulierter Wirkung mehrerer Rauschmittel habe sich in der Fahrt am 18. April 2021 gezeigt. Selbst wenn man im Hinblick auf die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Münster vom 14. November 2019 (16 B 638/19) die Erfolgsaussichten in der Hauptsache als offen ansehe, falle die Interessenabwägung zulasten des Antragstellers aus. Eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung von Anfechtungsrechtsbehelfen gegen den für sofort vollziehbar erklärten Entzug einer Fahrerlaubnis komme in der Regel nur in Betracht, wenn hinreichend gewichtige Gründe dafür sprächen, dass das von den Betroffenen ausgehende Gefahrenpotenzial nicht nennenswert über dem des Durchschnitts aller motorisierten Verkehrsteilnehmer liege.
Mit seiner Beschwerde, der der Antragsgegner entgegentritt, macht der Antragsteller geltend, das Verwaltungsgericht nehme zu Unrecht an, dass der angefochtene Bescheid formell rechtmäßig sei. Das Landratsamt habe nicht von einer feststehenden Nichteignung des Antragstellers ausgehen dürfen. Eine Heilung nach Art. 45 BayVwfG komme nicht in Betracht, da die mit der fehlenden Anhörung verbundenen Nachteile nicht mehr vollständig beseitigt werden könnten, weil das Verfahrensergebnis durch die Abgabe des Führerscheins bereits vollzogen gewesen sei. Selbst wenn man von einer prinzipiellen Heilungsmöglichkeit ausgehe, sei die Anhörung jedenfalls bisher nicht nachgeholt worden. In der Sache verkenne das Verwaltungsgericht, dass beim Führen eines Kraftfahrzeugs unter gleichzeitigem Einfluss von Cannabis und Alkohol die Fahreignung auch im Hinblick auf Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV nicht generell ausgeschlossen sei, sondern ein solches Verhalten trotz einer möglicherweise signifikanten Erhöhung des Unfallrisikos regelmäßig nur Zweifel an der Fahreignung begründe. Die Fahrerlaubnisbehörde müsse deshalb zunächst ein medizinisch-psychologisches Gutachten einholen (§ 14 Abs. 1 Satz 3 FeV), um die Wiederholungsgefahr beurteilen zu können. Auch der Verweis auf das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. November 2013 – 3 C 32.12 – führe nicht weiter, da dieses lediglich die Einschränkung der Norm aufgrund des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes abgelehnt habe. Hieran halte es nunmehr allerdings nicht mehr fest (BVerwG, B.v. 11.4.2019 – 3 C 14.17), da dies dem Wortlaut der Norm und dem Willen des Verordnungsgebers widerspreche. In Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV werde lediglich positiv festgelegt, wann ein gelegentlicher Cannabiskonsument uneingeschränkt zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet sei, nämlich wenn keine Zusatztatsache vorliege. Ohne unmissverständliche Festlegung durch den Verordnungsgeber folge daraus im Umkehrschluss aber nicht, dass beim Vorliegen einer der genannten Zusatztatsachen automatisch die Nichteignung feststehe. Gegen die negative Gefahrenprognose des Landratsamts spreche bereits, dass der Antragsteller in der Vergangenheit nicht unter dem Einfluss von Cannabis ein Kraftfahrzeug geführt und auch kein Mischkonsum von Alkohol und Cannabis stattgefunden habe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei für die Einschätzung der Gefahrenprognose regelmäßig besonderer psychologischer Sachverstand und eine entsprechende fachliche Beurteilung notwendig. Aus diesem Grund gehe der Verordnungsgeber selbst davon aus, dass beim Vorliegen von Zusatztatsachen regelmäßig ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen sei, sodass eine unmittelbare Anwendung des § 11 Abs. 7 FeV nur in atypischen Fällen in Betracht komme. Um einen solchen Fall handle es sich vorliegend schon deshalb nicht, weil der festgestellte Alkohol- und THC-Gehalt im Blut des Antragstellers jeweils im niedrigen deliktstypischen Bereich liege. Der festgestellte THC-Restgehalt im Blut von weniger als 10 ng/ml verursache bei den meisten Konsumenten überhaupt keine spürbaren Wirkungen. Nach Aktenlage sei der Antragsteller auch nicht besonders auffällig oder rücksichtslos gefahren. Anzeichen für einen Cannabiskonsum hätten sich erst aufgrund der Untersuchung des Bluts auf Alkohol herausgestellt. Selbst bei mehrmaligen Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr im Sinne von § 24a StVG sei nach § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV regelmäßig ein medizinisch-psychologisches Gutachten anzuordnen. Es lägen auch sonst keine besonderen Umstände des Einzelfalls vor, die zu einer hinreichend abgesicherten negativen Prognose und zur unmittelbaren Anwendbarkeit des § 11 Abs. 7 FeV führen könnten. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners liege auch kein Alkoholmissbrauch vor, was nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b FeV auch nur zur Anordnung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens führen würde. Im Übrigen würden selbst wiederholte, in einem sehr kurzen Abstand durchgeführte Fahrten unter Einfluss von Cannabis nur erhebliche Zweifel an der Fahreignung begründen. Eine länger zurückliegende Alkoholfahrt führe daher nicht automatisch dazu, dass die Behörde bei einer erstmaligen Fahrt unter dem gleichzeitigen Einfluss von Alkohol und Cannabis ohne weitere Sachaufklärung von der Nichteignung des Betroffenen ausgehen dürfe. Auch wenn die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens notwendig sei, habe der Gesetzgeber der Fahrerlaubnisbehörde durch § 11 Abs. 6 Satz 2, Abs. 8 FeV entsprechende Wege eröffnet, um rasch Klarheit über die Fahreignung des Betroffenen zu erlangen und eine zeitnahe Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis zu treffen. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts führe die rechtliche Notwendigkeit, ein medizinisch-psychologisches Gutachten einzuholen, auch nicht dazu, dass die Erfolgsaussichten in der Hauptsache lediglich offen wären. Dabei spiele insbesondere eine Rolle, ob diese Frage bereits höchstrichterlich geklärt sei.
Mit Bescheid vom 14. September 2021 wies die Regierung der Oberpfalz den Widerspruch zurück. Hiergegen hat der Antragsteller noch keine Klage erhoben.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde zulässig, jedoch nicht begründet.
Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis für den Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nicht dadurch entfallen, dass der Antragsgegner zwischenzeitlich den Widerspruchsbescheid erlassen hat, denn – wie sich aus § 80b Abs. 1 VwGO ergibt – kann dem Widerspruch bis zum Eintritt der Bestandskraft des Widerspruchsbescheids noch aufschiebende Wirkung zukommen (Hoppe in Eyermann, 15. Aufl. 2019, VwGO § 80 Rn. 81).
Aus den im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Gründen, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Sätze 1 und 6 VwGO), ergibt sich nicht, dass die Entscheidung des Verwaltungsgerichts zu ändern oder aufzuheben wäre.
Der angefochtene Bescheid ist nicht formell rechtswidrig. Dabei kann letztlich dahinstehen, ob das Landratsamt dem vom Prozessbevollmächtigten am Tag vor Ablauf der etwa achttägigen Anhörungsfrist gestellten Verlängerungsantrag hätte stattgeben müssen (Art. 31 Abs. 7 Satz 1 BayVwVfG), mit der Folge, dass von einer unterbliebenen Anhörung gemäß Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG auszugehen wäre. Dagegen spricht, dass der Sachverhalt, der die Behörde zur Einleitung eines Entziehungsverfahrens veranlasst hat, dem Antragsteller bereits bekannt und einfach gelagert war, es sich der Antragsteller selbst zuzuschreiben hat, wenn er nicht umgehend seine rechtlichen Interessen wahrnehmen, sondern erst am Tag vor Fristablauf ein Akteneinsichtsgesuch stellen lässt; ferner spricht dagegen der notwendige Schutz von Leben und Gesundheit anderer Verkehrsteilnehmer vor einer fahrungeeigneten Person, der erforderlichenfalls nach Art. 28 Abs. 2 Nr. 1 BayVwVfG sogar zum Absehen von einer Anhörung führen könnte. Jedenfalls wäre eine etwa unterbliebene Anhörung hier im gerichtlichen Eilverfahren gemäß Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG nachgeholt worden. Zwar erfolgt dies im Allgemeinen nicht schon durch die Äußerungen und Stellungnahmen der Beteiligten im gerichtlichen Verfahren (vgl. BVerwG, U.v. 22.3.2012 − 3 C 16.11 – BVerwGE 142, 205 = juris Rn. 18; U.v. 24.6.2010 – 3 C 14.09 – BVerwGE 137,199 = juris Rn. 37). Jedoch hat das Bundesverwaltungsgericht eine Nachholung der Anhörung im gerichtlichen Verfahren gebilligt, wenn sich die Behörde nicht darauf beschränkt, die einmal getroffene Sachentscheidung zu verteidigen, sondern das Vorbringen des Betroffenen erkennbar zum Anlass nimmt, die Entscheidung kritisch zu überdenken (vgl. BVerwG, U.v. 17.12.2015 – 7 C 5.14 – BVerwGE 153, 267 = juris Rn. 17). Dem hat das Landratsamt mit seinem Schriftsatz vom 28. Juni 2021, in dem es sich ausführlich mit den Einwänden des Antragstellers auseinandergesetzt hat, genügt. Die Ausführungen lassen erkennen, dass es die Entscheidung anhand des Vorbringens eingehend geprüft, wenn auch im Ergebnis für richtig befunden hat. Darauf, ob ein etwaiger Anhörungsmangel durch den Erlass des Widerspruchsbescheids am 14. September 2021 geheilt worden ist, kommt es demgemäß ebenfalls nicht mehr an.
Ob der Entziehungsbescheid materiell rechtmäßig ist, hängt von der vom Senat bisher offengelassenen Frage (BayVGH, B.v. 8.6.2021 – 11 CS 21.968 – juris Rn. 23; B.v. 16.4.2020 – 11 CS 20.550 – juris Rn. 18) ab, ob ein Mischkonsum von Cannabis und Alkohol durch einen gelegentlichen Cannabiskonsumenten im Zusammenhang mit der Teilnahme am Straßenverkehr ohne weitere Aufklärungsmaßnahmen gemäß § 11 Abs. 7 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV) vom 13. Dezember 2010 (BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids zuletzt geändert durch Verordnung vom 16. April 2021 (BGBl I S. 822), – etwa wegen besonderer Verantwortungslosigkeit (so VG Karlsruhe, B.v. 16.12.2019 – 2 K 4144/19 – juris Rn. 36 f.; VG Berlin, B.v. 28.9.2020 – 4 L 271/20 – juris Rn. 16 ff.) – zur Annahme einer fehlenden Fahreignung führt. Diese Frage, zu der soweit ersichtlich nur eine obergerichtliche Entscheidung (OVG NW, B.v. 14.11.2019 – 16 B 638/19 – NJW 2020, 1010 = juris Rn. 11 ff.: wegen Fehlens einer nachgewiesenen kombinierten Rauschwirkung wohl im Rahmen von obiter dicta) Stellung nimmt, ist offen. Die Frage wird im Hauptsacheverfahren zu entscheiden sein.
Dabei wird insbesondere zu klären sein, ob sich der vor Änderung der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts mit Urteilen vom 11. April 2019 (3 C 13.17 u.a.) ergangenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 14. November 2013 (3 C 32.12 – BVerwGE 148, 230) etwas zur Beantwortung der streitigen Frage entnehmen lässt. Der Wortlaut der Nr. 9.2.2 der Anlage 4 zur FeV, die die Voraussetzungen beschreibt, unter denen bei einer gelegentlichen Cannabiseinnahme von Kraftfahreignung auszugehen ist, und des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV differenzieren nicht zwischen den aufgezählten Zusatztatsachen bzw. „weiteren Tatsachen“, die jeweils regelmäßig zum Wegfall der Fahreignung führen. Somit erscheint fraglich, ob es insoweit auf die Motive des Verordnungsgebers, hier die Erhöhung des Unfallrisikos durch die kombinierte Rauschwirkung, für die Aufnahme einer Zusatztatsache in die FeV ankommen kann. Ebenso fraglich erscheint, ob – wie der Antragsgegner meint – den jeweils mit „oder“ verbundenen Beispielen in der Verordnungsbegründung (BR-Drs. 443/98, 263) hierzu mehr zu entnehmen ist, als dass der grundsätzlich als fahrgeeignet anzusehende gelegentliche Cannabiskonsument bereits bei Hinzutreten einer (einzigen) Zusatztatsache auf seine Fahreignung untersucht werden könne. Daraus folgt nicht zwangsläufig, dass sich der Verordnungsgeber mittelbar zum Vorliegen von mehr als einer Zusatztatsache äußern wollte und eine medizinisch-psychologische Untersuchung in diesem Fall nach § 11 Abs. 7 FeV für entbehrlich erachtet hat. Aus der Auslegung der Verordnungsbegründung durch das Bundesverwaltungsgericht (vgl. U.v. 11.4.2019 – 3 C 13.17 – DAR 2019, 637 = juris Rn. 28 ff.) ergibt sich insofern auch nichts Eindeutiges.
Da im Hinblick auf die wiederholte Teilnahme des Antragstellers am Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss (§ 24a Abs. 1 StVG), einmal unter dem zusätzlichen Einfluss von Cannabis (§ 24a Abs. 2 StVG), erhebliche Zweifel an seiner Fahreignung bestehen, ist das Verwaltungsgericht bei der Abwägung der Vollzugsinteressen mit den schutzwürdigen Interessen des Antragstellers zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass jene zu seinen Lasten ausfallen muss. Dem ist der Antragsteller, der lediglich bestritten hat, dass die Erfolgsaussichten seines Rechtsbehelfs offen sind, nicht entgegentreten.
Die Beschwerde war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 52 Abs. 1 und 2 i.V.m. § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und den Empfehlungen in Nr. 1.5 Satz 1, 46.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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