Strafrecht

Kostenpflicht für Akteneinsicht bei nicht beigezogenen Verwaltunsgakten

Aktenzeichen  9 OWi 353/18

Datum:
12.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 13757
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
Straubing
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
OWiG § 60, § 62, § 107 Abs. 5, § 108
StPO § 46, § 47

 

Leitsatz

Das Gericht ist in Ordnungswidrigkeitenverfahren grds. nicht verpflichtet, verfahrensbezogene Unterlagen der Verwaltungsbehörde, wie etwa die Bedienungsanleitung des standardisierten Messverfahrens, auf Antrag der Verteidigung vom Hersteller oder der Polizei beizuziehen (OLG Frankfurt a.M. BeckRS 2013, 07213); die Akteneinsicht in die Gerichtsakte ist in diesen Fällen vollständig und die Kostenpauschale für die Versendung der Gerichtsakte entstanden. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Antrag des Betroffenen auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

Mit Schreiben vom 15.01.2018 wendet sich Rechtsanwalt xxx gegen eine Kostenrechnung des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes vom 10.01.2018.
Diese Kostenrechnung erging im Rahmen einer von Rechtsanwalt xxx erbetenen und durchgeführten Akteneinsicht in einem Ordnungswidrigkeitenverfahren in Sachen des Betroffenen H. Dem Ordnungswidrigkeitenverfahren lag eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Betroffenen L. am 26.10.2017 zugrunde. Der Einspruch gegen den im Rahmen des vorgenannten Verfahrens ergangenen Bußgeldbescheides wurde mittlerweile zurückgenommen.
Mit Schreiben vom 18.12.2017 beantragte Rechtsanwalt xxx gegenüber dem Bayerischen Polizeiverwaltungsamt um Zusendung des Vorgangs und zwar mit folgenden Unterlagen:
– Lebensakte des Messgerätes
– Beschilderungsnachweis für die Strecke vor der Messstelle
– eine Kopie der digitalen Falldaten im gerätespezifischen Format inkl. der unverschlüsselten Rohmessdaten
– die Kalibrierungsfotos vor und nach Messbeginn
– eine Liste aller am Tattag mit dem Messgerät aufgenommenen Verkehrsverstöße Mit Schreiben des Bayerischen Polizeiverwaltungsamtes vom 10.01.2018 wurden die vorhandenen Akten zur Einsicht an Rechtsanwalt xxx mit Hinweis auf die nach § 107 Abs. 5 OWiG bestehende Kostenpflicht nebst Kostenrechnung übersandt. Es wurde dabei darauf hingewiesen, dass Gerätestammkarten, Kalibrierungsfotos sowie die weiteren geforderten Unterlagen nicht Bestandteil der Ermittlungsakte seien und nur auf gerichtliche Anforderung vorgelegt würden.
Mit Schreiben vom 15.01.2018 reichte Rechtsanwalt xxx die Akte nach Einsichtnahme zurück.
Mit Schreiben vom 14.05.2018 teilte das Bayerische Polizeiverwaltungsamt Rechtsanwalt xxx mit, dass sein Schreiben vom 15.01.2018, sofern die Kostenrechnung nicht bis 4.6.2018 beglichen werde, als Antrag auf gerichtliche Entscheidung ausgelegt werde und sodann mangels Abhilfe der Vorgang dem zuständigen Amtsgericht vorgelegt werde.
Mit Schreiben vom 16.05.2018 teilte Rechtsanwalt xxx mit, dass ihm die Akteneinsicht nicht vollständig gewährt worden sei. Die Abgabe an das zuständige Amtsgericht zur gerichtlichen Entscheidung werde anheim gestellt.
Mit Schreiben vom 16.05.2018 legte das Bayerische Polizeiverwaltungsamt den Vorgang nach Nichtabhilfe dem hiesigen Amtsgericht zur Entscheidung über den Antrag vom 15.01.2018 vor.
Der Betroffene und dessen Wahlverteidiger erhielten Gelegenheit zur Äußerung.
Mit Schreiben vom 08.06.2018 nahm Rechtsanwalt xxx Stellung und führte aus, dass seitens der Polizei keine vollständige Akteneinsicht gewährt worden sei. Daher könne auch keine Gebühr verlangt werden.
II.
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.
Das Amtsgericht Straubing ist gemäß §§ 62, 68, 108 Abs. Nr. 1 OWiG zuständig.
Der Antrag hat in der Sache jedoch keinen Erfolg und war daher als unbegründet zurückzuweisen.
Nach § 107 Abs. 5 OWiG werden von demjenigen, der die Versendung von Akten beantragt, je durchgeführter Sendung pauschal 12,00 € als Auslagen erhoben.
Auf ein Akteneinsichtsgesuch von Rechtsanwalt xxx wurde die Akte an diesen versandt. Der Einwand von Rechtsanwalt xxx, die Akteneinsicht sei nicht in dem gewünschten Umfang erfolgt, ändert nichts an der Entstehung der vorgenannten Auslagenpauschale.
Der Verteidiger eines Betroffenen hat ein Recht auf Akteneinsicht im Rahmen des § 46, § 47 StPO. Danach ist der Verteidiger befugt, die Akten, die dem Gericht vorliegen oder diesem im Falle der Erhebung der Anklage vorzulegen wären, einzusehen sowie amtlich verwahrte Beweisstücke zu besichtigen. Zu den Akten des Bußgeldverfahrens gehören sämtliche verfahrensbezogene Unterlagen der Verwaltungsbehörde, die zu den Akten genommen worden sind, einschließlich der polizeilichen Ermittlungsvorgänge und etwaiger Ton- und Bildaufnahmen, auf die der Vorwurf in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht gestützt wird sowie die Auszüge aus dem Verkehrszentralregister (vgl. Göhler, Randnummer 49 zu § 60 OWiG, Meyer-Goßner, Randnummer 14, 15 zu § 147 StPO). Befinden sich diese Unterlagen, insbesondere die Bedienungsanleitung des standardisierten Messverfahrens nicht bei der Gerichtsakte, ist das Tatgericht grundsätzlich auch nicht verpflichtet, derartige Unterlagen vom Hersteller oder der Polizei auf Antrag der Verteidigung beizuziehen (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.04.2012 – 2 Ss-OWi 173/13).
Nur dann, wenn der Tatrichter eine Einsicht in die vom Verteidiger genannten Unterlagen für notwendig hält und damit seine Überzeugungsbildung von der Kenntnis des Inhalts dieser Unterlagen abhängig macht, muss er diese ordnungsgemäß als Beweismittel ins Verfahren einbringen, damit er sie in seiner Beweiswürdigung verwenden kann. Hält er die Kenntnisnahme nicht für erforderlich, muss er die Unterlagen auch nicht beiziehen.
Zum Zeitpunkt des Akteneinsichtsgesuchs bestand die Akte aus den Teilen, die dem Verteidiger auch übersandt wurde. Mithin ist eine vollständige Akteneinsicht erfolgt, so dass die Verpflichtung zur Zahlung der Aktenversendungspauschale gemäß § 107 Abs. 5 OWiG entstanden ist. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung war daher als unbegründet zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung folgt aus § § 46 OWiG i. V. m. § 473 StPO.


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