Strafrecht

Notwendige Urteilsfeststellungen bei nachträglicher Gesamtstrafenbildung

Aktenzeichen  3 OLG 110 Ss 48/18

Datum:
13.6.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 11528
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 39, § 54, § 55 Abs. 1
StPO § 337 Abs. 1, § 353 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Ist bei der gegen einen Angeklagten erkannten Gesamtstrafe eine frühere Strafe gem. §§ 55 I, 54 StGB einbezogen worden, sind neben dem Vollstreckungsstand der einbezogenen Strafe – bezogen auf den Zeitpunkt des angefochtenen Urteils – auch die wesentlichen Strafzumessungserwägungen aus der Vorverurteilung in den Urteilgründen darzulegen, um dem Revisionsgericht eine Überprüfung der Gesamtstrafenbildung zu ermöglichen (u.a. Anschl. an BGH, Beschl. v. 11.04.2018 – 4 StR 53/18 [bei juris] einerseits und BGH, Urt. v. 08.11.2017 – 2 StR 542/16 [bei juris] andererseits).
2. Die Gesamtstrafenbemessung nach § 54 I 3 StGB stellt einen eigenständigen Strafzumessungsakt dar, bei dem die Person des Täters und die einzelnen Straftaten zusammenfassend zu würdigen sind. Die bloße Bezugnahme auf Gesichtspunkte zur Bemessung der Einzelstrafen genügt diesen Anforderungen grundsätzlich nicht. Insbesondere dann, wenn die Einsatzstrafe nicht unerheblich erhöht wurde und die Gesamtstrafe der Summe der Einzelstrafen nahe kommt, darf auf die gebotene zusammenfassende Würdigung nicht verzichtet werden (u.a. Festhaltung an OLG Bamberg, Beschl. v. 09.02.2016 – 3 OLG 6 Ss 4/16 [bei juris] und 21.01.2016 – 3 OLG 7 Ss 130/15 = OLGSt StGB § 54 Nr 2).

Gründe

I.
Die Nachprüfung des Urteils aufgrund der auf die Sachrüge gestützten Revision zwingt den Senat zur Aufhebung des Ausspruchs über die Gesamtfreiheitsstrafe; im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet (§ 349 II StPO).
1. Der Gesamtstrafenausspruch kann schon deshalb keinen Bestand haben, weil es das LG versäumt, im Urteil den Vollstreckungsstand der gemäß § 55 I i.V.m. § 54 StGB einbezogenen Geldstrafe von 90 Tagessätzen zu je 45 Euro zum Zeitpunkt des angefochtenen Berufungsurteils festzustellen (vgl. zuletzt nur BGH, Beschluss vom 11.04.2018 – 4 StR 53/18 [bei juris] m.w.N.). Die nach Sachlage nicht überprüfte Mitteilung im Rahmen der in indirekter Rede wiedergegebenen Angaben des Angeklagten zu seiner Person, wonach „die Strafe BZR Ziffer 10 […] noch nicht vollständig bezahlt“ und „noch 3.400,- Euro offen“ seien, ist hierfür nicht ausreichend. Es bleibt vielmehr ungeklärt, ob die einbezogene Geldstrafe tatsächlich erledigt ist oder nicht.
2. Der Gesamtstrafenausspruch leidet darüber hinaus an einem durchgreifenden Zumessungsfehler, weil das LG bei der Begründung der Höhe der erkannten Gesamtstrafe rechtsfehlerhaft „unter nochmaliger Abwägung aller Strafzumessungsgesichtspunkte“ tatsächlich allein auf die Zumessungsgründe für die Bemessung der als Einsatzstrafe festgesetzten Einzelfreiheitsstrafe „von 13 Monaten“ [sic!]) Bezug nimmt, eine gemäß § 54 I 3 StGB gebotene eigenständige Zumessung gerade für die Gesamtstrafe aber nicht vornimmt (BGH, Beschluss vom 17.12.2013 – 4 StR 261/13 [bei juris]; ferner OLG Bamberg, Beschluss vom 09.02.2016 – 3 OLG 6 Ss 4/16 [bei juris] und 21.01.2016 – 3 OLG 7 Ss 130/15 = OLGSt StGB § 54 Nr 2, jeweils m.w.N.). Insbesondere dann, wenn – wie hier – die Einsatzstrafe nicht unerheblich erhöht wurde und die Gesamtstrafe der Summe der Einzelstrafen nahe kommt, darf auf eine zusammenfassende Würdigung der Person des Angekl. und aller einbezogenen Straftaten einschließlich der für sie jeweils wesentlichen Strafzumessungserwägungen im Rahmen einer näheren Begründung nicht verzichtet werden (BGH und OLG Bamberg a.a.O.; BGH, Beschluss vom 08.11.2017 – 2 StR 542/16 [bei juris]). Dass das LG bei Berücksichtigung der relevanten gesamtstrafenspezifischen Gesichtspunkte zu einer geringeren Gesamtstrafe, nämlich hier einer Freiheitsstrafe in Höhe von 1 Jahr und 2 Monaten, gelangt wäre, ist nicht auszuschließen, weshalb von einem Beruhen i.S.v. § 337 I StGB auszugehen ist.
3. Schließlich unterbleibt auch die gebotene Darstellung der Strafzumessungserwägungen aus der Vorverurteilung, deren Strafe einbezogen wurde (vgl. nur BGH, Urt. v. 08.11.2017 – 2 StR 542/16 [bei juris] m.w.N.).
II.
Nach alledem bedarf der Gesamtstrafenausspruch erneuter Überprüfung. Einer Aufhebung der zugehörigen Feststellungen bedarf es nicht (§ 353 II StPO). Die zur neuen Entscheidung berufene Berufungskammer wird die ergänzenden, den bisherigen nicht widersprechenden Feststellungen zu treffen haben (vgl. BGH, Beschluss vom 10.03.2015 – 5 StR 22/15 = NStZ-RR 2015, 240 = StV 2015, 563 = BGHR StGB § 46 Abs 1 Spezialprävention 5).
III.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten der Revision – an eine andere Strafkammer des LG zurückzuverweisen (§§ 353, 354 II StPO).
IV.
Vorsorglich wird für die neue Hauptverhandlung auf Folgendes hingewiesen:
1. Gemäß § 39 2. Alt. StGB ist eine Freiheitsstrafe von einer längeren Dauer als 1 Jahr grundsätzlich nach vollen Monaten und Jahren zu bemessen.
2. Eine etwa erforderlich werdende erneute Bildung der Gesamtstrafe gemäß § 55 I 1 StGB hat nach Maßgabe der Vollstreckungssituation zum Zeitpunkt der ersten Entscheidung, hier also des Berufungsurteils vom 12.03.2018, zu erfolgen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 11.04.2018 – 4 StR 53/18 [bei juris] m.w.N.).


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