Aktenzeichen 5 StR 548/09
§ 244 Abs 6 StPO
§ 344 Abs 2 S 2 StPO
Verfahrensgang
vorgehend LG Hamburg, 25. August 2009, Az: 619 KLs 8/09, Urteil
Tenor
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 25. August 2009 gemäß § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch aufgehoben.
Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Gründe
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Das Landgericht hat den Angeklagten wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von elf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Es hat ferner 61 kg Kokain und ein Wohnmobil eingezogen. Die Revision des Angeklagten erzielt den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg.
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1. Das Landgericht hat im Wesentlichen folgende Feststellungen und Wertungen getroffen:
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a) Der Angeklagte lebte von 1998 bis 2007 in Spanien und war als Kaufmann im Bereich Import/Export mit Waren aus Indonesien tätig. Nach dem Tod seiner Freundin verkaufte er seine Besitztümer und unternahm eine längere Reise, u. a. durch Südamerika. Spätestens im Juli 2008 gestattete der Angeklagte einem unbekannt gebliebenen Hintermann, sein Wohnmobil für einen Drogentransport nach Europa zu benutzen. In das in Deutschland auf den Angeklagten zugelassene Fahrzeug wurden sodann 52 Pakete mit 61 kg Kokain (Wirkstoffgehalt 57 kg) eingebaut. Der Angeklagte beauftragte eine Hamburger Reederei, das Wohnmobil im Wert von 7.500 € mit einem Containerschiff nach Dublin (Irland) zu transportieren. Der Container mit dem Fahrzeug des Angeklagten wurde am 6. September 2008 in Rotterdam entladen, anschließend vom niederländischen Zoll gescannt, mit Drogenfahndungshunden ohne Ergebnis kontrolliert und am 22. Oktober 2008 zum Weitertransport freigegeben.
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b) Der Angeklagte hatte am 18. oder 19. September 2008 davon erfahren, dass der Container noch immer vom niederländischen Zoll festgehalten werde. Er beschloss, den Container in die Bundesrepublik Deutschland umzuleiten. Er flog am 20. September 2008 von Frankfurt/Main nach Buenos Aires und beauftragte am 3. November 2008 einen Berliner Rechtsanwalt mit der weiteren Abwicklung des Transports. Dieser beglich am 25. Februar 2009 die am 20. Februar 2009 von der Spedition weiter in Rechnung gestellten Transportkosten in Höhe von über 11.000 €. Der Container kam am 24. Februar 2009 im Hamburger Containerterminal per Schiff an. Der Angeklagte beauftragte die Berliner Anwaltskanzlei am 26./27. Februar 2009, den Container nach Berlin transportieren zu lassen, und übergab einem Mitarbeiter des Rechtsanwalts den Schlüssel des Fahrzeugs, die erhaltenen Frachtdokumente, die Ladeliste sowie eine Kopie seines Personalausweises. Der Container wurde am 9. März 2009 in Hamburg von Mitarbeitern der Zollbehörde geröntgt. Aufgrund von Unregelmäßigkeiten wurde dessen genauere Untersuchung angeordnet, die am 20. April 2009 im Beisein des Angeklagten stattfand. Rauschgiftspürhunde schlugen im Inneren des Fahrzeugs an. Nach Auffinden des Rauschgifts wurde der Angeklagte festgenommen.
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c) Das Landgericht hat aus den dem Angeklagten bekannten Umständen des Transports geschlossen, dass der während des gesamten Verfahrens schweigende Angeklagte davon wusste, dass in seinem Fahrzeug Kokain in der Größenordnung vieler Kilogramm in Erzeugerlandqualität nach Deutschland eingeführt wurde.
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d) Das Landgericht hat die Strafe der Vorschrift des § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG entnommen und bis auf die außerordentlich hohe Menge der eingeführten Betäubungsmittel und dessen Gefährlichkeit in geringem Umfang die professionelle Vorgehensweise des Angeklagten strafschärfend berücksichtigt. Als erheblich strafmildernd hat das Landgericht bewertet, dass der 48-jährige Angeklagte unbestraft geblieben war und die Betäubungsmittel vollständig sichergestellt wurden. Der Angeklagte habe bei dem Betäubungsmittelgeschäft zudem nicht in alleinigem Eigeninteresse gehandelt, sondern ihm sei lediglich eine untergeordnete Rolle zugekommen.
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2. Die Angriffe der Revision gegen den Schuldspruch bleiben erfolglos.
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a) Die Verfahrensrügen greifen aus den vom Generalbundesanwalt in seiner Antragsschrift vom 28. Dezember 2009 dargestellten Erwägungen nicht durch. Zu der die Vernehmung der Fachärzte B. und L. aus Buenos Aires betreffenden Beweisantragsrüge bemerkt der Senat:
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Ein Verstoß gegen § 244 Abs. 6 StPO liegt nicht vor. Den Anträgen des Verteidigers ermangelte es an der gebotenen konkreten Beweisbehauptung (vgl. BGHSt 39, 251, 253 f.). Mit ihnen war die Vernehmung der beiden Krankenhausärzte zum Beweis dafür benannt worden, dass sich der Angeklagte dort (im Krankenhaus) in der Zeit von Anfang Dezember 2008 bis März 2009 durch den Neurologen und von Anfang Dezember 2008 bis Januar 2009 von dem Orthopäden hätte behandeln lassen, was beweisen würde, dass der Angeklagte in dieser Zeit keine Möglichkeit gehabt hätte, auf den Container oder sein Fahrzeug zuzugreifen. Indes ist hierdurch nicht – wie die Revision meint – ein mehrere Monate dauernder Krankenhausaufenthalt ohne jegliche Kommunikationsmöglichkeit unter Beweis gestellt worden. Solches hätte erst durch eine Schlussfolgerung des Tatgerichts aus den konkreten – in den Anträgen aber nicht dargelegten – Umständen der Krankenhausbehandlung festgestellt werden können. Die Anträge bezeichneten demnach nur ein Beweisziel (vgl. BGHSt aaO S. 254).
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Nachdem im Revisionsvortrag keine Präzisierung erfolgt ist, bleibt die erhobene Rüge als Aufklärungsrüge gemäß § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO unzulässig (vgl. BGHR StPO § 344 Abs. 2 Satz 2 Aufklärungsrüge 9; § 244 Abs. 6 Beweisantrag 40).
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b) Auch die Sachrüge greift zum Schuldspruch nicht durch.
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Zwar ist die Erwägung des Landgerichts, der Angeklagte habe an der Kontrolle des Containers und seines Fahrzeugs teilgenommen, weil er nicht frei habe entscheiden können, „ob er das Risiko der Entdeckung eingehen und dafür den Versuch der Rückgewinnung der gegebenenfalls doch unentdeckt bleibenden Betäubungsmittel aus den Händen der Behörden versuchen wollte“ (UA S. 22), nicht nachvollziehbar. Denn im Fall der Nichtentdeckung in Abwesenheit des Angeklagten wäre der von einem Rechtsanwalt für den Angeklagten in Auftrag gegebene Weitertransport des Fahrzeugs in einem Container nach Berlin problemlos durchgeführt worden. Die Anwesenheit des Angeklagten bei der Kontrolle war von der Zollbehörde auch nicht veranlasst. Indes schließt der Senat vor dem Hintergrund der übrigen rechtsfehlerfrei festgestellten, ein besonders sicheres Beweisergebnis belegenden Umstände (vgl. BGH NJW 1997, 2762, 2764; BGH, Beschluss vom 16. März 2005 – 5 StR 514/04) aus, dass das Landgericht ohne die zu beanstandende Wertung die Verbringung des für den Straßenverkehr zugelassenen Wohnmobils von Rotterdam nach Berlin per kostspieliger Containerfracht über Hamburg als das Vorgehen eines Gutgläubigen hätte würdigen können, zumal nachdem der Container in Rotterdam ohne Ergebnis überprüft worden war.
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3. Indes hält der Strafausspruch der – freilich eingeschränkten (BGHSt 34, 345, 349) – sachlichrechtlichen Prüfung nicht stand. Angesichts der gewürdigten zahlreichen mildernden Umstände, namentlich mit Blick auf die Unbestraftheit des ersichtlich von unaufgedeckt gebliebenen Hinterleuten instrumentalisierten Angeklagten, auf den festgestellten späten Zeitpunkt des vom Angeklagten gefassten Einfuhrvorsatzes, welcher erst den angenommenen Strafrahmen eröffnete, und auf die Umstände der Sicherstellung des Rauschgifts, in deren Rahmen sich der Angeklagte zudem den Ermittlungsbehörden gleichsam auslieferte, ist die verhängte Strafe trotz Art und Umfangs des eingeführten Rauschgifts unvertretbar hoch. Es kommt hinzu, dass das Landgericht auf den mit der Einziehung des Wohnmobils gemäß § 74 Abs. 2 Nr. 1 StGB entstandenen Vermögensverlust des Angeklagten nicht eingegangen ist (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 1 Schuldausgleich 16; BGH, Beschluss vom 14. Juni 2000 – 2 StR 217/00).
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4. Bei dem hier vorliegenden Wertungsfehler bedarf es keiner Aufhebung von Feststellungen. Das neue Tatgericht wird die Strafe auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen zu bestimmen haben, die freilich um solche ergänzt werden dürfen, die den bisher getroffenen nicht widersprechen.
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