Strafrecht

Strafverurteilung wegen Vergewaltigung: Anwendbarkeit deutschen Strafrechts bei Auslieferung eines Angeklagten unter Verzicht auf den Spezialitätsgrundsatz

Aktenzeichen  1 StR 579/19

Datum:
19.12.2019
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Beschluss
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2019:191219B1STR579.19.0
Normen:
§ 7 Abs 2 Nr 2 Alt 1 StGB
Spruchkörper:
1. Strafsenat

Verfahrensgang

vorgehend LG München I, 19. Juli 2019, Az: 459 Js 116023/18 – 20 KLs

Tenor

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 19. Juli 2019 wird mit der Maßgabe als unbegründet verworfen, dass die in Österreich erlittene Freiheitsentziehung im Maßstab 1:1 angerechnet wird (§ 349 Abs. 2 StPO).
Der Beschwerdeführer hat die Kosten des Rechtsmittels und die der Nebenklägerin im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Ergänzend bemerkt der Senat:
1. Ein Verfahrenshindernis besteht bei den in Serbien begangenen Taten in den Fällen C.I.1.-3. der Urteilsgründe nicht. Insoweit folgt die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts aus § 7 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 StGB. Der inhaftierte Angeklagte ist „im Inland betroffen“. Er wurde – unter Verzicht auf den Grundsatz der Spezialität – aufgrund eines Europäischen Haftbefehls, dem die in M.      begangene Vergewaltigung (Fall C.II. der Urteilsgründe) zugrunde lag, von der Republik Österreich nach Deutschland ausgeliefert. Die festzustellende Anwesenheit des Angeklagten im Inland ist also nicht auf strafprozessuale Zwangsmaßnahmen wegen der in seinem Heimatland begangenen Taten zurückzuführen. Somit bestehen trotz der grundsätzlich keine deutsche Strafgewalt begründenden Einlieferung (vgl. Pappas, Stellvertretende Strafrechtspflege, 1996, S. 195 f.; Oehler, FS Köln 1988, 489, 497 ff.) auch mit Blick auf den völkerrechtlichen Grundsatz der Nichteinmischung hier keine Bedenken gegen die stellvertretende Strafrechtspflege nach § 7 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 StGB. Die Republik Serbien hat als Heimat- und Tatortstaat nicht binnen angemessener Frist um die Auslieferung des Angeklagten ersucht (vgl. Bl. 507 ff., 516 ff. der Sachakten sowie hierzu allgemein BT-Drucks. 13/4541, S. 14 f. und 15/3482, S. 25; LK/Werle/Jeßberger, StGB, 12. Aufl., § 7 Rn. 111 f.; SK-StGB/Hoyer, 9. Aufl., § 7 Rn. 14).
2. Kein durchgreifender Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten besteht darin, dass das Landgericht im Rahmen der Strafzumessung bei den Fällen C.I.1.-3. der Urteilsgründe Art und Maß der Rechtsfolgen nach dem Tatortrecht – wie an sich geboten (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 1996 – 5 StR 183/95, BGHSt 42, 275, 279 mwN) – nicht erkennbar in den Blick genommen hat. Denn die serbischen Gesetze (vgl. Art. 121, 178, 180 und 182 des serbischen Strafgesetzbuchs) sind mit Blick auf erhöhte Mindeststrafen insgesamt nicht milder als das deutsche Recht, hätten also keine geringeren Strafen nahegelegt.
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