Strafrecht

Verurteilung wegen Bankrotts – Beiseiteschaffen durch Forderungseinzug über das Konto einer dritten Person

Aktenzeichen  12 Ns 502 Js 1046/19

Datum:
15.12.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZInsO – 2022, 94
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StGB § 283 Abs. 1 Nr. 1
InsO § 97 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

1. Zieht der Gläubiger in seiner Krise eine Forderung über das Konto einer dritten Person ein, für das er selbst verfügungsberechtigt ist, und hebt er das eingegangene Geld umgehend wieder ab, liegt darin noch kein Beiseiteschaffen i.S.d. § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB (Anschluss an BGH, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 1 StR 114/16, juris Rn. 15). (Rn. 28)
2. Erteilt der Angeklagte die Zustimmung nach § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO und ermöglicht so die Überprüfung der Beweisergebnisse oder eine weitere Aufklärung des Tatvorwurfs, kommt ihm das im Fall einer Verurteilung bei der Strafzumessung zugute. (Rn. 33)
1. Zieht der Gläubiger in seiner Krise eine Forderung über das Konto einer dritten Person ein, für das er selbst verfügungsberechtigt ist, und hebt er das eingegangene Geld umgehend wieder ab, liegt darin noch kein Beiseiteschaffen i.S.d. § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Erteilt der Angeklagte die Zustimmung nach § 97 Abs. 1 S. 3 InsO und ermöglicht so die Überprüfung der Beweisergebnisse oder eine weitere Aufklärung des Tatvorwurfs, kommt ihm das im Fall einer Verurteilung bei der Strafzumessung zugute. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

46 Ls 502 Js 1046/19 2021-07-27 Urt AGNUERNBERG AG Nürnberg

Tenor

I. Das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 27.07.2021 – 46 Ls 502 Js 1046/19 – wird aufgehoben und wie folgt neu gefasst:
1. Der Angeklagte C ist schuldig des vorsätzlichen Bankrotts.
2. Er wird deshalb zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr 6 Monaten verurteilt.
3. Die Vollstreckung der Freiheitsstrafe wird zur Bewährung ausgesetzt.
4. Die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 38.882,94 € wird angeordnet.
5. Die Angeklagte E wird freigesprochen.
II. Die weitergehenden Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten C werden als unbegründet verworfen.
III. Soweit der Angeklagte C verurteilt worden ist, trägt er die Kosten des Berufungsverfahrens und seine notwendigen Auslagen.
Die Berufungsgebühr wird um ein Drittel ermäßigt.
Die Staatskasse trägt die Kosten beider Instanzen, soweit die Angeklagte E freigesprochen worden ist, und deren notwendige Auslagen.

Gründe

I.
Das Amtsgericht Nürnberg hat den Angeklagten C wegen vorsätzlichen Bankrotts in 13 Fällen zu einer zur Bewährung ausgesetzten Gesamtfreiheitsstrafe und die Angeklagte E wegen Beihilfe dazu zu einer Gesamtgeldstrafe verurteilt. Daneben hat es gegen beide Angeklagte eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wenden sich beide Angeklagte mit jeweils umfassend eingelegten Berufungen und die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Rechtsfolgen beschränkten Berufung.
Die Berufung der Angeklagten E hat vollen, die des Angeklagten C teilweisen Erfolg. Die weitergehenden Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft wurden verworfen.
II.
Der Angeklagte C ist in Rumänien geboren und aufgewachsen. Im Jahr 2013 ist er in die Bundesrepublik übergesiedelt. Er ist gelernter Koch und hat in Rumänien als solcher und als Kellner gearbeitet. In Deutschland arbeitete er zunächst ein Jahr bei H als Kurierfahrer und machte sich anschließend als Transportunternehmer selbständig. Daneben eröffnete er 2018 eine Gaststätte. Derzeit arbeitet er geringfügig als Bürohelfer. Er ist geschieden und hat eine erwachsene Tochter.
Die Angeklagte E … Beide Angeklagte sind nicht vorbestraft und teilen sich eine Wohnung. Dort unterhalten sie eine Art wirtschaftliche Zweckgemeinschaft.
III.
Die Kammer hat aufgrund der Hauptverhandlung folgenden Sachverhalt festgestellt:
Der Angeklagte C war seit 2015 Inhaber eines Einzelunternehmens im Transportgewerbe mit Sitz in … Daneben war er von März bis September 2018 als selbstständiger Gastwirt tätig. Bereits seit dem Frühjahr / Sommer 2018 war dem Angeklagten klar, dass er mit seinen Unternehmungen keinen Erfolg hat und dass ihm die Schulden über den Kopf wachsen, daher dachte er seitdem immer wieder daran, beide Gewerbe einzustellen. Spätestens seit dem 1. Oktober 2018 war er, wie er wusste, nicht mehr in der Lage, fällige Verbindlichkeiten zu erfüllen. Am 21. Dezember 2018 meldete er beide Gewerbe ab.
Am 16. Oktober 2018 eröffnete die Angeklagte E ein Konto bei der S-Bank, IBAN … (fortan: Konto), und räumte dem Angeklagten C tags darauf die Verfügungsbefugnis dafür ein. In der Folgezeit teilte der Angeschuldigte C seinen Auftraggebern und anderen Schuldnern mit, seine Bankverbindung habe sich geändert und sie sollten die ihm geschuldeten Geldbeträge nunmehr auf das Konto überweisen. Die eingehenden Gelder hob er sodann umgehend an verschiedenen Geldautomaten ab. Im Einzelnen stellten sich die Geldeingänge und Abhebungen wie folgt dar:
– Tabelle 1 –
Datum
Geldeingang in €
…von:
Abhebung in €
13.11.2018
10.628,01
H GmbH
9.155,12
H GmbH
14.11.2018
1.000,00
14.000,00
15.11.2018
9.615,81
A GmbH
16.11.2018
735,80
Y GmbH
3.000,00
4.000,00
4.000,00
19.11.2018
4.000,00
27.11.2018
74,00
B
23,00
B
30.11.2018
1.0668,62
H GmbH
03.12.2018
10.000,00
620,00
05.12.2018
1.295,60
AM
1.367,29
AM
06.12.2018
2.000,00
11.12.2018
500,00
17.12.2018
7.651,42
A GmbH
4.500,00
2.500,00
20.12.2018
10.385,35
H GmbH
10.000,00
147,00
B
27.12.2018
500,00
28.12.2018
58,00
B
Summe
61.805,02
60.620,00
Welche Geldeingänge auf das Konto erfolgten und wann und in welchem Umfang Abhebungen vom Angeklagten C durchgeführt wurden, wusste die Angeklagte nicht. Insgesamt nutzte der Angeklagte C das Konto im vorstehend umrissenen Zeitraum allein.
Der Angeklagte C nutzte die bar abgehobenen Gelder in Höhe von insgesamt 15.782,45 € dazu, Forderungen einzelner Gläubiger zu begleichen. Im Einzelnen nahm er folgende Zahlungen vor:
– Tabelle 2 –
(…)
Weiterhin nahm er vom Konto Überweisungen in Höhe von insgesamt 2.124,63 € vor, um weitere eigene Verbindlichkeiten zu begleichen. Im Einzelnen handelte es sich um folgende Zahlungen:
– Tabelle 3 –
(…)
Mit Schreiben vom 8. Januar 2019, bei Gericht eingegangen am Folgetag, stellte der Angeklagte C beim Amtsgericht – Insolvenzgericht – Fürth Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen. In dem Antrag gab er an, über 15 € zu verfügen. Tatsächlich besaß er zu diesem Zeitpunkt noch mindestens 38.882,94 € aus dem bar abgehobenen Geld. Dieses verschwieg er bewusst sowohl in seinem Insolvenzantrag als auch später im Eröffnungs- und Insolvenzverfahren. Am 11. April 2019 beschloss das Insolvenzgericht die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Von der Insolvenzantragstellung und dem Inhalt des Antrags hatte die Angeklagte E keine Kenntnis.
Im Insolvenzverfahren wurden später Forderungen gegen den Angeklagten in Höhe von 224.245,13 € festgestellt. Dem standen – soweit der Insolvenzverwalter dies ermitteln konnte, d.h. ohne den verheimlichten Betrag – liquide Mittel von 0 € gegenüber. Das Insolvenzverfahren ist mittlerweile abgeschlossen; die Wohlverhaltensphase im Restschuldbefreiungsverfahren dauert noch an.
IV.
Die Überzeugung der Kammer vom unter III geschilderten Geschehen beruht auf Folgendem:
1. a) Die Angaben zu seiner Person beruhen auf den glaubhaften Ausführungen des Angeklagten C.
b) Zur Sache gab der Angeklagte an, er habe schon seit Anfang 2018 finanzielle Probleme gehabt und sich seit dem Frühjahr / Sommer 2018 mit dem Gedanken getragen, beide Gewerbe aufzugeben. Seine Schwierigkeiten im Transportgewerbe hätten darauf beruht, dass seine Angestellten unzuverlässig gewesen seien und Gelder unterschlagen hätten. Er habe Schulden bei der AOK, beim Finanzamt und wegen der Lohnzahlungen auch bei seinen Arbeitnehmern gehabt. Mit der Gaststätte hätte er bei hohen Kosten keinen hinreichenden Umsatz erwirtschaften können, manchmal seien es an einem Abend nur 50 € gewesen. Nicht zuletzt wegen der mangelhaften Deutschkenntnisse sei er mit dem Gaststättenbetrieb insgesamt überfordert gewesen. Weiterhin räumte er ein, er habe seinen Auftraggebern das Konto zur Abwicklung künftiger Zahlungen angegeben, weil er Angst vor Pfändungen durch das Finanzamt gehabt habe. Das an Geldautomaten abgehobene Geld habe er weitgehend dazu genutzt, Schulden zu bezahlen.
Dieses Teilgeständnis ist glaubhaft und wird durch die weiteren Beweismittel stimmig und widerspruchsfrei bestätigt und ergänzt.
aa) Die Kontoeröffnung durch die Angeklagte und dessen anschließende ausschließliche Nutzung durch den Angeklagten, einschließlich der Kontobewegungen und Abhebungen, wird belegt durch das Geständnis des Angeklagten und die verlesenen Kontoauszüge, die die einzelnen Geldbewegungen, wie in den Tabellen 1 und 3 (oben III) ersichtlich, abbilden. Weiterhin folgt die Verfügungsberechtigung des Angeklagten über das Konto aus der Verlesung der Bankauskunft der S-Bank sowie aus der Aussage der Zeugin G, einer Angestellten der Bank. Deren Aussage und den vom Angeklagten unterschriebenen Antragsformularen konnte zudem entnommen werden, dass es der Angeklagte war, der jeweils individuelle Freischaltungen bei der Bank beantragt hatte, um Abhebungen über dem Tageslimit von 2.500 € an den Geldautomaten tätigen zu können.
Die weiteren Zahlungen, die der Angeklagte aus dem Bargeldbestand bestritt, werden durch die von ihm vorgelegten Belege gestützt, die in der Tabelle 2 (oben III) zusammengestellt sind. Die Kammer war sich dessen bewusst, dass die Belege für die Zwecke des Strafverfahrens hergestellt worden sein könnten. Die angegebenen Verwendungszwecke und Beträge waren zumindest plausibel, weil sie z.B. bei Barlohnquittungen Namen von Arbeitnehmern aufwiesen, die für den Betrieb des Angeklagten auch bei der AOK gemeldet waren, wie ein Abgleich mit den verlesenen Beitragsrückstandsmeldungen der Krankenkasse bestätigte.
bb) Die Angabe gegenüber dem Insolvenzgericht, er besäße nur noch 15 €, ergibt sich aus dem verlesenen Insolvenzantrag und den Ausführungen des früheren Insolvenzverwalters, des Zeugen R. Letzterer hatte umfassend über den Ablauf und die Ergebnisse des Insolvenzverfahrens berichtet und insbesondere die Vermögensverhältnisse des Angeklagten, soweit sie ihm bekannt waren, dargelegt. Dabei sagte er aus, dass der Angeklagte ihm im Fortgang des Eröffnungs- und des Insolvenzverfahrens keine Mitteilung über die bei ihm verbliebenen Gelder machte.
cc) Der Angeklagte war spätestens seit dem 1. Oktober 2018, realistischerweise deutlich früher, zahlungsunfähig. So hat der Zeuge R angegeben, es seien im Insolvenzverfahren Gläubigerforderungen von insgesamt 224.245,13 € zur Tabelle festgestellt worden, denen keine liquiden Vermögenswerte gegenüberstanden. Die Zahlungsunfähigkeit des Angeklagten wird weiter belegt durch die verlesenen Forderungsaufstellungen der AOK und des Finanzamtes F. Letztere zeigen, dass der Angeklagte bis ins Jahr 2015 zurückreichende Steuerschulden hatte, die sich allein bei der Umsatzsteuer im Frühjahr 2018 auf über 40.000 € summierten. Nachdem das Finanzamt hierüber mit dem Angeklagten im Sommer 2018 verhandelt hatte, nahm es am 25. Oktober 2018 eine Kontopfändung bei ihm wegen Steuerrückständen von 139.399,72 € vor. Im April 2018 erging zudem der Gewerbesteuerbescheid der Stadt S für 2015 über rund 5.700 €, den der Angeklagte nicht begleichen konnte, wie der Zeuge R näher ausführte. Ergänzend stützt sich die Kammer hier auf die Aussage des Zeugen H, der als ermittelnder Polizeibeamter die Krisensymptome in Übereinstimmung mit den verlesenen Urkunden chronologisch referiert hat und auf die verlesenen Auskünfte der Obergerichtsvollzieherin L.
dd) Die Zahlungseinstellung des Angeklagten (vgl. § 283 Abs. 6 StGB) lag spätestens seit Sommer 2018 vor, als der Angeklagte die sechsstellige Steuerforderung des Finanzamts F nicht ansatzweise wegfertigen konnte; daneben standen zur selben Zeit die weiteren vierstellige Verbindlichkeiten der Stadt S und der AOK im Raum, die ebenso wenig beglichen wurden.
ee) Die Kammer ist schließlich davon überzeugt, dass der Angeklagte bei Insolvenzantragstellung noch über mindestens 38.882,94 € an Bargeld verfügte. Dazu liegt keine Aussage des Angeklagten vor. Insoweit hat die Kammer aber alle belegten oder auch nur konkret behaupteten Ausgaben des Angeklagten zu dessen Gunsten von der vereinnahmten Summe von 61.805,02 € abgezogen. Neben den Zahlungen, die über das Konto liefen (Tabelle 3, oben III), hat die Kammer die nach der Behauptung des Angeklagten bar beglichenen und quittierten oder zumindest durch Rechnungen belegten Verbindlichkeiten gemäß der Tabelle 2 (oben III) abgezogen. Abgezogen wurden weiterhin 3.000 €, die der Angeklagte für eine „schwarz“ ausgeführte Autoreparatur beglichen haben will sowie die 15 €, die er im Insolvenzantrag deklarierte. Schlussendlich hat die Kammer weitere 2.000 € pauschal für nicht belegte Aufwendungen abgezogen. Danach verbleibt der genannte Rest von 38.882,94 €.
(…)
Die Anwendung des Zweifelssatzes zur Begründung weiterer Abzüge war nicht veranlasst. Zunächst verlangt der Zweifelssatz ohnehin nicht, zugunsten des Angeklagten von Annahmen auszugehen, für deren Vorliegen das Beweisergebnis keine konkreten tatsächlichen Anhaltspunkte liefert (BGH, Urteil vom 6. September 2016 – 1 StR 104/15, juris Rn. 33). Hier hatte die Kammer allerdings auch keine Zweifel. Nach eigener Aussage des Angeklagten hat dieser schon seit Frühjahr / Sommer 2018 das geschäftliche Ende kommen sehen, zum Jahresende hat er die Gewerbe tatsächlich geschlossen. Es ergab daher wirtschaftlich keinen Sinn mehr, nachdem er die Geschäftsaufgabe beschlossen hatte, weiterhin Gelder dort hineinzustecken. Es war ihm angesichts der Höhe seiner Schulden zudem klar, dass er diese keinesfalls wird begleichen können. Damit gab es bei lebensnaher Betrachtung keine plausible Begründung dafür, das verbliebene Geld für weitere Schuldentilgung zu nutzen. Der Aussage des Zeugen R war im Übrigen auch nicht zu entnehmen, dass der Angeklagte andere als die bereits bekannten Gläubiger befriedigt hätte. Anhaltspunkte für sonstige Ausgaben, die nicht in einer Schuldentilgung begründet gewesen wären, konnte die Kammer nicht feststellen.
2. a) Die Angaben zu ihrer Person beruhen auf den glaubhaften Ausführungen der Angeklagten E.
b) Zur Sache konnte sich die Kammer demgegenüber bei der Angeklagten keine zweifelsfreie Überzeugung dahin bilden können, sie habe dem Angeklagten C zu dessen Bankrott vorsätzlich Hilfe geleistet. Deshalb war sie freizusprechen.
(…)
V.
Die unter III geschilderte Tat ist als Bankrott des Angeklagten C gem. § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB in der Variante des Verheimlichens zu werten.
1. Ein Beiseiteschaffen durch den Angeklagten kann entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht darin gesehen werden, dass er über das Konto einzelne Geldeingänge angenommen hat.
Beiseiteschaffen im Sinne des § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB liegt vor, wenn ein Schuldner einen zu seinem Vermögen gehörenden Gegenstand dem alsbaldigen Gläubigerzugriff entzieht oder den Zugriff zumindest wesentlich erschwert. Dies kann entweder durch eine Änderung der rechtlichen Zuordnung des Vermögensgegenstands oder eine Zugriffserschwerung aufgrund tatsächlicher Umstände geschehen (BGH, Urteil vom 29. April 2010 – 3 StR 314/09, juris Rn. 26; Beschluss vom 12. Mai 2016 – 1 StR 114/16, juris Rn. 14). Das ist hier nicht gegeben. Die Rechtsprechung hat zwar Fälle als Beiseiteschaffen angesehen, in denen der Schuldner eine ihm zustehende Forderung von einer anderen Person über deren Konto, über das er selbst nicht verfügungsberechtigt war, einziehen ließ (BGH, Urteil vom 17. März 1987 – 1 StR 693/86, juris Rn. 9) oder in denen der Schuldner Geld auf Konten von ihm beherrschter, aber rechtlich selbständiger Gesellschaften übertrug (OLG Frankfurt, Beschluss vom 18. Juni 1997 – 1 Ws 56/97, NStZ 1997, 551). Die Besonderheit liegt hier aber darin, dass der Angeklagte das auf das Konto eingegangene Geld umgehend für sich in bar abhob. Damit floss das Geld seinem Vermögen wieder zu und war dieses Vermögen nicht zum Nachteil seiner Gläubiger verringert. Bei dieser Sachlage liegt ein Beiseiteschaffen nicht vor (vgl. BGH, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 1 StR 114/16, juris Rn. 15). In tatsächlicher Hinsicht standen die Gläubiger des Angeklagten nicht schlechter als wenn er sich die ihm zustehenden Gelder von seinen Schuldnern gleich bar hätte auszahlen lassen, was für sich betrachtet kein Beiseiteschaffen trüge. Das Beiseiteschaffen könnte hier erst durch eine weitere Handlung begründet werden, etwa indem der Angeklagte das empfangene Geld versteckt oder außer Landes schafft. Dazu konnte die Kammer keine Feststellungen treffen. In der Begleichung fälliger Verbindlichkeiten liegt jedenfalls kein Beiseiteschaffen, weil dadurch zwar die Haftungsmasse verringert, zugleich dadurch aber auch die Befreiung von einer Verbindlichkeit und damit im Ergebnis lediglich eine Umschichtung des Schuldnervermögens bewirkt wird (vgl. Bosch in SSW-StGB, 5. Aufl., § 283 Rn. 5).
2. Allerdings liegt ein Verheimlichen darin, dass der Angeklagte bewusst der Wahrheit zuwider in seinem Insolvenzantrag vom 8. Januar 2019 das bei ihm noch vorhandene Geld nicht angegeben und es auch später weder gegenüber dem Insolvenzgericht noch gegenüber dem Insolvenzverwalter pflichtgemäß offenbart hat. Dadurch wurde die Gesamtheit der Gläubiger und später der Insolvenzverwalter, vermittelt durch das nunmehr befasste Insolvenzgericht, hinsichtlich der Masse in die Irre geführt.
a) Die Kammer darf dieses Verheimlichen als Anknüpfungspunkt für die Verurteilung wählen, weil es zur angeklagten prozessualen Tat im Sinne von § 264 StPO gehört (zum Begriff BGH, Urteil vom 10. Juni 2020 – 5 StR 435/19, juris Rn. 44 m.w.N.; vgl. auch Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 264 Rn. 3). Der Anklagesatz umfasst die Vorgänge um das Konto und die Insolvenzantragstellung samt dem anschließenden Schweigen des Angeklagten. Die in der Anklage enthaltene rechtliche Beurteilung erfasst ebenfalls beide Aspekte. Insbesondere folgt eine eindeutige Engführung der prozessualen Tat im Sinne einer Fixierung allein auf die Kontobewegungen nicht aus dem in der Anklage mitgeteilten Konkurrenzverhältnis, das so auch vom Amtsgericht übernommen wurde. Denn dieses ist unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt richtig. Die Annahme der Anklage, es lägen 13 Bankrotthandlungen vor, entspricht der Zahl der festgestellten Geldeingänge auf dem Konto. Diese sind aber, weil sie keine Handlungen des Angeklagten darstellen, kein tauglicher Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Straftaten und ihrer Anzahl.
b) Verheimlichen ist jedes Verhalten, durch das ein Vermögensbestandteil oder dessen Zugehörigkeit zur Insolvenzmasse der Kenntnis des Insolvenzverwalters oder der Gläubiger entzogen wird (BGH, Beschluss vom 12. Mai 2016 – 1 StR 114/16, juris Rn. 11 m.w.N.). Das ist erfüllt durch die Falschangabe im Insolvenzantrag, der Angeklagte besäße gerade noch 15 € sowie durch die anschließende pflichtwidrige Nicht-Richtigstellung der tatsächlichen Vermögensverhältnisse (zu den Offenbarungspflichten vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. März 2016 – 1 StR 337/15, juris Rn. 15 und vom 8. März 2012 – IX ZB 70/10, juris Rn. 13 m.w.N. sowie Kammer, Urteil vom 28. Oktober 2021 – 12 Ns 511 Js 2080/19, juris Rn. 35 f.). Damit ist ein zumindest vorübergehender Täuschungserfolg herbeigeführt worden, denn der Zeuge R., der seinerzeitige Insolvenzverwalter, erfuhr gemäß seiner glaubhaften Bekundung erstmals im Rahmen der hiesigen Hauptverhandlung von den unter III beschriebenen Vorgängen und konnte somit nicht im Rahmen des Insolvenzverfahrens auf das Bargeld zugreifen.
VI.
Die Kammer hat den Strafrahmen für den Angeklagten C § 283 Abs. 1 StGB entnommen. Eine Strafrahmenverschiebung nach § 13 Abs. 2, § 49 Abs. 2 StGB war schon deshalb nicht vorzunehmen, weil mit der Falschangabe im Insolvenzantrag eine aktive Täuschung vorlag.
Zugunsten des Angeklagten hat Kammer dessen Teilgeständnis angesetzt. Ebenso ist die Zustimmung nach § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO zu seinen Gunsten zu werten. Nach dieser dem Schutz der Selbstbelastungsfreiheit dienenden Vorschrift können Angaben des Schuldners, die dieser in Erfüllung insolvenzrechtlicher Pflichten gemacht hat, im Strafverfahren zu seinen Lasten nur mit seiner Zustimmung verwendet werden. Gibt der Schuldner diese Zustimmung ab und ermöglicht so die Überprüfung des bisherigen Beweisergebnisses oder die weitere Aufklärung des Tatvorwurfs – wie hier durch die Einvernahme des Insolvenzverwalters -, so spricht das für ihn. Weiterhin ist der Angeklagte nicht vorbestraft und durch sein wirtschaftliches Scheitern in gewisser Weise geläutert. Er will die missglückte selbständige Unternehmerschaft endgültig aufgeben und sich um eine Anstellung in seinem Lehrberuf als Koch bemühen. Zu Lasten des Angeklagten hat die Kammer den Umfang des Bankrotts und das Planvolle und von erheblicher krimineller Energie zeugende Vorgehen des Angeklagten gewertet.
Unter Abwägung der genannten Gesichtspunkte hält die Kammer die Verhängung einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten für tat- und schuldangemessen. Angesichts der positiven Sozialprognose für den Angeklagten und weil auch die weiteren Voraussetzungen des § 56 Abs. 2 und 3 StGB für eine Strafaussetzung vorliegen, konnte die Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden.
VII.
Die Einziehungsentscheidung beruht auf § 73 Abs. 1, 73c Satz 1 StGB. Das im Insolvenzantrag verheimlichte Geld befand sich zwar schon vor der Tat beim Angeklagten, allerdings hat er es sich durch das Verheimlichen weiterhin gesichert und dadurch einen messbaren wirtschaftlichen Vorteil erlangt. Hätte er den Betrag nämlich nicht verheimlicht, hätte der Insolvenzverwalter darauf zugegriffen, ihn zur Masse gezogen und darüber verfügt (§ 80 Abs. 1 InsO); für den Angeklagten wäre es jedenfalls verloren. Die Kammer zieht insoweit eine Parallele zu den Fällen der Einziehung der ersparten Aufwendungen in Fällen von Steuerhinterziehung (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Juni 2019 – 1 StR 208/19, juris Rn. 9 f. m.w.N.).
VIII.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 465 Abs. 1, § 467 Abs. 1, 473 Abs. 1, 4 StPO.


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