Strafrecht

Waffen- und Sprengstoffrecht

Aktenzeichen  AN 16 K 20.01035

Datum:
11.5.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 13572
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Ansbach
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der Bescheid des Landratsamtes … vom 27. April 2020 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Der Widerruf der Waffenbesitzkarten Nrn. … des Klägers stützt sich auf §§ 45 Abs. 2 Satz 1, 4 Abs. 1 Nr. 2, 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG.
Gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zwingend zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. In diesen Fällen sieht das Waffengesetz mildere Mittel als einen Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis nicht vor. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG setzt eine Erlaubnis unter anderem voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit (§ 5 WaffG) besitzt. Letztere besitzen nach dem Regeltatbestand der Unzuverlässigkeit des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG in der Regel Personen nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen rechtkräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind.
a) Der Kläger erfüllt den Regeltatbestand der Unzuverlässigkeit gemäß § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG, weil er durch Urteil des Amtsgerichts …vom 11. Dezember 2018 rechtskräftig wegen vorsätzlicher gefährlicher Körperverletzung (§ 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB) zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt worden ist und zwischen dem Eintritt der Rechtskraft dieser Verurteilung am 19. Dezember 2018 und der angefochtenen Widerrufsentscheidung des Beklagten am 27. April 2020 noch keine fünf Jahre verstrichen sind.
b) Es liegt vorliegend auch kein Ausnahmefall von der Regelunzuverlässigkeit vor.
aa) Eine Abweichung von der Vermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit kommt nur in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bzgl. des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 13.12.1994 – 1 C 31/92 – NVwZ-RR 1995, 525; B.v. 21.7.2008 – 3 B 12/08 – juris Rn. 5). Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt. Die zuständige Behörde braucht nicht zu prüfen, ob der Betroffene die Straftat tatsächlich begangen hat. Sie darf grundsätzlich von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen und sich auf die Prüfung beschränken, ob das die Verurteilung begründende Verhalten im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen die Annahme der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit rechtfertigt oder die Regelvermutung auf Grund besonderer Umstände ausnahmsweise ausgeräumt ist (Gade, Waffengesetz, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 21).
Dabei ist zu beachten, dass das mit jedem Waffenbesitz vorhandene Sicherheitsrisiko möglichst gering gehalten werden soll. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Personen, die wegen einer in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG aufgeführten Straftat rechtskräftig verurteilt worden sind, besitzen „in der Regel“ nicht die erforderliche Zuverlässigkeit, wenn die gesetzlich festgelegte Frist noch nicht abgelaufen ist. Der Gesetzgeber hat mit der Regelung in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG mithin grundsätzlich eine Wertung getroffen, wonach die Begehung einer dort genannten Straftat ein gewichtiges Indiz dafür ist, dass es dem Waffenbesitzer an der erforderlichen Fähigkeit oder Bereitschaft fehlt, (auch) mit Waffen gewissenhaft umzugehen. Dies entspricht gefestigter Rechtsprechung des BayVGH (vgl. B.v. 5.3.2008 – 19 CS 07.2786 – juris Rn. 22; B.v. 13.10.2005 – 19 CS 05.2394; B.v. 23.3.2006 – 19 CS 06.456; B.v. 12.2.2007 – 19 CS 06.2178).
Ein Ausnahmefall von der Regelvermutung kann nicht damit begründet werden, dass die konkrete Straftat keinen Waffen- bzw. Jagdbezug hatte (OVG Münster, B.v. 4.4.2013 – 16 A 2905/11 – juris; Adolph/Brunner/Bannach, WaffG, Stand: Oktober 2019, § 5 Rn. 58; Gade, Waffengesetz, 2. Auflage 2018, § 5 Rn. 22). Wann die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit eingreift, wird nämlich nicht mehr vorrangig nach der Art der begangenen Straftat bestimmt, sondern es wird allgemein auf die Rechtsfolgenseite, nämlich auf die Höhe der verhängten Strafe, abgestellt (BT-Drs. 14/7758 S. 128; BVerwG, B.v. 21.7.2008 – 3 B 12/08 – juris Rn. 5). Weiter begründet bereits eine einzige Verurteilung wegen einer der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c WaffG genannten Straftaten die Regelvermutung, wenn eine Geldstrafe in Höhe von mindestens 60 Tagessätzen verhängt worden ist. Die Vermutung kann daher grundsätzlich auch nicht schon dann entkräftet sein, wenn der Betroffene ansonsten strafrechtlich nicht aufgefallen ist (BVerwG, a.a.O.). Dass sich der Betroffene seit Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung bewährt hat, ist ebenso selbstverständlich und vermag keine Ausnahme von der Regelvermutung zu begründen (Adolph/Brunner/Bannach, WaffG, Stand: Oktober 2019, § 5 Rn. 58).
bb) Nach diesen Maßgaben hat die vom Kläger begangene Straftat keinen Ausnahmecharakter, der ein Abweichen von der Regelvermutung rechtfertigen könnte.
Der Kläger ist durch Urteil des Amtsgerichts … vom 11. Dezember 2018 wegen vorsätzlicher gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen verurteilt worden. Er schlug am 23. Januar 2018 dem Geschädigten … mindestens einmal mit einem fast vollen Weizenglas wuchtig in das Gesicht, sodass das Glas zerbrach, und fügte diesem hierdurch mehrere Schnittverletzungen im Bereich der Wange und Oberlippe zu, welche mehrfach genäht werden mussten. Dieses Tatgeschehen ereignete sich während eines Skiurlaubs am späten Abend in geselliger Runde, wobei dem Verhalten des Klägers keinerlei Provokationen seitens seines Opfers vorausgegangen sind. Die Verurteilung des Klägers zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen bewegt sich bereits deutlich nicht mehr im unteren Bereich des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG. Aus dem Tatverhalten des Klägers lassen sich weder im Einzelnen noch in der Gesamtschau Gesichtspunkte ableiten, welche die Tat in einem derart milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers durch eine solche Straftat regelmäßig begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Klägers bzgl. des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Dass der Kläger zum Zeitpunkt der Tatbegehung unter erheblichem Alkoholeinfluss stand, streitet waffenrechtlich nicht für, sondern gegen ihn. Denn eine Enthemmung, die der Kläger nach eigenen Angaben durch übermäßigen Alkoholkonsum herbeigeführt hat und als wesentlich tatursächlich anführt, vermag sein Tatverhalten nicht zu entschuldigen und damit in ein milderes Licht zu rücken. Körperverletzungsdelikte werden vielmehr häufig unter Alkoholeinfluss und daraus resultierender Enthemmung begangen. Dieser Umstand vermag die nach der gesetzgeberischen Wertung begründeten Zweifel an der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers mithin nicht auszuräumen. Dasselbe gilt für den Einwand des Klägers, er habe nicht mit direktem Vorsatz, sondern allenfalls bedingt vorsätzlich gehandelt. Dass der Kläger die erheblichen Verletzungen des Geschädigten jedenfalls billigend in Kauf genommen hat, rückt seine Tat nämlich ebenso wenig derart in ein mildes Licht, dass Zweifel an seiner waffenrechtlichen Vertrauenswürdigkeit nicht gerechtfertigt sind. Auch der strafmildernde Umstand des klägerseits durchgeführten Täter-Opfer-Ausgleichs führt nicht dazu, dass die Tat keinen typischen Fall eines vorsätzlichen Verstoßes gegen Strafvorschriften darstellt. Eine Ausnahme von der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG besteht auch nicht deshalb, weil der Kläger bei der gefährlichen Körperverletzung keine Waffe verwendet hat. Ein Zusammenhang der Straftat, welche die Vermutung der Unzuverlässigkeit begründet, mit dem Umgang mit Waffen oder Munition ist nach der eindeutigen gesetzlichen Regelung nicht erforderlich. Ebenso begründet der Umstand, dass die strafrechtliche Verurteilung des Klägers nicht in sein Führungszeugnis aufzunehmen ist, keine Ausnahme von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit. Dies folgt daraus, dass die Maßstäbe des § 32 BZRG und des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG verschieden sind, wie schon die unterschiedlichen Schwellenwerte der Mindeststrafe zeigen. Schließlich stellt auch der Umstand, dass dem Kläger neben der beklagtenseits angeführten Straftat keine weiteren Verfehlungen zur Last liegen, keinen Gesichtspunkt dar, der die Regelvermutung vorliegend widerlegen kann. Denn ein straffreies Leben wird für den Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis grundsätzlich vorausgesetzt und begründet keinen Ausnahmefall.
c) Die Prüfung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit erfordert vorliegend auch nicht die Einholung eines fachpsychologischen Gutachtens (vgl. hierzu BVerwG, U.v. 13.12.1994 – 1 C 31/92 – juris Rn. 30). Das Waffenrecht selbst sieht die Einholung eines Gutachtens nur bei Zweifeln an der hier nicht einschlägigen persönlichen Eignung i.S.d. § 6 Abs. 2 WaffG vor (vgl. VG Ansbach, U.v. 9.5.2007 – AN 15 K 07.00726 – juris; VG Würzburg, U.v. 23.10.2015 – W 5 K 15.623 – juris Rn. 36). Die waffenrechtliche Zuverlässigkeit des Klägers gemäß § 5 WaffG stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, dessen Prüfung allein der Waffenbehörde bzw. dem Gericht obliegt. Dies gilt umso mehr, als es hier um die Frage einer Ausnahme einer kraft Gesetzes eingetretenen Vermutung der fehlenden Zuverlässigkeit und damit um die rechtliche Würdigung und Bewertung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie „in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt“, nicht aber um die Prognose künftigen Verhaltens geht (VG Würzburg, a.a.O.). Der aufgeworfene Prüfungsmaßstab setzt keine der Behörde bzw. dem Gericht nicht zur Verfügung stehende Sachkunde voraus, die Anlass zur Einholung eines Sachverständigengutachtens geben könnte. Demgemäß erweisen sich auch das vom Kläger in Vorlage gebrachte nervenärztliche Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. med. … vom 29. April 2020 und dessen rechtliche Annahme der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers als nicht entscheidungserheblich.
2. Die in dem angefochtenen Bescheid des Landratsamtes … vom 27. April 2020 getroffenen waffenrechtlichen Nebenverfügungen begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Ziffern 2 und 3 des Bescheides beruhen auf § 46 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 WaffG und erweisen sich als rechtmäßig.
Die Klage ist nach alledem insgesamt abzuweisen.
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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