Strafrecht

Widerruf der Waffenbesitzkarte, Ungültigerklärung des Jagdscheins, Keine Ausnahme von der Regelvermutung

Aktenzeichen  M 7 S 21.1425

Datum:
20.7.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 35325
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 80 Abs. 5
WaffG § 45 Abs. 2 S. 1
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a
BJagdG § 18

 

Leitsatz

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 7.250 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich gegen den Widerruf seiner Waffenbesitzkarte sowie die Ungültigerklärung und Einziehung seines Jagdscheins.
Der Antragsteller verfügt über eine von der Antragstellerin am 11. November 2016 ausgestellte Waffenbesitzkarte Nr. … mit drei eingetragenen Langwaffen sowie einen am 21. Oktober 2016 ausgestellten Jagdschein Nr. …
Mit seit *. … 2019 rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts M. … vom … … 2018 wurde gegen den Antragsteller wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage III zum BtMG, §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verhängt. Dieser war darauf gestützt, dass der Antragsteller am *. … 2018 gegen … Uhr in seiner Wohnung in der D. … Str. * in 8. … M. … 0,59 Gramm Kokaingemisch mit einem Wirkstoffgehalt von mindestens 40% wissentlich und willentlich aufbewahrt habe. Wie er gewusst habe, habe er nicht die für den Umgang mit Betäubungsmitteln erforderliche Erlaubnis gehabt.
Im Rahmen der Anhörung zu dem deshalb beabsichtigen Widerruf der Waffenbesitzkarte und der beabsichtigten Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins äußerte sich der Antragsteller gegenüber der Antragsgegnerin telefonisch. Es seien nicht seine Drogen gewesen. Er werde der Antragsgegnerin mitteilen, ob er alles freiwillig abgebe oder einen rechtsmittelfähigen Bescheid wünsche. Eine weitere Äußerung erfolgte jedoch nicht.
Mit Bescheid vom 11. Februar 2021, zugestellt am 13. Februar 2021, erklärte die Antragsgegnerin den am 21. Oktober 2016 für den Antragsteller ausgestellten und bis 31. März 2022 befristeten Jagdschein Nr. … für ungültig und zog ihn ein (Nr. I.1). Die Erteilung der Waffenbesitzkarte Nr. … vom 11. November 2016 wurde mit Zustellung des Bescheids widerrufen (Nr. I.2). Dem Antragsteller wurde aufgegeben, die in seinem Besitz befindlichen (im Folgenden im Einzelnen benannten) Waffen und Munition innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Zustellung des Bescheids an einen Berechtigten zu überlassen oder unbrauchbar zu machen und der Antragsgegnerin einen Nachweis zu erbringen. Nach fruchtlosem Ablauf der Frist würden die Waffen und Munition sichergestellt (Nr. I.3). Der Jagdschein und die Waffenbesitzkarte seien innerhalb einer Frist von 6 Wochen nach Zustellung des Bescheids bei der Antragsgegnerin abzugeben bzw. einzusenden (Nr. I.4). Für die Nrn. I.1, 3 und 4 wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Nr. I.5). Für den Fall der nicht fristgerechten Rückgabe des Jagdscheins und der waffenrechtlichen Erlaubnis werde ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- Euro je Erlaubnisdokument zur Zahlung fällig (Nr. I.6). Dem Antragsteller wurden die Kosten auferlegt und für den Bescheid eine Gebühr von 170,- Euro mit Auslagen in Höhe von 2,49 Euro festgesetzt.
Die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins wurde auf §§ 18, 17 Abs. 1 BJagdG i.V.m. § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a WaffG gestützt. Gründe, die eine Ausnahme von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit rechtfertigen könnten, lägen nicht vor. Die 5-Jahres-Frist seit Rechtskraft der Verurteilung sei noch nicht verstrichen. Der Antragsteller besitze daher nicht mehr die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit. Aus denselben Gründen sei auch gem. § 45 Abs. 2 i.V.m. §§ 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 5 WaffG die Erteilung der waffenrechtlichen Erlaubnis zu widerrufen. Die Anordnung der Überlassung der Waffen und Munition an einen Berechtigten oder deren Unbrauchbarmachung erfolge gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG, um zu gewährleisten, dass der Widerruf nicht wirkungslos bleibe und der Antragsteller das waffenrechtlich nicht mehr legitimierte Eigentum beende, damit kein Unberechtigter die Waffen und Munition erwerbe. Die Anordnung der Rückgabe des Jagdscheins und der Waffenbesitzkarte erfolge gemäß § 52 VwVfG bzw. § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG, um eine missbräuchliche Verwendung ungültig gewordener Erlaubnisurkunden im Rechtsverkehr zu verhindern. Rechtsgrundlage für die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Nrn. I.1, 3 und 4 sei § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Es liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins und die Anordnungen zur Überlassung bzw. Unbrauchbarmachung der Waffen und Munition sowie zur Rückgabe der jagd- und waffenrechtlichen Erlaubnisse vor der bei Ausschöpfung des Verwaltungsrechtswegs unter Umständen erst in mehreren Jahren zu erwartenden Unanfechtbarkeit des Bescheids wirksam würden. Der Antragsteller besitze aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln nicht mehr die erforderliche Zuverlässigkeit. Die Ausübung der Jagd und der Umgang mit Schusswaffen und Munition sei jedoch nur dann unbedenklich, wenn über die Zuverlässigkeit des Erlaubnisinhabers keine Zweifel bestünden. Über Schusswaffen verfügende Personen müssten hohen Ansprüchen in Bezug auf Charakter und persönliche Integrität entsprechen. Schusswaffen in der Hand einer Person, die den Anforderungen nicht genügen könne, stellten eine ständige Gefahr für die Allgemeinheit dar. Die Abwendung dieser Gefahr liege im öffentlichen Interesse. Die Abwägung der Interessen ergebe einen eindeutigen Vorrang der öffentlichen Belange. Die Androhung des Zwangsgelds sei aufgrund von Art. 29, 30, 31 und 36 VwZVG erfolgt.
Der Bevollmächtigte des Antragstellers erhob am 12. März 2021 Klage (M 7 K 21.1424) und stellte am selben Tag einen Eilantrag. Zur Begründung des Eilantrags wurde im Wesentlichen vorgetragen, der Bescheid stütze sich auf die strafrechtliche Verurteilung, verkenne aber die dahinterstehende Motivlage. Das beim Antragsteller vorgefundene Betäubungsmittel habe, wie in der Klageschrift ausgeführt, nicht in dessen Eigentum gestanden. Der Antragsteller habe den Vorwurf des Besitzes lediglich auf sich genommen, um eines seiner drei Geschwister zu schützen. Der Antragsteller unterscheide sich aufgrund seiner Motivlage grundlegend von Straftätern, die Drogen zum Eigenkonsum oder Handeln besäßen. Bei der gebotenen summarischen Prüfung erweise sich der Ausgang des Klageverfahrens als offen, wenn nicht sogar als erfolgreich. Es gehe letztlich nur um waffen- und jagdrechtliche Dokumente, die eingetragenen Jagdwaffen würden demnächst einem Berechtigten überlassen. Zwar werde nicht verkannt, dass bei behördlichen Entscheidungen nach dem Waffengesetz wegen mangelnder persönlicher Eignung oder Unzuverlässigkeit aus Gründen der Gefahrenabwehr regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung bestehe. Die Argumentation der Behörde sei jedoch nicht schlüssig. Die Verurteilung liege 26 Monate zurück, sodass die Ausführungen zur Eilbedürftigkeit nicht verfingen. Ein Dokumentenmissbrauch sei in den letzten Monaten nicht vorgekommen und auch künftig nicht zu erwarten. Die Argumentation hierzu sei nicht nachvollziehbar. Dem Aussetzungsinteresse des Antragstellers sei daher in der Abwägung Vorrang zu gewähren. Die Allgemeinheit sei ohnehin nicht gefährdet. Der Vollzug des Bescheids könne ohne schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Interessen aufgeschoben werden, wohingegen der Antragsteller ohne jagdrechtliche Erlaubnis nicht an seinem gewöhnlichen gesellschaftlichen Leben teilnehmen und seinen Naturschutzaufgaben als Jäger nachgehen könne. In der Klageschrift wurde darüber hinaus im Wesentlichen ausgeführt, es sei die einzige Verurteilung geblieben, der Antragsteller gelte nicht als vorbestraft. Sein früherer Strafverteidiger habe ihm versichert, es gebe keine weiteren Konsequenzen. Der Antragsteller habe die mögliche Relevanz für jagd- und waffenrechtliche Erlaubnisse nicht gekannt. Durch die Akzeptanz des Urteils habe der Antragsteller sein Einsichtsvermögen bewiesen. Die Behörde habe sich nicht mit der Person des Antragstellers auseinandergesetzt. Der Antragsteller sei Mediziner und wisse um die Gefährlichkeit von Drogen. Er habe Unterlagen vorlegen können, aus denen sich ergebe, dass er keinerlei Drogen konsumiert habe. Die Rechtsprechung (VG München – M 7 K 16.771, M 7 S 16.772, BVerwG, BeckRS 2008, 38049) lasse eine Ausnahme von der Regelvermutung zu. Die Betäubungsmittel seien nicht von dem Antragsteller deponiert worden, er habe aber keine Familienangehörigen belasten wollen. Ein Charaktermangel könne hieraus nicht abgeleitet werden. Die Anknüpfung der Unzuverlässigkeit an die rechtskräftige Verurteilung wegen des bloßen Besitzes von Betäubungsmitteln ohne Besitzwillen sei unlogisch, soweit nicht Waffen-, Jagd- oder vergleichbare Delikte in Rede stünden. Nach den allgemeinen Verwaltungsgrundsätzen gebe es keine Unzuverlässigkeit kraft Gesetzes. Nach VGH Koblenz vom 25. Juni 1986 – 8 A 115/85 habe jeder Bürger einen Anspruch auf individuelle Beurteilung seiner Persönlichkeit. Die Einschränkung des § 5 Abs. 2 WaffG auf Regeltatbestände bedeute letztlich, dass die Beurteilung der Zuverlässigkeit im Ermessen der Behörde stünde. Hier sei die Prüfung einer Ausnahme lebensnah. Der Antragsteller habe sein Leben immer einwandfrei geführt, übe einen soliden akademischen Heilberuf aus und habe einen grundsoliden Bekannten- und Freundeskreis. Er sei stets vorbildlich mit Waffen und Munition umgegangen. Bei der Ermessensausübung sei zu berücksichtigen, dass der Deliktstyp keinerlei Bezug zu Schusswaffen habe und der Antragsteller nie negativ im Zusammenhang mit Schusswaffen aufgefallen sei. Die Regelvermutung sei widerlegt, da die Umstände der abgeurteilten Verfehlung in einem derart milden Licht erschienen, dass die Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Antragstellers hinsichtlich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt seien. Im Rahmen der Zukunftsprognose ergebe sich aufgrund des Charakters des Antragstellers und seiner getroffenen Vorkehrungen, nicht mehr in eine derartige Situation zu kommen, keinerlei Wahrscheinlichkeit für den künftigen Eintritt eines Störungsereignisses im Zusammenhang mit Waffen. Der Bescheid stelle auch nicht kausal den Zusammenhang zu einem möglichen, zu befürchteten Waffenmissbrauch her.
Der Antragsteller beantragt,
Die aufschiebende Wirkung der bereits eingereichten Klage gegen die Ziffern Nr. I.5 i.V.m. Nr. I.1, 3 und 4 des Bescheids der Beklagten KVR I/211 ku 1671369 vom 11. Februar 2021 wird wiederhergestellt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
Der Antrag wird abgelehnt.
Zur Begründung wird mit Schriftsatz vom 22. März 2021 auf den Inhalt der vorgelegten Akten und die Begründung des angefochtenen Bescheids verwiesen. Ergänzend wird ausgeführt, der Strafbefehl sei seit dem *. … 2019 rechtskräftig, weshalb grundsätzlich von der Richtigkeit der strafgerichtlichen Entscheidung ausgegangen werden könne. Die Waffenbehörde sei weder gehalten noch befugt, eine rechtskräftige strafgerichtliche Entscheidung in Frage zu stellen, sofern sie den Sachverhalt nicht ausnahmsweise besser beurteilen könne. Hierfür lägen jedoch keine Anhaltspunkte vor. Im Übrigen habe der Antragsteller bei der Beschuldigtenvernehmung erkärt, dass er das Kokain für den Eigenbedarf besitze. Um beurteilen zu können, ob ein Ausnahmefall vorliege, sei nicht nur der Strafbefehl angefordert, sondern auch Einsicht in die Strafakte genommen worden. Gründe, die eine Ausnahme von der Regelvermutung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit rechtfertigen könnten, seien weder dem Sachverhalt zu entnehmen noch würden vom Bevollmächtigten gewichtige Gründe vorgetragen. Mit einer Waffenbesitzkarte könnten gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b WaffG erlaubnispflichtige Schusswaffen vorübergehend zum Zwecke der Verwahrung oder Beförderung erworben werden. Mit einem Jahresjagdschein könnten erlaubnispflichtige Langwaffen und Munition vorübergehend oder dauerhaft erworben werden. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei zulässig. Ein weiterer Umgang des Antragstellers mit erlaubnispflichten Schusswaffen oder Munition liege aufgrund der nicht mehr gegebenen Zuverlässigkeit nicht im öffentlichen Interesse. Zwar sei für den Antragsteller eine Bejagung ohne Jagdschein nicht möglich, eine derartige Einschränkung seines gesellschaftlichen Lebens müsse er jedoch in Kauf nehmen. In der Klageerwiderung wird darüber hinaus vorgetragen, straf- und waffenrechtliches Wohlverhalten könne als selbstverständliche Grundvoraussetzung für den Umgang mit Waffen die Unzuverlässigkeitsvermutung nicht widerlegen. Ein Ermessen bei der Entscheidung über den Entzug der jagd- und waffenrechtlichen Erlaubnisse einer unzuverlässigen Person bestünde nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die vorgelegte Behördenakte in diesem und im Klageverfahren (M 7 K 21.1424) sowie die beigezogene Akte der Staatsanwaltschaft M. … * (* … … … … …*) verwiesen.
II.
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
Der Antrag war im Rahmen einer Gesamtwürdigung des Vorbringens des Antragstellers in diesem und im Klageverfahren dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller begehrt, die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Nrn. I.1, I.3 und I.4 wiederherzustellen und gegen die Nr. I.2 des Bescheids vom 11. Februar 2021 anzuordnen (§§ 88, 122 VwGO).
Der so verstandene Antrag auf Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ist unbegründet, da die Anordnung der sofortigen Vollziehung bzgl. der Nrn. I.1, I. 3 und I.4 des Bescheids vom 11. Februar 2021 rechtmäßig ist und das (teilweise kraft Gesetzes bestehende – vgl. § 45 Abs. 5 WaffG) öffentliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner in der Hauptsache erhobenen Klage überwiegt.
Die behördliche Sofortvollziehbarkeitsanordnung betreffend die Nrn. I.1, I.3 und I.4 des Bescheids ist formell rechtmäßig. Insbesondere genügt die von der Waffenbehörde vorgebrachte Begründung – an die keine übermäßig hohen Anforderungen zu stellen sind (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 55 m.w.N.) – formell den Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO, da es sich dabei um eine auf den konkreten Fall abstellende, nicht lediglich formelhafte schriftliche Begründung des besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes handelt.
Der Antragsteller hat nach Abwägung seines privaten Interesses mit dem öffentlichen Interesse keinen Anspruch auf Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage hinsichtlich der Nr. I.2 bzw. der Nrn. I.1, I.3 und I.4 des Bescheids vom 11. Februar 2021.
Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung in den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 VwGO ganz oder teilweise anordnen, im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei seiner Entscheidung über die Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung abzuwägen zwischen dem kraft Gesetzes bestehenden bzw. von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehung ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten der Hauptsache als wesentliches, wenn auch nicht alleiniges Indiz für die vorzunehmende Interessenabwägung zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Hauptsacherechtsbehelf offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich bzw. mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer (dann reinen) Interessenabwägung.
Unter Anwendung dieser Grundsätze ergibt die summarische Prüfung, dass der Bescheid vom 11. Februar 2021 rechtmäßig sein und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzen dürfte (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Nach summarischer Prüfung bestehen keine durchgreifenden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins sowie des Widerrufs der Waffenbesitzkarte. Eine überwiegende Wahrscheinlichkeit für einen Erfolg der Klage in der Hauptsache kann daher nicht angenommen werden. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Widerrufs der waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse sowie der hierzu ergangenen Folgeanordnungen überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Anordnung bzw. Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist dabei maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier des Bescheidserlasses, abzustellen.
Die in Nr. I.1 angeordnete Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins gemäß §§ 18 Satz 1, 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG dürfte rechtmäßig sein.
Nach § 18 Satz 1 BJagdG ist die zuständige Behörde in Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären, wenn Tatsachen, welche die Versagung des Jagdscheins begründen, erst nach Erteilung des Jagdscheins eintreten oder der Behörde, die den Jagdschein erteilt hat, bekannt werden. Nach § 17 Abs. 1 Satz 2 BJagdG darf nur ein Jagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG (Falknerjagdschein) erteilt werden, wenn die Zuverlässigkeit oder die persönliche Eignung im Sinne der §§ 5 und 6 des Waffengesetzes fehlen.
Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG besitzen die erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel Personen nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind.
Das Gesetz stellt für die in der Regel anzunehmende Unzuverlässigkeit in § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG auf die rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung wegen bestimmter Straftaten ab. Nach Sinn und Zweck des § 5 Abs. 2 WaffG soll das mit jedem Waffenbesitz vorhandene Sicherheitsrisiko möglichst geringgehalten werden. Es soll nur bei Personen hingenommen werden, die nach ihrem Verhalten Vertrauen darin verdienen, dass sie mit der Waffe jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen (vgl. BT-Drs. 14/7758, S. 54). Die Anwendung des gesetzlichen Tatbestandes erfordert daher keine Prüfung der Behörde, ob der Betroffene tatsächlich eine Straftat begangen hat. Indem es eine rechtskräftige Verurteilung voraussetzt, will das Gesetz sichern, dass die behördliche Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit auf tragfähiger Grundlage erfolgt. Das gerichtliche Strafverfahren, in dem der Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln und im Zweifel zugunsten des Betroffenen zu entscheiden ist, bietet dafür eine besondere Gewähr. Daraus folgt, dass sich die Behörde auch auf die tatsächlichen Feststellungen des Strafgerichts stützen darf. Sie darf grundsätzlich von der Richtigkeit der Verurteilung ausgehen und sich auf die Prüfung beschränken, ob das die Verurteilung begründende Verhalten im Zusammenhang mit den sonstigen Umständen die Annahme waffenrechtlicher Unzuverlässigkeit rechtfertigt oder ob die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG aufgrund besonderer Umstände ausnahmsweise ausgeräumt ist. Sinn und Zweck des Gesetzes ergeben danach, dass die Behörde allenfalls in Sonderfällen die strafgerichtlichen Feststellungen ihrer Entscheidung nicht oder nicht ohne weitere Ermittlungen zugrunde legen darf, etwa dann, wenn für sie ohne weiteres erkennbar ist, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruht oder wenn sie ausnahmsweise in der Lage ist, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären (st. Rspr. BVerwG, vgl. z.B. B.v. 22.4.1992 – 1 B 61/92 – juris Rn. 6; vgl. auch st. Rspr. BayVGH, z.B. B.v. 5.7.2017 – 21 CS 17.856 – juris Rn. 10). Diese Grundsätze gelten auch im Fall eines Strafbefehlsverfahrens (st. Rspr. BVerwG, vgl. z.B. U.v. 13.12.1994 – 1 C 31/92 – juris Rn. 30; vgl. auch st. Rspr. BayVGH, z.B. B.v. 31.10.2012 – 21 ZB 12.1340 – juris Rn. 8). Die Vermutungsregelung setzt zudem nicht voraus, dass außer der Verurteilung weitere nachteilige Umstände über den Waffenbesitzer bekannt geworden sind (vgl. BVerwG, B.v. 19.9.1991 – 1 CB 24/91 – juris Rn. 7). Ebenso wenig kommt es auf einen Bezug zum Umgang mit Waffen an (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2008 – 3 B 12.08 – juris Rn. 5). Vielmehr wird die Regelvermutung der Unzuverlässigkeit nicht nach der Art der begangenen Straftat bestimmt, sondern es wird allgemein auf die Rechtsfolgenseite, nämlich auf die Höhe der verhängten Strafe, abgestellt.
Des Weiteren kommt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2008 – 3 B 12/08 – juris Rn. 5 m.w.N.; vgl. auch BayVGH in st. Rspr., z.B. B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 13) eine Abweichung von der Vermutung nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist danach eine tatbezogene Prüfung in Gestalt einer Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem damaligen Verhalten zum Ausdruck kommt. Darüber hinaus ergibt sich unmittelbar aus dem Gesetzeswortlaut, dass bereits eine einzige Verurteilung wegen einer der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a bis c WaffG genannten Straftaten die Regelvermutung begründet, wenn eine Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen verhängt worden ist.
Im Fall des Antragstellers ist der Tatbestand der Regelunzuverlässigkeit nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG erfüllt, da er mit rechtskräftigem Strafbefehl des Amtsgerichts M. … vom … … 2018 (Az. … … … … …*) wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln gemäß § 1 Abs. 1 BtMG i.V.m. Anlage III zum BtMG, §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BtMG zu einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen verurteilt wurde. Nach den dargelegten Grundsätzen kann es dabei nicht darauf ankommen, dass die abgeurteilte Tat nicht im Zusammenhang mit Waffen steht oder dass der Antragsteller ansonsten strafrechtlich nicht in Erscheinung getreten ist und in soliden Verhältnissen lebt.
Unter Berücksichtigung des dargestellten Prüfungsmaßstabs dürfte ein Ausnahmefall, der ein Absehen von der Regelvermutung rechtfertigen könnte, im Fall des Antragstellers nicht gegeben sein.
Es besteht weder ein Anlass, an der Richtigkeit des Strafbefehls, insbesondere an der festgesetzten Tagessatzhöhe, zu zweifeln noch sind Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Verurteilung auf einem Irrtum beruhen könnte oder dass die Waffenbehörde ausnahmsweise in der Lage wäre, den Vorfall besser als die Strafverfolgungsorgane aufzuklären. Auch sonst liegen keine Umstände vor, die eine Ausnahme von der Regelvermutung rechtfertigen könnten.
Zwar entspricht die Strafe von 60 Tagessätzen gerade noch dem Rahmen, den § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG insoweit fordert. Alleine dass die Strafe in diesem „Mindestbereich“ angesiedelt ist, rechtfertigt aber ausweislich der Gesetzessystematik nicht ohne weiteres eine Abweichung. Vielmehr sind bei der Prüfung, ob die Regelvermutung entkräftet werden könnte – wie ausgeführt -, nur tatbezogene Umstände zu berücksichtigen, so sie die abgeurteilten Verfehlungen ausnahmsweise in einem derart milden Licht erscheinen lassen könnten, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers im Regelfall begründeten Zweifel an der Zuverlässigkeit im konkreten Fall nicht gerechtfertigt sind. Dabei ist die Schwere der konkreten Verfehlung zu würdigen, zum Beispiel dahin, ob sie lediglich Bagatellcharakter hat sowie die Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (vgl. BayVGH, B.v. 11.5.2009 – 21 CS 09.520 – juris Rn. 4 m.w.N.).
Die Tat des Antragstellers hat indes weder Bagatellcharakter noch erscheint sie aufgrund von Besonderheiten in seinem Verhalten in einem milderen Licht. Bereits die Höhe der verhängten Geldstrafe von 60 Tagessätzen für einen Ersttäter spricht gegen ein Bagatelldelikt (vgl. BayVGH, B.v. 28.6.2017 – 21 CS 17.196 – juris Rn. 10 mit Verweis auf BT-Drs. 14/7758, S. 54). Auch das Vorbringen des Bevollmächtigten, das sichergestellte Betäubungsmittel habe nicht dem Antragsteller, sondern einem seiner Geschwister gehört, welches er durch das „Aufsichnehmen“ der Straftat habe schützen wollen und dass sich der Antragsteller wegen dieser Motivlage grundlegend von Straftätern, die Drogen zum Eigenkonsum oder Handeln besäßen, unterscheide, vermag die Annahme eines Ausnahmefalls nicht zu rechtfertigen. Denn soweit dieser Einwand darauf abzielt, die Richtigkeit der strafgerichtlichen Entscheidung in Frage zu stellen, ist zu berücksichtigen, dass der Antragsteller ohne weiteres die Möglichkeit gehabt hätte, Einspruch gegen den Strafbefehl einzulegen und diesen, mitunter auch unter Ausschöpfung des Instanzenzuges, von den Strafgerichten überprüfen zu lassen. Hiervon hat der Antragsteller keinen Gebrauch gemacht. Es obliegt jedoch dem Betroffenen selbst, seine Rechte im Instanzenzug der Strafgerichtsbarkeit wahrzunehmen (vgl. z.B. VG München, U.v. 4.11.2015 – M 7 S 15.4236 – juris Rn. 20). Unerheblich ist dabei, aus welchen Motiven der Antragsteller auf die Einlegung eines Rechtsmittels gegen den Strafbefehl verzichtet hat (vgl. BayVGH, B.v. 31.10.2012 – 21 ZB 12.1340 – juris Rn. 11; vgl. auch B.v. 12.2.2007 – 19 CS 06.2210 – juris Rn. 25; VG Karlsruhe, U.v. 17.9.2014 – 5 K 1333/14 – juris Rn. 46 ff.). Das Vorbringen des Bevollmächtigten, dass der Antragsteller bei Akzeptanz des Strafbefehls irrtümlich von einer Folgenlosigkeit ausgegangen sei und zudem durch die Akzeptanz sein Einsichtsvermögen bewiesen habe, ist daher nicht entscheidungserheblich beachtlich. Gleiches gilt für den damit bezweckten Schutz seiner Geschwister. Im Übrigen lässt sich der Strafakte entnehmen, dass der Antragsteller zunächst einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen worden war, wobei drogentypische Auffälligkeiten festgestellt worden waren und ein Drogenvortest (Urin) positiv auf Kokain verlaufen war.
Weiter kann die Regelvermutung grundsätzlich nicht schon dann entkräftet sein, wenn der Betroffene ansonsten strafrechtlich nicht in Erscheinung ist (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2014 – 21 CS 14.2330 – juris Rn. 9) oder die Tat keinen Bezug zum Einsatz von Waffen hat. Der in der früheren Gesetzesfassung zum Ausdruck kommende unmittelbare oder mittelbare Bezug der Straftaten zum Einsatz von Waffen wurde ausdrücklich aufgegeben (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2008 – 3 B 12/08 – juris Rn. 5). Daher vermag auch das Vorbringen des Antragstellers, er habe sich in seinem Leben bisher immer einwandfrei geführt und sei als Jäger stets vorbildlich mit Waffen und Munition umgegangen, nicht zu einer Abweichung von der Regelvermutung zu führen. Gleiches gilt für sein Vorbringen, er verfüge über ein solides Privatleben und wisse als Mediziner um die Gefährlichkeit von Drogen. Weitere besondere Tatumstände, die zu Gunsten des Antragstellers sprechen würden, sind nicht ersichtlich.
Schließlich kann der Antragsteller auch nicht mit dem Einwand, die Antragsgegnerin habe aufgrund der fehlenden individuellen Beurteilung der Persönlichkeit des Antragstellers das ihr zustehende Ermessen nicht ordnungsgemäß ausgeübt, gehört werden. Die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins nach §§ 18 Abs. 1 Satz 1, 17 Abs. 1 BJagdG steht grundsätzlich nicht im behördlichen Ermessen. Bei der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit i.S.d. § 5 WaffG handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Auslegung und Anwendung der uneingeschränkten Prüfung durch die Verwaltungsgerichte unterliegt. Wie bereits ausgeführt, war die durch die Antragsgegnerin erfolgte Auslegung und Anwendung des Begriffs jedoch nicht zu beanstanden. Dabei verlangt Art. 39 BayVwVfG nicht, schriftliche Verwaltungsakte in allen Einzelheiten zu begründen. Welchen Inhalt und Umfang die Begründung des Bescheids haben muss, richtet sich nach den Besonderheiten des jeweiligen Rechtsgebiets und nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. st. Rspr. BVerwG, z.B. U.v. 27.11.2014 – 4 C 31/13 – juris Rn. 8). Vorliegend hat die Antragsgegnerin in der Begründung des Bescheids festgestellt, dass Gründe für die Ausnahme von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit des Antragstellers nicht vorliegen. Zwar hat sie dies in der Bescheidsbegründung nicht näher unterlegt, dies war allerdings auch nicht erforderlich, da die Antragsgegnerin, wie bereits ausgeführt, für die Bewertung zurecht von der Richtigkeit des Strafbefehls ausgehen durfte. Im Übrigen hat sich der Antragsteller im Rahmen seiner Anhörung lediglich dahingehend geäußert hat, dass es nicht seine Drogen gewesen seien, ohne dies näher auszuführen. Jedenfalls wäre auch eine Heilung eines etwaigen Begründungsmangels nach Art. 45 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 2 BayVwVfG noch bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz möglich. Ausführungen hierzu finden sich auch in der Antragserwiderung der Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 22. März 2021.
Aus den vorgenannten Gründen dürfte der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis, vorliegend der Waffenbesitzkarte nach § 10 Abs. 1 WaffG, ebenfalls rechtmäßig sein. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG ist eine waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine waffenrechtliche Erlaubnis ist nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 1 WaffG zu versagen, wenn der Antragsteller nicht die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Dies ist hier, wie zuvor dargestellt, der Fall. Die Waffenbesitzkarte des Antragstellers war danach zwingend zu widerrufen, § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Ein behördliches Ermessen besteht nicht.
In Bezug auf die weiteren Anordnungen in Nrn. I.3 und I.4 im streitgegenständlichen Bescheid der Antragsgegnerin auf der rechtlichen Grundlage von § 46 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 WaffG und Art. 52 BayVwVfG sind durchgreifende rechtliche Bedenken weder vorgetragen noch ersichtlich. Die Folgeentscheidungen dienen der Umsetzung des Widerrufs der waffen- und jagdrechtlichen Erlaubnisse und stellen die tatsächliche Umsetzung des Entzugs der formellen Erlaubnisberechtigung durch sofortige Abgabe der Erlaubnisurkunden sicher. Soweit der Antragsgegnerin dabei Ermessen eingeräumt ist, sind Ermessensfehler nicht ersichtlich. Die vorgetragene Absicht des Antragstellers, die eingetragenen Waffen demnächst einem Berechtigten zu überlassen, vermag hieran nichts zu ändern.
Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Verfügungen der Antragsgegnerin überwiegt auch das gegenläufige Interesse des Antragstellers.
In Fällen der gesetzlichen Sofortvollzugsanordnung – hier bzgl. Nr. I.2 – unterscheidet sich die Interessenabwägung von derjenigen, die in den Fällen einer behördlichen Anordnung – hier bzgl. Nrn. I.1, 3 und 4 – stattfindet. Während im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO bei der Interessenabwägung die Grundsatzentscheidung des Gesetzgebers für die aufschiebende Wirkung von Rechtsbehelfen bedeutsam wird, ist in Fällen der Nrn. 1 bis 3 zu beachten, dass hier der Gesetzgeber einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Hat sich schon der Gesetzgeber für den Sofortvollzug entschieden, sind die Gerichte – neben der Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache – zu einer Einzelfallbetrachtung grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist (vgl. BVerfG, B.v. 10.10.2003 – 1 BvR 2025/03 – juris Rn. 21 f.).
Bezogen auf die Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins in Nr. I.1 des Bescheids besteht bei der vorzunehmenden Abwägung ein Vorrang des öffentlichen Vollzugsinteresses. Insoweit ist die sofortige Vollziehung – anders als im Waffenrecht – zwar nicht schon gesetzlich angeordnet, weil das Bundesjagdgesetz eine Vorschrift wie § 45 Abs. 5 WaffG nicht enthält. Allerdings ist das öffentliche Vollzugsinteresse bei einer Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins wegen Unzuverlässigkeit inhaltlich deckungsgleich mit demjenigen des waffenrechtlichen Widerrufs. Denn der Jagdschein berechtigt unter den in § 13 Abs. 3 bis Abs. 6 WaffG erfassten Umständen ebenfalls zum Umgang mit Waffen. Mithin besteht auch hier ein öffentliches Interesse, nach einer Ungültigerklärung und Einziehung wegen Unzuverlässigkeit den weiteren Umgang mit Waffen nicht bis zu einem bestands- bzw. rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens hinzunehmen, sondern diesen aus Gründen der Sicherheit und Ordnung, die in § 45 Abs. 5 WaffG die Grundlage des gesetzlichen Sofortvollzugs bilden, sofort zu unterbinden (vgl. BayVGH, B.v. 25.8.2020 – 24 CS 20.1596 – juris Rn. 27 m.w.N.). Vorliegend ist auch unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls nicht erkennbar, dass das Aussetzungsinteresse des Antragstellers das sofortige Vollzugsinteresse überwiegt. Insbesondere führt der Vortrag, der Antragsteller könne ohne die jagdrechtliche Erlaubnis nicht an seinem gewöhnlichen gesellschaftlichen Leben teilnehmen und seinen Naturschutzaufgaben als Jäger nicht nachgehen, nicht dazu, dass eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen hätte ausfallen müssen. Das gesellschaftliche Leben des Antragstellers ist seinem privaten Lebensbereich zuzuordnen; etwaige jagdrechtliche Verpflichtungen lassen sich z.B. durch die Beauftragung eines anderen Jägers erfüllen (vgl. BayVGH, B.v. 4.11.2019 – 21 CS 19.226 – juris Rn. 24).
Im Hinblick auf Nr. I.2 des Bescheids (Widerruf der Waffenbesitzkarte) intendiert die gesetzliche Wertung des § 45 Abs. 5 WaffG bereits ein überwiegendes Vollzugsinteresse. Der Gesetzgeber hielt in dieser Fallgruppe die Anordnung der sofortigen Vollziehung für dringend angezeigt. In derartigen Fällen sei im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung immer eine umgehende Beendigung des Waffenbesitzes geboten bzw. ein höherwertiges legitimes Interesse an einem weiteren Waffenbesitz bis zum Eintritt von Bestands- oder Rechtskraft (u.U. mehrere Monate oder Jahre) überhaupt nicht zu erkennen. Den berechtigten Belangen der Betroffenen könnte in Ausnahmefällen durch eine abweichende (Eil-)Anordnung der Verwaltungsgerichte Rechnung getragen werden (vgl. BayVGH, B.v. 25.4.2018 – 21 CS 17.2459 – juris Rn. 29 unter Verweis auf BT-Drs. 16/7717, S. 33). Dies kommt hier aber nicht in Betracht. Der Antragsteller hat bezüglich des Widerrufs der Waffenbesitzkarte keine durchgreifenden Gründe vorgetragen, die auf besondere, über die im Regelfall mit der Anordnung sofortiger Vollziehung verbundenen Umstände hingewiesen hätten, aufgrund derer eine Abwägung zugunsten seiner privaten Interessen ausfallen müsste. Der im streitgegenständlichen Bescheid der Antragsgegnerin verfügte Widerruf dient dem besonderen Sicherheitsinteresse der Allgemeinheit an einem sicheren und zuverlässigen Umgang mit Schusswaffen sowie Munition und daher dem Schutz überragender Rechtsgüter wie Leben und Gesundheit der Bevölkerung. Gegenüber diesem gewichtigen öffentlichen Interesse hat das private Interesse des Antragstellers, auch unter Berücksichtigung der mit der Entscheidung für ihn verbundenen Auswirkungen wie die Beeinträchtigung seines gesellschaftlichen Lebens und die ihm als Jäger zu erfüllenden Naturschutzaufgaben zurückzustehen.
Das öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO) besteht aus Gründen der Gefahrenabwehr regelmäßig auch für die mit der Widerrufsentscheidung verbundenen notwendigen Anordnungen. Denn diese Folgeentscheidungen stellen sicher, dass der kraft Gesetzes (§ 45 Abs. 5 WaffG) sofort vollziehbare Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis (vgl. insoweit BayVGH, B.v. 4.3.2016 – 21 CS 15.2718 – juris Rn. 17) sowie die für sofort vollziehbar erklärte Ungültigerklärung und Einziehung des Jagdscheins tatsächlich umgesetzt wird. Hieran vermag auch der Vortrag des Bevollmächtigten, die Verurteilung liege bereits 26 Monate zurück und ein Dokumentenmissbrauch sei in den letzten Monaten weder vorgekommen noch künftig zu erwarten, nichts zu ändern.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 2 Gerichtskostengesetz – GKG – unter Berücksichtigung der Nrn. 1.5, 20.3 und 50.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013. Danach ist für die Waffenbesitzkarte einschließlich einer Waffe ein Betrag von 5.000,- Euro zzgl. 750,- Euro je weiterer Waffe (hier: zwei weitere Waffen) und für den Entzug des Jagdscheins 8.000.- Euro anzusetzen. Daraus errechnet sich für das Hauptsacheverfahren ein Gesamtstreitwert von 14.500,- Euro, der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes halbiert wird.


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