Umweltrecht

Kein Anspruch eines Bodenschutzvereins auf Anerkennung als Naturschutzvereinigung

Aktenzeichen  7 C 2/21

Datum:
3.2.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BVerwG:2022:030222U7C2.21.0
Spruchkörper:
7. Senat

Leitsatz

1. Eine Vereinigung, die sich nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich auf den Schutz nur eines Naturgutes – wie hier des Bodens – im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG konzentriert, kann – bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen – als Naturschutzvereinigung anerkannt werden.
2. Voraussetzung für eine Anerkennung als Naturschutzvereinigung gemäß § 3 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 UmwRG ist, dass nach dem satzungsgemäßen Aufgabenbereich der Vereinigung die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege andere Ziele überwiegt.

Verfahrensgang

vorgehend Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt, 20. Mai 2021, Az: 2 L 77/19, Beschlussvorgehend VG Halle (Saale), 18. Juni 2019, Az: 8 A 327/18 HAL, Urteil

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 20. Mai 2021 geändert. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle vom 18. Juni 2019 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger, ein 1995 gegründeter, eingetragener Verein, der sich bundesweit für die Belange des Bodenschutzes einsetzt, begehrt seine Anerkennung als Naturschutzvereinigung.
2
Nach § 2 Satz 2 seiner Satzung ist der Zweck des Vereins der Schutz und die Erhaltung des Bodens als Naturkörper mit seinen natürlichen Funktionen, seiner Archiv- und Nutzungsfunktionen sowie als Grundlage für Landschaftspflege und Naturschutz.
3
Mit Bescheid vom 15. November 2016 erkannte das Umweltbundesamt den Kläger als Umweltvereinigung an und lehnte zugleich seinen Antrag auf Anerkennung als Naturschutzvereinigung ab, nachdem das Bundesamt für Naturschutz sein Einvernehmen hierzu nicht erteilt hatte. Die Anerkennung einer Vereinigung als Naturschutzvereinigung erfordere neben dem Vorliegen der Voraussetzungen der Anerkennung als Umweltvereinigung, dass die Vereinigung “im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert”. Dies setze voraus, dass die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gegenüber anderen Zielen der Vereinigung überwögen. Der Kläger fördere Ziele des Umweltschutzes und auch Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege, diese jedoch nicht im Schwerpunkt. Der satzungsgemäße Zweck des Klägers entspreche den Zielen des Bundes-Bodenschutzgesetzes. Der Bodenschutz habe zwar Schnittmengen mit den Zielen des Naturschutzes und der Landschaftspflege. Die Ziele des Naturschutzes nähmen jedoch die vielfältigen Wechselbeziehungen der Naturgüter im Naturhaushalt, die biologische Vielfalt und die Natur als Lebensraum für Pflanzen und Tiere in den Blick. Dies erfordere einen holistischen Ansatz von Schutzbestrebungen und Maßnahmen, der mit der Beschränkung auf den Schutz eines einzelnen Umweltmediums, wie dem Boden, nicht zu verwirklichen sei. Der Schutz einzelner Umweltmedien sei dem klassischen Umweltschutz zuzuordnen. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos.
4
Die hiergegen gerichtete Klage vor dem Verwaltungsgericht hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, ihn als Naturschutzvereinigung anzuerkennen. Der Kläger fördere die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege durch Erhaltung der Funktion der Böden im Naturhaushalt. Der satzungsgemäße Zweck des Klägers stimme im Wesentlichen mit dem in § 1 Satz 1 BBodSchG geregelten Zweck des Bundes-Bodenschutzgesetzes überein, nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern und wiederherzustellen. Der Kläger fördere nach seiner Satzung die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege auch im Schwerpunkt. Für die Anerkennung sei ausreichend, dass ein wesentlicher Teil des satzungsgemäßen Aufgabenbereichs der Vereinigung auf die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gerichtet sei. Entscheidend sei eine ausreichende Kompetenz der Vereinigung im Naturschutz und in der Landschaftspflege.
5
Die Beklagte hat die vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision eingelegt. Sie macht geltend: Das Oberverwaltungsgericht lege den Begriff des Naturschutzes und der Landschaftspflege zu weit aus. Bodenschutz sei nicht in allen Fällen mit dem Erhalt der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts gleichzusetzen. Der erforderliche holistische Ansatz könne nicht mit den Wechselwirkungen innerhalb nur eines Naturgutes begründet werden. Weiter lege das Oberverwaltungsgericht das Tatbestandsmerkmal “im Schwerpunkt” rechtsfehlerhaft aus. Zu verlangen sei, dass die Vereinigung nach ihrer Satzung die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gegenüber anderen Zielen überwiegend verfolge.
6
Die Beklagte beantragt,
den Beschluss des Oberverwaltungsgerichts des Landes Sachsen-Anhalt vom 20. Mai 2021 zu ändern und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
7
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
8
Der Kläger verteidigt den angefochtenen Beschluss. Sein satzungsgemäßer Aufgabenbereich sei nicht auf das Umweltmedium Boden als räumlich abgrenzbarer Teil der Erdoberfläche begrenzt, sondern verfolge einen funktionalen und damit medienübergreifenden Ansatz. Eine Förderung der Ziele von Naturschutz und Landschaftspflege “im Schwerpunkt” erfordere nicht, dass sämtliche in § 1 BNatSchG genannten und konkretisierten Ziele gleichermaßen und mit gleicher Intensität verfolgt würden. Keines der dort genannten und konkretisierten Ziele sei ohne einen Schutz des Bodens realisierbar.

Entscheidungsgründe

9
Die Revision hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet.
10
Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Er stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO), sodass die Berufung des Klägers zurückzuweisen ist.
11
Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, der Kläger fördere nach seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege, verletzt Bundesrecht. Die Anerkennung einer Vereinigung als Naturschutzvereinigung setzt voraus, dass nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege andere Ziele überwiegt. Dies ist nach der Satzung des Klägers nicht der Fall.
12
1. Anspruchsgrundlage für die Erteilung der Anerkennung als Naturschutzvereinigung ist § 3 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 3 Halbs. 2 des Gesetzes über ergänzende Vorschriften zu Rechtsbehelfen in Umweltangelegenheiten nach der EG-Richtlinie 2003/35/EG (Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz – UmwRG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 23. August 2017 (BGBl. I S. 3290), zuletzt geändert durch Gesetz vom 25. Februar 2021 (BGBl. I S. 306). Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UmwRG setzt für die Anerkennung voraus, dass die Vereinigung nach ihrer Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes fördert. In der Anerkennung ist der satzungsgemäße Aufgabenbereich, für den die Anerkennung gilt, zu bezeichnen; dabei sind insbesondere anzugeben, ob die Vereinigung im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert, sowie der räumliche Bereich, auf den sich die Anerkennung bezieht (§ 3 Abs. 1 Satz 3 UmwRG).
13
Nach der gesetzlichen Systematik des § 3 Abs. 1 UmwRG ist die Naturschutzvereinigung ein Unterfall der Umweltvereinigung. Daraus folgt ein gestuftes Anerkennungsverfahren. Zunächst ist zu prüfen, ob es sich bei der antragstellenden Vereinigung um eine Umweltvereinigung im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 UmwRG handelt. In einem zweiten Schritt muss sodann festgestellt werden, ob die Vereinigung nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert. Der Umweltschutz ist demnach der allgemeinere Begriff, der den spezielleren Begriff des Naturschutzes und der Landschaftspflege mit umfasst. Jede Naturschutzvereinigung ist, wovon auch das Oberverwaltungsgericht zunächst zutreffend ausgeht, zugleich auch eine Umweltvereinigung, während umgekehrt nicht jede Umweltvereinigung zugleich auch eine Naturschutzvereinigung ist. Somit kann eine Vereinigung nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich sowohl vorwiegend die Ziele des Umweltschutzes als auch im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördern.
14
Die Schutzgüter des Umweltschutzes können § 2 Abs. 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung – UVPG – entnommen werden. Danach sind Schutzgüter im Sinne des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung auch der Boden sowie die Wechselwirkung zwischen den genannten Schutzgütern. Die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege sind in § 1 Abs. 1 BNatSchG definiert. Nach dieser Vorschrift sind Natur und Landschaft aufgrund ihres eigenen Wertes und als Grundlage für Leben und Gesundheit des Menschen auch in Verantwortung für die künftigen Generationen im besiedelten und unbesiedelten Bereich nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze so zu schützen, dass die biologische Vielfalt, die Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts einschließlich der Regenerationsfähigkeit und nachhaltigen Nutzungsfähigkeit der Naturgüter sowie die Vielfalt, Eigenart und Schönheit sowie der Erholungswert von Natur und Landschaft auf Dauer gesichert sind; der Schutz umfasst auch die Pflege, die Entwicklung und, soweit erforderlich, die Wiederherstellung von Natur und Landschaft (allgemeiner Grundsatz). Gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG sind unter dem Naturhaushalt die Naturgüter Boden, Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen sowie das Wirkungsgefüge zwischen ihnen zu verstehen. Nach § 1 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG sind Böden – als Teil des Naturhaushalts – so zu erhalten, dass sie ihre Funktion im Naturhaushalt erfüllen können.
15
2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger nach seiner Satzung – jedenfalls auch – Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert.
16
Dies folgt entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts nicht daraus, dass der satzungsgemäße Aufgabenbereich des Klägers mit dem in § 1 Satz 1 des Gesetzes zum Schutz vor schädlichen Bodenveränderungen und zur Sanierung von Altlasten (Bundes-Bodenschutzgesetz – BBodSchG) geregelten Zweck übereinstimmt, nachhaltig die Funktionen des Bodens zu sichern oder wiederherzustellen. Bundesnaturschutzgesetz und Bundes-Bodenschutzgesetz sind aber zwei eigenständige Regelungswerke, die sich in der Zweckausrichtung nur teilweise überschneiden. Im Bundes-Bodenschutzgesetz steht die Abwehr schädlicher Bodenveränderungen, die Boden- und Altlastensanierung und die Vorsorge vor nachteiliger Bodenveränderung im Vordergrund (§ 1 Satz 2 BBodSchG). Beeinträchtigungen der natürlichen Bodenfunktionen und der Archivfunktionen sollen bei Einwirkungen auf den Boden so weit wie möglich vermieden werden (§ 1 Satz 3 BBodSchG). Die vorhandenen Überschneidungen und gegenseitigen Bezugnahmen von Naturschutz- und Bodenschutzrecht erlauben es nicht, den Bodenschutz insgesamt dem Naturschutz, als dessen bloßer Bestandteil zuzuordnen. Dies widerspräche nicht nur der durch den Gesetzgeber vorgenommenen Aufteilung der Materie auf zwei Gesetze, sondern auch der grundgesetzlichen Kompetenzzuweisung. Verfassungsrechtlich erfolgt keine Zuordnung des Bodenschutzes zur Materie “Naturschutz und Landschaftspflege” im Sinne des Art. 74 Abs. 1 Nr. 29 GG. Das Bundes-Bodenschutzgesetz ist hinsichtlich der Altlastenregelung auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 18 GG (Bodenrecht) und im Hinblick auf die Bodenbewirtschaftung auf Art. 74 Abs. 1 Nr. 17 GG (Land- und Forstwirtschaft) gestützt. Würde man den Bodenschutz, wie er im Bundes-Bodenschutzgesetz geregelt ist, im Wesentlichen mit dem Naturschutz gleichsetzen, hätte dies auch Auswirkungen auf die in Art. 72 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GG geregelte Abweichungsbefugnis der Länder von der Bundesgesetzgebung. Nach allem handelt es sich bei dem Bundes-Bodenschutzgesetz um ein umweltrechtliches Spezialgesetz, in dem der Schutz des Umweltmediums Boden geregelt wird. Die Anerkennung von Vereinigungen als Naturschutzvereinigungen steht demgegenüber im Regelungskontext des Bundesnaturschutzgesetzes und der Schutzziele dieses Gesetzes, was auch aus §§ 63 und 64 BNatSchG sowie der Entstehungsgeschichte des Anerkennungsverfahrens (dazu sogleich unter 3.) deutlich wird. Eine Ausrichtung des satzungsgemäßen Aufgabenbereichs einer Vereinigung auf die Ziele nach dem Bundes-Bodenschutzgesetz lässt sich demnach nicht allein als Begründung für eine Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege heranziehen.
17
Jedoch fördert der Kläger nach seinem satzungsgemäßen Aufgabenbereich zumindest auch die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege, wie sie in § 1 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 3 Nr. 2 i.V.m. § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG geregelt sind. Dies folgt aus der ausdrücklichen Erwähnung der Landschaftspflege und des Naturschutzes in § 2 Satz 2 seiner Satzung.
18
Die Auffassung der Revision, wonach ein holistischer Ansatz erforderlich sei, der nicht mit den Wechselwirkungen innerhalb nur eines Naturgutes begründet werden könne, findet im Gesetz keine Grundlage. Zwar ist es zutreffend, dass, wie die Beklagte anführt, Bodenschutz nicht in allen Fällen mit dem Erhalt der Leistungs- und Funktionsfähigkeit des Naturhaushalts gleichzusetzen ist. Zutreffend ist auch, dass in § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG das Wirkungsgefüge zwischen den dort genannten Naturgütern als Teil des Naturhaushalts genannt ist. Die Konzentration auf nur ein Naturgut schließt gleichwohl die satzungsgemäße Ausrichtung auf die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege nicht aus. Hiervon ist auch die Beklagte in dem insoweit angefochtenen Bescheid ausgegangen, wenn sie dort ausführt, der Kläger fördere Ziele des Umweltschutzes und auch Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege, diese jedoch nicht im Schwerpunkt. Auch bei einer Konzentration der Vereinigung auf eines der in § 7 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG genannten Naturgüter als Bestandteil des Naturhaushalts ist grundsätzlich von einer Einbeziehung des Wirkungsgefüges zwischen ihnen auszugehen. Der Bodenschutz hat zumindest mittelbar Auswirkungen auf die anderen Naturgüter Wasser, Luft, Klima, Tiere und Pflanzen. Anders ließe sich auch die Praxis der Beklagten, etwa Vogelschutzorganisationen, die sich auf den Schutz einzelner Vogelarten spezialisiert haben, als Naturschutzvereinigungen anzuerkennen – vorbehaltlich etwaiger besonderer Regelungen in der jeweiligen Satzung – nicht rechtfertigen. Auch und gerade auf einen Teilbereich des Naturschutzes und der Landschaftspflege spezialisierte Vereinigungen können als besonders sachkundige Anwälte der Natur auftreten und hilfreich sein. Für die Anerkennung derart spezialisierter Vereinigungen als Naturschutzvereinigungen sprechen schließlich, worauf das Oberverwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, auch die Regelungen in § 63 Abs. 1 und § 64 Abs. 1 Nr. 2 BNatSchG, wonach die Mitwirkungsrechte und Rechtsbehelfe einer anerkannten Naturschutzvereinigung auf diejenigen Fälle beschränkt werden, in denen sie in ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich berührt wird.
19
3. Der Anspruch auf Anerkennung einer Vereinigung als Naturschutzvereinigung wird durch die Voraussetzung begrenzt, dass sie nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich “im Schwerpunkt” die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert. Entgegen der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts reicht es hierfür nicht aus, dass ein wesentlicher Teil des satzungsgemäßen Aufgabenbereichs der Vereinigung auf die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gerichtet ist. Die in § 3 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 UmwRG genannte Voraussetzung, wonach eine Naturschutzvereinigung “im Schwerpunkt” die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördern muss, stellt keine geringeren Anforderungen an die Zielverfolgung als die in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 UmwRG enthaltene Anforderung, “vorwiegend” Ziele des Umweltschutzes zu fördern.
20
Mit der Zusammenführung der Anerkennungsverfahren für Umweltvereinigungen und Naturschutzvereinigungen in § 3 UmwRG durch das Gesetz zur Neuregelung des Rechts des Naturschutzes und der Landschaftspflege vom 29. Juli 2009 (BGBl. I S. 2542) sollte sich materiell nichts an den Voraussetzungen für die Anerkennung ändern. Nach § 59 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG a.F. war die Anerkennung zu erteilen, wenn der Naturschutzverein nach seiner Satzung ideell und nicht nur vorübergehend vorwiegend die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert. § 3 UmwRG a.F. beschränkte die Anerkennung einer Vereinigung auf die Anerkennung als Umweltschutzvereinigung. Die seit dem 1. März 2010 geltende Fassung des § 3 Abs. 1 UmwRG enthält erstmals im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz selbst die Unterscheidung zwischen der Anerkennung einer Umweltvereinigung und einer Naturschutzvereinigung. Ziel dieser Gesetzesnovelle war es vor allem, die nach der Föderalismusreform 2006 geänderten kompetenzrechtlichen Zuordnungen zwischen Bund und Ländern im Naturschutzrecht zu konsolidieren und das Naturschutzrecht übersichtlicher zu gestalten (vgl. Lamfried, DVBl 2020, 609 ). Die Zusammenführung der Anerkennungsverfahren diente ausweislich der Gesetzesbegründung lediglich der Vereinheitlichung der Anerkennung von mitwirkungs- und klageberechtigten Vereinigungen im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz (BT-Drs. 16/12274 S. 41). In der Gesetzesbegründung heißt es im Hinblick auf die Naturschutzvereinigungen, “das Verfahren und die Voraussetzungen der Anerkennung werden künftig im Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz geregelt” (BT-Drs. 16/12274 S. 75). Den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich mithin, anders als das Berufungsgericht meint, deutlich entnehmen, dass eine Erweiterung oder Veränderung des Kreises der für die besonderen Mitwirkungs- und Klagerechte der §§ 63, 64 BNatSchG in Frage kommenden Vereinigungen nicht beabsichtigt war.
21
Die nach aktueller Terminologie anerkannten Naturschutzvereinigungen müssen sich seit der Einführung der naturschutzrechtlichen Partizipationsbefugnisse auf Bundesebene im Jahr 1976 durch einen besonderen Sachverstand im Naturschutz auszeichnen, der es ihnen ermöglicht, in ähnlicher Weise wie Naturschutzbehörden die Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege in die naturschutzbezogenen Verfahren einzubringen. Deshalb sollen die Anerkennungsregelungen gewährleisten, dass die Beteiligung einem ausgewählten Kreis von Verbänden vorbehalten bleibt, von denen erwartet werden kann, dass sie diese sachgerecht wahrnehmen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 – 4 C 7.88 – BVerwGE 87, 62 ). Aufgrund der Anerkennung und der damit verbundenen Beteiligungsbefugnis ist der Vereinigung die Vertretung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Sinne des § 1 BNatSchG in besonderer Weise anvertraut (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Oktober 1990 – 4 C 7.88 – BVerwGE 87, 62 ). In der Gesetzesbegründung wird dementsprechend ausdrücklich hervorgehoben, dass die Einführung des Begriffs der “anerkannten Naturschutzvereinigung” allein aus Gründen der sprachlichen Vereinfachung erfolgt (BT-Drs. 16/12274 S. 75). Daher werden durch die Legaldefinition in § 63 Abs. 1 BNatSchG, nach der eine anerkannte Naturschutzvereinigung eine nach § 3 UmwRG vom Bund anerkannte Vereinigung ist, die nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert, keine geringeren Anforderungen an die fachliche Qualifizierung dieser Vereinigung gestellt, als an einen Verein, “der nach seiner Satzung (…) vorwiegend die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert” (vgl. § 59 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BNatSchG a.F.). Mit der Integration der Anerkennungsvoraussetzungen für Naturschutzvereinigungen in das Umwelt-Rechtsbehelfsgesetz sollten keine anderen Maßstäbe an deren Anerkennung angelegt werden. Dies verdeutlichen schließlich auch die Überleitungsvorschriften des § 8 Abs. 3 Nr. 1 Buchst. b und c, Nr. 2 UmwRG, wonach die nach früherem Recht erfolgten Anerkennungen eines vorwiegend im Naturschutz tätigen Vereins so behandelt werden, als seien sie aufgrund der heute maßgeblichen Fassung des § 3 UmwRG ausgesprochen worden.
22
Nach allem ist für die Erfüllung des Tatbestandsmerkmals des § 3 Abs. 1 Satz 3 Halbs. 2 UmwRG, wonach die Vereinigung nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich im Schwerpunkt die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördern muss, entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts, nicht entscheidend, dass die Vereinigung eine ausreichende Kompetenz auf diesen Gebieten aufweist. Die Kompetenz der Vereinigung wird vielmehr in § 3 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 UmwRG angesprochen. Danach muss eine Vereinigung, die nach ihrer Satzung die Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege im Schwerpunkt fördert, darüber hinaus die Gewähr für eine sachgerechte Aufgabenerfüllung, insbesondere für eine sachgerechte Beteiligung an behördlichen Entscheidungsverfahren, bieten, wobei insbesondere Art und Umfang ihrer bisherigen Tätigkeit zu berücksichtigen sind.
23
4. Den Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts über den Inhalt der Satzung des Klägers lässt sich nicht entnehmen, dass die Vereinigung nach ihrem satzungsgemäßen Aufgabenbereich vorwiegend Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege fördert. Um als Naturschutzvereinigung anerkannt zu werden, muss sich aus der Satzung ergeben, dass der Naturschutz der Hauptzweck der Vereinigung ist. Dies ist dann der Fall, wenn der Naturschutz nach der Satzung (eindeutig) im Vordergrund steht. Auch hierfür bedarf es allerdings keines holistischen Ansatzes, der alle für den Naturschutz relevanten Aspekte umfasst (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. Dezember 1985 – 4 C 55.82 – BVerwGE 72, 277 ). Erforderlich ist jedoch eine eindeutige Formulierung in der Satzung, wonach die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege andere Ziele überwiegt. Daran fehlt es hier.
24
Die in der Satzung verwendeten Begriffe haben Bezüge zum Naturschutz. Sie finden sich sowohl – teilweise – im Bundesnaturschutzgesetz als auch – überwiegend – im Bundes-Bodenschutzgesetz. So werden die “natürlichen Funktionen” des Bodens in § 2 Abs. 2 Nr. 1 BBodSchG definiert. Die “Archiv- und Nutzungsfunktionen” des Bodens sind in § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 BBodSchG angesprochen. Zwar werden in § 2 Satz 2 der Satzung des Klägers an dritter Stelle auch die Begriffe “Landschaftspflege und Naturschutz” genannt, die auf das Bundesnaturschutzgesetz verweisen. Jedoch wird der Bodenschutz dort nur als “Grundlage” für Landschaftspflege und Naturschutz angeführt. Dies deutet darauf hin, dass der satzungsgemäße Aufgabenbereich nur mittelbar und nicht unmittelbar auf die Förderung der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege gerichtet ist. Es obliegt dem Kläger als der satzungsgebenden Vereinigung, die Zweckbestimmung in seiner Vereinssatzung derart präzise zu fassen, dass ihr ein Überwiegen der Ziele des Naturschutzes und der Landschaftspflege vor anderen Zielen eindeutig zu entnehmen ist (vgl. Wüstenberg, ZStV 2018, 232 ).
25
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.


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