Verkehrsrecht

Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Befähigung zum Führen von, Kraftfahrzeugen, Negatives Zeugnis über eine abgelegte Fahrprobe, ausreichende Feststellungen des Gutachters

Aktenzeichen  11 ZB 21.1571

Datum:
12.8.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2021, 24915
Gerichtsart:
VGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO § 86 Abs. 1 S. 1, § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5
StVG § 2 Abs. 5, § 3 Abs. 1 S. 1
FeV § 46 Abs. 4
Anlage 7 zur FeV

 

Leitsatz

Verfahrensgang

M 6 K 19.5114 2021-03-23 Urt VGMUENCHEN VG München

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 12.500,- EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der im Jahr 1935 geborene Kläger wendet sich gegen die Entziehung der ihm am 13. Oktober 1970 erteilten Fahrerlaubnis der Klasse 3 (alt).
Am Abend des 30. November 2018 gegen 18:00 Uhr zeigte ein Autofahrer, der dem Fahrzeug des Klägers bis zu seiner Wohnanschrift gefolgt war, der Polizei dessen unsichere Fahrweise (Schlangenlinien, Stehenbleiben auf der Straße augenscheinlich zur Orientierung, sehr niedrige Geschwindigkeit) an. Der Polizei gegenüber gab der Kläger an, er sehe bei Dunkelheit deutlich schlechter als tagsüber und habe selbst bemerkt, dass die Heimfahrt unter diesen Umständen ihm erhebliche Probleme bereite. Normalerweise versuche er, bei Dunkelheit kein Fahrzeug mehr zu führen, habe es an diesem Tag aber nicht mehr rechtzeitig nach Hause geschafft. Auf die Beamten machte der Kläger den Eindruck, als sei er “von den vorangegangenen Ereignissen selbst geschockt und mitgenommen”. Das Problembewusstsein des Klägers habe “glaubwürdig” gewirkt. Er habe jedoch angegeben, aufgrund der Wohnlage und des fortgeschrittenen Alters auf seinen Pkw angewiesen zu sein und seinen Führerschein nicht abzugeben. Anzeichen für Alkohol- oder Betäubungsmittelkonsum oder für Mängel hinsichtlich der geistigen und charakterlichen Eignung habe die Polizei beim Kläger nicht feststellen können.
Unter Bezugnahme auf diesen Sachverhalt forderte die Fahrerlaubnisbehörde des Landratsamts München den Kläger mit Schreiben vom 15. Januar 2019 zu einer persönlichen Vorsprache auf.
Der Kläger nahm zunächst schriftlich zu dem Sachverhalt dahingehend Stellung, dass die Verhältnisse an dem fraglichen Abend wegen Regens und der entgegenkommenden Autos sehr schlecht gewesen seien. Die Kennzeichnung auf der Fahrbahn sei schlecht auszumachen gewesen. Er sei wegen Blendung ohne Fernlicht gefahren und habe seine Autobahnausfahrt verpasst. Er habe immer wieder kurz die Verkehrsschilder angeleuchtet und sei langsam gefahren. Von Stehenbleiben könne nicht die Rede sein. Auf der wenig befahrenen Landstraße habe er häufig sein Fernlicht eingeschaltet. Die Sicht sei nicht behindert gewesen. Er habe die Fahrt sicher und geradeaus fortsetzen können. Bei der Vorsprache am 31. Januar 2019 machte der Kläger weitere Angaben zur Sache und gab auf Frage an, keine Brille zum Fahren zu benötigen. Auf Vorhalt, dass er den Polizeibeamten gesagt habe, bei Dunkelheit Probleme mit dem Fahren zu haben, gab der Kläger keine Antwort. Er benutze nur zum Lesen “mal” eine Brille und sei in den letzten Jahren nicht mehr beim Augenarzt gewesen. Er halte den Vorfall vom 30. November 2018 für einmalig. So etwas sei bisher noch nie vorgekommen und ihm auch eine Lehre.
Mit Schreiben vom 13. Mai 2019 forderte das Landratsamt den Kläger auf, ein Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Fahrzeugverkehr gemäß § 46 Abs. 4 FeV i.V.m. § 2 Abs. 5 StVG zu der Frage vorzulegen, ob er weiterhin befähigt sei, ein Kraftfahrzeug der Gruppe 1 und 2 im Straßenverkehr sicher zu führen.
Zu Einwänden des damaligen Bevollmächtigten des Klägers vom 4. Juni 2019 führte das Landratsamt mit Schreiben vom 13. Juni 2019 aus, am 30. November 2018 zwischen 17:00 und 18:00 Uhr sei nur eine Gesamtniederschlagsdauer von 10 Minuten und höchstens “Nieselregen” zu verzeichnen gewesen. Auch die Polizeibeamten hätten über keine besonderen oder ungewöhnlichen Wetterverhältnisse berichtet. Der Kläger habe angegeben, er fahre diese Fahrtstrecke regelmäßig (wöchentlich). Er sei seit 1. November 2001 an seinem aktuellen Wohnort gemeldet, sodass ihm die nähere Umgebung und die Verkehrslage bekannt sein dürften. Die Schilderung eines privaten Zeugen sei nicht automatisch unglaubhaft oder unverwertbar. Es handle sich hier um einen substantiierten Sachvortrag, der geeignet sei, Zweifel an der Befähigung des Klägers zu begründen. Die Angaben des Klägers hätten sich auf pauschale Zurückweisungen und die Einschätzung beschränkt, dass er sich für weiterhin fahrgeeignet halte. Die Einwände stünden im Widerspruch zu seiner Aussage, die Landstraße sei wenig befahren gewesen und er habe deswegen selbst häufig das Fernlicht eingeschaltet.
Der Anzeigeerstatter nahm am 27. Juni 2019 dahingehend Stellung, dass der Kläger trotz freier Verkehrsverhältnisse sehr lange nicht in die Bundesstraße in Richtung S. eingefahren sei. In der Folge sei es durch Schlangenlinienfahren zu mehreren Beinahe-Unfällen mit entgegenkommenden Fahrzeugen gekommen. Der Kläger sei mehrfach auf die Gegenfahrbahn geraten. Bei der Abzweigung nach D. habe er im ersten Versuch die Abzweigung verfehlt und sei fast in den Graben gefahren; beim zweiten Versuch habe er die Kurve in Schrittgeschwindigkeit genommen und sei anschließend im langsamen Tempo (20 – 30 km/h) und Schlangenlinien nach D. gefahren. Es hätten für die Jahreszeit normale Wetterverhältnisse geherrscht.
Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 29. August 2019 legte der Kläger ein Zeugnis vom 8. August 2019 über eine am 5. August 2019 abgelegte Fahrprobe (55 Minuten) vor, wonach er trotz seines Bemühens um eine regelrechte, flüssige Fahrweise die Zweifel an seiner Fahreignung nicht habe ausräumen können. Beim Auffahren auf die Autobahn habe er nicht beschleunigt und die Geschwindigkeit nicht angepasst. Diese habe beim Auffahren auf die Richtungsfahrbahn ca. 50 km/h betragen. Dies habe sich beim zweiten Auffahren wiederholt. Im Bereich des Verkehrszeichens 274.1 “Zone 30” und der Vorfahrtregelung “rechts vor links” sei er ca. 45 km/h gefahren. Der Kläger habe die Situation erst nach Bremseingriff des Fahrlehrers erkannt. Innerorts sei der Kläger statt der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h 70 km/h gefahren. Den Beginn einer geschlossenen Ortschaft habe er nicht erkannt und sei unvermindert mit der außerorts zulässigen Geschwindigkeit von 60 km/h weitergefahren. Auch das Ende einer geschlossenen Ortschaft habe er nicht erkannt und sei mit der innerorts zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h weitergefahren. Kreuzungen und Einmündungen mit Vorfahrtsregelung “rechts vor links” habe er nicht erkannt und mit teilweise überhöhter Geschwindigkeit ohne entsprechende Verkehrsbeobachtung und Bremsbereitschaft passiert. Die Situation habe er erst nach Bremseingriff des Fahrlehrers erkannt. Beim Fahrstreifenwechsel seien häufig die Verkehrsbeobachtung durch Spiegelbeobachtung, Seiten-/Kontrollblick, und beim Abbiegen die Beobachtung des Rad-/Fußwegs durch Seiten-/Kontrollblick unterblieben. Ferner habe der Kläger den Motor abgewürgt und sei längere Zeit hochtourig 50 km/h im zweiten Gang gefahren.
Mit Bescheid vom 24. September 2019 entzog das Landratsamt dem Kläger die Fahrerlaubnis und verpflichtete ihn unter Androhung eines Zwangsgelds, seinen Führerschein innerhalb von sieben Tagen nach Zustellung des Bescheids beim Landratsamt abzugeben.
Am 4. Oktober 2019 ließ der Kläger Klage beim Verwaltungsgericht München erheben und gleichzeitig vorläufigen Rechtsschutz beantragen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Gutachtensanordnung sei rechtswidrig gewesen, weil sie durch den zugrundeliegenden Sachverhalt nicht veranlasst gewesen sei. Dieser werde zum Teil bestritten. Im Übrigen habe sich der Kläger verkehrsgerecht verhalten. Die Ausführungen des TÜV-Gutachters seien falsch. Der Kläger sei bei der Fahrprobe aufgeregt gewesen und habe mit einem ungewohnten Fahrzeug fahren müssen. Er sei 40 Jahre unfall- und beanstandungsfrei Auto gefahren. Seit dem der Gutachtensanordnung zugrundeliegenden Vorfall sei nichts weiter vorgekommen. Der Kläger sei wegen einer Gehbehinderung zur Bewältigung seines Alltags dringend auf sein Auto angewiesen.
Nach mündlicher Verhandlung am 13. März 2020 lehnte das Verwaltungsgericht die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes mit Beschluss vom 27. März 2020 ab. Eine hiergegen gerichtete Beschwerde hatte keinen Erfolg (BayVGH, B.v. 6.7.2020 – 11 CS 20.854 – juris).
Nach weiterer mündlicher Verhandlung am 19. März 2021, in der der Fahrlehrer, der an der Fahrprobe teilgenommen hatte, als Zeuge gehört wurde, wies das Verwaltungsgericht die Klage ab. Zur Begründung nahm das Gericht auf den angefochtenen Bescheid und die im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Gerichtsentscheidungen Bezug und führte ergänzend aus, das Gericht habe keinen Zweifel an der Richtigkeit der durch den sachverständigen Gutachter getroffenen Feststellungen, insbesondere nicht daran, dass dieser von einem zutreffenden Sachverhalt ausgegangen sei. Der Zeuge habe die von dem sachverständigen Gutachter beschriebenen Auffälligkeiten zum Teil ausdrücklich bestätigt und keiner davon ausdrücklich widersprochen. Dass er sich nach dem langen Zeitraum nicht mehr an alles im Detail habe erinnern können, trage ebenso zur Glaubhaftigkeit seiner Aussage bei wie die Auskunft, dass er derzeit nichts mit dem TÜV Unterhaching zu tun habe. Da die Schilderungen des Klägers wenig substantiiert gewesen seien und die von ihm in Zweifel gezogenen Feststellungen vor allem auf seiner eigenen abweichenden Wahrnehmung beruhten, reiche bereits der Umstand, dass sich aus der Aussage des Zeugen nichts ergebe, was an den Feststellungen des Sachverständigen zweifeln lasse, um die auf das negative Zeugnis gestützte Entziehung der Fahrerlaubnis als rechtmäßig zu beurteilen. Darüber hinaus habe sich der Zeuge sogar daran erinnert, einmal durch Abbremsen eingegriffen zu haben, und damit die vom Sachverständigen getroffene Feststellung bestätigt. Soweit der Kläger vorgetragen habe, der Zeuge habe ihm nach der Fahrprobe gesagt, gut gefahren zu sein, ergäben sich auch daraus keine Zweifel an der Richtigkeit der von dem Gutachter getroffenen Feststellungen. Denn dem Zeugen habe es als Fahrlehrer oblegen, den sicheren Ablauf der Fahrprobe zu gewährleisten, und nicht, die Fahrleistung des Klägers zu beurteilen. Nach seiner nachvollziehbaren Schilderung habe der Zeuge es nicht für angezeigt gehalten, am Ende einer solchen Fahrprobe dem Probanden gegenüber eine Bewertung abzugeben, sondern es bei einer allgemeinen Formulierung belassen. Da auch keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Gutachters gegeben seien, sei insgesamt von der Richtigkeit seiner Feststellungen auszugehen.
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, macht der Kläger ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung und einen Verfahrensmangel geltend. Der Kläger habe bis zu dem das Verfahren auslösenden Ereignis vom 30. November 2018 nahezu fünf Jahrzehnte unfallfrei mit Kraftfahrzeugen am Straßenverkehr teilgenommen und sei in diesem Zeitraum im Hinblick auf seine Fahrbefähigung nie auffällig geworden. Soweit das Urteil auf der Schilderung des Zeugen über den Vorfall vom 30. November 2018 beruhe, sei dieser weder von der Polizei noch von der Fahrerlaubnisbehörde oder dem Gericht persönlich angehört worden und damit eine Feststellung, ob dieser Zeuge glaubwürdig oder seine Aussage glaubhaft sei, nicht möglich gewesen. Aus der Sachverhaltsdarstellung der Polizei lasse sich nicht nachvollziehen, ob dessen Angaben zuträfen. Sämtliche Geschwindigkeitsangaben im Rahmen der telefonischen Darstellung vom 30. November 2018 und das Fahren in Schlangenlinien müssten bestritten werden. Deren Ausmaß sei der Schilderung nicht zu entnehmen. Leichtere Seitwärtsbewegungen eines Fahrzeugs seien noch kein Ausdruck mangelnder Fahrbefähigung. Unstreitig solle das Fahrzeug des Klägers auf der eigenen Fahrspur geblieben und es zu keiner konkreten Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer gekommen sein. Auch hätten die Polizeibeamten vor Ort beim Kläger keine Anzeichen für Mängel an seiner geistigen oder charakterlichen Eignung feststellen können. Was das Ergebnis der Fahrprobe anbetreffe, bestreite der Kläger, dass er beim Auffahren auf die Autobahn nicht beschleunigt und die Geschwindigkeit nicht angepasst habe. Die Angaben des TÜV Süd vom 8. August 2019 reichten für eine entsprechende Bewertung zu seinen Lasten nicht aus. Die Geschwindigkeit richte sich insbesondere auch nach dem Verkehr auf der Autobahn. Hierzu seien im Gutachten keinerlei Angaben gemacht worden. Der Kläger halte seine Auffahrgeschwindigkeit für angemessen. Ferner werde die Erforderlichkeit des Bremseingriffs durch den Fahrlehrer wegen eines Verstoßes gegen die Vorfahrtsregelung “rechts vor links” bestritten. Der Kläger habe die jeweiligen Kreuzungen einsehen und erkennen können, dass kein Verkehr von rechts gekommen sei. Gegenteiliges werde auch im Gutachten des TÜV nicht behauptet. Soweit der TÜV Süd einige Geschwindigkeitsüberschreitungen dargestellt habe, handle es sich hierbei lediglich um geringfügige Überschreitungen. Hierbei möge es zwar formal jeweils um Verstöße gegen entsprechende Geschwindigkeitsregelungen der StVO gehen. Die Praxis im Straßenverkehr belege jedoch, dass letztlich so gut wie sämtliche Verkehrsteilnehmer immer über der zulässigen Höchstgeschwindigkeit führen. Es müsste somit nahezu jedem Führerscheininhaber mangelnde Fahrbefähigung bescheinigt werden. Soweit dem Kläger vorgeworfen werde, innerorts in einer Zone 30 mit “ca. 45 km/h” gefahren zu sein, handle es sich offenbar um eine Schätzung des Prüfers, nicht jedoch um eine verifizierte Geschwindigkeit. Dies stelle zudem keinen eklatanten Verstoß dar, der gegen die Fahrbefähigung spreche. Gleiches gelte, wenn innerorts statt 60 km/h 70 km/h oder statt 50 km/h 60 km/h gefahren werde. Der Vorwurf, nach Ende der geschlossenen Ortschaft mit 50 km/h weitergefahren zu sein, beinhalte keinen Regelverstoß. Aus dem Gutachten des TÜV gehe nicht hervor, weshalb der Kläger hier die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h hätte ausnutzen können und müssen. Er gehe davon aus, entsprechend den Verkehrsverhältnissen gefahren zu sein. Weiter werde bestritten, dass der Kläger beim Fahrstreifenwechsel die Verkehrsbeobachtung nicht durch Spiegelbeobachtung, Seiten-/Kontrollblick und beim Abbiegen die Beobachtung des Rad-/Fußwegs nicht durch Seiten-/Kontrollblick vorgenommen habe. Die Ausführungen im Gutachten des TÜV Süd seien nur formelhaft dargestellt und ohne Bezug auf einen konkreten Einzelfall. Soweit abschließend angemerkt werde, dass der Kläger einmal den Motor abgewürgt haben und hochtourig gefahren sein solle, handle es sich dabei nicht um Vorfälle, die auf mangelnde Fahrbefähigung schließen ließen. Das Abwürgen des Motors werde ausschließlich dem geschuldet sein, dass der Kläger so gut wie keine Praxiserfahrung mit dem verwendeten Fahrschulfahrzeug gehabt habe. Hochtouriges Fahren stelle keinen Fahrfehler dar, zumal ein modernes Fahrzeug auch bei 50 km/h im zweiten Gang gefahren werden könne. Übertouriges Fahren habe der Prüfer nicht beanstandet. Die praktische Fahrprüfung sei nicht mit der Fahrverhaltensprobe gleichzusetzen. Bei einem Betroffenen, der bereits mehrere Jahrzehnte über eine gültige Fahrerlaubnis verfüge, seien andere Maßstäbe anzusetzen. Ein oder mehrere formale Verkehrsverstöße könnten nicht per se mit einer negativen Erteilung enden, da dann bei jedem Verkehrsteilnehmer, der rechtskräftig wegen einer oder mehrerer Verkehrsverstöße verurteilt worden sei, zwingend und ohne weitere Prüfung von mangelnder Fahrbefähigung ausgegangen werden müsse. Weder der TÜV-Gutachter noch das Verwaltungsgericht hätten sich mit der Frage befasst, ob und inwieweit der Kläger ggf. altersbedingt vorliegende Defizite durch seine jahrzehntelange Fahrpraxis ohne Auffälligkeiten kompensieren könne. Nach alledem seien die dem Verwaltungsgericht zur Verfügung stehenden Erkenntnisse unter Berücksichtigung der Aussage des Fahrlehrers nicht geeignet, eine mangelnde Fahrbefähigung des Klägers zu belegen.
Ferner rügt der Kläger eine ungenügende Sachaufklärung, weil das Verwaltungsgericht den Gutachter in der mündlichen Verhandlung nicht als Zeuge gehört habe. Zwar habe der vormalige Prozessbevollmächtigte des Klägers einen solchen Beweisantrag nicht gestellt. Aus dem Vertrag des Klägers ergebe sich jedoch, dass die mündliche Einvernahme des Gutachters geboten gewesen wäre, da die Angaben des Fahrlehrers vom Inhalt der schriftlichen Dokumentation der Fahrprobe durch den Gutachter abwichen. Während der Fahrlehrer seinen Bremsangriff einer zu hohen Geschwindigkeit des Klägers zugeschrieben habe, habe der Fahrprüfer hier insbesondere auch einen Verstoß gegen die Regelung “rechts vor links” angeführt. Im Übrigen bezögen sich zahlreiche Vorbehalte des Prüfers in dem Gutachten nicht auf konkrete Einzelfälle, sondern seien verallgemeinert. Somit habe das Gericht allein aufgrund des Gutachtens nicht prüfen können, ob es auch unter Berücksichtigung sämtlicher konkreter Umstände der jeweiligen Fahrsituationen von einer oder mehreren erheblichen Auffälligkeiten habe ausgehen dürfen. Dass das Gutachten nicht mit der erforderlichen Sorgfalt abgefasst worden sei, zeige sich daran, dass in zwei Passagen der Kläger mit dem Namen des Fahrlehrers bezeichnet worden sei. In der Gesamtschau hätte es sich dem Verwaltungsgericht aufdrängen müssen, den Inhalt des schriftlichen Gutachtens durch die Vernehmung des Sachverständigen zu verifizieren. Im Rahmen einer Einvernahme des Fahrprüfers hätten sich für das Gericht zusätzliche Erkenntnisse ergeben können, welche die bis dahin zulasten des Klägers beurteilte Frage der Fahrbefähigung in anderen und für den Kläger positiverem Licht hätten erscheinen lassen können. Gleiches gelte für den nicht einvernommenen Anzeigeerstatter.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.
II.
Der Antrag auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg.
Die geltend gemachten Zulassungsgründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO), sind nicht hinreichend dargelegt (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO) bzw. liegen nicht vor.
1. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO). Diese sind immer schon dann anzunehmen, wenn der Rechtsmittelführer einen einzelnen tragenden Rechtssatz oder eine einzelne erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 = juris Rn. 16 m.w.N.) und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9).
Die Einwände, die sich gegen die Verwertung der Angaben des Anzeigeerstatters und des Polizeiberichts vom 4. Dezember 2018 richten, gehen mangels Entscheidungserheblichkeit fehl. Die Sachverhaltsschilderung des Anzeigeerstatters, der dem Kläger mit seinem Fahrzeug gefolgt ist, und die nachfolgende Aufnahme des Sachverhalts durch die Polizeibeamten gaben dem Landratsamt zwar Anlass zu ermitteln und den Kläger nach der persönlichen Vorsprache aufzufordern, eine Fahrprobe abzulegen. Die Fahrerlaubnis hat es dem Kläger jedoch wegen des negativen Zeugnisses über die Fahrprobe vom 5. August 2019 entzogen (vgl. Gründe des Entziehungsbescheids, S. 5 ff.). Wie der Beklagte zutreffend angeführt hat, stellt das vom Kläger vorgelegte Gutachten zu seiner Fahrbefähigung eine neue Tatsache mit selbständiger Bedeutung dar, die ungeachtet der Rechtmäßigkeit der Anordnung verwertet werden darf (vgl. BayVGH, B.v. 21.10.2013 – 11 CS 13.1701 – juris Rn. 11; zum Fahreignungsgutachten vgl. BVerwG, U.v. 28.6.2012 – 3 C 30.11 – BayVBl 2013, 408/410 Rn. 23; U.v. 28.4.2010 – 3 C 2.10 – BVerwGE 137, 10 = juris Rn. 19; BayVGH, B.v. 29.5.2020 – 11 CS 19.2441 – juris Rn. 15; U.v. 8.8.2016 – 11 B 16.595 – juris Rn. 24 jeweils m.w.N.; Dauer in Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, 46. Aufl. 2021, § 11 FeV Rn. 26).
Dass die Polizei die Fahreignung des Klägers nicht bezweifelt hat, ist unstreitig, spielt aber für die Frage, ob seine Befähigung noch ausreichend gegeben ist, ebenfalls keine Rolle. Dass eine sehr lange unfallfreie Teilnahme am Straßenverkehr nicht vor der Entziehung der Fahrerlaubnis wegen mangelnder Befähigung schützen kann, hat der Senat bereits in seiner Entscheidung über die Beschwerde im Eilverfahren vom 6. Juli 2020 (11 CS 20.854 – juris Rn. 12) dargelegt. Es liegt auf der Hand, dass die Fahrbefähigung im Sinne von § 2 Abs. 5 des Straßenverkehrsgesetzes vom 5. März 2003 (StVG, BGBl I S. 310), im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses geändert durch Gesetz vom 8. April 2019 (BGBl I S. 430), in Verbindung mit § 46 Abs. 4 der Verordnung über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr vom 13. Dezember 2010 (Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV, BGBl I S. 1980), im maßgeblichen Zeitpunkt geändert durch Verordnung vom 11. März 2019 (BGBl I S. 218), in Kraft getreten am 18. September 2019, auf den aktuellen Zeitpunkt bezogen zu beurteilen ist und im Laufe des Lebens eines Fahrerlaubnisinhabers auch starken Veränderungen unterliegen kann.
Das vorgelegte Gutachten ist entgegen der Auffassung des Klägers eine geeignete Grundlage für die Entziehung der Fahrerlaubnis. Die diesbezügliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts ist nicht ernstlich zweifelhaft. Wie der Beklagte zutreffend angeführt hat, ist die richterliche Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) im Berufungszulassungsverfahren nur einer eingeschränkten Prüfung zugänglich (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2021 – 8 ZB 21.23 – juris Rn. 14; B.v. 18.6.2018 – 8 ZB 18.734 – NVwZ-RR 2018, 758 = juris Rn. 12.; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 19). Für einen darauf gestützten Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genügt nach ständiger Rechtsprechung nicht allein der Vortrag, die Tatsachen seien anders als vom Verwaltungsgericht angenommen oder der Sachverhalt bzw. das Ergebnis einer Beweisaufnahme sei anders zu bewerten. Vielmehr müssen gute Gründe aufgezeigt werden, dass die tatsächlichen Feststellungen des Gerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder z.B. wegen gedanklicher Lücken oder Ungereimtheiten ernstlich zweifelhaft sind, was insbesondere bei einer Verletzung von gesetzlichen Beweisregeln, Gesetzen oder allgemeinen Erfahrungssätzen, bei aktenwidrig angenommenem Sachverhalt oder offensichtlich sachwidriger und damit willkürlicher Beweiswürdigung anzunehmen ist (vgl. BayVGH, B.v. 15.7.2020 – 11 ZB 20.43 – ZfSch 2020, 535 = juris Rn. 15; B.v. 25.10.2017 – 5 ZB 17.340 – NVwZ-RR 2018, 251 = juris Rn. 39; B.v. 11.4.2017 – 10 ZB 16.2594 – juris Rn. 5; Rudisile in Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Februar 2021, § 124 Rn. 26g m.w.N.). Die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Sachverhalts bzw. des Ergebnisses einer Beweisaufnahme genügt dafür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 12.4.2021 a.a.O.; B.v. 15.7.2020 a.a.O. jeweils m.w.N.; Rudisile a.a.O.).
Hieran gemessen ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, der als Zeuge einvernommene Fahrlehrer, der die Fahrprobe begleitet hat, habe die gutachterlichen Feststellungen zum Teil bestätigt und im Übrigen seien keine Anhaltspunkte für deren Fehlerhaftigkeit erkennbar geworden, nicht zu beanstanden.
An eine Fahrprobe im Sinne von § 46 Abs. 4 Satz 2 FeV sind grundsätzlich die gleichen bzw. vergleichbare materielle Anforderungen zu stellen wie an eine praktische Prüfung der gleichen Fahrerlaubnisklasse im Sinne von § 17 FeV (BayVGH, B.v. 19.10.2010 – 11 ZB 10.55 – juris Rn. 4; VG Augsburg, U.v. 25.3.2019 – Au 7 K 18.1065 – BeckRS 2019, 21177 Rn. 70 f.). Die maßgeblichen Beurteilungskriterien für die Fahrprobe ergaben sich damit aus Anlage 7 zur FeV, hinsichtlich der Zielvorgaben insbesondere aus Nr. 2.1.5 (“Prüfungsfahrt”) der Anlage 7 zur FeV in der zum Zeitpunkt der Fahrprobe geltenden Fassung. Danach musste der Bewerber um eine Fahrerlaubnis das Fahrzeug selbstständig auch in schwierigen Verkehrslagen verkehrsgerecht und sicher führen und seine Fahrweise dem jeweiligen Verkehrsfluss anpassen können. Daneben sollte er auch zeigen, dass er über ausreichende Kenntnisse der für das Führen eines Kraftfahrzeugs maßgebenden gesetzlichen Vorschriften und einer umweltbewussten und energiesparenden Fahrweise verfügt, sie anzuwenden versteht sowie mit den Gefahren des Straßenverkehrs und den zu ihrer Abwehr erforderlichen Verhaltensweisen vertraut ist. Ferner war insbesondere auf richtige Verhaltensweisen, Handhabung bzw. Ausführung bei der fahrtechnischen Vorbereitung, der Lenkradhaltung, des Verhaltens beim Anfahren, dem Gangwechsel, der Steigung und Gefällstrecken, der automatischen Kraftübertragung, der Verkehrsbeobachtung und Beachtung der Verkehrszeichen und -einrichtungen, der Fahrgeschwindigkeit, dem Abstandhalten vom vorausfahrenden Fahrzeug, dem Überholen und Vorbeifahren, dem Verhalten an Kreuzungen, Einmündungen, Kreisverkehren, Bahnübergängen und in Tunneln, dem Abbiegen und Fahrstreifenwechsel, dem Verhalten gegenüber Fußgängern sowie an Straßenbahn und Bushaltestellen, dem Fahren außerhalb geschlossener Ortschaften und dem fahrtechnischen Abschluss der Fahrt zu achten.
Der Gutachter hat entgegen der Auffassung des Klägers ausreichende Feststellungen getroffen. Es genügt, wenn – wie hier – dasjenige Fahrverhalten, das nach gutachterlicher Einschätzung einen Fahrfehler darstellt, stichpunktartig festgehalten wird und häufige Fehler – hier die mangelhafte Verkehrsbeobachtung beim Fahrstreifenwechsel und beim Abbiegen – zusammengefasst werden. Unter den Bedingungen des sich während einer Fahrprüfung oder Fahrprobe laufend und zum Teil sehr schnell neu entwickelnden Verkehrsgeschehens, das der permanenten Mitverfolgung und Bewertung des Gutachters bedarf, ist eine detaillierte Beschreibung des Verhaltens des Fahrers und des fortlaufenden Verkehrsgeschehens über einen längeren Zeitraum und eine ausführliche Begründung jeder Fehlerwertung nicht möglich. Dies ist auch rechtlich nicht gefordert. Denn der Gesetzgeber hatte im maßgeblichen Zeitpunkt der Prüfungs- bzw. Probefahrt keine weiteren Hilfspersonen zu Dokumentationszwecken oder deren Videoaufzeichnung vorgesehen und es dementsprechend hingenommen, dass die Notizen des Prüfers oder Gutachters situationsbedingt knapp ausfallen.
Durch das pauschale Bestreiten der gutachterlichen Feststellungen werden diese nicht (glaubhaft) erschüttert. Dem Kläger lag das Gutachten über die Fahrprobe noch im August 2019 vor. In dem Schreiben vom 29. August 2019, mit dem sein damaliger Bevollmächtigter das Gutachten dem Landratsamt vorgelegt hat, hat er sich gegen einzelne Feststellungen des Gutachters mit dem Vorbringen gewandt, er erinnere sich nicht daran, beim Auffahren auf die Autobahn seine Geschwindigkeit nicht angepasst und die Vorfahrtsregelung nicht beachtet zu haben, und auch nicht an die Bremseingriffe des Fahrlehrers; er sei mit dem Fahren beschäftigt und aufgeregt gewesen. Dies lässt sich dahin auslegen, dass er sich entweder überhaupt nicht an die konkreten Verkehrssituationen erinnert oder die Fahrfehler dabei nicht wahrgenommen hat. Substantiierte, dem Gutachter oder dem Fahrlehrer vorhaltbare Anhaltspunkte dafür, dass sein Fahrverhalten anders als geschehen zu beurteilen sein könnte, lassen sich dem Schreiben nicht entnehmen. Damit fehlten konkrete Ermittlungsansätze zu seinen Gunsten. Dass das Landratsamt durchaus ermittelt hat, zeigt sich an dem Aktenvermerk vom 9. September 2019, wonach es dem Vorbringen des Klägers nachgegangen ist, der Fahrlehrer habe ihm bestätigt, gut gefahren zu sein, was sich allerdings nicht erhärten ließ. Im Rahmen des Zulassungsantrags trägt der Kläger nun fast zwei Jahre später vor, er halte die damalige Auffahrgeschwindigkeit auf die Autobahn für angemessen und die Bremseingriffe des Fahrlehrers für nicht erforderlich. Weshalb er sich nach dieser langen Zeit doch wieder an die jeweiligen Verkehrssituationen erinnert und seine eigene Einschätzung zutreffen könnte, lässt sich dem nicht entnehmen. Ferner bemängelt er, dass der Gutachter zum Verkehr auf der Autobahn und der dort herrschenden Geschwindigkeit oder der Erforderlichkeit der Bremseingriffe nichts ausgeführt habe. Dies hat er umgekehrt jedoch auch selbst versäumt, obwohl ihm dies – schon im Hinblick auf den pauschalen und abweichenden Vortrag im Schreiben vom 29. August 2019 – oblegen hätte. Die vom Gutachter beanstandete mangelhafte Verkehrsbeobachtung beim Fahrstreifenwechsel und Abbiegen hat der Kläger erstmals im Zulassungsantrag und ebenfalls nur pauschal bestritten. Damit liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass diese Feststellungen insoweit fehlerhaft sind. Es handelt sich dabei auch um ein nicht kompensierbares Defizit mit einem hohen Gefahrenpotential, weil die Unfallvermeidung hierdurch auf die anderen Verkehrsteilnehmer verlagert wird.
Auch wenn einzelne Geschwindigkeitsverstöße des Klägers für sich genommen nicht gravierend gewesen sein mögen, dokumentieren sie in der Gesamtschau jedoch, dass er nicht mehr durchgehend die erforderliche Aufmerksamkeit für das wechselnde Verkehrsgeschehen aufgebracht hat und sich hieran nicht zeitnah anpassen konnte. Im Übrigen muss es jedem Absolventen einer Fahrprüfung oder -probe klar sein, dass Verkehrsverstöße stets als Fahrfehler zu werten sind, auch wenn sie im täglichen Verkehrsgeschehen massenhaft vorkommen mögen. Entgegen der Auffassung des Klägers handelt es sich bei der Feststellung, er sei in einer Zone 30 mit “ca. 45 km/h” gefahren, auch nicht “offenbar” um eine Schätzung des Prüfers. Diese annähernde Geschwindigkeitsangabe, die geringfügige Abweichungen nach oben oder unten einschließt, ist, wie sich aus dem nachfolgenden Satz (“Herr H. erkennt die Situation erst nach Bremseingriff des Fahrlehrers”) ergibt, als zusammenfassende Angabe bezogen auf das eine gewisse Zeit in Anspruch nehmende Durchfahren der Zone 30 auszulegen. Anders ausgedrückt ist der Kläger bis zu dem Bremseingriff des Fahrlehrers in etwa 15 km/h zu schnell gefahren. Der Einwand, eine gefahrene Geschwindigkeit unterhalb der zulässigen Höchstgeschwindigkeit stelle keinen Regelverstoß dar, trifft in dieser Allgemeinheit nicht zu. Nach § 3 Abs. 2 StVO dürfen Kraftfahrzeuge ohne triftigen Grund nicht so langsam fahren, dass sie den Verkehrsfluss behindern. Ferner hat sich der Verkehrsteilnehmer nach § 1 Abs. 2 StVO so zu verhalten, dass ein Anderer nicht mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. Nachdem der Gutachter ganz augenscheinlich nur Fahrverhalten festgehalten hat, das aus seiner Sicht einen Mangel darstellt, ist nicht davon auszugehen, dass die vom Kläger außerorts gefahrene Geschwindigkeit von 50 km/h erforderlich und dem Verkehrsgeschehen angepasst war. Auch kommt eine Kompensation des Aufmerksamkeitsdefizits und der fehlenden Anpassungsfähigkeit offensichtlich nicht in Betracht. Eine gefahr- und unfallvermeidende, angepasste Fahrweise ist nicht ohne ausreichende Aufmerksamkeit, Verkehrsbeobachtung und Anpassung an das Verkehrsgeschehen aufgrund langjähriger Fahrerfahrung zu erreichen.
Nach den oben dargelegten Prüfkriterien durfte der Prüfer auch die Fahrzeugbedienung (Abwürgen des Motors) und eine energiesparende Fahrweise (hochtouriges Fahren) berücksichtigen. Es ist im Übrigen nichts dafür ersichtlich, dass dies für das Ergebnis der Fahrprobe ausschlaggebend war.
2. Nach den vorstehenden Ausführungen ist auch nicht von einer unzureichenden Sachaufklärung gemäß § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO bzw. einem Verfahrensmangel gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO auszugehen.
Das Gericht verletzt seine Pflicht zur erschöpfenden Aufklärung des Sachverhalts grundsätzlich nicht, wenn es – wie hier – von einer Beweiserhebung absieht, die ein anwaltlich vertretener Beteiligter in der mündlichen Verhandlung nicht ausdrücklich beantragt hat (vgl. BVerwG, B.v. 21.7.2016 – 10 BN 1.15 – CuR 2016, 134 = juris Rn. 3; BayVGH, B.v. 23.8.2016 – 15 ZB 15.2668 – juris Rn. 26). Somit durfte das Verwaltungsgericht den Umfang seiner Aufklärung nach seinem pflichtgemäßen Ermessen bestimmen. Dessen Grenzen sind nur dann überschritten, wenn das Gericht eine Ermittlung unterlässt, die sich nach den Umständen des Falles von seinem Rechtsstandpunkt aus aufdrängen musste, d.h. wenn die bisherigen Tatsachenfeststellungen seine Entscheidung noch nicht sicher tragen (vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2016 – 7 ZB 15.1073 – juris Rn. 5 m.w.N.).
Zu Recht macht der Beklagte geltend, dass dies ist nicht der Fall ist und sich dem Gericht eine zusätzliche Einvernahme des Gutachters als Zeuge nicht aufdrängen musste. Der Gutachter hat – wie sich der Verweisung im Gutachten entnehmen lässt – den Bremseingriff des Fahrlehrers unter den Rubriken “Geschwindigkeitsverhalten” und “Vorfahrtsregelung” erfasst. Nach seiner Feststellung ist der Kläger im Bereich des Verkehrszeichens 274.1 “Zone 30” und der Vorfahrtsregelung “rechts vor links” ca. 45 km/h gefahren. Der Kläger hat also zum einen gegen die zulässige Höchstgeschwindigkeit verstoßen und ist zum andern nicht der Vorfahrtsregelung “rechts vor links” entsprechend langsam in ständiger Bremsbereitschaft gefahren. An diesen Bremseingriff konnte sich der Zeuge nach der festgehaltenen Aussage auf Seite 4 des Protokolls erinnern. Es stellt keinen Widerspruch oder “Wertungsunterschied” dar, wenn der Zeuge diesen gedanklich mit “überhöhter Geschwindigkeit” in Verbindung gebracht hat. Soweit er auf Nachfrage meinte, dies sei der zweite Bremseingriff gewesen, spielt das keine Rolle, weil der Gutachter jedenfalls nur einen Bremseingriff zum Nachteil des Klägers festgestellt hat. Einen etwaigen zweiten Bremseingriff hat er offensichtlich ebenso wenig bemerkt wie den Umstand, dass der Fahrlehrer “einmal fast ins Lenkrad gegriffen hat”. Das erschüttert jedoch weder die Feststellungen des Gutachters noch die Aussage des Fahrlehrers. Auch die offensichtliche Verwechslung des Namens des Klägers mit dem des Fahrlehrers führt nicht dazu, dass sich dem Gericht die Einvernahme des Gutachters hätte aufdrängen müssen. Vorliegend bestand kein Zweifel daran, dass es nur einen Fahrer gab, dessen Befähigung einer Prüfung unterzogen worden ist.
Von der Einvernahme des Anzeigeerstatters konnte das Gericht schon deshalb absehen, weil die Entziehung der Fahrerlaubnis nicht auf seinen Aussagen beruhte.
3. Als unterlegener Rechtsmittelführer hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 2 VwGO).
4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47, § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, 2 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nr. 46.2, 46.3 und 46.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (vgl. Anlage 3 zu § 6 Abs. 6 FeV, Abschnitt A I, Nr. 17 [Erteilung der Fahrerlaubnis der Klasse 3 vor dem 1.4.1980]; BayVGH, B.v. 15.12.2014 – 11 CS 14.2202 – juris Rn. 7).
5. Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das angegriffene Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).


Ähnliche Artikel


Nach oben