Verkehrsrecht

Ermessensreduktion auf Null wegen Nichtvorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens

Aktenzeichen  RN 8 S 15.2232

Datum:
15.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
FeV FeV § 3 Abs. 1, Abs. 2, § 13 S. 1, § 46 Abs. 3
StGB StGB § 316 Abs. 1, Abs. 2

 

Leitsatz

Wird trotz einer rechtmäßigen Aufforderung zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens über die Fahreignung dieses nicht fristgerecht vorgelegt, ist das Auswahlermessen der Behörde nach § 3 FeV über Art, Maß und Umfang der von ihr zu treffenden Maßnahme auf Null reduziert, was dann zur Untersagung des Führens von Fahrzeugen führt. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Der Antragsteller wendet sich im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen durch die Antragsgegnerin.
Der 19* … geborene Antragsteller wurde am 24.5.2015 gegen 2.30 Uhr in … als Fahrradfahrer einer polizeilichen Verkehrskontrolle unterzogen. Die wegen der gezeigten Verkehrsauffälligkeiten und alkoholbedingten Ausfallerscheinungen entnommene Blutprobe ergab eine Blutalkoholkonzentration von 2,21 ‰ im Mittelwert. Das AG … verurteilte den Antragsteller mit Urteil vom 15.10.2015 deswegen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe. Auf die im Urteil aufgeführten Vorverurteilungen, insbesondere Trunkenheitsfahrten (auch mit dem Fahrrad) vom 29.11.2003, vom 20.4.2008 und vom 20.5.2012 wird verwiesen.
Unter Bezugnahme darauf forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 24.9.2015 den Antragsteller gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 i. V. m. § 13 Nr. 2 b und c FeV auf, ein medizinisch-psychologisches Gutachten einer anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung mit den nachfolgenden Fragestellungen beizubringen: „Liegen bei dem Untersuchten körperliche und/oder geistige Beeinträchtigungen vor, die mit einem unkontrollierten Konsum von Alkohol in Zusammenhang gebracht werden können?“ und „Ist insbesondere nicht zu erwarten, dass das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen (Mofa, Fahrrad) und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann? Ist das sichere Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ggf. unter Beschränkung und/oder Auflagen möglich?“. Die Antragsgegnerin wies zudem darauf hin, dass auf die Nichteignung zum Führen von Fahrzeugen zu schließen sei, falls das Gutachten nicht vorgelegt werde, und dass die Feststellung der Nichteignung zur Folge habe, dass dem Antragsteller untersagt werde, ein fahrerlaubnisfreies Fahrzeug (Mofa und Fahrrad) im Straßenverkehr zu führen. Der Antragsteller kam der Aufforderung nicht nach. Mit Bescheid vom 30.10 2015 – auf den Bezug genommen wird – untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 1, 1a, 1b und 3 FeV sowie das Führen von Fahrrädern im öffentlichen Straßenverkehr. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch vom 2.12.2015 ist bisher nicht entschieden.
Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 23.12.2015 hat der Antragsteller vorliegenden Antrag stellen lassen. Es bestehe kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung. Das Messergebnis der Blutprobe unterliege wegen Verstoßes gegen den Richtervorbehalt des § 81 a Abs. 2 StPO einem Beweisverwertungsverbot. Der Antragsteller sei nicht einwilligungsfähig gewesen. Der Antragsteller befinde sich seit dem Vorfall vom 24.5.2015 in einem Alkoholkontrollprogramm. Die Beibringung des geforderten Gutachtens sei derzeit noch nicht möglich, weil nach Auskunft der medizinisch-psychologischen Beratungsstelle zunächst ein Alkoholabstinenzprogramm zu durchlaufen sei.
Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.10.2015 wiederherzustellen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzulehnen.
Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit sei formell- und materiell rechtmäßig. Die Untersagung des Führens fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge sei rechtmäßig gewesen, da der Antragsteller seine Fahreignung nicht durch Vorlage des geforderten medizinisch-psychologischen Gutachtens nachgewiesen habe. Bei Bekanntwerden von Tatsachen, die auf einen Fahreignungsmangel schließen lassen, seien Maßnahmen zur Überprüfung der Fahreignung einzuleiten. Der Antragsteller habe zum wiederholten Male erheblich alkoholisiert mit dem Fahrrad am Straßenverkehr teilgenommen. Wegen des polizeilich mitgeteilten Sachverhalts vom 24.5.2015 sei die Fahrerlaubnisbehörde gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 i. V. m. § 13 Nr. 2 b und c FeV verpflichtet gewesen, die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens zu fordern. Allein durch die Teilnahme an einem Alkoholabstinenzprogramm werde noch kein Nachweis der Fahreignung im Sinne der Fahrerlaubnisverordnung erbracht. Im Sinne der Verkehrssicherheit sei es auch nicht zweckdienlich, die Vorlagefrist des zwingend zu fordernden Fahreignungsgutachtens entsprechend der Laufzeit des Abstinenzprogramms anzupassen, da andernfalls eine potentiell ungeeignete Person am Straßenverkehr teilnehmen würde. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung lasse sich in jedem Fall durch die nicht bestätigte Fahreignung begründen, da aufgrund fehlender Prognose nicht mit Gewissheit auszuschließen sei, dass der Antragsteller erneut unter relevantem Alkoholeinfluss am Straßenverkehr teilnehmen werde.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
II.
Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zulässig, aber unbegründet.
Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage gegen einen belastenden Verwaltungsakt grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO entfällt die aufschiebende Wirkung, wenn – wie hier – die sofortige Vollziehung durch die den Verwaltungsakt erlassende Behörde besonders angeordnet wird. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann dann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.10.2015 ist rechtmäßig und verletzt den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Daher kann der vorliegende Antrag keinen Erfolg haben.
1. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung ist rechtmäßig.
a) Gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO ist in den Fällen, in denen die Behörde nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO den Sofortvollzug anordnet, das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Die schriftliche Begründung soll den Betroffenen in die Lage versetzen, seine Rechte wirksam wahrnehmen und die Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels abschätzen zu können. Außerdem soll die Begründungspflicht der Behörde den Ausnahmecharakter der Vollzugsanordnung vor Augen führen und sie veranlassen, zu prüfen, ob tatsächlich ein überwiegendes Vollzugsinteresse den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung erfordert. Daraus folgt, dass die Begründung nicht lediglich formelhaft sein darf, sondern die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen darlegen muss, die die Annahme eines besonderen öffentlichen Vollzugsinteresses tragen.
b) Davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Die Antragsgegnerin hat im streitgegenständlichen Bescheid dargelegt, wieso sie den Antragsteller als nicht geeignet zum Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr ansieht. Das besondere öffentliche Interesse, bereits mit Zustellung des Bescheids die weitere Teilnahme der Antragstellerin am Straßenverkehr zu unterbinden, wurde mit den nicht ausgeräumten Eignungszweifeln und der damit einhergehenden Gefährdung des Straßenverkehrs begründet. Dabei wurde auch auf die besonderen Umstände des Einzelfalls eingegangen. Die Umstände, aus denen sich die Fahrungeeignetheit des Fahrerlaubnisinhabers ergibt, sind regelmäßig auch geeignet, gleichzeitig das besondere öffentliche Interesse am sofortigen Vollzug der angeordneten Fahrerlaubnisentziehung zu begründen (vgl. BayVGH, B.v. 27.10.2005 – 11 CS 05.1967 – juris Rn. 13; BayVGH, B.v. 14.12.1994 – 11 AS 94.384 – BayVBl 1995, 248). Ist ein Fahrerlaubnisinhaber ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen, liegt es auf der Hand, dass ihm im Hinblick auf die Gefährlichkeit seiner Teilnahme am motorisierten Straßenverkehr und der zu schützenden Rechtsgüter wie Leben und körperliche Unversehrtheit der anderen Verkehrsteilnehmer grundsätzlich sofort das Führen von Fahrzeugen untersagt werden muss. Im Bereich des Sicherheitsrechts, zu dem das Fahrerlaubnisrecht gehört, kann sich die Behörde zur Rechtfertigung der sofortigen Vollziehung darauf beschränken, die für diese Fallgruppen typische Interessenlage aufzuzeigen und deutlich zu machen, dass diese Interessenlage auch im konkreten Fall vorliegt; allein der Umstand, dass die im streitgegenständlichen Bescheid angesprochenen Gesichtspunkte auch in einer Vielzahl von anderen Fällen zur Rechtfertigung der Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit verwendet werden können, führt deshalb nicht dazu, dass ein Verstoß gegen § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO vorliegt (vgl. BayVGH, B.v. 24.8.2010 – 11 CS 10.1139 – juris Rn. 29; BayVGH, B.v. 10.3.2008 – 11 CS 07.3453 – juris Rn. 16).
c) Die vom Gericht vorzunehmende Interessenabwägung ergibt auch, dass das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs überwiegt.
Für diese Interessenabwägung sind in erster Linie die Erfolgsaussichten in der Hauptsache maßgeblich. Führt eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache dazu, dass der Rechtsbehelf offensichtlich Erfolg haben wird, so kann regelmäßig kein Interesse der Öffentlichkeit oder anderer Beteiligter daran bestehen, dass der mit hoher Wahrscheinlichkeit rechtswidrige Verwaltungsakt sofort vollzogen wird. Wird der Hauptsacherechtsbehelf umgekehrt aller Voraussicht nach erfolglos bleiben, weil nach der im vorläufigen Rechtschutzverfahren gebotenen summarischer Prüfung keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids bestehen, kann der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abgelehnt werden, ohne dass es einer zusätzlichen Interessenabwägung bedarf. Denn der Bürger hat grundsätzlich kein schutzwürdiges privates Interesse daran, von der Vollziehung eines offensichtlich rechtmäßigen Verwaltungsaktes verschont zu bleiben, ohne dass es darauf ankommt, ob der Vollzug dringlich ist oder nicht (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 11 CS 08.3273 – juris Rn. 14). Nach summarischer Prüfung wird der anhängige Widerspruch gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.10.2015 aber aller Voraussicht nach keinen Erfolg haben.
2. Die Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 30.10.2015 ist rechtmäßig.
a) Rechtsgrundlage für die Untersagung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ist § 3 FeV. Nach § 3 Abs. 1 FeV hat die Straßenverkehrsbehörde das Führen von Fahrzeugen und Tieren zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen, wenn sich jemand als ungeeignet oder nur bedingt geeignet zum Führen von (fahrerlaubnisfreien) Fahrzeugen erweist. Die Ungeeignetheit zum Führen von Fahrzeugen bestimmt sich hierbei nach den Vorschriften, die auch für das Führen fahrerlaubnispflichtiger Kraftfahrzeuge gelten. Denn es geht beim Führen fahrerlaubnisfreier ebenso wie beim Führen fahrerlaubnispflichtiger Fahrzeuge um eine Teilnahme am Straßenverkehr und die dafür erforderliche Umsicht, Aufnahme- und Reaktionsfähigkeit. Es gilt der Eignungsbegriff des § 2 Abs. 4 StVG. Danach ist geeignet, wer die notwendigen körperlichen und geistigen Anforderungen erfüllt und nicht erheblich oder nicht wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder gegen Strafgesetze verstoßen hat (§ 2 Abs. 4 Satz 1 StVG). Nach § 3 Abs. 2 FeV finden die §§ 11 bis 14 FeV entsprechend Anwendung. Entsprechend anwendbar ist damit auch die Anlage 4 zu den §§ 11, 13 und 14 FeV, jedenfalls soweit sich Mängel auch auf das Führen von nicht fahrerlaubnispflichtigen Fahrzeugen beziehen.
b) Vorliegend ergibt sich die Nichteignung des Antragstellers aus § 3 Abs. 2 i. V. m. § 11 Abs. 8 FeV, weil er ein rechtmäßig angeordnetes medizinisch-psychologisches Gutachten nicht fristgerecht vorgelegt hat.
aa) Die Antragsgegnerin hat den Antragsteller aufgrund seiner Trunkenheitsfahrt mit dem Fahrrad und der dabei festgestellten Blutalkoholkonzentration von 2,21 ‰ zu Recht zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens aufgefordert und – entsprechend ihres Hinweises in der Beibringungsaufforderung vom 24.9.2015 – aus der Nichteinbringung des Gutachtens auf ihre Nichteignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge geschlossen. Dabei ist das durch § 3 Abs. 1 FeV grundsätzlich gewährte Auswahlermessen hinsichtlich Art und Umfang der Maßnahme (BayVGH, U.v. 27.3.2006 – 11 ZB 06.41 – juris Rn. 26) auf Null reduziert, da sich der Antragsteller geweigert hat, ein Gutachten beizubringen. Denn wenn kein Gutachten beigebracht wird, das auch dazu dient, zu klären, ob Anknüpfungspunkte bestehen, dass eine Beschränkung oder Anordnung von Auflagen ausreichend sein könnten, bleibt der Fahrerlaubnisbehörde schlichtweg keine andere Möglichkeit, als zum Ausschluss der Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer und der Aufrechterhaltung der Sicherheit des Straßenverkehrs das Führen von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen ohne Einschränkung zu untersagen (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2011 – 11 CS 11.301 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 8.2.2010 – 11 C 09.2200 – juris Rn. 12). Es spielt auch keine Rolle, ob der Antragsteller tatsächlich unabweisbar auf das Führen eines Fahrrads im Straßenverkehr angewiesen ist oder nicht, da nach der Rechtsprechung wirtschaftliche Nachteile bis hin zur existenziellen Bedrohung, die der Betroffene infolge der Untersagung der Berechtigung zum Führen von Fahrzeugen im Straßenverkehr erleidet, außer Betracht bleiben müssen, weil insoweit dem öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit der Vorrang zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 9.5.2011 – 11 CS 11.301 – juris Rn. 12).
bb) Die Gutachtensanordnung wurde vorliegend auf § 46 Abs. 3 FeV i. V. m. § 13 Satz 1
Nr. 2 b und c FeV gestützt. Danach ist die Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens anzuordnen, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen wurden (Buchstabe b) bzw. ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt wurde (Buchstabe c).
Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Regelungen sind im Hinblick auf die aus dem Urteil des AG … vom 15.10.2015 ersichtlichen einschlägigen Vorverurteilungen und die am 24.5.2015 begangene Trunkenheitsfahrt erfüllt. Ausweislich des polizeilichen Berichts nahm der Antragsteller gegen 2.30 Uhr trotz erheblicher Alkoholisierung mit einem Fahrrad am Straßenverkehr teil. Ein Atemalkoholtest ergab einen Wert von 0,9 mg/l, eine später entnommene Blutprobe eine Blutalkoholkonzentration von 2,21 ‰ im Mittelwert.
cc) Die Anordnung der Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens war insbesondere auch in Bezug auf die Fragestellung des Führens von fahrerlaubnisfreien Fahrzeugen rechtmäßig.
Die Antragsgegnerin hat bei der Gutachtensanordnung berücksichtigt, dass der Antragsteller lediglich mit einem Fahrzeug und nicht mit einem Kraftfahrzeug im Straßenverkehr teilgenommen hat. Bereits eine (erstmalige) Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr rechtfertigt die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens über die Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge (vgl. BayVGH, B.v. 22.12.2014 – 11 ZB 14.1516 – juris Rn. 9, BVerwG, B.v. 20.6.2013 – 3 B 102/12 – juris Rn. 7f). Die Fahrerlaubnisbehörde hat insoweit auch kein Ermessen (BayVGH, B.v. 28.1.2013 – 11 ZB 12.2534 – juris Rn. 13). Die Güterabwägung hat bereits der Normgeber getroffen. Es besteht hinreichender Anlass, die Eignung zum Führen fahrerlaubnisfreier Fahrzeuge auch bei einer Trunkenheitsfahrt und entsprechenden Werten mit dem Fahrrad durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten abzuklären, weil die Teilnahme am Straßenverkehr mit einem Fahrrad in erheblich alkoholisiertem Zustand eine gravierende Gefahr für die Sicherheit des Straßenverkehrs darstellt. Die Gefahr schwerer Unfälle besteht z. B. dann, wenn motorisierte Verkehrsteilnehmer wegen des unkontrollierten Verhaltens eines erheblich alkoholisierten Radfahrers unvorhersehbar ausweichen müssen und mit anderen Fahrzeugen kollidieren. Wegen dieses Gefährdungspotentials ist die Einholung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens gerechtfertigt (BayVGH, B.v. 28.1.2013 – 11 ZB 12.2534 – juris Rn. 13). Insoweit finden die Grundrechte des Führers eines fahrerlaubnisfreien Fahrzeugs ihre Grenzen in den Rechten Dritter, insbesondere im Recht der übrigen Verkehrsteilnehmer auf Leben und körperliche Unversehrtheit (BVerwG. B.v. 20.6.2013 – 3 B 102.12 – juris Rn. 7).
dd) Die Ergebnisse der Blutprobenuntersuchung sind hier auch verwertbar.
Ausweislich des polizeilichen Berichts willigte der Antragsteller in die Blutentnahme ein. Eine richterliche Anordnung nach § 81a StPO war schon deshalb nicht erforderlich. Ein polizeilicher Ereignisbericht begründet als öffentliche Urkunde im Sinne von § 415 Abs. 1,
§ 418 Abs. 1 ZPO den vollen Beweis der in ihm bezeugten Tatsachen. Zwar ist der Gegenbeweis zulässig; dieser wäre aber nur erbracht, wenn das Gericht vom Gegenteil des Urkundsinhalts überzeugt wäre. Die bloße Möglichkeit eines anderen Geschehensablaufs bzw. das bloße Bestreiten der inhaltlichen Richtigkeit genügt dafür nicht (vgl. zum Ganzen OVG Lüneburg, B.v. 11.3.2004 -11 LA 380/03).
Aber selbst wenn man davon ausginge, dass ein strafprozessuales Verbot der Verwertung der Blutprobe besteht, weil eine Einwilligung des Antragstellers nicht vorlag und die Entnahme der Blutprobe nicht durch einen Richter angeordnet worden war, könnte das toxikologische Gutachten hier herangezogen werden. Denn die Frage, ob das Ergebnis der Untersuchung einer Blutprobe, die unter Verstoß gegen den sich aus § 81 a Abs. 2 StPO ergebenden Richtervorbehalt gewonnen wurde, in einem fahrerlaubnisrechtlichen Verwaltungsverfahren herangezogen werden darf, beantwortet sich nach der Rechtsprechung des Bayer. Verwaltungsgerichtshofs unabhängig davon, ob dieses Untersuchungsergebnis im konkreten Fall nach strafprozessualen Grundsätzen einem Verwertungsverbot unterliegt. Im präventiven Bereich der Fahrerlaubnisentziehung gibt es ein den strafprozessualen Regelungen entsprechendes Beweisverwertungsverbot nicht. Allerdings dürfen auch im fahrerlaubnisrechtlichen Verfahren solche Erkenntnisse nicht berücksichtigt werden, die unter Missachtung fundamentaler Rechtsgrundsätze gewonnen wurden. Der Bayer. Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass auch eine ohne Einschaltung eines Richters angeordnete Blutentnahme auf die Verwertbarkeit des Ergebnisses der Blutanalyse jedenfalls dann ohne Einfluss ist, wenn auf der Hand liegt, dass der Richter einem solchen Eingriff die Genehmigung hätte nicht versagen können (vgl. BayVGH, B.v. 28.1.2010 – 11 CS 09.1443 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 9.5.2012 – 11 ZB 12.614 – juris Rn. 4). So verhält es sich aber hier, nachdem beim Antragsteller der Atemalkoholtest einen Wert von 0,9 mg/l erbrachte, so dass der dringende Verdacht einer Straftat nach § 316 Abs. 1 und Abs. 2, § 21 StGB gegeben war.
ee) Die Teilnahme an einem Abstinenzprogramm ändert nichts an der Rechtmäßigkeit der Gutachtensaufforderung. Die aufgrund des oben geschilderten Sachverhalts bestehenden Eignungszweifel können nur durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten ausgeräumt werden und nicht durch die bloße Teilnahme an einem Abstinenzprogramm.
ff) Der Antragsteller hat das rechtmäßig geforderte Gutachten ohne hinreichenden Grund nicht vorgelegt. Die Tatsache, dass zum jetzigen Zeitpunkt möglicherweise nur ein negatives Gutachten vorgelegt werden kann, macht die Vorlage eines Gutachtens als solches nicht unmöglich. Vielmehr spricht es gegen den Antragsteller, wenn ein positives Gutachten zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorgelegt werden kann, weil damit bestätigt wird, dass Fahreignungszweifel noch nicht ausgeräumt werden können und weiterhin bestehen.
Kosten: § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwert: § 53 Abs. 2, § 52 Abs. 2 GKG.


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