Verkehrsrecht

Schadensersatzansprüche nach Kollision von Pkw und Straßenbahn

Aktenzeichen  20 O 3312/15

Datum:
4.4.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
StVG StVG § 7, § 17, § 18
StVO StVO § 9 Abs. 1 S. 3

 

Leitsatz

Bei einem Verkehrsunfall unter Beteiligung einer Straßenbahn und eines PKW ist wegen der die Betriebsgefahr des PKW deutlich übersteigenden Betriebsgefahr der Straßenbahn von einer hälftigen Haftungsverteilung auch dann auszugehen, wenn der Verursachungsbeitrag des PKW an der Kollision dadurch erhöht ist, dass dessen Führer seinen Abbiegevorgang unter Verletzung von § 9 Abs. 1 S. 3 StVO  einleitet (hier unter Zugrundelegung einer vom Gericht angenommenen Haftung des Straßenbahnfahrers nach § 18 StVG und des Betriebsunternehmers nach § 7 Abs. 1 StVG anstelle einer Haftung nach § 823 BGB bzw. § 1 Abs. 1 HPflG).  (Rn. 19 – 27) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.069,60 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.06.2014 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Widerbeklagte wird verurteilt, an die Beklagte zu 1) 6.402,61 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.02.2015 zu zahlen.
4. Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
5. Von den Gerichtskosten haben die Beklagten als Gesamtschuldner 12 % zu tragen, die Beklagte zu 1) und Widerklägerin darüberhinaus 40 %, der Kläger und Widerbeklagte hat 48 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers und Widerbeklagten haben die Beklagten als Gesamtschuldner 12 % zu tragen und die Widerklägerin und Beklagte zu 1) 40 %. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) und Widerklägerin hat der Kläger und Widerbeklagte 47 % zu tragen, von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) hat der Kläger 50 % zu tragen.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
6. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

Gründe

1. Klage
Die Klage ist zu 50 % begründet.
Gemäß den §§ 7, 17, 18 StVG schulden die Beklagten dem Kläger 50 % seines geltend gemachten Schadens.
Weder die Anhörung der beiden beteiligten Fahrer noch das umfangreiche Sachverständigengutachten konnten den Hergang des Unfalles letztendlich sicher aufklären, denn der Kläger gab glaubhaft an, bei Grün in die Kreuzung eingefahren zu sein und mehrere Sekunden gestanden zu haben, bevor es zum Zusammenstoß kam. Der Beklagte zu 2) hingegen gab glaubhaft an, dass er den Unfall so wahrgenommen habe, dass der Kläger plötzlich abgebogen sei.
Somit steht Aussage gegen Aussage. Welche Version den tatsächlichen Vorgängen am Unfalltag entspricht, lässt sich nicht mehr feststellen.
Auch das ausführliche und plausible Gutachten des Sachverständigen Dr. … hat weder die eine, noch die andere Version bestätigen können.
Es verbleibt also bei der Betriebsgefahr der beiden Fahrzeuge.
Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Betriebsgefahr der Straßenbahn die Betriebsgefahr des Pkws deutlich übersteigt.
Unstreitig befand sich der Pkw jedoch im Linksabbiegevorgang, so dass für ihn § 9 Abs. 1 Satz 3 StVO gilt, nämlich dass kein Schienenfahrzeug behindert werden darf. Dadurch ist sein Verursachungsbeitrag am Unfall erhöht.
Daher ist der Verursachungsbeitrag beider am Unfall beteiligter Fahrzeuge gleich hoch einzuschätzen, so dass es bei der Quote von 50 % verbleibt.
2. Widerklage
Auch für die Widerklage gilt die oben ausgeführte Haftungsquote. Der Kläger haftet gemäß §§ 7, 17, 18 StVG für die Hälfte des Sachschadens an der Straßenbahn nebst weiteren Kosten.
Hier waren jedoch Abschläge vorzunehmen, da die Klagepartei die Vorhaltekosten und die Kosten für das Zusatzpersonal und den Schienenersatzverkehr und den Verkehrsmeister bestritten hat.
Die Beklagte und Widerklägerin hat hierfür keinen Beweis angeboten.
Die vorgelegten Schriftstücke sind selbst ausgestellte Schreiben und Rechnungen der Widerklägerin. Dies ist als Beweis für die Höhe der Kosten nicht ausreichend.
Zuzusprechen waren daher lediglich die unstreitigen Reparaturkosten sowie die Gutachterkosten, ebenso die Kosten für das Ersatztaxi, denn hierfür liegt eine Rechnung Taxi München eG vor. D.h., dass 50 % von 11.065,91 € + 1.292,25 € + 422,06 € + 25,00 €, somit der ausgeurteilte Betrag, zu bezahlen ist.
3. Zinsen sind jeweils gemäß den §§ 286, 288, 291 BGB geschuldet.
4. Kosten und vorläufige Vollstreckbarkeit: § 100 ZPO und § 709 ZPO.


Ähnliche Artikel


Nach oben