Versicherungsrecht

Provisionsanspruch des Versicherungsmaklers: Wegfall des Anspruchs bei Ausübung des Widerrufsrechts durch den Versicherungsnehmer; Nachbearbeitungspflicht des Versicherers bei Antrag des Versicherungsnehmers auf Beitragsfreistellung der Lebensversicherung

Aktenzeichen  I ZR 248/19

Datum:
8.7.2021
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:BGH:2021:080721UIZR248.19.0
Normen:
§ 242 BGB
§ 87a Abs 3 S 2 HGB
§ 8 Abs 1 VVG
Spruchkörper:
1. Zivilsenat

Leitsatz

1. Die Ausübung des Widerrufsrechts nach § 8 Abs. 1 VVG durch den Versicherungsnehmer lässt den Provisionsanspruch des Versicherungsmaklers, auf den wegen einer starken Annäherung an die Stellung eines Versicherungsvertreters nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) der Rechtsgedanke des § 87a Abs. 3 HGB Anwendung findet, entfallen, ohne dass es einer Nachbearbeitung bedarf.
2. Beantragt der Versicherungsnehmer bei dem Versicherungsunternehmen eine Beitragsfreistellung der Lebensversicherung, so besteht im Interesse eines Versicherungsmaklers, auf den wegen einer starken Annäherung an die Stellung eines Versicherungsvertreters nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) der Rechtsgedanke des § 87a Abs. 3 HGB Anwendung findet, eine Pflicht zur Nachbearbeitung. Unterbleibt die rechtzeitige Nachbearbeitung, so bleibt der Provisionsanspruch des Versicherungsmaklers unberührt.

Verfahrensgang

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, 24. Oktober 2019, Az: 6 U 51/18vorgehend LG Hamburg, 28. Februar 2018, Az: 404 HKO 104/16

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg – 6. Zivilsenat – vom 24. Oktober 2019 unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als darin hinsichtlich des Feststellungsantrags in Höhe von 2.325,91 € nebst Zinsen sowie hinsichtlich des Zahlungsantrags wegen außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe weiterer 211,93 € nebst Zinsen zum Nachteil des Klägers erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird das Urteil des Landgerichts Hamburg – Kammer 4 für Handelssachen – auf die Berufung des Klägers abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte dem Provisionskonto des Klägers zur Vermittlernummer …  einen weiteren Betrag in Höhe von 2.325,91 € nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2016 bis zum Tag der Einstellung der Gutschrift gutzuschreiben hat.
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Kosten seiner außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe weiterer 211,93 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16. Dezember 2016 zu erstatten.
Die Kosten des Rechtsstreits werden wie folgt verteilt: Von den erst-und zweitinstanzlichen Kosten tragen der Kläger 1/3 und die Beklagte 2/3. Von den Kosten der Revision tragen der Kläger 3/5 und die Beklagte 2/5.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Der Kläger ist Versicherungsmakler. Die Beklagte betreibt einen Maklerpool und stellt angeschlossenen Maklern Produktanbindungen zur Verfügung. Mit dem Kläger schloss die Beklagte unter dem 24. September/5. Oktober 2009 eine Courtagevereinbarung (Anlage K 1) sowie eine Ergänzungsvereinbarung für vordiskontierte Produkte (Anlage K 2). Nach Ziffer 5.1 der Courtagevereinbarung oblag es der Beklagten, das vom Kläger vermittelte Geschäft zu verprovisionieren. Die Beklagte hatte hierüber Rechnung zu legen, wobei die Abrechnung im Rahmen eines Kontokorrentkontos erfolgen sollte (Ziffer 5.2 und 5.3 der Courtagevereinbarung). In Bezug auf vordiskontierte, also vorschüssig geleistete Provisionszahlungen hatten die Parteien in der Ergänzungsvereinbarung bestimmt, dass der Kläger im Falle von Vertragsstörungen Stornogefahrmitteilungen erhält, wozu unter § 4 folgende Vereinbarung getroffen wurde:
(5) Ne.   [Beklagte] ist nur insoweit zum Versand von Stornogefahrmitteilungen verpflichtet, sofern ihr diese von den jeweiligen Unternehmen übersandt werden. Sie ist zur unverzüglichen Weiterleitung dieser Mitteilungen an den Vermittler verpflichtet, nicht aber dazu, weitere Maßnahmen zu ergreifen.
2
Ab Juni 2016 belastete die Beklagte das Provisionskonto des Klägers mit folgenden Stornierungen, die Lebensversicherungsverträge mit der N.     Versicherung betreffen:
Abrechnung          
Vertrag          
Betrag
23.06.2016
von P.
1.196,08 €
08.07.2016
E.
3.110,40 €
02.09.2016
Dr. S.
2.325,91 €
3
Stornogefahrmitteilungen erfolgten erst mit mehrmonatigen Verzögerungen. Der Kläger monierte die Stornierungen mit E-Mail vom 4. Oktober 2016 als zu Unrecht erfolgt und forderte die Beklagte zur Gutschrift auf.
4
Der Kläger hat mit seiner Klage – soweit für die Revision von Bedeutung – die Feststellung verlangt, dass die Beklagte dem Provisionskonto des Klägers einen Betrag in Höhe von 6.632,39 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 11. Oktober 2016 gutzuschreiben hat. Ferner hat der Kläger Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 668,19 € nebst Prozesszinsen verlangt.
5
Das Landgericht hat dem Feststellungsantrag hinsichtlich einer Gutschrift in Höhe von 1.196,08 € (Provision im Fall von P.   ) nebst ab dem 1. November 2016 laufender Zinsen entsprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Berufungsgericht den auf diesen Gutschriftbetrag entfallenden Zinsbeginn auf den 11. Oktober 2016 abgeändert und die Beklagte zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 201,71 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16. Dezember 2016 verurteilt. Im Übrigen ist die Berufung des Klägers erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, soweit die Klage in Höhe von 5.436,31 € betreffend die Stornierungen der Provisionen hinsichtlich der Versicherungsnehmer E.  und Dr. S.     bei der N.     Versicherung abgewiesen wurde.
6
Der Kläger verfolgt mit seiner Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, seinen Feststellungsantrag in Höhe von 5.436,31 € nebst Zinsen sowie den auf Zahlung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe weiterer 466,48 € nebst Prozesszinsen gerichteten Antrag weiter.


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