Aktenzeichen B 5 S 17.274
BestG Art. 14 Abs. 2, Art. 15
BestV § 15
BayVwZVG BayVwZVG Art. 21a
Leitsatz
1. Bei im Wege der Ersatzvornahme entstandenen Bestattungskosten handelt es sich nicht um öffentliche Abgaben oder Kosten im Sinne des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 VwGO. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei der Heranziehung zu den Kosten der Ersatzvornahme handelt es sich um keine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung im Sinne des § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 VwGO iVm Art. 21a BayVwZVG. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Es wird festgestellt, dass die Klage der Antragstellerin vom 6. April 2017 im Verfahren B 5 K 17.273 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. März 2017 aufschiebende Wirkung hat.
2. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Streitwert wird auf 616,34 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin wendet sich gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin, mit dem sie zur Tragung der Kosten der Bestattung ihrer Tante verpflichtet wurde.
Die Antragstellerin ist die Nichte von Frau … …, die am … 2017 in … verstarb. Nach Kenntniserlangung von diesem Sterbefall informierte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 25. Januar 2017 die Antragstellerin über den Todesfall, wies auf die gesetzliche Bestattungspflicht hin und forderte die Antragstellerin auf, bis spätestens 31. Januar 2017 für die Bestattung zu sorgen, andernfalls werde die Antragsgegnerin im Wege der Ersatzvornahme tätig werden und die dadurch entstehenden Kosten zuzüglich Gebühren in Höhe von 200,00 € bei der Antragstellerin geltend machen.
Nachdem die Antragstellerin nicht tätig wurde, ließ die Antragsgegnerin die Tante der Antragstellerin bestatten. Hierfür stellte das beauftragte Bestattungsinstitut der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 2. Februar 2017 einen Betrag von 1.275,00 € in Rechnung (Bl. 7 ff. der Behördenakte). Für die Durchführung der Bestattung fielen ausweislich des Gebührenbescheides der Antragsgegnerin vom 3. Februar 2017 außerdem Gebühren in Höhe von 990,36 € an (Bl. 6 der Behördenakte).
Mit Bescheid vom 6. März 2017 stellte die Antragsgegnerin gegenüber der Antragstellerin fest, dass diese zur Tragung der entstandenen Bestattungskosten in Höhe von 2.265,36 € verpflichtet ist (Ziffer 1 des Bescheides). Außerdem wurden Gebühren in Höhe von 200,00 € festgesetzt (Ziffer 2 des Bescheides). Die Antragsgegnerin sei verpflichtet gewesen, für die Bestattung zu sorgen, da bestattungspflichtige Angehörige dies nicht veranlasst hätten. Die Anordnung der Bestattung habe im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung gelegen. Die Antragstellerin sei als bestattungspflichtige Person nach Art. 14 Abs. 2 Satz 2 des Bestattungsgesetzes (BestG) verpflichtet, die der Antragsgegnerin entstandenen Kosten zu ersetzen. Der Bescheid wurde der Antragstellerin am 8. März 2017 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt.
Mit Schreiben vom 3. April 2017, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 6. April 2017, erhob die Antragstellerin Klage gegen den Bescheid vom 6. März 2017 (B 5 K 17.273) und beantragte außerdem vorläufigen Rechtsschutz gemäß § 80 Abs. 4 Satz 2 und § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Verstorbene sei die Halbschwester ihres Vaters und damit keine Blutsverwandte gewesen. Zu ihr habe sie keine Beziehung gehabt, daher sei es nicht rechtmäßig, sie mit den Kosten der Bestattung zu belasten.
Die Antragsgegnerin erwiderte mit Schriftsatz vom 18. April 2017 und beantragte,
den Antrag abzulehnen.
Die Antragstellerin habe die Bestattung ihrer Tante nicht veranlasst, deshalb sei die Antragsgegnerin im Wege der Ersatzvornahme tätig geworden. Weitere bestattungspflichtige Personen außer der Antragstellerin seien der Antragsgegnerin nicht bekannt. Die Bestattungspflichtigkeit der Antragstellerin ergebe sich aus Art. 15 BestG i.V.m. § 15 Satz 1, § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 lit. g) der Bestattungsverordnung (BestV). Dass die Antragstellerin zur Verstorbenen keinen Kontakt hatte, sei dabei unerheblich, es komme nur auf die biologische Abstammung an. Ebenso sei nicht zwischen halb- und vollbürtigen Verwandten zu unterscheiden.
Ergänzend wird entsprechend § 117 Abs. 3 Satz 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) auf die Gerichtsakte und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
1. Der Antrag der nicht anwaltlich vertretenen Antragstellerin ist im Rahmen des § 88 VwGO sachdienlich dahingehend auszulegen, dass in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO die Feststellung begehrt wird, dass die in der Hauptsache (B 5 K 17.273) erhobene Klage aufschiebende Wirkung hat (vgl. BayVGH, B.v. 16.7.1990 – 7 CS 90.1090 – NVwZ-RR 1990, 639; Schoch in: Schoch/Schneider/Bier, Verwaltungsgerichtsordnung, Stand Oktober 2016, § 80, Rn. 449 m.w.N.).
2. Der so verstandene Antrag ist zulässig und begründet.
a) In der Fallgestaltung der sogenannten faktischen Vollziehung, d.h., wenn Behörden bereits Vollzugsmaßnahmen getroffen haben oder treffen oder solche Maßnahmen drohen, ohne dass die Voraussetzungen der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 VwGO vorliegen, kann zwar nicht die aufschiebende Wirkung einer bereits erhobenen Hauptsacheklage angeordnet bzw. wiederhergestellt werden, deren aufschiebende Wirkung ist jedoch in entsprechender Anwendung von § 80 Abs. 5 VwGO festzustellen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 80, Rn. 181 m.w.N.).
b) Insoweit ist auch ein Rechtschutzbedürfnis der Antragstellerin an der begehrten Feststellung zu bejahen. Die Rechtsbehelfsbelehrung:des streitgegenständlichen Bescheides vom 6. März 2017 enthielt den ausdrücklichen Hinweis, dass die Einlegung eines Rechtsbehelfes keine aufschiebende Wirkung entfalte. Auch im Schriftsatz vom 18. April 2017 hat die Antragsgegnerin nicht erkennen lassen, dass sie eine aufschiebende Wirkung der Klage anerkennen würde. Somit ist davon auszugehen, dass die Antragsgegnerin nach wie vor davon ausgeht, dass die Klage keine aufschiebende Wirkung hat.
c) Vorliegend hat die Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 6. März 2017 fristgerecht Anfechtungsklage erhoben (B 5 K 17.273). Dieser kommt aufschiebende Wirkung zu, da kein Fall des § 80 Abs. 2 VwGO vorliegt. Eine Anordnung der sofortigen Vollziehung i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO enthält der streitgegenständliche Bescheid nicht. Bei den mit dem streitgegenständlichen Bescheid geforderten Bestattungskosten handelt es sich auch nicht um öffentliche Abgaben oder Kosten i.S.d. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO. Sinn und Zweck der in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO getroffenen, als Ausnahmevorschrift restriktiv auszulegenden Regelung ist es, sicherzustellen, dass die Finanzierung notwendiger öffentlicher Aufgaben nicht dadurch gefährdet wird, dass Betroffene von den ihnen zustehenden Rechtsmitteln Gebrauch machen. Die hier streitgegenständlichen Kosten der Ersatzvornahme (Klingshirn, Bestattungsrecht in Bayern, Stand Oktober 2015, Erl. XIX, Rn. 6) unterfallen nicht dem in § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO verwendeten Abgabenbegriff, da sie nicht unmittelbar der Deckung des öffentlichen Finanzbedarfs dienen. Die Kosten der Ersatzvornahme sind auch nicht als Gebühren oder Auslagen zu qualifizieren, die im Rahmen der Durchführung eines Verwaltungsverfahrens entstanden sind (BayVGH, B.v. 25.2.2009 – 2 CS 07.1702 – BayVBl 2010, 51; ThürOVG, B.v. 12.3.2008 – 3 EO 283/07 – DÖV 2008, 881; VG München, B.v. 10.11.2011 – M 12 S 11.3242 – juris Rn. 23 f.). Ebenso liegt hier auch kein Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (VwZVG) vor. Bei der Heranziehung zu den Kosten der Ersatzvornahme handelt es sich um keine Maßnahme in der Verwaltungsvollstreckung nach Art. 21a VwZVG. Die Vorschrift erfasst nur Beugemaßnahmen, nicht jedoch die nachträgliche Kostenerhebung für eine bereits durchgeführte Ersatzvornahme (BayVGH, B.v. 25.2.2009 – 2 CS 07.1702 – BayVBl 2010, 51; VG München, B.v. 10.11.2011 – M 12 S 11.3242 – juris Rn. 25).
d) Da die drohende faktische Vollziehung wegen der Missachtung des Suspensiveffekts ohne weiteres rechtswidrig ist, ist nicht wie sonst im Anwendungsbereich von § 80 Abs. 5 VwGO zwischen öffentlichem Vollzugsinteresse und individuellem Aussetzungsinteresse abzuwägen (VGH BW, B.v. 22.2.2010 – 10 S 2702/09 – NVwZ-RR 2010, 463; Kopp/Schenke, VwGO, 20. Aufl., § 80, Rn. 181). Insbesondere kommt es damit nicht auf die voraussichtlichen Erfolgsaussichten in der Hauptsache an.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 und § 52 Abs. 3 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013 (NVwZ-Beilage 2013, 57). Danach ist bei auf bezifferte Geldleistungen gerichteten Verwaltungsakten ein Viertel des für das Hauptsacheverfahren anzunehmenden Streitwertes anzusetzen.