Verwaltungsrecht

Die wirtschaftliche Situation im Kosovo begründet keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes

Aktenzeichen  M 4 S 15.31634

Datum:
11.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 29a
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

Der Kosovo ist ein sicherer Herkunftsstaat. Die besseren wirtschaftlichen Bedingungen in Deutschland begründen kein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigter oder als Flüchtling rechtfertigen würde. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der 1987 geborene Antragsteller zu …) und die 1988 geborene Antragstellerin zu …) sind kosovarische Staatsangehörige; sie sind miteinander verheiratet. Sie stellten am 11. März 2015 Asylanträge.
Bei ihrer Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … 2015 bzw. am … 2015 (die Antragstellerin zu …) hatte mittlerweile ein Kind zur Welt gebracht) brachten sie vor, sie hätten familiäre Probleme mit den jeweiligen Eltern. Vor allem die Stiefmutter des Antragstellers zu …) habe die Antragstellerin zu …) angeschrien und geschlagen; diese habe deswegen bereits einmal eine Fehlgeburt erlitten. Nunmehr habe sie ihr Kind in Sicherheit zur Welt bringen wollen.
Mit Bescheid vom 23. November 2015, der am 9. Dezember 2015 versandt wurde, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, die Anträge auf Asylanerkennung sowie die Anträge auf subsidiären Schutz jeweils als offensichtlich unbegründet ab und verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Die Antragsteller wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Kosovo oder in einen anderen Staat angedroht, in den sie einreisen dürfen oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet ist. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG wurde angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen offensichtlich nicht vor. Die Antragsteller seien zum einen aus wirtschaftlichen Gründen ausgereist. Soweit sie vortrügen, es habe erhebliche Probleme innerhalb der Familie gegeben, sei nicht ersichtlich, dass dieses Verhalten von den kosovarischen Behörden geduldet werde. Die kosovarischen Sicherheitskräfte seien grundsätzlich willens und in der Lage, etwaige Verfolgungsmaßnahmen von Dritten oder kriminelle Bedrohungen und Gewalt wirksam zu unterbinden. Ihr Antrag sei somit gemäß § 30 Abs. 2 AsylVfG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach § 4 Abs. 1 AsylG seien nicht gegeben, aus dem Sachvortrag ergäben sich keine Anhaltspunkte, dass die Antragsteller aus den in § 4 AsylG genannten Gründen Verfolgung zu befürchten hätten. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot und könne von den Antragstellern ebenso wie von vielen ihrer Landsleute ggf. unter Aufbietung entsprechender Aktivitäten bewältigt werden. Es drohe den Antragstellern auch keine individuelle Gefahr für Leib oder Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei im vorliegenden Fall angemessen.
Zur Niederschrift der Rechtsantragstelle des Gerichts erhoben die Antragsteller Asylklage (Az. M 4 K 15.31633) und stellten weiter den Antrag:
Hinsichtlich der Abschiebungsandrohung wird die aufschiebende Wirkung der Klage gemäß § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) angeordnet.
Zur Begründung bezogen sie sich auf die Angaben beim Bundesamt.
Die Antragsgegnerin übersandte die Behördenakten, ohne einen Antrag zu stellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 AsylVfG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- anzuordnen, ist zulässig. Da kein Zustellnachweis vorliegt, ist davon auszugehen, dass die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG eingehalten ist.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Recht-mäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. Art. 16 a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylVfG).
2.1. Entsprechend der Gesetzeslage des Art. 16 a GG, § 36 Abs. 4 AsylVfG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.).
Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG B. v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – DVBl 84, 673 ff. – juris Rn. 40). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16 a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylVfG) offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylVfG). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
Bei der Berufung auf eine Individualverfolgung kann das Offensichtlichkeitsurteil unter anderem dann gerechtfertigt sein, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist.
2.2. Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen.
Für das Gericht ist offensichtlich, dass die geltend gemachten Ansprüche auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte den Antragstellern nicht zustehen.
Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigte oder als Flüchtling rechtfertigen würde, haben die Antragsteller mit ihrem Vortrag nicht glaubhaft gemacht. Der vorgetragene Familienkonflikt lässt keinen Bezug zu den sog. asylerheblichen Merkmalen im Sinn des § 3b AsylG, § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG erkennen. Es geht letztlich nur darum, dass offenbar die Stiefmutter des Antragstellers zu …) die Antragstellerin zu …) ablehnt, was zu Handgreiflichkeiten zwischen den Antragstellern einerseits und den weiteren Familienmitgliedern andererseits geführt hat. Dem können die Antragsteller bereits dadurch entgehen, dass sie -wie sie es bereits getan haben – aus der Wohnung bei dem Vater des Antragstellers zu … ausziehen und sich eine eigene Unterkunft verschaffen. Dass sie dafür in der Bundesrepublik Deutschland bessere wirtschaftliche Bedingungen haben als im Kosovo, führt nicht zum Erfolg des Antrags.
Das Gericht folgt im Übrigen der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid (§ 77 Abs. 2 AsylG), da die Antragsteller keinen weiteren Vortrag gebracht haben.
Ernstliche Zweifel bestehen ebenfalls nicht hinsichtlich der Versagung subsidiären Schutzes. Ferner bestehen keine Anhaltspunkte für Abschiebungsverbot i. S. des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG.
Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG abzulehnen.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.


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