Verwaltungsrecht

Die wirtschaftliche Situation im Kosovo begründet keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes

Aktenzeichen  M 4 S 15.31598

Datum:
7.1.2016
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
AsylG AsylG § 3, § 4, § 29a
AufenthG AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
GG GG Art. 16a

 

Leitsatz

Rein wirtschaftliche und bildungspolitische Gründe ohne Bezug zu einer politischen Verfolgung begründen keine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder subsidiären Schutzes. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.
Der 1969 geborene Antragsteller ist Albaner und kosovarischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben am … 2015 erneut ins Bundesgebiet ein und stellte am 9. März 2015 einen Folgeantrag.
Bei seiner Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am … 2015 brachte er im Wesentlichen u. a. Folgendes vor: Er sei nach Deutschland gekommen, weil bereits seine Brüder dort leben würden und auch einige Familienangehörige seiner Frau. Er wolle, dass sein Kind in Deutschland aufwachse. Er habe sein Heimatland verlassen, damit sein Sohn in Deutschland eine bessere Zukunft habe. Im Kosovo erhalte dieser keine gute Schulbildung und auch der Umgang dort gefalle ihm nicht. Die Kinder würden sich schlagen und Drogen konsumieren. Mit staatlichen Stellen bzw. mit der Polizei habe der Antragsteller im Kosovo keine Probleme gehabt.
Mit Bescheid vom 20. November 2015, der nach Aktenlage wohl mit Begleitschreiben vom … 2015 versandt/zugestellt wurde, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, den Antrag auf Asylanerkennung sowie den Antrag auf subsidiären Schutz jeweils als offensichtlich unbegründet ab und verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Die Antragsteller wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche ab Bekanntgabe des Bescheides zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Kosovo oder in einen anderen Staat angedroht, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 7 AufenthG wurde angeordnet und auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.
Zur Begründung wurde im Bescheid im Wesentlichen ausgeführt: Die Voraussetzungen für die Durchführungen eines weiteren Asylverfahrens seien vorliegend gegeben. Der Antragsteller hätte im Fall seiner Rückkehr jedoch keine staatlichen oder relevanten nichtstaatlichen Verfolgungsmaßnahmen zu befürchten. Aus dem vom Antragsteller geschilderten Sachverhalt sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Auch die Voraussetzungen für subsidiären Schutz seien nicht gegeben. Nationale Abschiebungsverbote seien geprüft worden, aber zu verneinen.
Am 4. Dezember 2015 erhob der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht München, die unter dem Aktenzeichen M 4 K 15.31597 rechtshängig ist, und beantragte zugleich,
die aufschiebende Wirkung dieser Klage anzuordnen.
Zur Begründung nahm er Bezug auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt.
Die Antragsgegnerin übersandte die Behördenakten, ohne einen Antrag zu stellen; dabei kündigte sie an, einen Zustellungsnachweis nach Eingang nachzureichen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Klageverfahren sowie auf die vorgelegte Behördenakte verwiesen.
II.
Der Antrag bleibt ohne Erfolg.
1. Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 AsylG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamtes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO- anzuordnen, ist zulässig. Da kein Zustellnachweis vorliegt und das Begleitschreiben zum Bescheid das Datum vom … 2015 trägt, ist davon auszugehen, dass die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG eingehalten ist.
2. Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Recht-mäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen (vgl. Art. 16 a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylG).
2.1. Entsprechend der Gesetzeslage des Art. 16 a GG, § 36 Abs. 4 AsylG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S. v. Art. 16 a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.).
Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylG offensichtlich nicht besteht – wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht – und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG B. v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – DVBl 84, 673 ff. – juris Rn. 40). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16 a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B. v. 5.2.1993 – 2 BvR 1294/92 – InfAuslR 1993, 196).
Bei der Berufung auf eine Individualverfolgung kann das Offensichtlichkeitsurteil unter anderem dann gerechtfertigt sein, wenn die im Einzelfall behauptete Gefährdung offensichtlich nicht asylrelevant ist, den erforderlichen Grad der Verfolgungsintensität nicht erreicht oder sich das Vorbringen des Asylbewerbers insgesamt als eindeutig unglaubhaft erweist.
2.2. Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen hier keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der insoweit seitens des Bundesamts getroffenen Entscheidungen.
Es ist schon sehr zweifelhaft, ob die Voraussetzungen des § 71 Abs. 1 AsylG, § 51 Abs. 1 VwVfG vorliegen. Der Kläger hat nur wirtschaftliche bzw. bildungspolitische Gründe für seine Einreise nach Deutschland vorgebracht. Dieser Vortrag ist flüchtlings- und asylrechtlich ohne Belang und offensichtlich kein schlüssiger Vortrag im Sinne § 51 Abs. 1 VwVfG.
Jedenfalls ist für das Gericht offensichtlich, dass der geltend gemachte Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigter dem Antragsteller nicht zusteht.
Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigter oder als Flüchtling rechtfertigen würde, hat er weder in seiner Anhörung noch in der Begründung der Klage bzw. des Eilantrags vorgetragen. Insofern wird auf die zutreffenden Ausführungen im Bescheid des Bundesamts vom 20. November 2015 verwiesen (§ 77 Abs. 2 AsylG).
Ernstliche Zweifel bestehen ebenfalls nicht hinsichtlich der Versagung subsidiären Schutzes. Ferner bestehen keine Anhaltspunkte für Abschiebungsverbot i. S. des § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG.
Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG abzulehnen.


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