Verwaltungsrecht

Keine Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zur Wahrung der Ehe

Aktenzeichen  M 24 S 16.5892

Datum:
2.2.2017
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verwaltungsgerichtsbarkeit
Normen:
VwGO VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 3, Abs. 5, § 113 Abs. 5, § 114
AufenthG AufenthG § 27 Abs. 1, § 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 30 Abs. 1 S. 1, § 31 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 S. 2, § 59, § 84 Abs. 1 S. Nr. 1

 

Leitsatz

Die Verlängerung einer Aufenthaltserlaubnis zum Schutz der Ehe (§ 28 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 27 AufenthG) kommt nicht in Betracht, wenn die familiäre Lebensgemeinschaft nicht mehr besteht, weil die Betroffenen nach den glaubhaften Aussagen der Ehefrau getrennt innerhalb der Wohnung leben. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I.
Der Antrag wird abgelehnt.
II.
Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
Der am … geborene Antragssteller ist marokkanischer Staatsangehöriger. Er heiratete am … Oktober 2013 eine – zum damaligen Zeitpunkt noch – ukrainische Staatsangehörige in Marokko (Teil 1, Bl. 13 d. A.), die er im Mai 2013 anlässlich deren Urlaubsaufenthaltes in … kennengelernt hatte.
Am … Juni 2014 beantragte er zunächst von … (VAE) aus (Teil 1, Bl. 11 d. A.), am … März 2015 dann von … (Katar) aus (Teil 1, Bl. 87 d. A.) die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug. Mit dem ihm daraufhin am … April 2015 erteilten und bis … Juli 2015 gültigen Visum reiste er am … April 2015 ins Bundesgebiet ein (Teil 2, Bl. 7 d. A.).
Auf seinen Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis vom … Juni 2015 (Teil 2, Bl. 5 d. A.) wurde ihm am selben Tag eine bis … Juni 2016 gültige Aufenthaltserlaubnis erteilt (Teil 2, Bl. 13 d. A.). Am … Juni 2016 (Teil 6, Bl. 2 d. A.) beantragte er (unter Vorsprache bei der Ausländerbehörde mit seiner Ehefrau) erneut die Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug, woraufhin ihm eine Fiktionsbescheinigung nach § 81 Abs. 4 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) erteilt und diese in der Folge auch verlängert wurde. In dem Antrag vom 23. Juni 2016 wurde als Staatsangehörigkeit der Ehefrau „Deutsche“ angegeben und mit dem Vermerk versehen, dass diese mittlerweile eingebürgert wurde.
Ausweislich eines Aktenvermerks vom … Januar 2016 sprach die Ehefrau des Antragstellers an diesem Tag bei der Ausländerbehörde vor und gab an, dass sie den Eindruck habe, dass ihr Ehemann sie nur geheiratet habe, um ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet zu erlangen Sie würden innerhalb der Wohnung getrennt leben. Sie sei nicht bereit, zum Zeitpunkt der Antragsverlängerung mit ihrem Ehemann gemeinsam vorzusprechen (Teil 4, Bl. 5 d. A.).
Mit Urteil des Amtsgerichts … vom … Mai 2016 wurde der Antragsteller vom Vorwurf der Körperverletzung, begangen am … Januar 2016 zum Nachteil seiner Ehefrau, freigesprochen, da ein Tatnachweis nicht erbracht werden konnte (Teil 4, Bl. 10 d. A.).
In der vorgelegten Behördenakte (Teil 7, Bl. 1) befindet sich ein Schreiben der Ehefrau des Antragstellers vom … Oktober 2016, in dem diese ausführt, dass sie der Antragsteller nur geheiratet habe, damit er in Deutschland bleiben könne. Sie habe in der kurzen Zeit viele Lügen, Betrug und Aggressivität erlebt. Zurzeit würde der Antragsteller bei ihr wohnen, sie würden jedoch in getrennten Zimmern schlafen, sie koche und wasche nicht für ihn. Sie wolle keine Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis für ihren Ehemann.
Mit dem Antragsteller am … November 2016 zugestellten Bescheid vom … November 2016 (Teil 7, Bl. 10 d. A.) lehnte die Antragsgegnerin nach vorheriger Anhörung des Antragstellers und seiner Ehefrau den Antrag vom … Juni 2016 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab (Nr. 1), forderte den Antragsteller unter Fristsetzung bis 9. Januar 2017 zur freiwilligen Ausreise auf (Nr. 2) und drohte dem Antragsteller für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung nach Marokko oder in einen anderen zu seiner Aufnahme bereiten oder verpflichteten Staat an (Nr. 3).
Ausweislich eines Aktenvermerkes vom … November 2016 einer Rechtsanwältin gegenüber einem anderen Rechtsanwalt sei der Antragsteller am selben Tag in der (Kanzlei-)Sprechstunde gewesen und habe erklärt, dass er derzeit im … als Supervisor beschäftigt sei. In Marokko habe er ein Studium im Zusammenhang mit Tourismus absolviert. Der Arbeitgeber würde ihm nächstes Jahr auch einen unbefristeten Vertrag geben. Das Problem sei, dass er von seiner Ehefrau bei der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis im Juni 2016 nicht begleitet worden sei. Diese mache Stress und sei laut Aussage des Kreisverwaltungsreferats bereits zweimal dort gewesen und habe angegeben, dass der Antragsteller getrennt von ihr leben würde. Das stimme aber nicht, sie würden zusammen wohnen und sich alles teilen (Teil 7, Bl. 29 d. A.). Auf Bl. 30 d. A. befindet sich eine Bestätigung des genannten Hotels vom …Dezember 2016, wonach der Antragsteller dort seit … April 2016 als Roomservice Supervisor beschäftigt sei und sich derzeit in einem bis … April 2017 befristeten Arbeitsverhältnis befinde.
Am … Dezember 2016 zeigten die Bevollmächtigten gegenüber der Antragsgegnerin ihr Bevollmächtigung an und beantragten Akteneinsicht (Teil 8, Bl. 3 d. A.), die am … Dezember 2016 gewährt wurde.
Mit Telefax vom … Dezember 2016 erhob der Antragsteller durch seine Bevollmächtigten Klage mit dem Antrag, den Bescheid der Antragsgegnerin vom … November 2016 aufzuheben und die Antragsgegnerin zu verpflichten, dem Antragsteller die beantragte Aufenthaltserlaubnis zu erteilen. Über die unter dem Aktenzeichen M 24 K 16.5891 bei Gericht anhängige Klage wurde noch nicht entschieden. Zugleich wurde beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage vom heutigen Tage anzuordnen.
Die Begründung bleibe einem gesonderten Schriftsatz vorbehalten. Eilbedürftigkeit sei geboten, da die Ausreisefrist zum … Januar 2017 gesetzt worden sei.
Mit Schreiben vom … Januar 2017 legte die Antragsgegnerin die Behördenakten vor und beantragte, die Klage abzuweisen und
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
Auf die Begründung des angefochtenen Bescheides vom … November 2016 werde Bezug genommen. Da weder im Anhörungsverfahren noch in der Klageschrift etwas vorgetragen worden sei, werde die Ausreisefrist, die am … Februar 2017 ende, nicht mehr verlängert. Anschließend würden Vollzugsmaßnahmen eingeleitet werden.
Mit Beschluss vom … Februar 2017 wurde der Rechtsstreit (M 24 S 16.5892) auf den Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die vorgelegte Behördenakte und die Gerichtsakten M 24 K 16.5891 und M 24 S 16.5892 Bezug genommen.
II.
1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der am … Dezember 2016 erhobenen Klage gegen den Bescheid vom … November 2016 ist zulässig, insbesondere statthaft, weil die in der Hauptsache erhobene Klage kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung hat (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i. V. m. § 84 Abs. 1 Satz Nr. 1, § 50 Abs. 1, § 58 Abs. 2 Satz 2 AufenthG).
2. Der Eilantrag ist jedoch unbegründet und war daher abzulehnen.
2.1. Bei der Entscheidung über die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 80 Abs. 5 VwGO hat das Gericht abzuwägen zwischen dem gesetzlich bestimmten öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage, dass die Klage voraussichtlich erfolglos bleiben wird, tritt das Interesse eines Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei der Interessenabwägung.
2.2. Nach summarischer Prüfung ist vorliegend davon auszugehen, dass sich der streitgegenständliche Bescheid als rechtmäßig erweisen und die Klage des Antragstellers deshalb voraussichtlich erfolglos bleiben wird, so dass das staatliche Vollzugsinteresse das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seiner Klage überwiegt.
2.3. Die Verpflichtungsklage auf Erteilung der beantragten Aufenthaltserlaubnis ist zwar zulässig, insbesondere fristgerecht erhoben worden. Sie ist jedoch unbegründet, da die Ablehnung des Antrags vom … Juni 2016 auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis und die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im Bescheid der Antragsgegnerin vom … November 2016 rechtmäßig ist und den Antragsteller nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5, § 114 VwGO).
2.4. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis.
2.4.1. Sowohl der Ehegattennachzug eines Ausländers zu seinem ausländischen Ehegatten nach § 30 Abs. 1 Satz 1 AufenthG als auch der Familiennachzug eines Ausländers zu seinem deutschen Ehegatten nach § 28 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG setzen voraus, dass die Aufenthaltserlaubnis zur Herstellung und Wahrung der familiären Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet zum Schutz von Ehe und Familie gemäß Art. 6 des Grundgesetzes erteilt und verlängert wird (§ 27 Abs. 1 AufenthG). Den Ausführungen der Ehefrau des Antragstellers im Schreiben vom … Oktober 2016 zufolge besteht eine solche familiäre Lebensgemeinschaft zwischen dem Antragsteller und seiner Ehefrau jedoch nicht mehr. Der Antragsteller hat im vorliegenden Eilverfahren und dem anhängigen Klageverfahren auch nichts Gegenteiliges vorgetragen bzw. belegt, dass – entgegen der Aussagen der Ehefrau – weiterhin von einer familiären Lebensgemeinschaft auszugehen wäre. Vielmehr hat die Ehefrau des Antragstellers bereits am … Januar 2016 gegenüber der Ausländerbehörde erklärt, dass sie innerhalb der Wohnung getrennt leben würden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem (kanzleiinternen) Aktenvermerk vom … November 2016 (Teil 7, Bl. 29 d. A.), wonach die Ehefrau des Antragstellers „Stress mache und laut Aussage des Kreisverwaltungsreferats bereits zweimal dort gewesen sei und angegeben habe, dass der Antragsteller getrennt von ihr leben würde, was aber nicht stimme“. In der Zusammenschau der bisher getätigten Aussagen der Ehefrau verbunden mit dem von ihr gestellten Strafantrag gegen den Antragsteller wegen Körperverletzung wegen eines Vorfalles am … Januar 2016, geht das Gericht nach summarischer Prüfung davon aus, dass zumindest von Seiten der Ehefrau des Antragstellers keine familiäre Lebensgemeinschaft gewünscht und damit eine solche auch nicht geführt wird, auch wenn der Antragsteller schlussendlich mangels Tatnachweis vom Vorwurf der Körperverletzung freigesprochen wurde.
2.4.2. Da der Antragsteller erstmals am … April 2015 ins Bundesgebiet eingereist ist, hat er auch noch kein eigenständiges Aufenthaltsrecht nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AufenthG erworben, da die eheliche Lebensgemeinschaft noch nicht mindestens drei Jahre rechtmäßig im Bundesgebiet bestanden hat. Für das Vorliegen einer besonderen Härte nach § 31 Abs. 2 AufenthG, zu deren Vermeidung von der Voraussetzung des dreijährigen rechtmäßigen Bestandes der ehelichen Lebensgemeinschaft im Bundesgebiet abzusehen ist, wurde nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich. Insbesondere sind aus der Verbindung des Antragstellers mit seiner Ehefrau keine Kinder hervorgegangen.
2.4.3. Soweit vom Antragsteller im Nachgang zum Bescheid vom … November 2016 gegenüber der Ausländerbehörde vorgetragen wurde, dass er in einer befristeten Beschäftigung stehe und ihm ein unbefristeter Vertrag in Aussicht gestellt worden sei, braucht im vorliegenden Eilverfahren bzw. im noch anhängigen Klageverfahren nicht der Frage nachgegangen zu werden, ob dem Antragsteller aus dieser Beschäftigung ein Aufenthaltsrecht zustehen könnte, da Gegenstand der genannten Verfahren die Ablehnung des Antrags vom … Juni 2016 ist, der auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis zum Familiennachzug und nicht zur Beschäftigung o.ä. gerichtet war.
2.5. Da der Antragsteller kein Aufenthaltsrecht für das Bundesgebiet besitzt, ist er vollziehbar ausreisepflichtig (§§ 50 Abs. 1, 58 Abs. 2 Satz 2, 84 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG). Die Abschiebungsandrohung entspricht – insbesondere auch im Hinblick auf die Fristsetzung – den gesetzlichen Anforderungen (§ 59 AufenthG).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 Gerichtskostengesetz (GKG) i. V. m. Nr. 1.5 und Nr. 8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

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