Verwaltungsrecht

Prüfungsanfechtung bei Nichtbestehen der Prüfungsleistung „Erste Schriftliche Teilprüfung“ der Fortbildungsprüfung „Geprüfter Handelsfachwirt/Geprüfte Handels-fachwirtin“.

Aktenzeichen  3 A 78/21 MD

Datum:
26.1.2022
Rechtsgebiet:
Gerichtsart:
VG Magdeburg 3. Kammer
Dokumenttyp:
Urteil
ECLI:
ECLI:DE:VGMAGDE:2022:0126.3A78.21MD.00
Normen:
§ 53 Abs 1 BBiG
§ 53 Abs 2 BBiG
§ 7 Abs 1 HdlFachwPrV
§ 53 Abs 1 BBiG
§ 53 Abs 2 BBiG
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Spruchkörper:
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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in jeweils gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen das Nichtbestehen der Prüfungsleistung „Erste Schriftliche Teilprüfung“ der Fortbildungsprüfung „Geprüfter Handelsfachwirt/Geprüfte Handelsfachwirtin“.
Mit Schreiben vom 17. Mai 2020 meldete sich die Klägerin bei der Beklagten für die Herbstprüfung 2020 zur ersten Wiederholungsprüfung der ersten schriftlichen Teilprüfung im Rahmen der Fortbildungsprüfung zum anerkannten Abschluss „Geprüfter Handelsfachwirt/Geprüfte Handelsfachwirtin“ an, für welche sie mit Einladung vom 19. August 2020 zugelassen worden ist.
Die erste schriftliche Teilprüfung im Bereich „Unternehmensführung- und -steuerung, Führung und Personalmanagement, Kommunikation und Kooperation“, in der bundeseinheitliche Aufgaben verwendet worden sind, fand am 14. September 2020 statt und bestand aus 11 Aufgaben in denen insgesamt maximal 100 Punkte erreicht werden konnten. Zum Bestehen der Prüfung war das Erreichen von 50 Punkten erforderlich. Ausweislich des Bewertungsbogens vergab die Erstkorrektorin (Frau A. S.) am 5. November 2020 50 Punkte, der Zweitkorrektor (Herr M. A.) am selben Tage 41 Punkte. Aus diesen wurde ein Mittelwert von 47 Punkten gebildet. Im Einzelnen erfolgte folgende Punktevergabe:
ErreichbarePunktzahl
Erstkorrektor
Zweitkorrektor
Punktvergabe insgesamt
Aufgabe 7
9       
4 (geändert auf 0)
0       
0       
Aufgabe 9
9       
9       
6       
8       
Aufgabe 11
8       
8       
6       
7       
Mit Bescheid der Beklagten vom 10. November 2020 gab diese der Klägerin das Nichtbestehen der Fortbildungsprüfung „geprüfte Handelsfachwirtin“ für die erste schriftliche Teilprüfung (1. Wiederholung) Herbst 2020 und die Gesamtbewertung mit 47 Punkten bekannt.
Dagegen legte die Klägerin Widerspruch ein und trug zur Begründung vor, dass sie bei Einsichtnahme in die Bewertungsübersicht festgestellt habe, dass die Erst- und Zweitbeurteilung insbesondere der Aufgaben 7, 9 und 11 teils deutlich voneinander abwichen und bat, die Punktvergabe für die genannten Aufgaben noch einmal zu überprüfen.
Anlässlich des Widerspruches erfolgte seitens der Beklagten die Einholung von Stellungnahmen der Mitglieder des Prüfungsausschusses, namentlich Herr M. A. als Arbeitgebervertreter, Frau A. S. als Arbeitnehmervertreterin sowie Herr M. W. als Lehrer-/Dozentenvertreter zur Bewertung der Aufgaben 7, 9 und 11. Zur Besprechung der einzelnen Stellungnahmen erfolgte am 7. Januar 2021 eine Sitzung des Prüfungsausschusses mit dem einstimmigen Ergebnis, dass an den vorgenommenen Bewertungen festgehalten werden sollte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2021 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung trug sie vor, dass der Prüfungsausschuss an den jeweiligen Bewertungen der angefochtenen Aufgaben festgehalten habe. Im Übrigen könne die getroffene Prüfungsentscheidung nur auf ihre Rechtmäßigkeit hin überprüft werden, also darauf, ob sie mit den einschlägigen Rechtsvorschriften und Bestimmungen im Einklang stehe und ob der Prüfungsausschuss insbesondere seinen Ermessensspielraum eingehalten habe. Dem Prüfungsausschuss stehe bei der Bewertung der Leistung ein eigener Beurteilungsspielraum zu, in welchem nicht eingegriffen werden dürfe. Bewertungsfehler des Prüfungsausschusses seien nicht ersichtlich. Eine Verkennung des anzuwendenden Rechts, eine Verletzung allgemeiner Bewertungsmaßstäbe oder sachfremde Erwägungen seien nicht erkennbar. Ebenso bestünden keine Anhaltspunkte für das Vorliegen von Verfahrensfehlern oder Fehlern in der Berechnung des Prüfungsergebnisses.
Hinsichtlich der einzelnen Begründung zur Punktevergabe bezüglich der Aufgabenstellungen 7, 9 und 11 wird auf den Widerspruchsbescheid und die jeweiligen schriftlichen Stellungnahmen der Mitglieder des Prüfungsausschusses verwiesen.
Am 23. März 2021 hat die Klägerin Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 10. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2021 erhoben.
Zur Begründung ihrer Klage führt sie aus, die Bewertungen der erbrachten Leistungen in den Aufgaben 7, 9 und 11 seien fehlerhaft.
Die Bewertung der Aufgabe 7 mit 0 Punkten sei nicht nachvollziehbar. Aus der eingereichten Lösungsskizze werde deutlich, dass die Klägerin zutreffend und aufgabengemäß strategische, taktische und operative Ziele genannt habe.
In Aufgabe 9, mit der Aufgabenstellung drei Möglichkeiten zu erläutern, wie man den Erfolg einzelner Qualifizierungsmaßnahmen beurteilen könne, habe die Klägerin sogar 4 Möglichkeiten angegeben und erläutert. Die (Einzel-)Bewertung der Leistung mit lediglich 6 Punkten durch einen Prüfer erschließe sich nicht, da die Ausführungen der Klägerin den Lösungshinweisen entspräche. Die Bildung des Mittelwertes von lediglich 8 Punkten sei daher nicht gerechtfertigt.
Ebenso verhalte es sich bezüglich Aufgabe 11. Die (Einzel-)Bewertung mit 6 Punkten durch einen Prüfer sei nicht nachvollziehbar, sodass auch die Gesamtbewertung von nur 7 Punkten für die Aufgabe nicht gerechtfertigt sei. Auch hier habe die Klägerin die nach den Lösungshinweisen für Aufgabe 11 geforderten Inhalte erbracht. Der Klagebegründung fügte die Klägerin die entsprechenden Lösungshinweise zu den angefochtenen Aufgaben bei, auf welchen sie die ihrer Ansicht nach korrekt von ihr gegebenen Antworten markierte.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 10. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2021 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Prüfungsleistung der Klägerin in der 1. schriftlichen Teilprüfung im Rahmen der Fortbildungsprüfung zum anerkannten Abschluss „geprüfter Handelsfachwirt/geprüfte Handelsfachwirtin“ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts durch den berufenden Prüfungsausschuss neu zu bewerten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Klägerin stehe kein Anspruch auf Neubewertung der schriftlichen Prüfungsleistung zu. Zur Begründung bezieht sie sich im Wesentlichen auf die bereits im Widerspruchsbescheid vom 23. Februar 2021 aufgeführten Gründe. Die Bewertung von Prüfungsleistungen unterliege einer eingeschränkten verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. An der Bewertung der Prüfungsleistung sei auch nach Überprüfung durch den Prüfungsausschuss festgehalten worden. Die Chancengleichheit im Prüfungsverfahren verlange, dass keine Festlegung aller Prüfer auf eine Musterlösung vorgegeben werde, sondern das denn Prüfern ein eigener Entscheidungsspielraum zustehe.
Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang verwiesen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

I. Die zulässige Klage, über die die Kammer im Einvernehmen der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist unbegründet.
1. Die Klage gegen den Bescheid vom 10. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2021 ist als Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage zulässig. Die Bescheidungsklage gemäß § 113 Abs. 5 S. 2 VwGO ist in Prüfungsangelegenheiten grundsätzlich auf die Durchsetzung des Anspruchs des Prüflings auf fehlerfreie Neubewertung und Neubescheidung seiner Prüfungsleistung gerichtet.
2. Der Bescheid der Beklagten vom 10. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2021 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubewertung ihrer Prüfungsleistung zur ersten schriftlichen Teilprüfung im Rahmen der Fortbildungsprüfung zum anerkannten Abschluss „geprüfter Handelsfachwirt/geprüfte Handelsfachwirtin“.
a) Die Rechtsgrundlage für das im Bescheid mitgeteilte Nichtbestehen der Fortbildungsprüfung stellen § 53 Abs. 1, 2 Berufsbildungsgesetz (folgend: BBiG) vom 23. März 2005 (BGBl. I S. 931)in der ab 1. Januar 2020 geltenden Fassung i.V.m. der Verordnung über die Prüfung zum anerkannten Fortbildungsabschluss Geprüfter Handelsfachwirt und Geprüfte Handelsfachwirtin (folgend: HdlFachwPrV) vom 13. Mai 2014 und der Prüfungsordnung für die Durchführung von Abschluss- und Umschulungsprüfungen der IHK A-Stadt vom 10. Juni 2020 dar.
Gemäß § 7 Abs. 1 HdlFachwPrV vom 13. Mai 2014 ist die Prüfung bestanden, wenn ohne Rundung in jeder der schriftlichen Teilprüfungen und in der mündlichen Teilprüfung jeweils mindestens 50 Punkte erreicht worden sind. § 4 Abs. 1 und 2 HdlFachwPrV regeln dabei die Qualifikationsschwerpunkte der Handlungsbereiche „Unternehmens-führung und -steuerung“ und „Führung, Personalmanagement, Kommunikation und Kooperation“, welche gemäß § 3 Abs. 3 HdlFachwPrV Gegenstand der streitgegenständlichen ersten schriftlichen Teilprüfung sind.
b) Die Klägerin wendet sich vorliegend gegen die Bewertung einzelner Aufgabenstellungen der schriftlichen Prüfung.
c) Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle der Bewertung von Prüfungsleistungen erstreckt sich im Wesentlichen darauf, ob die Prüfer anzuwendendes Recht verkannt haben, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt haben oder sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen (vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 10. Dezember 2009 – 5 ME 182/08 – Rn. 7). Darüber hinaus ist zu prüfen, ob die Prüfer ihre Bewertung auf Tatsachen und Feststellungen gestützt haben, die einer sachlichen Überprüfung standhalten, ob sie bei ihrer Bewertung den Zweck, dem die Prüfung dient, verkannt haben und ob ferner die Bewertung in sich schlüssig und nachvollziehbar ist und den Anforderungen rationaler Abwägung nicht widerspricht. Bei der Beantwortung von Fachfragen ist dem Prüfling ein Antwortspielraum einzuräumen. Eine von ihm vorgetragene und mit gewichtigen Argumenten versehene Antwort darf nicht deshalb als falsch gewertet werden, weil die Prüfer fachlich anderer Ansicht sind als der Prüfling.
Der Maßstab einer genügenden Prüfungsleistung lässt sich indes nicht starr und ohne den Blick auf durchschnittliche Leistungen bestimmen. Aus Gründen der Chancengleichheit dürfen einzelne Aufgaben- und Prüfungsbewertungen nicht isoliert betrachtet werden, sondern müssen in einem prüfungsspezifischen Bezugs- und Vergleichsrahmen gesehen werden. Die Bewertung kann nur auf der Grundlage komplexer Erwägungen vorgenommen werden, die in einem Bezugssystem eingeordnet sind, das durch die persönlichen Erfahrungen der Prüfer bei vergleichbaren Prüfungen beeinflusst wird, und die sich im Verwaltungsstreitverfahren des Prüflings nicht ohne Weiteres losgelöst vom Vergleichsrahmen der Prüfung nachvollziehen lassen (BVerwG, B. v. 8. März 2012 – 6 B 36/11 – juris; VG Würzburg, Urt. v. 5. Juli 2017 – W 6 K 16.570, Rn. 44). Hieraus resultiert ein prüfungsrechtlicher Bewertungsspielraum des jeweiligen Prüfers (vgl. OVG Niedersachsen, Beschl. v. 10. Dezember 2009 – 5 ME 182/08 – Rn. 7). Die Bewertung unterliegt insoweit nur im darstellen Umfang einer verwaltungsgerichtlichen Kontrolle. Prüfungsspezifische Wertungen bleiben dabei der Letztentscheidungskompetenz der Prüfer überlassen (vgl. zum Vorstehenden BayVGH, Urt. v. 29. April 009 – 7 ZB 08.996 -, juris Rn. 21; Urt. v. 11. Februar 1998 – 7 B 96.2162 -, juris Rn. 26 jeweils m. w. N.).
Einer umfassenden gerichtlichen Kontrolle unterliegen indes fachwissenschaftliche Fragen, die einer fachwissenschaftlichen Richtigkeitsentscheidung zugänglich sind. Sofern sich eine Antwort im Rahmen einer Bandbreite fachlich vertretbaren Antworten hält, darf diese nicht als falsch gewertet werden; hierbei ist für ein Bewertungsspielraum der Prüfer kein Platz. Der Prüfer ist im strengen Sinne rechtlich gebunden durch die Pflicht, die ihm vorliegende Lösung der Prüfungsaufgabe zutreffend als fachlich richtig, falsch oder als zumindest vertretbar zu bewerten (Fischer, in: Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 7. Auflage 2018, Rn. 633, 634).Dabei reicht aber nicht allein die Behauptung einer fehlerhaften fachlichen Beurteilung aus. Der Kläger muss vielmehr darlegen, worin der den Prüfern unterlaufene fachliche Fehler im Einzelnen liegt. Es ist Sache des Prüflings, die Richtigkeit bzw. Vertretbarkeit seiner Auffassung gegenüber der anderen Auffassung der Prüfer mithilfe objektiver Kriterien einsichtig zu machen (VG Würzburg, Urt. v. 5. Juli 2017 – W 6 K 16.570, Rn. 45).
Liegt für die Bewertung der schriftlichen Leistung des Prüflings eine mit einem Punkteschema versehene Musterlösung oder Lösungsskizze vor, gilt, dass diese den Prüfern lediglich eine allgemein und nicht verbindliche Hilfestellung geben (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3. April 1997 – BVerwG 6 B 4.97 -; Beschl. v. 11. Juni 1996 – BVerwG 6 B 88.95). Die Verwendung solcher Musterlösungen und Lösungsskizzen ist grundsätzlich zulässig und zur Vereinheitlichung der Bewertung geboten, auch soweit darin vorgegeben wird, für welche Teillösungen maximal wie viele Punkte vergeben werden und wie viele Punkte zur Vergabe eines bestimmten Notenpunktes führen können. Diese Vorgaben können lediglich die Grundlage dafür bilden, einzelne Teile der Aufgabenstellung zu gewichten und deren Abgleich untereinander nach ihrer Bedeutung und Schwierigkeit erleichtern helfen. Das in der Musterlösung oder einer Lösungsskizze vorgeschlagene Bewertungssystem darf aber nicht zu einer Bindung dahingehend führen, dass die Übereinstimmung bestimmter Ausführungen in der Klausur mit dem Lösungsvorschlag in der Musterlösung oder der Lösungsskizze zwingend zur Vergabe bestimmter Leistungspunkte führen müsste. Eine derart weitgehende Bindung würde dem prüfungsspezifischen Bewertungsspielraum der Prüfer widersprechen. Denn es ist nach den allgemein anerkannten Grundsätzen des Prüfungsrechts u. a. Aufgabe allein des Prüfers zu entscheiden, ob Ausführungen an der richtigen Stelle stehen, den zutreffenden Umfang haben und deshalb im Zusammenhang mit den übrigen Ausführungen und den Leistungen anderer Kandidaten zur Vergabe eines oder mehrerer Punkte führen. Ob und in welcher Weise bei Anwendung eines Punkteschemas Punkte jeweils zu vergeben und wie einzelne Prüfungsbestandteile zu gewichten sind, ist hierbei in weitgehendem Umfang der gerichtlichen Kontrolle entzogen, weil dem Prüfer bei der Vergabe von Punkten ein weiter Bewertungsspielraum verbleibt (vgl. Niedersächsisches OVG, Urt. v. 8. Mai 2002 – 2 L 6330/96 -, OVGE MüLü 49, 361 -, juris Rn. 44 f.; FG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 1. September 2009 – 12 K 12086/07 -, juris Rn. 35 jeweils m. w. N.).
d) Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes für die gerichtliche Kontrolle rechtfertigen die durch die Klägerin vorgetragenen Einwendungen die Annahme eines Fehlers in der Bewertung der Prüfung vom 14. September 2020 nicht.
Im Einzelnen ist zu den angefochtenen Prüfungsaufgaben Folgendes auszuführen:
aa) Aufgabe 7 der schriftlichen Teilprüfung lautete wie folgt:
„Die angespannte Personalsituation zwingt die Sporthaus B.. GmbH, umgehend Ziele zu setzen.
Erläutern Sie – ausgehend von drei negativen Entwicklungen – jeweils ein strategisches Ziel sowie je ein taktisches und ein operatives Ziel, um der aktuellen Personalsituation entgegenzuwirken.“
Die Klägerin erhielt 0 von insgesamt 9 erreichbaren Punkten. Hierbei sah die Erstkorrektorin zunächst 4 Punkte, der Zweitkorrektor 0 Punkte vor. Die Vergabe von 4 Punkten wurde nach schriftlicher Korrektur ausweislich der Anmerkungen der Prüferin auf dem Lösungsbogen der Klägerin von zunächst 4 Punkten auf 0 Punkte geändert und enthielt den Vermerk, dass sich die Ziele aufeinander beziehen sollten.
Gegen die Bewertung mit 0 Punkten wendet die Klägerin ein, dass diese nicht nachvollziehbar sei, da aus der eingereichten Lösungsskizze werde deutlich, dass sie zutreffend und aufgabengemäß strategische, taktische und operative Ziele genannt habe.
In seiner schriftlichen Stellungnahme im Rahmen des Widerspruchsverfahrens führte Herr A. als Mitglied des Prüfungsausschusses aus, dass keine Ziele genannt worden seien. Die genannten Punkte seien lose aneinandergereiht. Herr W. gab in seiner Stellungnahme an, sich der 0-Punkte-Bewertung anzuschließen, da keine Zusammenhänge dargestellt und damit die Abläufe strategischer, taktischer und operativer Ziele nicht dargelegt worden seien. Es sei kein Bezug der Ziele aufeinander zu erkennen. Frau S., welche zuvor 4 Punkte vergeben und diese sodann auf 0 Punkte geändert hatte, gab in ihrer schriftlichen Stellungnahme an, der Argumentation ihres Ausschusskollegen (des Zweitkorrektors Herr A.) gefolgt zu sein und sich der Bewertung von 0 Punkten anzuschließen. Es seien durch die Klägerin nicht konkret die negativen Entwicklungen des Unternehmens im Personalbereich beachtet worden. Auch seien die SMART-Kriterien nicht angewandt worden. Hierbei hätte deutlich werden können, dass bestimmte Ziele nicht ausreichend formuliert worden und andere nicht realistisch umsetzbar gewesen seien. Insgesamt hielt der Prüfungsausschuss (einstimmig) an der Bewertung mit 0 Punkten fest.
Soweit die Klägerin sich auf die Angaben in der Lösungsskizze beruft, handelt es sich bei dieser lediglich um eine allgemein und nicht verbindliche Hilfestellung für die Prüfer (vgl. BVerwG, Beschl. v. 3. April 1997 – BVerwG 6 B 4.97 -; Beschl. v. 11. Juni 1996 – BVerwG 6 B 88.95). Wie bereits ausgeführt lässt sich der Maßstab einer genügenden Prüfungsleistung nicht nach festgelegten Kriterien und ohne den Blick auf durchschnittliche Leistungen bestimmen, sondern muss in einem prüfungsspezifischen Bezugs- und Vergleichsrahmen gesehen werden. Die Bewertung kann nur auf der Grundlage komplexer Erwägungen vorgenommen werden, die in einem Bezugssystem eingeordnet sind, das durch die persönlichen Erfahrungen der Prüfer bei vergleichbaren Prüfungen beeinflusst wird, und die sich im Verwaltungsstreitverfahren des Prüflings nicht ohne Weiteres losgelöst vom Vergleichsrahmen der Prüfung nachvollziehen lassen (BVerwG, B. v. 8. März 2012 – 6 B 36/11 – juris; VG Würzburg, Urt. v. 5. Juli 2017 – W 6 K 16.570, Rn. 44). Die Nennung einzelner Punkte, welche in der Lösungsskizze enthalten sind, muss nicht zwingend zur Vergabe einer bestimmten Punktzahl führen, auf was die Klägerin nunmehr jedoch abstellt. Vielmehr obliegt es dem Beurteilungsspielraum des jeweiligen Prüfers, die erbrachte Prüfungsleistung – auch in Vergleich zu anderen Prüfungsleistungen – einzuschätzen und dementsprechend zu bewerten.
Der Umstand, dass die Klägerin größtenteils schlagwortartig und in Stichpunkten einzelne, in der Lösungsskizze aufgeführte Ziele benannt hat, führt gerade nicht dazu, dass diese nunmehr einen zwingenden Anspruch auf Vergabe einer gewissen Punktzahl hat. Eine Erläuterung der genannten Ziele erfolgte entgegen der Aufgabenstellung nicht. Wie von den Mitgliedern des Prüfungsausschusses ausgeführt, umfasst die von der Klägerin im Rahmen der schriftlichen Prüfung formulierte Antwort keine Zusammenhänge zwischen den einzelnen Zielen. Zu Recht führte die Prüferin Frau S. aus, dass auch die SMART-Kriterien zur Erläuterung nicht herangezogen worden sind. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass hier vom Prüfungsausschuss richtige und vollständige Antworten unrechtmäßig nicht mit der vollen Punktzahl honoriert worden wären. Für das Gericht ist die Bewertung der Leistung durch den Prüfungsausschuss, die die Klägerin in diesem Prüfungsteil erbracht hat, auf Grund der Stellungnahmen im Widerspruchsverfahren insoweit nachvollziehbar. Es obliegt dem Bewertungsspielraum des jeweiligen Prüfers, die von der Klägerin gegebene Antwort entsprechend zu würdigen. Soweit die Leistung der Klägerin aufgrund der vom Prüfungsausschuss genannten Erwägungen mit 0 Punkten bewertet worden ist, ist eine Überschreitung des prüfungsrechtlichen Bewertungsspielraums nicht feststellbar. Ein der gerichtlichen Kontrolle unterliegender Bewertungsfehler ist damit nicht ersichtlich. Auch liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Prüfer anzuwendendes Recht verkannt haben, von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen sind, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe verletzt haben oder sich von sachfremden Erwägungen haben leiten lassen. Derartiges ist von der Klägerin auch nicht vorgetragen worden.
Die Bewertung mit 0 Punkten ist rechtlich damit nicht zu beanstanden.
bb) Aufgabe 9 der schriftlichen Teilprüfung lautete wie folgt:
„Die Warenkundenseminare sollen so schnell wie möglich direkt bei den Herstellern nachgeholt werden, die übrigen Seminare bei den privaten Bildungsträgern.
Erläutern Sie drei Möglichkeiten, wie Sie den Erfolg der einzelnen Qualifikationsmaßnahmen beurteilten können.“
Die Klägerin erhielt 8 von insgesamt 9 erreichbaren Punkten (Einzelbewertungen: 9 und 6 Punkte)
Hierbei rügt die Klägerin, sogar vier Möglichkeiten genannt und erläutert zu haben. Dies habe ein Prüfer auch mit der vollen Punktzahl honoriert. Insoweit sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen der andere Prüfer lediglich 6 von 9 möglichen Punkten vergeben habe. Die Ausführungen der Klägerin entsprächen insoweit den Lösungshinweisen.
Der Prüfungsausschuss begründete die Nichtvergabe der vollen Punktzahl damit, dass nur drei statt vier Möglichkeiten dargestellt werden sollten. Die vierte Möglichkeit habe daher keine Berücksichtigung finden können. Zur Vergabe der vollen Punktzahl habe es an einer Begründung gefehlt, wie der Erfolg konkret bemessen werden soll. Des Weiteren sei in der Bearbeitung nur Bezug auf die Warenkundenseminare der Hersteller genommen worden. Der Kontext sei durch die Klägerin dementsprechend zu einseitig betrachtet worden.
Unter Betrachtung der von der Klägerin zur Aufgabe niedergelegten Antwort lässt sich ersehen, dass diese – wie vom Prüfungsausschuss zur Begründung der niedrigen Punktzahl herangezogen – keine Angaben zur Bemessung des Erfolges enthält. Es liegen damit nachvollziehbare Gründe vor, nicht die Höchstpunktzahl zu vergeben. Insoweit ist nicht ersichtlich, dass hier vom Prüfungsausschuss richtige und vollständige Antworten unrechtmäßig nicht mit der vollen Punktzahl honoriert worden wären.
Auch ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass die vierte aufgeführte Antwortmöglichkeit bei geforderten drei Möglichkeiten nicht berücksichtigt worden ist, da der jeweilige Prüfling ansonsten stets Lücken in den vorigen Antworten durch zusätzliche Antworten ausgleichen könnte. Hierbei enthielt auch das der Klägerin ausgehändigte Aufgabenblatt auf Seite 1 den Hinweis, dass bei Aufgaben, in denen eine exakte Anzahl an Antworten vorgeben ist, lediglich die ersten Antworten gewertet und die über die exakte Anzahl hinausgehenden Antworten gestrichen würden. Insoweit erscheint es nicht willkürlich oder gar unsachgerecht, lediglich die ersten drei Antwortmöglichkeiten zur Bewertung heranzuziehen. Die Bewertung ist in sich schlüssig und nachvollziehbar. Ein Verstoß gegen Beurteilungsmaßstäbe ist nicht gegeben. Ebenso ist die Bildung des Mittelwertes aus 6 und 9 Punkten zu 8 Punkten nicht zu beanstanden, zumal hier sogar bei einem exakten Mittelwert von 7,5 Punkten die höhere Punktzahl vergeben worden ist.
Damit ist auch in Aufgabe 9 die erfolgte Punktevergabe von insgesamt 8 Punkten nicht zu beanstanden.
cc) Aufgabe 11 der schriftlichen Teilprüfung lautete wie folgt:
„Die hohe Fluktuationsrate beunruhigt Herrn B….
Unterbreiten Sie begründet anhand von zwei Beispielen Vorschläge, wie die Sporthaus B… GmbH in der aktuellen Situation der Fluktuation zukünftig entgegenwirken kann.“
Die Klägerin erhielt 7 von insgesamt 8 erreichbaren Punkten (Einzelbewertungen: 8 und 6 Punkte)
Die Klägerin trägt hierzu vor, dass die Einzelbewertung von 6 Punkten und ein damit gebildeter Mittelwert von 7 Punkten nicht gerechtfertigt sei, da ihre Antwort dem Inhalt der Lösungshinweise entspräche.
Der Prüfungsausschuss führte zur Begründung der Bewertung aus, dass durch die Klägerin zwar zutreffend zwei Fluktuationsgründe genannt worden seien. Jedoch seien nach Stellungnahme des Herrn A. als Mitglied des Prüfungsausschusses bezüglich der Auszubildenden die Angabe der Schaffung von Übernahmegarantien nicht ausreichend. Herr W. führte in seiner schriftlichen Stellungnahme im Rahmen des Widerspruchsverfahrens aus, dass er lediglich 4 Punkte vergeben hätte, da nur das Thema Auszubildende behandelt und diesbezüglich Vorschläge unterbreitet worden seien. Der Prüfungsausschuss einigte sich auf ein Festhalten an der Gesamtbewertung von 7 von insgesamt 8 erreichbaren Punkten.
Soweit die Klägerin sich auf die Angaben in der Lösungsskizze beruft, wird auf die vorherigen Ausführungen verwiesen. Die Nennung einzelner Punkte, welche in der Lösungsskizze enthalten sind, muss nicht zwingend zur Vergabe einer bestimmten Punktzahl führen. Dementsprechend folgt dem Umstand, dass die Klägerin in ihrer Prüfung – wie von ihr bei Klagebegründung in der Lösungsskizze markiert – die „Perspektive auf Weiterbildung“ genannt hat, welche sich in der Lösungsskizze unter dem Punkt „Fortbildung zum geprüften Handelsfachwirt“ finden lassen kann, nicht die bindende Rechtsfolge, dass diese nunmehr einen gebundenen Anspruch auf Vergabe einer höheren bzw. hier sogar der von ihr geltend gemachten vollen Punktzahl hat.
Die Prüfer und Mitglieder des Prüfungsausschusses haben indes sachlich nachvollziehbare Gründe vorgetragen, im Rahmen des ihnen zustehenden Beurteilungsspielraums von einer Bewertung mit der vollen Punktzahl abzusehen. Es liegen gerade keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Bewertungsspielraum durch die Prüfer überschritten oder der dem Prüfling zustehende eigene Spielraum zur Beantwortung der Klage missachtet worden wäre. Einen gebundenen Anspruch auf die Vergabe der vollen Punktzahl kann die Klägerin aus der Nennung einzelner, in der Lösungsskizze enthaltener Punkte, nicht ableiten.
c) Im Ergebnis lassen sich die konkret vorgenommenen Bewertungen der Aufgaben 7, 9 und 11 durch entsprechende Tatsachen und Feststellungen begründen, die einer sachlichen Überprüfung zugänglich sind und dieser standhalten. Die jeweiligen Bewertungen sind in sich schlüssig. Auch die Stellungnahmen der Mitglieder des Prüfungsausschusses im Widerspruchsverfahren lassen die Bewertung der schriftlichen Prüfung nachvollziehbar erscheinen. Die Bewertungen der Aufgaben angefochtenen Aufgaben sind damit rechtlich nicht zu beanstanden.
Im Übrigen sind hinsichtlich dieser Aufgaben etwaige Bewertungsfehler, etwa durch Verkennung des anzuwendenden Rechts, durch Ausgehen von einem unrichtigen Sachverhalt, durch Verletzung allgemeiner Bewertungsmaßstäbe oder durch Einbringung sachfremder Erwägungen, nicht erkennbar. Anhaltspunkte für Verfahrensfehler oder Fehler in der Berechnung des Prüfungsergebnisses sind nicht gegeben.
Eine Kontrolle der übrigen, nicht im Einzelnen angegriffenen Prüfungsaufgaben auf die Richtigkeit ihrer Bewertung hat indes nicht zu erfolgen. Zwar ermittelt das Gericht den Sachverhalt von Amts wegen (§ 86 Abs. 1 VwGO), sucht jedoch nicht von Amts wegen nach Bewertungsfehlern. Der Prüfungskandidat muss vielmehr konkrete und substantiierte Einwendungen gegen die gerügte Bewertung seiner Prüfungsarbeit vorbringen. Er darf sich nicht darauf verlassen, dass sich schon irgendein Bewertungsfehler finden werde (BVerwG, Beschl. v. 1. September 1992 – 6 B 22/92 – juris). Die Grenze ist demnach dort, wo das Klagevorbringen keinen tatsächlichen Anlass zur weiteren Sachaufklärung bietet.
Nachdem sonst keine Verfahrens- oder Bewertungsfehler dargelegt worden oder ersichtlich sind, war die Bewertung der Prüfungsleistung der Klägerin durch den Bescheid der Beklagten vom 10. November 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Februar 2021 rechtmäßig, sodass die Klage keinen Erfolg haben konnte.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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